Dreyzehender Absatz

[633] Beschreibet / wie ein anderer / Nahmens Evsephilistus / um Macarien Gunst sich bemühet /und dieselbe / Polyphilo[633] zu entziehen / gesuchet /auch mit was Bedienungen: Lehret den sechsten Anstoß der Tugend-Verliebten / die Verfolgung.


Das war Polyphili Brief und Verrichtung. Was thut aber indessen Macarie: Diese / nach dem sie den ersten Brief Polyphili erhalten / verwunderte sie dessen Beständigkeit und getreue Liebe / ja! sie verehrete dieselbe / mit etzlichen Gedichten / und preisete die Vollkommenheit Polyphili / mit so gezierten Worten /daß sie selber eine heimliche Freude und Ergötzung darob empfieng. Aber ach! der nichtigen Freud! die /ehe sie gebohren / wieder verderben muß / und mitten in ihrem Wachsthum / verdorren. Kaum hatte Polyphilus das Hertz der schönen Macarien gewonnen /und ihre Einsamkeit besieget / als ein anderer die Beute davon tragen wolte. Kaum hatte auch Macarie ihre Betrübnus / mit der Liebe Polyphili / befreyet /da sie von einem Fremden / durch unbegehrte Fessel /hinwieder solt gebunden werden. Was wird nun Polyphilus sagen? Er wird bekennen müssen / daß er solches an Macarien verschuldet / mit der Liebe / da er Apatilevcherin mit geliebet. Wie wird sich Macarie trösten? Sie wird ihr Verbrechen anklagen / welches sie freywillig / aus der befreyten Ruhe / in die unruhige Dienstbarkeit versetzet. Beyde fühlen sie den ersten Anstoß / der Widerwertigkeit / welchen Macarie ihrer Liebe selbsten verkündet. Dann es war ein Einwohner der Insul Soletten / welcher sich düncken ließ / etwas vor andern zu seyn. Dieser kam in Erfahrung / daß Polyphilus (von dem er so[634] viel gehöret) die Einsamkeit ihrer Göttin zerstöret / und sie mit einer solchen Liebe gegeneinander brenneten / die das Band der Ehe schliessen werde. Nun war er schon / vor dem / in der Schönheit / der wunder-schönen Macarien / so ersoffen / daß er / wiewol heimlich / doch öffters über seine Liebe klagen dorffte: Wie er aber eine fromme Einfalt war / und ein feiges Hertz hatte /daß sich nicht erkühnen dorffte / den Vorsatz Macarien / der auf die Einsamkeit zielte / zu bestreiten /quälete er sich immerfort / mit heimlicher Brunst /und lag gefangen in der Furcht / er möchte an statt der Liebe Haß / und vor Gunst Ungunst verdienen. Endlich aber / weil sich das Feuer nicht länger bergen ließ / suchet er / unter dem Schein zugelassener Freundschafft / Gelegenheit / sie heimzusuchen / und um fernere Bekantschafft zu werben: die ihm dann /theils die Gebühr der Höflichkeit / so Macarie gegen männiglich zu gebrauchen wuste / theils das besondere Verbündnus / so sie ihm / ihn hinwieder ihr / durch eine ungemeine Freund- und Verwandschafft / etwas mehr / als andere Freunde / verpflichtet / unschwer erwerben konte.

Noch zur Zeit gedachte Macarie an keine Liebe /die Evsephilistus / (so hieß der neue Werber) gegen sie tragen werde. Dann ihm die leidtragende Furcht /solche zu eröffnen auch dißmal noch nicht gestattet. Aber was geschicht? Wie das Unglück allemahl mehr Beförderung hat / als das Glück: so wurde Macarie von ihren Befreunden gebeten / mit ihnen eine Spatzier-Fuhr zu thun / weil gar ein lieblicher Tag war: ohne Zweifel aus Anstifften Evsephilisti. Dann dieser war ein Begleiter ihrer Fahrt. Da sie nun an begehrten Ort ausstiegen / und sich[635] eine Zeitlang frölich erweisen / nahm Evsephilistus Gelegenheit / so gut er konte / seine Liebe der Macarien zu öffnen / und mit entdeckten Worten / ihre Ehe zu begehren. Aber wo nimmt er das Hertz der Künheit? Der Wein gabs ihm / welcher die menschliche Sinnen gemeiniglich höher zu heben / und kühner zu machen pfleget / als die Natur leidet. Was Macarie geantwortet / können wir nicht besser vernehmen / als wann wir sein Anbringen / mit seinen geführten Reden / hören / da wir sehen werden / wie artig der Verstand mit dem Unverstand / und die Höflichkeit / mit ihrem Gegentheil spielen können. So fragt aber / in der ersten Werbung / Evsephilistus: Macarie! hat sie mich lieb: Die antwortete: freylich hab ich euch lieb. Und Evsephilistus wieder: ich meyne / ob sie mich recht lieb habe? Freylich hab ich euch recht lieb: antwortete Macarie. Aber Evsephilistus war noch nicht vergnüget / sondern fuhr ferner fort: ich meyns nicht so / sondern möchte wissen / ob sie mich von Hertzen lieb hätte? So meyne ichs auch / sagte Macarie / ich hab euch von Hertzen lieb. Das Evsephilistus wiederholte: Ich meyne / ob sie mich allein / und sonderlich lieb habe /daß ich sie wieder lieb haben müsse? O Unverstand! O Einfalt! was solte Macarie thun / sie muste ihn /mit einer vergeblichen Hoffnung / betrügen / und seine Einfalt / mit Gedult / ertragen. Gleichwol daß sie ihn in keine unnöthige Versuchungen führe / widerlegte sie die letzte Frag / mit solcher Antwort: Ich liebe euch so fern / als es eurer Liebsten nit schädlich ist. Auf welche Wort gantze Brocken seiner innerlichen Entschliessung heraus fielen / die da behaupteten / daß er keine andere Liebsten erwählet habe /[636] oder noch wählen werde / als Macarien / die müsse /und solle seine seyn / und sonst keine. Deme allen konte aber Macarie / mit grossem Verstand / begegnen / so gar / daß sie nichts zu beförchten hätte /wegen dieses Ungestümms / welchen sie leicht ablehnen konte.

Allein es gieng der gar zu sichern Macarien / wie es in Fällen / da man sich zu viel auf eigene Kräffte verlässt / zu gehen pflegt. Dann nach dem sie Evsephilistum befriediget / kamen solcher Werbungen /von seinen Befreunden / noch mehr / daß sie sahe /wie diese Fuhr eben deßwegen angestellet / mit Ernst an sie zu setzen / darüber dann die verliebte Macarie /in solche Bestürtzung gerieth / daß sie sich kaum trösten konte / bevor / wann sie an ihren Polyphilum gedachte. Dann das sahe Macarie schon vor Augen / daß sie / dafern sie nicht freywillig lieben wolle / zu der Liebe Evsephilisti werde gezwungen werden: einmal durch den Befehl deren / die sie zu befehlen hatten: hernach deren beförchtenden Haß / so gewiß erfolgen werde / auf der andern Seiten / dafern sie sich halßstarrig widersetzte: doch tröstete sie ihre Tugend und Verstand / welche mit der List Polyphili vereiniget /diesen Begierden schon widerstehen würden / deßwegen sie alles mit Höflichkeit und dem Gelübd der Einsamkeit abwandte.

Quelle:
Maria Katharina Stockfleth: Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie, 2 Bände, Band 1, Nürnberg 1669, S. 633-637.
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