3.

[186] Gleich jenem Luftgespenst der Wüste

Gaukelt vor mir

Der Unsterblichkeitsgedanke;

Und in den bleichen Nebel der Ferne

Täuscht er dein Bild.
[186]

Markverzehrender Hauch der Sehnsucht,

Betäubende Hoffnung befällt mich;

Aber ich raffe mich auf,

Dir nach, dir nach;

Jeder Tag, jeder Schritt ist zu dir.


Doch, unerbittliches Licht dringt ein;

Und vor mir dehnt es sich,

Öde, voll Entsetzen der Einsamkeit;

Dort in der Ferne ahn ich den Abgrund;

Darin das Nichts. –


Aber weiter und weiter

Schlepp ich mich fort;

Von Tag zu Tag,

Von Mond zu Mond,

Von Jahr zu Jahr;


Bis daß ich endlich,

Erschöpft an Leben und Hoffnung,

Werd hinstürzen am Weg

Und die alte ewige Nacht

Mich begräbt barmherzig,

Samt allen Träumen der Sehnsucht.

Quelle:
Theodor Storm: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 41978, S. 186-187.
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