Ständchen

[210] Weiße Mondesnebel schwimmen

Auf den feuchten Wiesenplanen;

Hörst du die Gitarre stimmen

In dem Schatten der Platanen?


Dreizehn Lieder sollst du hören,

Dreizehn Lieder, frisch gedichtet;

Alle sind, ich kann's beschwören,

Alle nur an dich gerichtet.


An dem zarten schlanken Leibchen

Bis zur Stirne auf und nieder,

Jedes Fünkchen, jedes Stäubchen,

Alles preisen meine Lieder.
[210]

Wahrlich, Kind, ich hab zuzeiten

Übermütige Gedanken!

Unermüdlich sind die Saiten,

Und der Mund ist ohne Schranken.


Vom geheimsten Druck der Hände

Bis zum nimmersatten Küssen!

Ja, ich selber weiß am Ende

Nicht, was du wirst hören müssen.


Laß dich warnen, laß mich schweigen,

Laß mich Lied um Liebe tauschen;

Denn die Blätter an den Zweigen

Wachen auf und wollen lauschen.


Weiße Mondesnebel schwimmen

Auf den feuchten Wiesenplanen;

Hörst du die Gitarre stimmen

In dem Schatten der Platanen?


Quelle:
Theodor Storm: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 41978, S. 210-211.
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