Die Rose im Meer

[249] Es schwamm im Meer, im rauschenden Meer,

Eine sturmgebrochne Rose her,

Eine Rose, voll und licht;

Sie schwamm auf schaukelnder Wogenbahn

Hinab, hinan,

Rings um sie rauschte der Ozean,

Und er verschlang sie nicht.


Wie ein rosig Weib, das traumbesiegt

Auf grüner, schwellender Matte liegt,

So lag sie auf grüner Flut;

Der blühende Schein, der Farbenduft

In Meer und Luft

Durchglomm die smaragdene Wassergruft

Mit reiner Rosenglut.


Die Wellen küßten sich gar nicht satt.

Auf perlenstrahlender Lagerstatt

Erwachte die Fei der See:

Was leuchtet über dem feuchten Schwall,

Allüberall?

Es flammt wie der glühende Sonnenball

Und tut dem Auge nicht weh!


Die Muscheln schminkten sich rosenrot,

Die Korallen schämten sich fast zu Tod,

Verwundert schaute das Meer:

Wo kamest Du her, wer magst Du sein,

Du schöner Schein?

Fielst Du vom Felsen ins Meer hinein,

Fielst Du vom Himmel her?


Der Welt erkältenden Wellentau

Durchschwimmst Du allein, Du schöne Frau,

Und machst ihn farbig erglühn.

Wir wissen es nicht, woher Du schwammst,

Woher Du flammst,

Ob Du von der Erde, vom Himmel stammst,

Genug, wir sehen Dich blühn!

Quelle:
Moritz von Strachwitz: Sämtliche Lieder und Balladen, Berlin 1912, S. 249.
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