[Von Rothenburg die Edelfrau]

[203] Von Rothenburg die Edelfrau,

Die weint' in Schmerz und Stolze,

Sie schritt allein durch die Halle grau –

Der Junker schweift im Holze!


»Nun helfe mir Gott auf seinem Thron,

Ein Ende hat der Zweifel,

Ich habe gesehn den eigenen Sohn

Umarmen den schlimmen Teufel!«


Ich hab' sie gesehen, die Hexenbraut,

Sie hat zwei Augen wie Räder,

Durch ihre gleißende Schwanenhaut

Durchscheint das blaue Geäder.«


»Sie tat ihn mit beiden Armen fest

Umringeln und umgattern,

Mir war's, als schlief er im Schlangennest

Und um ihn gerollt die Nattern.«


»Die Glocken klangen so feierlich,

Er schlief gleich einem Tauber,

Er hat vergessen auf Gott und mich,

Ich aber breche den Zauber!«


Die Freifrau ritt zu Walde flink,

Ihr folgten die Trabanten,

Sie ritten zusammen den Elfenring,

Das Gras sie niederbrannten.


Sie pflügten den Boden stumm und schnell,

Salz säten sie in die Ritze,

Drauf türmten sie Schutt und Mauergeröll'

Und pflanzten ein Kreuz zur Spitze.
[204]

Die Burgfrau warf den ersten Stein,

Ein Stein ihr sank vom Herzen:

»Maria, süße Magedein,

Dir weih' ich zweihundert Kerzen!«


»Zweihundert Kerzen blütenweiß

Alljährlich ich Dir weihe; –

Ich habe gesprengt den Zauberkreis

Und habe gebannt die Feie!« –

Quelle:
Moritz von Strachwitz: Sämtliche Lieder und Balladen, Berlin 1912, S. 203-205.
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