Die Perle der Wüste

[190] (Journal de Smyrne)


Zum Pascha von Beirut, vor seinem Heere,

Als just die Schaufel hielt der Bügelhalter,

Her trat ein Araber vom Roten Meere.


Es war ein brauner Scheich in rüst'gem Alter,

Weiß war sein Kleid, an dunkelroter Schleife

Da hing sein Perserschwert, sein Turbanspalter.


Es floß der Bart in vollster Schwärz' und Reife

Auf unsres Emirs bronzebraune Büste,

Er hielt ein Pferd am schmalen Zügelstreife.


Dreimal die Erde schlug sein Mund und grüßte

Den Pascha, der hinschielend nach der Stute

Gar gnädig sprach: »Steh auf, o Sohn der Wüste!«


Darauf der Scheich mit schmerzbewegtem Mute:

»Ich bringe Dir ein Roß, o Herr, zu Kaufe

Von der Koylani allerreinstem Blute.«


»Ein flücht'ger Staub der Wüste ist's im Laufe,

Doch fest wie Sinai, der Wolkenträger,

So steht's in des Gefechtes Feuertaufe.«


»Kennst Du den S'mum, den todbeschwingten Jäger?

Oft hab' ich ihn ereilt im tollsten Jagen

Und ihn beim Bart gezaust, den Steppenfeger.«


»Nimm hin das Roß, ich würd' ihm nie entsagen,

Wenn nicht der Hunger mir, der Markzerfresser,

Die dürren Krallen in das Fleisch geschlagen.«


»Nimm hin das Roß, nie ritt ein Fürst es besser,

Nie trank ein edles Tier mit Durstgelüste

Der Wüstenquelle heiliges Gewässer.«
[191]

»Ich gäb' es nicht um Ormus Perlenküste!

Doch! In der Öde hungern meine Knaben,

Und meinem Weibe dorrt der Quell der Brüste!«


Also der Mann, und in die Runde traben

Ließ er am Seil den vielgepries'nen Renner:

»Für tausend Tamans sollst das Tier Du haben.«


Der Türke schmunzelte, er war ein Kenner,

Die Stute war von wundervollem Baue,

Und schnurrbartstreichend staunten seine Männer.


Es schimmerte das Fell im reinsten Graue,

Gleich mattem Silber oder weißem Samte,

Gestrichen von der Hand der schönsten Fraue.


Schaumwellen glich die Mähn', das Auge flammte,

Im Bogen flog der Schweif, wild schnob die Nase,

Wenn sich das Bein zum Niedersetzen strammte.


Nicht eine Wunde schlug der Huf im Grase,

So, selbstgefällig an dem seid'nen Stricke,

Hinprahlte sie, die Tochter der Oase. –


Der Pascha winkte freudig mit dem Blicke;

Der Seckelmeister trat zum Beduinen,

Aufs Zählbrett pflanzend tausend blanke Stücke.


Der aber stand mit schwermutvollen Mienen

Und wandte nicht sein Auge von der Stute,

Als dächt' er ewig ihr zum Pfahl zu dienen.


Und leise wiehernd sprang heran die Stute,

Den kleinen Kopf auf seine Schultern stützend,

Und klug und traurig sah ihn an die Stute.


Er aber sprach mit Augen feucht erblitzend:

»Du wirst nicht mehr mit mir die Luft durchsausen,

Den Sand von Deinen Fersenbüscheln spritzend;«
[192]

»In Marmorställen wirst Du fürder hausen,

Du wirst nicht mehr im Zelt mein Lager wärmen,

Nicht mehr mit meinen Kindern Datteln schmausen;«


»Nein, federprunkend, unter Pracht und Lärmen,

Mit goldnen Zügeln, perldurchwirkten Mähnen,

Wirst Du vor prächtigen Geschwadern schwärmen!«


Und reubewältigt knirscht' er mit den Zähnen

Und küßte auf den Hals das Tier und weinte,

Und selbst die Stute weinte helle Tränen.


Da vor dem Pascha, welcher höhnisch greinte,

Küßt' er den Staub und schrie: »Nimm ab den Sold mir,

Um den mein Roß ich zu verschachern meinte;«


»Gib mir mein Roß; was soll das schnöde Gold mir,

Als daß mein Roß damit zur Schlacht ich schmücke.

Gib mir mein Roß zurück, o Herr, sei hold mir!«


Darauf der Pascha: »Juckt Dich Dein Genicke?

Mein ist das Pferd, Dein ist das Geld, so bleib' es,

Und gehst Du nicht, lass' ich Dich hau'n in Stücke!«


Doch jener, immer noch gebognen Leibes:

»Nimm, Herr, Dein Gold und laß mir meine Stute,

Die Perle meines Stamms und meines Weibes;«


»Und willst Du nicht, so nimm mich samt der Stute,

Laß mich als Troßknecht Deine Pferde striegeln,

Ich kann nicht heimgehn ohne meine Stute!«


Der Pascha rief, und aus den breiten Bügeln

Mit draht'nen Peitschen sprangen die Tataren,

Dem Lästigen die Sohlen zu beflügeln.


Der aber griff den Renner bei den Haaren

Und durch den schönen Hals mit festem Schlage

Ließ schneidend er die Perserklinge fahren.
[193]

Der Säbel schnitt – und lautlos, ohne Klage,

Sah er sein köstlich Tier zusammenknicken,

Das blickt' ihn an, als ob's noch Dank ihm sage.


»Dich wird fürwahr kein fremder Sattel drücken,

Kein fremder Daumen wird Dein Kammhaar fassen,

Kein fremder Sporn die Flanke Dir zerstücken! –


Mich aber, Pascha – magst Du pfählen lassen!«

Quelle:
Moritz von Strachwitz: Sämtliche Lieder und Balladen, Berlin 1912, S. 190-194.
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