Heinrich der Finkler

[197] Du Vaterlandsretter, Städtegründer,

Groß im Gewinnen, größer im Bewahren,

Sei mit gesegnet, Heidenüberwinder!


Matt zuckte unterm Säbel der Barbaren

Das Reich, und stampfend über deutsche Saaten

Hinging das Roß des Wenden und Magyaren.


Von seinen Fürsten ward das Land verraten,

Die würgten sich und riefen sich zum Bunde

Den grimmen Heiden her zu grimmen Taten.


Durch Österreich, da ritt in böser Stunde

Die maulwurfsäugige Kentaurenhorde,

Das Volk des Attila, die Brut der Hunde.


Als wie die Sündflut über alle Borde

Hinschwoll der Greuel durch das Land der Väter,

Das röchelte im ungeheuren Morde.


Von Blut und Flammen widerschien der Äther,

Nicht Einer kam, kein Retter und kein Ringer,

Denn selbst der Priester wurde zum Verräter.


Und alle Jahre kamen die Bezwinger,

Und jährlich ärmer ward und jährlich schwächer

Das große Reich der kleinen Karolinger. –


Und übersatt vom bittren Schmerzensbecher,

Auf seinem Todbett lag Konrad der Franke,

Der sprach: »Ich will Euch küren einen Rächer.«


»Ich stritt mit ihm der Krone hier zu Danke,

Nun nehmt sie hin, es trage sie derselbe,

Er wird sie halten, ob im Sturm sie schwanke.«


»Und dieser Krone leuchtendes Gewölbe,

Er läßt es flammen weit in aller Fährde; –

Es ist der Herzog von dem Land der Elbe.« –
[198]

In heil'ger Morgenluft am Vogelherde,

Da drücken sie den Reif ihm in die Locken,

Auf hohem Berg vor aller deutscher Erde.


Und alle Lande staunten froh erschrocken,

Denn allwärts warf die Krone ihre Strahlen,

Und rings von selber rührten sich die Glocken.


Sie schien allmächtig zu den tiefsten Talen

Und ließ die Waffen in Demanten zittern,

Die Wälder sich mit grünem Gold bemalen.


Es tät der Aar die junge Sonne wittern,

Der deutsche Aar, der lag in Schmach und Frone,

Da scholl sein Flügelschlag gleich Lenzgewittern,


Und zu dem neuen Licht der Kaiserkrone

Stieg er empor, das sieghaft und allmächtig

Hinstrahlte von des Bergs grünsamt'nem Throne.


Es stand der erste Heinrich ernst bedächtig,

Ein Münster, dem der Sonnengott beim Tagen

Sein Diadem aufs Haupt setzt flammenprächtig.


Er tät die Krone auf dem Scheitel tragen,

Als könnt' er nun und nimmer sie verlieren,

Hochhäuptig, allgewaltig tät er ragen.


Und wie zu dreimal heil'gen Racheschwüren

Streckt er die Hand empor zum Wolkenmeere,

Als spräch' er zu den schweigenden Revieren:

»Ich will ein Rächer sein der deutschen Ehre!«

Quelle:
Moritz von Strachwitz: Sämtliche Lieder und Balladen, Berlin 1912, S. 197-199.
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