a.

[409] Vor Zeiten lebte auf Haus Middoge ein Junker, der wegen seiner Gottlosigkeit und seines wüsten Wesens durch ganz Jeverland berüchtigt war. Auf seiner Meierei hielt er sich zum tiefen Verdrusse seiner Frau eine Beischläferin, die besuchte er, so oft es ihm beliebte und ohne alle Heimlichkeit, sodaß seine Frau, wenn er von der Meierei heimkehrte, durch das Gesinde immer schon wußte, wo er gewesen war. Es war nicht der Frauen Art, ihren gerechten Zorn über des Mannes Untreue in sich zu schlucken, und sie begrüßte den Junker jedesmal, wenn er heim kam, mit einer Flut scharfer und bitterer Worte. Der Junker aber ließ sich das nicht anfechten, und wenn er wieder bei seiner Beischläferin war und von dem letzten Empfange bei seiner Frau sprach, pflegte er nur zu sagen: »All wär Kief,« schon wieder Gekeif. Darum heißt die Meierei, am Wege von Middoge nach Tettens unweit Haus Middoge belegen, noch bis auf den heutigen Tag Kiefhaus.

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 2, Oldenburg 21909, S. 409.
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