c.

[353] Im Anfange des vierzehnten Jahrhunderts lebte auf Windbergs Stelle zu Schwaneburg ein Ehepaar, das nur einen einzigen Sohn hatte. Der Bauer führte einen wichtigen Prozeß, und eines Tages erschien der Richter aus Cloppenburg in Friesoythe, um das Urteil zu sprechen. Das Urteil fiel gegen den Bauern aus, und des letzteren Sohn ward darüber so erbost, daß er beschloß, den Richter ums Leben zu bringen. Er begab sich auf den Galgenberg, der zwischen Friesoythe und Thüle an der Straße von Friesoythe nach Cloppenburg liegt, lauerte dem Richter auf, als dieser nach Cloppenburg zurückfuhr, und erschoß ihn; dann entfloh er und pilgerte nach Jerusalem. Die Eltern waren über die Missetat ihres einzigen Sohnes sehr betrübt und voll Bekümmernis um sein Seelenheil.[353] Sie beteten viele Male für ihren Sohn und taten viele Werke der Barmherzigkeit zu seiner Seele Besten; allein sie wußten nicht, ob sie mit allen ihren Gebeten und guten Werken seine Seele wirklich retten würden. Da erschien ihnen einst im Traume ein Geist und bedeutete sie, sie sollten des Nachts ein leinenes Laken draußen unter freiem Himmel auslegen; wenn dies Laken am andern Morgen naß sei, so sei dies ein Zeichen, daß ihr Sohn noch selig werden könne. Die Eltern folgten der Weisung, und als sie am andern Morgen zusahen, war das Laken naß. Da vermachten die Eltern in der Freude ihres Herzens ihr ganzes Vermögen an ihren Knecht und ihre Magd, legten ihnen aber auf, daß sie alljährlich den vierten Teil aller auf der Stelle wachsenden Früchte an die Armen zu Oythe (d.i. Friesoythe) geben sollten, und zwar den Roggen zu Brod verbacken. Die Stiftung wurde auch ausgeführt, und die Armen von Oythe mußten jeden Sonnabend das Brod abholen, wenn eine Glocke, die auf dem Hofe in einem Baume hing, geläutet wurde. Aber die Armen zeigten sich in der Folge wenig dankbar, sondern warfen mit dem Brode, das sie abgeholt hatten, herum; deshalb wurde später der Vierte von der Windbergs-Stelle der Kirche zu Oythe übertragen, wogegen diese den Armen einige Grundstücke in der Bauerschaft Altenoythe überwies. Um das Jahr 1832 ist der Vierte abgelöst.

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 2, Oldenburg 21909, S. 353-354.
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