c.

[424] Die Hauwieker wollten einmal Holz sägen, aber da hatten sie den Block, welchen sie zersägen wollten, auf der einen Seite des Hauses und die Sägekuhle auf der anderen, und sie wußten lange keinen Rat, wie sie den Block auf die Kuhle bringen sollten. Daher wurden alle aus dem ganzen Dorfe zusammenberufen und überlegten miteinander, was anzufangen sei, bis endlich ein Zimmergesell, welcher Hock hieß und der klügste war, den Vorschlag machte, sie wollten den Block über das Haus ziehen, so gehe es leicht, denn hernach falle er von selbst auf die Sägekuhle. Alle waren einverstanden. Es wurden Stricke um den Block gebunden, und alle stiegen aufs Dach und zogen ihn hinauf. Aber als sie ihn herunterkollern ließen, fiel er über die Kuhle weg. Sie zogen ihn nochmals auf das Haus, aber es glückte wieder nicht. Sie fingen nun wieder an zu überlegen, und auch diesmal mußte Hock aushelfen; der sprach, sie sollten ihn an den Block festbinden, dann wolle er mit hinuntergleiten und ihn so steuern, daß er recht zu liegen komme. »Das ist doch vernünftig,« riefen die Hauwieker und banden ihn mit dem Rücken fest an den Block. Dann ließen sie los, und nun gings hinunter und grade auf die Kuhle zu. Da lachten die Hauwieker und sagten: »Junge, Junge, dat seeg mal ut, bold was Hock baben, un bold was Block baben!« und noch jetzt heißt es im Ammerlande und weiter sprichwörtlich: »Bold is Hock baben, bold is Block baben.« Hock hatte aber bei der Sache seinen Kopf eingebüßt. Sie machten nun die Stricke los, damit er aufstehen könne. »De is nu god ton Sackdräger«, meinten sie, denn ihm stehe der Kopf nicht im Wege. Als Hock aber ruhig liegen blieb, wunderten sie sich: »He mot doch upstahn könen, denn he is 'r anners gans god bi wegkamen, man blot de Knoop is 'r affgahn«. Aber er sei doch ein starker Mann, daß er ganz allein so geschwind mit dem schweren Block habe herunter laufen können. (Ähnlich im Münsterlande, wo die Geschichte nach Wilsen oder Wilzen verlegt wird. Der Zimmergesell heißt dort Schott.) – Die Wilsener wollten einst einen neuen Stein in ihre Wassermühle bringen. Den Stein hatten sie nahe bei der Mühle, aber da die Mühle sehr niedrig lag,[424] wußten sie nicht, wie sie es machen sollten, daß der Stein, wenn sie ihn hinunterlaufen ließen, nicht an der Tür vorbeilaufe. Endlich kamen sie auf den Gedanken, der stärkste unter ihnen müsse seinen Kopf durch das Loch stecken, dann könne er den Stein leiten. »Well is de stärkste?« riefen sie. Da trat einer vor und sagte: »Dat bün ick«. Der steckte seinen Kopf durch, verlangte aber, sie sollten etwas gegenstecken, damit ihm der Kopf nicht wieder herauskomme. Das taten sie, und als sie nun glaubten, das alles fertig sei, fingen sie an, den Stein zum Rollen zu bringen, und es ging von der Höhe herab an der Mühle vorbei ins Wasser. Als sie nun nichts mehr sahen, meinten sie, der Mann sei mit dem Steine weggelaufen und habe ihn gestohlen. So gingen sie alle aus, ihn zu suchen, aber sie konnten ihn nicht finden. Da ließen sie überall bekannt machen, wenn jemand einen Mann mit einem Mühlensteine um den Hals laufen sehe, möge er ihn anhalten, denn derselbe habe den Stein gestohlen. (Visbek.) – Die Wilsener haben lange geglaubt, sie müßten jeden Morgen die Sonne holen, sonst komme sie nicht. Sie sind deshalb alle Tage in der Frühe mit Heugabeln, Stöcken und Spaten nach Osten hinaufgegangen und haben allerlei Geschrei verübt. Erschien dann die Sonne am Himmel, so sind sie froh des errungenen Sieges nach Hause zurückgekehrt. Einst haben sie ein Fest gefeiert, dabei tüchtig bis in die Nacht hinein getrunken und darüber den Aufgang der Sonne verschlafen. Als sie schließlich aufgewacht sind und die Sonne hoch am Himmel stehen gesehen haben, haben sie geglaubt, die Sonne werde schließlich Angst vor ihnen bekommen haben und haben seitdem das Holen unterlassen. (Langförden.) – Die Wilsener haben einst ein Haus gebaut. Als es fertig gewesen, hat es im Innern an Licht gefehlt, weil man Fenster anzubringen vergessen hatte. Nach langer Beratung ist einer auf den Einfall gekommen, man solle einen Sack nehmen, die Sonnenstrahlen darin auffangen und diese dann im neuen Hause ausschütten. Der Rat fand Beifall. Man holte einen Sack herbei, ließ die Sonne hineinscheinen und brachte ihn ins Haus, aber die Finsternis wollte nicht weichen. Das Haus blieb fortan unbewohnt. Da kommt eines Tages ein Gewitter mit Sturm. Der Wind drückt eine Wand im neuen Hause ein und auf einmal ist es in dessen Innern hell und freundlich. Nun waren die Wilsener froh, daß sie eine helle Wohnung hatten. (Langförden.)

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 2, Oldenburg 21909, S. 424-425.
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