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[434] In Nordloh (Ksp. Apen) lebte ein Ehepaar, das war schon ziemlich bejahrt, hatte sich aber noch nichts erspart.[434] Da sprach eines Tages der Mann zu seiner Frau: »Es geht doch nicht länger so, daß wir alles aufbrauchen; wir müssen doch auch was für den alten Tag sparen.« Und von nun an fingen sie an zu sparen. Da kam eines Abends, als der Mann nicht zu Hause war, ein Bettler, ein ganz alter Mann, in die Tür. Die Frau bat ihn, Platz zu nehmen, und wie der Greis dies tat und müde und mit zitternden Beinen sich niederließ, seufzte er: »De olle Dag, de olle Dag!« »Was?« sagte die Frau, »de olle Dag? Seid ihr das? Dafür haben wir schon lange gespart!« Holte die dreihundert Taler, die sie zurückgelegt hatten, herbei, gab sie ihm und freute sich, daß sie jetzt davon ab sei. Der Bettler nahm das Geld mit großen Augen hin. »Ja,« sagte sie, »ihr braucht die Augen nicht so groß zu machen, richtig ist es.« Da hielt sich der Alte auch nicht lange mit Zählen auf, sondern schlich davon. Als nun der Mann nach Hause kam, lief ihm die Frau entgegen und sagte: »Denke dir doch mal, von unserm Gelde sind wie glücklich abgekommen, der alte Tag ist schon dagewesen und hats geholt!« Der Mann schalt zwar entsetzlich, aber was halfs? Sie mußten eben von vorn wieder anfangen zu sparen.

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 2, Oldenburg 21909, S. 434-435.
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