b.

[444] Es war einmal ein Bauer, der hatte einen Knecht, der ihm die Bienen hüten mußte. Nun trieb der Knecht täglich mit den Bienen aus, aber er mußte so weit weg, daß er einen Wagen mitnehmen mußte, da setzte er die Bienen hinauf, die nicht mehr gehen konnten; und täglich, wenn die Bienen gingen zu weiden, kam ein Bär und fraß ihm von den Bienen alle Tage einige auf, sodaß er oft Schelte darüber bekam. Darum ging er zu Werke und machte vorn in den Deichselbaum ein Loch und machte einen Keil, der grade in das Loch paßte. Nun fuhr er am Morgen wieder mit seinen Bienen weg und dachte: Jetzt will ich den Teufelsbären doch wohl anführen. Er beschmierte den Deichselbaum mit Honig und ging ein Endchen Weges beiseite, daß der Bär ihn nicht sehen konnte, wenn er kam. Der Bär kam, begann an dem Deichselbaum zu lecken, leckte sich ihn erst in die Kehle, dann in den Leib und zuletzt wieder hinten hinaus. Als der Knecht das sah, daß der Bär auf dem Deichselbaum saß, eins zwei drei! nahm er seinen Keil und sein Beil und schlug den Keil in das Loch und das so hitzig, daß das Beil von dem Stiele ab und in den Mond flog. Was nun für Rat? Nach Hause durfte er nicht, denn sein Beil war weg. Er besann sich ein wenig, was zu tun sei, und kam auf den Einfall, rasch etwas Dünger zusammen zu fahren und Kohl darauf zu säen. Das tat er, und in Zeit von drei Tagen war ein Kohlstengel so hoch gewachsen, daß er bis an den Mond reichte. An dem kletterte er in die Höhe, grade als der Mond darüber stand, und glücklich kam er auf diesem an. Gar lange hatte er noch nicht gesucht, als er sein Beil fand. Nun wollte er sofort zurück und an dem Kohlstengel wieder hinab, aber was war da[444] zu tun? Der Mond war unter der Weile von dem Kohlstrunk weit weggegangen, und er konnte diesen nur eben mehr sehen. Nun wird auf dem Monde viel Flachs gebaut, aber es werden dort keine Stricke gedreht. Mein Knecht kriegte darum alle alten Weiber ans Spinnen, die nur auf dem Monde waren, die hatten ihm im Augenblick so viel Garn gesponnen, daß er meinte, er könne ein Tau davon drehen, das vom Monde bis an den Erdboden reichen möchte. Als er das fertig hatte, schlug er auf dem Monde einen Pfahl in den Grund, daran band er das eine Ende, und das andere Ende ließ er nach dem Erdboden zu langsam wegsinken, und dann er daran hinab. Aber wie erschrak er, als das Tau eine ganze Strecke zu kurz war! Er wieder hinauf, schnitt oben ein Stück ab und knotete es unten wieder an. Aber es war noch zu kurz. Er schnitt oben ab und knotete unten wieder an, so oft und so lange, bis das ganze Tau lauter Knoten war. Nun wars mit dem Abschneiden und Anknoten getan, und noch war das Tau zu kurz, und er baumelte zwischen Himmel und Erde. Er mußte sich zuletzt entschließen und sich fallen lassen, aber als er zur Erde kam, traf er grade auf eine weiche Stelle im Moore, daß er bis unter die Arme hineinfiel, und es war da kein Mensch, der ihn wieder herausziehen konnte – er hörte und sah niemand. Zuletzt sah er doch in der Ferne ein Licht brennen, er rannte darauf zu, lieh sich von dem Bauern einen Spaten und grub sich damit wieder los. Dann brachte er dem Bauern seinen Spaten wieder und lief wieder zu seinen Bienen hin und trieb damit nach Hause. (Scharrel.)

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 2, Oldenburg 21909, S. 444-445.
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