624. Tischchen deck dich, Goldhahn und Knüppel aus dem Sack.

[457] Es waren einmal zwei Brüder, die hatten nicht viel Geld, aber doch ein bißchen mit einander verdient. Der ältere hieß Aljet und der jüngere hieß Weed. Da sprach Weed zu Aljet: »Was wollen wir mit dem bißchen Geld, das wir erübrigt haben, anfangen? Still liegen zu lassen, dazu ists zu viel, auf Zins zu geben, dazu ists zu wenig.« Da sprach Aljet zu Weed: »Weißt du was, wir wollen in der Lotterie spielen und gewinnen das große Los damit, dann wollen wir das Geld teilen und sind beide reiche Leute, setzen jeder ein großes[457] Haus auf und nehmen uns eine reiche Frau hinein: Hoho! Wie solls da aber hergehn!« Da sprach Weed: »Ja, das laß uns nur tun, besser weiß ichs auch nicht.«

Nun spielten sie in der Lotterie und gewannen wirklich den allerhöchsten Treffer. Aber was tat Aljet da? Er hatte das Los bekommen, und so konnte er auch das Geld heben; er gab aber Weed nichts davon und behielt alles für sich. Aljet war nun so reich wie der Bauer auf dem Deiche, und Weed war so arm wie eine Laus, er hatte nichts und kriegte nichts.

Aljet baute sich ein schönes großes Haus, und nun wollte er auch heiraten und bekam eine schmucke reiche Frau, und als die Hochzeit war, da hatte er lauter ganz reiche Leute genötigt, aber seinen Bruder Weed gar nicht. Weed ging aber doch auch hin und war so zerlumpt in den Kleidern; aber was sollte er machen? Er hatte sie nicht besser. Als Aljet seinen Bruder durchs Fenster von weitem kommen sah, sprach er zu seiner Braut: »Gottes Kreuz, dort hinten kommt mein Bruder Weed und ist so zerlumpt in den Kleidern, der darf hier nicht kommen, dem muß ich entgegenlaufen und was bringen, damit er nur wegbleibt.« Darauf nahm er zwei Schinken und lief ihm damit entgegen. »Weed,« sagte er, als er zu ihm kam, »wohin willst du?« »Zu deiner Hochzeit.« »Zu meiner Hochzeit, du mit deinen zerlumpten Kleidern? Bist du auch klug? Sieh, da hast du zwei Schinken, damit geh zum Teufel und bleib mir von der Hochzeit.« Weed konnte nichts anders tun als weggehen, und Aljet kehrte zu seiner Braut zurück und tanzte wie ein nüchtern Kalb.

Weed war schon lange vorher verheiratet mit einer Frau, so arm wie Lazarus, und hatte sich auch eine Hütte aufgesetzt von Plaggen auf die Art wie ein Schafkoven, darin waren nicht einmal Fenster; Brod hatte er nicht, aber Kinder genug. Weed ging nun mit seinen Schinken verdrießlich weg und sprach zu sich selbst: »Geh ich nun sofort zum Teufel, oder geh ich erst nach Hause?« Aber er sah zu Hause nichts zu fangen und dachte: »Geh ich mit meinen Schinken nach Hause, dann essen die Kinder so gierig davon, daß sie mir noch krank werden, dann habe ich nichts für den Teufel; lieber will ich nur gleich vorbeigehen und sehen, was mir der alte Knubbe (eigentlich: ein gekrümmter Stock) dafür gibt.«[458]

Nun stiefelte er heimlich seinem Hause vorbei und das auf den Teufel an. Als er nun drei Tage gegangen war, gereute es ihn beinahe schon; er hatte Blasen an den Füßen und Hunger wie ein Wolf, er war kalt wie ein Frosch und zitterte wie eine Binse im Wasserpfuhl. Da sah er einen großen Busch vor sich und dachte, in dem könne der Teufel wohl wohnen. Als er in den Wald hineinkam, da wurde der Wald je länger je düsterer und zuletzt so düster wie ein Balken. Da sah mein guter Weed in der Ferne einen Mann vor sich gehen, auf den ging er eilends zu, und als er ihn erreichte, fragte er ihn, wohin er wolle. »Nur ein Endchen Weges«, sagte der Mann, »wohin wollt ihr denn?« »Ach«, antwortete Weed, »ich wollte nur zum Teufel.« »Zum Teufel? Was wollt ihr denn da?« »Dem wollt ich zwei Schinken bringen.« »Wofür?« »Für nichts und wieder nichts«; und nun erzählte er ihm die ganze Geschichte, wie sein Bruder ihn betrogen hatte, wie er ihn nicht auf der Hochzeit hatte haben wollen, und wie er ihm die beiden Schinken gegeben und ihm gesagt hatte, damit solle er zum Teufel gehen. Dabei sah er heimlich den Mann an und bemerkte, daß er einen Pferdefuß hatte. »Was siehst du mich so an?« fragte der Mann. »Ach nichts, ich wollte euch bitten, ob ihr mir nicht sagen wolltet, wo der Teufel wohnt?« »Dann kommt ihr just an den rechten Mann; der Teufel bin ich selbst, gebt mir meine Schinken nur her.« Da gab er dem Teufel die Schinken, und der sagte zu ihm: »Es dauert mich, daß dein Bruder dich so schlimm betrogen hat; ich sehe, du hast ein gutes Herz, du sollst auch ein gutes Geschenk wieder haben, denn Gabe ohne Gegengabe können nicht miteinander bestehen. Sieh, da hast du einen Hahn, allemal wenn du zu ihm sprichst: Hahn, kräh! sogleich legt er dir einen schönen blanken Dukaten; aber alle vierundzwanzig Stunden mußt du's einmal sagen, sonst gibt er Feuer von sich, das nicht zu löschen ist, bis alles verbrannt ist.«

Weed ging nun mit seinem Hahne weg und war so froh wie ein Bettler, der einen Dreier bekommt. Als er dem Teufel nur eben aus den Augen war, da versuchte er es einmal, und richtig, es kam ein Dukate, der noch so schön war. Da ging es an ein Hahnekrähen und Hahnekrähen, bis er alle Taschen voll hatte. Nun konnte er in einem Tage den langen Weg nicht wieder nach Hause kommen und mußte[459] unterwegs in einem Wirtshause bleiben. Erst wollte ihn der Wirt nicht behalten, er dachte, Weed habe kein Geld, weil er so zerlumpt in den Kleidern ging, und er ging vor Müdigkeit so steif, grade wie ein Pferd, das vernagelt ist. Aber als Weed ihm eine Handvoll Dukaten wies, da behielt er ihn gerne. »Was Teufel«, dachte der Wirt, »der Kerl geht so zerlumpt in den Kleidern, trägt sich mit einem Hahn und hat die Hände so voll Geld; das Ding muß untersucht werden, wie der Kerl zu all dem Gelde gekommen ist.« Darum richtete er es ein, daß Weed ein Zimmer allein bekam, und brachte ihm zu essen, und als Weed da beim Essen saß, da war er doch so froh über den Hahn, streichelte und küßte ihn und gab ihm das beste, was auf dem Tisch war. Derweil guckte der Wirt durch das Schlüsselloch, und als Weed mit dem Essen fertig war, plagte ihn die lange Weile, und so sprach er auch einmal: »Hahn, kräh!« und sieh da, flugs fing der Hahn an zu krähen, und ein Dukate fiel von ihm. Das kriegte der Wirt durchs Schlüsselloch grade zu sehen. »Aha«, dachte er, »das soll kein Blinder gesehen haben.« Er auf den Lauf, erzählte es seiner Frau und fragte, ob sie wüßte, wie sie an den Hahn kämen. Die sagte: »Wir haben ja grade einen solchen Hahn, der grade so aussieht; den nimm und vertausche ihn mit des Fremden Hahn, wenn der Fremde im Bette liegt und schläft.« Und das tat der Mann, und niemand war froher als er.

Morgens als Weed aufstand und seine Zeche bezahlt hatte, ging er fort und wußte nicht anders, als daß er seinen eigenen Hahn auf dem Nacken habe. Mit einemmale kam ihm in den Kopf, wie's die Kinder wohl tun, aus Neugierde und langer Weile, einmal zu sehen, ob sein Hahn auch noch wohl krähen wolle, und sagte: »Hahn, kräh!« Aber statt daß der Hahn sonst einen Dukaten legte, legte er nun einen krummen. Da erschrak Weed so, als ob er einen mit einem Pfahl vor den Kopf bekommen hätte, und so wieder nach dem Teufel hin, und er rannte, daß ihm Hören und Sehen verging. Glücklicherweise traf er den Teufel wieder grade auf derselben Stelle, wo er ihn zuerst getroffen hatte. Das erste, was er sagte, war: »Da hast du alter Knubbe mich mit dem Hahne bös betrogen; wenn du mir anders nichts geben willst, dann behalte den Hahn, den will ich garnicht haben, mit dem laufe, wohin du willst, der legt mir ja nichts als lauter krumme!«[460] Der Teufel probierte es auch noch einmal, aber richtig, es kam wieder ein krummer. Da sprach der Teufel: »Das ärgert mich, daß du so betrogen bist; aber du sollst doch nicht sagen, daß du bei mir zu kurz kommst; ich hab noch einen Tisch, den will ich dir schenken.« Als Weed den Tisch sah, sagte er: »Was soll ich mit dem alten wackeligen Tisch; der ists Mitnehmen ja nicht wert«, und es war auch grade so'n Tisch; wer ihn ansah, hätte ihn nicht mitgenommen. Da sagte der Teufel: »Nimm ihn nur mit, der Tisch ist gut; er ist jetzt nur was klein, aber du kannst ihn so groß machen, daß wohl tausend an ihm sitzen können zu essen; wenn du das eine Ende nur anfassest und ziehest tüchtig, dann wird er so lang, wie du ihn haben willst, und wenn du dann sprichst: ›Tisch decke dich!‹ dann steht alles darauf, was nur in der Welt zu bedenken ist; an eßbarer Speise ist nichts zu bedenken, was nicht darauf steht, und soll das Essen wieder fort, so sprich nur: ›Tisch, deck dich ab‹, dann ist auch alles wieder fort, und dann schiebst du ihn wieder zusammen, wie du ihn ausgezogen hast, so ists derselbe wieder.« »Nun, wenns so ist«, sagte Weed, »dann nehme ich ihn mit; sonst bring ich ihn dir wieder.« Weed nahm den Tisch auf den Nacken und zog damit von dannen. Als er eine Strecke damit fort war, verspürte er bereits Hunger. »Hela«, dachte er, »du hast ja den Tisch, was hats da für Not, was brauchst du Hunger zu leiden?« Er faßte den Tisch mit einer Hand an, zog damit fort und sprach: »Tisch, decke dich!« Aber was machte er für Augen, als alles auf dem Tische stand, was er sein Lebtag noch nicht erblickt hatte! Da war Suppe mit Hühnerfleisch und allerhand Gemüse und von allerlei Arten Fleisch und Speck und Wein so viel, als er sein Lebtage noch nicht geschmeckt hatte. Aber er tat sich auch recht was zugute und richtete sein Herz einmal ordentlich auf. Dann sagte er: »Tisch, deck dich ab«, schob ihn wieder zusammen, und dann ging er wieder in das Wirtshaus, wo er die vergangene Nacht gewesen war, denn er konnte unter dem blauen Himmel nicht liegen. Als der Wirt ihn zu sehen kriegte, dachte er: »Aha, da ist wieder was zu machen, was will er sonst mit so einem alten wackeligen Tisch?« Als der Wirt ihn fragte, ob er auch etwas zu essen haben wolle, antwortete er: Nein, er habe Essen genug bei sich, er wolle nur in ein Zimmer für sich gehen, und als er drinnen war, sah der Wirt wieder durchs Schlüsselloch. Weed kriegte[461] wieder seine kindischen Einfälle zu fassen und machte das ganze Zimmer voll Tisch und sagte dann: »Tisch, decke dich!« und es war wieder alles darauf. Als der Wirt sah, daß das so ein rarer Tisch sei, dachte er, der könne ihm grade passen, und holte sein Weib auch herbei. Derweil hatte Weed das Essen just getan und schob den Tisch wieder zusammen, nachdem er zuvor gesprochen hatte: »Tisch, deck dich ab!« da war der Tisch wieder wie gewöhnlich. »Was nun für Rat«, sagte der Wirt zu seiner Frau, »daß wir auch den Tisch bekommen?« »Lauf schnell zu unserm Nachbarn, der hat grade so'n Tisch, den kauf ihm ab und setze ihn für den anderen an die Stelle, wenn der fremde Mann schläft.« Und das tat der Wirt, während Weed schlief, daß das eine Auge das andere nicht sehen konnte, und sich um Gott und die Welt nicht kümmerte.

Morgens als Weed aufkam, ging er mit seinem Tische fort und wußte nicht anders, als daß er seinen eigenen Tisch habe. Als er eine Strecke Weges fort war, wurde er hungrig. Er machte sich nun daran und wollte den Tisch ausziehen, wie er vorher getan hatte, aber der ganze Tisch ging mit. »Was Teufel, was ist das!« sagte er. Er sagte: »Tisch, decke dich!« aber es kam nichts. Er wieder auf den Teufel an, als ob er Feuer in der Hose hätte, und glücklich kam er auch wieder bei dem Teufel an und schalt ihm den Buckel so voll, als er halten konnte, daß er ihn zweimal genarret habe. »Das ärgert mich nun betrübt, daß du zweimal betrogen bist; aber nun komm an, sieh da, da hast du einen Sack, darin sind Knüppel, den will ich dir noch geben, sonst hab ich nichts mehr. Wenn du den Sack nur öffnest oder du sprichst: ›Knüppel aus dem Sack!‹ gleich kommen die Knüppel heraus und hauen alles, was ihnen vorkommt, und so lange, bis du sagst: ›Knüppel in den Sack.‹ Wenn nun jemand ist, auf den du einen Pik hast, oder wenn dir einer an will, dann binde ihn nur los oder sage: ›Knüppel aus dem Sack,‹ dann sollst du einmal sehen, was Hauen ist.«

Nun ging Weed mit den Knüppeln weg, aber so froh nicht, wie er die Male vorher gewesen war, denn er dachte, die Knüppel seien so gut nicht für ihn wie der Dukatenhahn und der Tisch-decke-dich! Abends kam er wieder in seinem alten Wirtshause an. Nun hatte er noch einen tüchtigen Stüber Geld, aber Essen mußte er haben, denn sein Tisch war weg. Er ließ sich Essen zurecht machen, und während er aß, guckte[462] der Wirt wieder durchs Schlüsselloch und dachte, es sollte wieder was geben. Weed aß nach Herzenslust, aber für den Wirt passierte nichts. Als Weed zu Bette ging, sagte er zu dem Wirt, er solle ihm nicht in den Sack gucken. Aber der Wirt konnte kaum so lange warten, bis mein guter Weed zu Bette war. Als er nun meinte, Weed schlafe, da er nach dem Sacke und aufgeknüpft, aber wie er brüllte, als ihm die Knüppel auf dem Rücken tanzten! Sein Weib und sein Gesinde kamen herbeigelaufen und meinten, er habe Hals und Beine gebrochen; aber so bald sie herbeikamen, kamen ihnen auch die Knüppel auf den Rücken, und sie brüllten, daß Weed aus dem Bette kam und fragte, was los sei. Da sagte das Weib: »Steuere nur deinen Knüppeln, wir wollen dir den Hahn und den Tisch gern wiedergeben.« »Aha!« sagte Weed: »Habt ihr Tisch und Hahn, so sollt ihr noch erst was drauf haben«, und ließ sie knüppeln so lange, bis es ihm selbst zu viel wurde, da sprach er: »Knüppel in den Sack!«

Darauf gingen sie hin und holten ihm den Tisch und den Hahn wieder. Nun hatte er alles mit einander, und Weed freute sich nicht wenig. Andern Tages, des Morgens, ging Weed nach seinem Hause zu, den Hahn unterm Arm, Tisch und Sack auf dem Nacken. Unterwegs ließ er den Hahn noch ein halb Stiege mal krähen und traf dann auch sein Weib an. Aber seine Frau fing gar heftig mit ihm zu zanken an und sagte: »Das ist nun der sechste Tag, daß du aus dem Hause bist, und man weiß nicht, wohin du gestoben oder geflogen bist, und nun kommst du noch mit solchen dummen Dingern, mit 'nem Hahn und 'nem wackeligen Tisch und mit einem Sack, darin hast du ja wohl Knochen, du rechter Lump. Du bist ja wohl verwirrt im Kopfe, daß du so lange aus dem Hause bleibst und sagst nicht einmal, wohin du gehst, und ich muß sitzen und Hunger und Kummer leiden mit den Kindern.« Da fing Weed an und sagte: »Nun schweige nur still, hast jetzt genug gesprochen. Das sind so dumme Dinger nicht, wie du meinst; paß auf, du sollst es sogleich sehn.« Da ließ er seinen Hahn krähen und zum Tisch sagte er: »Tischdecke dich«. Aber als die Frau das sah, die blanken Dukaten und allerlei eßbare Speise, da sprang sie vor Freuden hoch auf, schlug die Hände zusammen und wußte nicht, was sie sagen sollte. »Wie auf Gottes Welt bist du dazu gekommen? Nun sind wir ja auf einmal reich, wenn der Hahn immer so tut.« »Ja«, sagte[463] Weed, »so tut er jedesmal«, und ließ den Hahn so lange krähen, bis sie das Geld nicht mehr zählen konnten; sie mußten es messen. Aber sie hatten, Gott bessers, keinen Scheffel, darum mußten sie ihren kleinen Knaben hinschicken zum Bruder Aljet, daß der ihnen einen Scheffel leihe. »Was, Teufel!« dachte Aljet, »was hat mein Bruder Weed wohl zu messen? Einer, der nichts hat, kann der auch was messen? Das will ich wissen«, sprach er zu sich selbst. Also schmierte er ein wenig Pech unten auf den Boden des Scheffels, gab den Scheffel dem Knaben mit und sagte: »Du mußt ihn mir aber sogleich wieder bringen, wenn ihr gemessen habt.« Als der Knabe zu Hause kam, maßen sie das Geld, und da hatten sie zwei und einen halben Scheffel voll Dukaten. Als sie nun mit dem Messen fertig waren, sagte der Knabe: »Aljet Ohm hat gesagt, ich solle ihm den Scheffel sogleich wieder bringen.« »Dann lauf«, sprach Weed, »und komm rasch wieder.« Als der Knabe mit dem Scheffel nach Aljets Hause kam, war das erste, was Aljet tat, daß er in den Scheffel guckte, und sah da noch ein halb Stiege Dukaten am Boden kleben. »Was, Satan! Cniljes (Cornelius)! hat dein Vater gemessen?« »Lauter Dukaten«, antwortete Cniljes. »Lauter Dukaten? Wie auf Gottes Welt ist er zu denen gekommen?« »Die legt unser Hahn.« »Euer Hahn?« »Ja, unser Hahn.« »Wie ist er denn an den Hahn gekommen?« Da fing der kleine Cniljes an und erzählte ihm alles, wie sein Vater den Hahn empfangen hatte, wie der Wirt Weed den Hahn und den Tisch genommen hatte, und wie er sie wieder bekommen hatte, kurzum er erzählte ihm alles, wie es damit zugegangen war. »Aha«, dachte Aljet, »das soll kein Tauber gehört haben!« Er eins, zwei, drei, ein Schwein beim Kopf genommen, geschlachtet und die Schinken abgeschnitten, denn Schinken hatte er nicht mehr, weil sie die, welche Weed nicht bekommen hatte, alle auf der Hochzeit aufgegessen hatten, und damit auf den Busch zu, den Cniljes als des Teufels Aufenthalt ihm bezeichnet hatte, und glücklich! Er traf ihn dort auch an. Als Aljet nun bei dem Teufel ankam, fragte dieser, wohin er mit den beiden Schinken wolle, die er auf dem Nacken trage. »Ich will sie dem Teufel bringen«, sagte Aljet. »Was soll er damit?« »Ich will sie ihm bloß schenken.« »Gabe ohne Gegengabe können nicht miteinander bestehen«, antwortete der Teufel, »sage nur, was ich dir schenken[464] soll.« »Ach, wenn ich nun doch einmal was haben soll, dann gib mir einen solchen Hahn, wie du meinem Bruder Weed gegeben hast.« »Sieh, da hast du einen«, sprach der Teufel, zog einen aus dem Busen und gab ihm den, sagte aber nicht dabei, daß er Feuer von sich gebe, wenn man ihn nicht alle vierundzwanzig Stunden krähen ließe.

Nun Aljet damit nach dem Wirtshause und dachte, der Wirt solle ihm den Hahn nehmen, damit er auch den Tisch bekomme, den Hahn könne er ja immer wieder ausknüppeln. Aljet blieb im Wirtshause bis zum andern Morgen und meinte, nun sei sein Hahn vertauscht, aber nein, der Wirt hatte ihn nicht angerührt, denn er fürchtete sich vor neuen Knüppeln. Aljet ließ seinen Hahn krähen, aber es war derselbe noch. Nun hatte der Wirt noch grade so einen Hahn, den kaufte er ihm ab und begab sich damit zum Teufel und schalt ihn tüchtig aus, daß er ihn so betrogen habe, denn der Hahn wolle ja garnicht krähen. »Ja«, sagte der Teufel, »was soll ich dir denn schenken?« »Ach, dann gib mir einen solchen Tisch, wie du meinem Bruder Weed geschenkt hast.« »Sieh da hast du einen«, erwiderte der Teufel und reichte ihm einen alten wackeligen Tisch hin, und Aljet ging damit wieder zum Wirtshause und dachte: »Den Tisch vertauschen sie mir gewiß, damit ich auch die Knüppel bekomme, die muß ich doch nötig auch noch haben.« Aber andern morgens war sein Tisch ebensowenig angerührt; er mußte sich just so gut einen Tisch kaufen, wie er sich einen Hahn gekauft hatte. Damit begab er sich wieder zum Teufel, fing abermals seine Schelterei an, und der Teufel gab ihm auch einen Sack mit Knüppeln, sagte ihm aber nicht, daß er auch sprechen könne: »Knüppel in den Sack«, und das hatte Cniljes ihm auch nicht erzählt. Nun war Aljet gar froh, daß er die drei Teile just so gut hatte, wie sein Bruder Weed, und eilte nach Hause, als wenn er einen Totschlag begangen hätte.

Nu kam er zu seinem Weibe und sprach: »Welches Glück! Ich habe alle drei Teile just so gut wie mein Bruder Weed. Was ist das für ein edler Hahn und welch trefflicher Tisch, und die Knüppel, das ist noch das beste von allem, denn wenn man nur einmal sagt: ›Knüppel aus dem Sack!‹ dann kommen – – – Gottes Kreuz, da sind sie schon!« und nun die Knüppel ans Hauen auf das Weib und ihn, daß sie vor Not nicht wußten, wohin sie sollten. Doch liefen sie vor Angst[465] und Schrecken nach Weed hin, denn selber ihnen steuern konnten sie nicht. »Bruder, hilf! Bruder, hilf! Sie schlagen uns tot!« riefen sie schon von ferne. Weed, der nichts von der Sache wußte, dachte: »Was Teufel ist da zu tun?« und sie riefen immer: »Weed, hilf! Weed hilf!« Endlich als sie zu ihm kamen, fuhr ihm durch den Sinn, er möchte diesen Knüppeln auch wohl steuern können, und sprach: »Knüppel in den Sack!« Da ließen sie das Schlagen sein und krochen zu Weeds Knüppeln in dessen Sack. »Wie seid ihr zu den Knüppeln gekommen?« fragte Weed. Da fingen sie an zu erzählen, aber mit einem Male, wie sie zufällig aufblickten, stand ihr schönes Haus in Brand, denn der Hahn hatte ganze vierundzwanzig Stunden nicht gekräht, weil Aljet dachte, er könne ihn zu Hause noch genug krähen lassen.

Nun war Weed reich und Aljet arm, denn es war ihm alles verbrannt, mitsamt dem Hahne und dem Tische; und wenn sie noch nicht anders geworden sind, dann sind sie noch so, und ders zuletzt erzählt hat, der lebt noch. (Scharrel.)

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 2, Oldenburg 21909, S. 457-466.
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