263.

[5] Ein vor vielen Jahren verstorbener Pastor in A. wurde zu seinen Lebzeiten viel von seinen Leuten aufgesucht in Angelegenheiten, bei denen nach derer Meinung der Teufel oder dessen Helfershelfer die Hände im Spiele hatten. Verendete ein Tier nach dem andern unter ungewöhnlichen Umständen, oder unter den Hausgenossen folgte Krankheit auf Krankheit, oder Wahnvorstellungen plagten ein Familienglied, oder das Kind in der Wiege verfiel ins Weinen und wollte Tag und Nacht nicht aufhören, sofort dachte man an böse Menschen, die mit bösem Blick oder sonst Vieh und Menschen es angetan hätten, und die nächste Stunde führte die Heimgesuchten zum Pastor in A. Dieser fand sich mit den Leuten ab, so gut er konnte, hätte er von Aberglauben gesprochen und die Hülfesuchenden[5] abgewiesen, er würde alles Vertrauen verloren haben. Er stand einmal im Geruche des Schwarzkünstlers und dem mußte Rechnung getragen werden. Einst kamen Leute aus einer benachbarten Gemeinde G. zu ihm, um ihn um Hülfe anzusprechen. Das ging ihm zu weit. Er wies sie ab mit den Worten: »Geht doch zu eurem Vikar, der weiß gerade so gut Bescheid als ich.« Die Fremden stutzten. Warum wurde nicht ihr Pastor empfohlen, warum der zweite Geistliche, der als Gemeindeseelsorger doch erst in zweiter Linie in Betracht kommt? Die Lösung war bald gefunden: Der Vikar verstehts, der Pastor nicht. Die Geschichte sprach sich rund, und fortan war der Vikar i.G. der Gesuchte. Der Pastor in A. hatte ihn nur genannt, weil er ihn persönlich kannte, den Pastor in G. nicht. Besagter Vikar suchte sich die Bittsteller vom Halse zu halten, es gelang ihm nicht, alles Reden seinerseits über Aberglauben hatte nur den Erfolg, daß man um so fester an seine Kunst glaubte. Er wehre nur ab, hieß es, weil er die Lauferei nicht wolle. In seinem Dorfe wohnte ein Kaufmann, der viel in der Welt herumgekommen, eine recht freisinnige Weltanschauung sich zu eigen gemacht hatte und mit Vorliebe sich über die abergläubische Welt lustig machte. Einst verfiel ein halbjähriges Kind des Kaufmanns in Weinkrämpfe. Es schrie Tag und Nacht und gedieh dabei wie ein gesundes Baby. Die Mittel des zu Rate gezogenen Arztes halfen nicht, auch was die Hausmütter von nah und fern empfahlen, wollte nicht anschlagen. Schließlich erklärte die Frau ihrem Manne: »Ich werde zum Vikar gehen.« Der Mann lacht auf, spricht von Dummheiten usw., verläßt Frau und weinendes Kind und begibt sich in den Laden. Am Nachmittage kehrt der Vikar von einem Ausgange heim. Als er an dem Kaufmannshause vorbeigehen will, tut sich die Türe desselben auf, die Frau tritt heraus und bittet den Geistlichen um einen Augenblick Gehör. Der Angesprochene folgt der Frau ins Haus und bis zur Wiege, und im selben Augenblicke ist das Kind, das bis dahin nach Aussage der Mutter noch gewimmert hatte, still. Der Vikar steht an der Wiege und weiß nicht, was er soll, er sieht die Frau an, erfährt aber nichts, dieser sind vor Aufregung die Worte ausgegangen, und so verläßt er das Haus und frägt sich draußen vergebens, was man denn von ihm eigentlich hätte haben wollen. Das Kind aber hat fortan den Mund zum Weinen nicht mehr[6] aufgetan, die Frau frohlockte und ihr Mann schüttelte den Kopf und meinte, es passierten doch wunderliche Dinge in der Welt. Neugierigen Nachbarinnen hat die glückliche Mutter später gestanden: »Der Vikar trat an die Wiege, sah das Kind einen Augenblick scharf an, drehte sich um und verschwand.« – Ein Pastor geht einst von M. nach seinem Pfarrdorfe L. Unterwegs werden ihm von Hütejungen Worte nachgerufen, die gerade nicht Lobeshymnen sind, Er nimmt seinen Stock, steckt ihn in den Boden, hängt seinen Hut darauf und setzt seinen Gang fort. Sofort werden die Schuldigen von geheimnisvoller Angst und Unruhe erfaßt, sie müssen dem Wanderer Stock und Hut nachbringen, ihn um Verzeihung bitten und nun erst erhalten sie wieder Ruhe. Leute, die diese Geschichte erzählten, ließen sich nicht davon abbringen, daß alles so zugegangen, wie hier berichtet ist. Vgl. 204v. (Fälle, in welchen Pastor T. sich Angreifer vom Halse schafft und Gestohlenes wieder herbeischafft.) Andere Fälle: 183, 192, 192g, 194p und 304p-z. Man sehe auch den Fall 185 mm. Es wird nämlich von einer Seite erzählt, der Vater habe der Tochter ein Buch gegeben, das diese zu ihren Zauberkünsten benutzt habe.

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 2, Oldenburg 21909, S. 5-7.
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