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[7] Übrigens wird die schwarze Kunst oft da gesucht, wo sie nichts zu tun hat. In Visbek, erzählt Strackerjan, ist früher mal die Kirche bestohlen worden und außer andern wertvollen Sachen die Monstranz weggenommen. Als einige Tage danach die Schäfer hinter der Bauerschaft Varnhorn die Schafe hüteten, sahen sie nahe an der Aue, daß dort sehr viele Bienen beschäftigt waren, und als sie näher zusahen, waren die Bienen dabei beschäftigt, um eine Hostie, welche dort am Boden lag, einen Behälter von Wachs zu machen. Die Diebe hatten in dieser Gegend die Monstranz geöffnet, die hl. Hostie herausgenommen und weggeworfen. Die Schäfer erzählten, was sie gesehen und alles wanderte hin und betrachtete das Wunder; aber so oft jemand näher herzuging, wurden die Bienen ganz zornig und stachen und trieben ihn zurück. Endlich wurde dem Pastor davon Anzeige gemacht, der holte in feierlicher Prozession die hl. Hostie wieder ab, und die Bienen taten ihm nichts zuleide, sondern ließen sich die Hostie mit dem Behälter ruhig fortnehmen. Es handelt sich hier um eine fromme Sage, die der Verehrung des Altarsakraments entsprossen und wahrscheinlich importiert[7] ist, denn sie wird auch anderswo erzählt. Der Pastor verhält sich bei der ganzen Angelegenheit passiv, die Tätigkeit der Bienen, ihr Stechen und Nichtstechen ist auf ein Eingreifen Gottes zurückzuführen, nicht auf ein Eingreifen des Geistlichen. Die schwarze Kunst hat hier also nichts verbrochen.

Auf der Strafanstalt in Vechta versahen früher Dragoner (Gendarmen) den Wachtdienst; sie wohnten kasernenartig zusammen im Kapitelhause. Eine Zeit lang hatten diese einen Kameraden namens B. unter sich, von dem es hieß, daß er die schwarze Kunst verstehe. Eines Tages hatte er sich ein Kistchen Zigarren gekauft, kam damit nach Hause, stellte es unaufgebrochen in seinen nicht verschlossenen Schrank und bezog darauf die Wache. Um ihn zu necken, öffnete ein Zimmergenosse vorsichtig die Kiste, nahm drei Zigarren heraus und verschloß sie wieder so vorsichtig, daß äußerlich nicht die geringste Verletzung zu entdecken war. Dann stellte er sie wieder an ihren alten Platz. »Nun wollen wir mal sehen, ob B. wohl was merkt,« bemerkte der Täter, »er will ja sonst alles wissen«. Als B. am andern Morgen, nachdem er abgelöst war, die Stube betrat, ging er sofort an den Schrank und fragte, ohne die Kiste zu öffnen: »Wer hat da drei Zigarren herausgenommen?« Niemand antwortete. Darauf nahm B. eine Flasche, hantierte mit einer Stricknadel in deren Innern und sagte: »W., du hast es getan, wenn heut abend nicht die drei Zigarren wieder in der Kiste sind, steht in der folgenden Nacht ein schwarzer Hund vor deinem Bette.« »Glaubst du, ich will deine Zigarren«, erklärte W., »hier sind sie, bleib mir aber vom Halse, sonst verhauen wir dich.« Als abends alle im Bett lagen, sagte W.: »Na, B., wenn du was kannst, dann laß jetzt den Hund mal sehen.« W. war mit seiner Rede noch nicht zu Ende, da stand ein großer schwarzer Hund vor seinem Bette. Die Stube war noch erleuchtet und B. abends gar nicht fort gewesen. Die Spötter verstummten. Der kleine M. nahm seinen Stiefelknecht und warf nach dem Hund. Das Tier rührte sich nicht. Dann flog ein Stiefel nach dem andern nach dem Vieh, es ging nicht von der Stelle. Nun wurde den beherzten Männern graulich zumute. Endlich erhob sich der Stubenälteste und rief: »B., wenn du nicht sofort den Hund wegschaffst, berichte ich morgen an das Korpskommando.« Das half. B. stand auf und zerrte das Tier aus dem Zimmer. Von da an ging[8] ihm alles scheu aus dem Wege. (Erzählt von einem, der damals mit auf der Wachtstube gelegen.)

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 2, Oldenburg 21909, S. 7-9.
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