Scena 10.

[84] Hanß Wurscht mit einen Brieff.


HANSS WURSCHT sagt für sich, daß die Wunde seines Herrn schon heil seye, aber die, so ihm die verteufflete Liebe gemacht, die seye so gefährlich, daß er befürchte, man werde ihm müsßen ins Narrenheisl numero 10 stecken. Hier habe er einen Brieff an den Ehrngeachten, hochschneeweißen und wohlgestrengen Herrn Cicero, er müsße ihm solchen gantz allein geben, sonst wurde er gradatim promovirt werden, daß er letzlich hangen bleibe.

CICERO. Holla, wer hat dir erlaubet ohne anklopfen hereinzukomen?

HANSS WURSCHT. Ich hab mirs gleich selbst erlaubt, wann ich aber Unrecht hab, so will noch anklopfen.

CICERO. Du bist ein Narr. Was hastu hier?

HANSS WURSCHT. Ein Brieff; seyd ihr allein?

CICERO. Wie du sihest, es ist niemandt als meine Gerechtigkeit bey mir.

HANSS WURSCHT. Last die Gerechtigkeit weggehen, sonst darff ich Euch den Brieff nicht geben.

CICERO. Ô diese wolt ich umb alle Schätze der Welt nicht von mir lassen.

HANSS WURSCHT. Ist[s] dann so schön, daß ihrs so hoch schätzet?

CICERO. Sie ist heller als die Sonn, reiner als der Mondt und glänzender als alle Sterne.

HANSS WURSCHT. Der Teuffl, daß mus ein schönes Thier sein. Aber was sagt dann euer Frau darzu?

CICERO. Diese will, daß ich sie verstoßen solte.

HANSS WURSCHT. Das glaub ich, sie wäre eine Närrin, wan sie ihr selbst die Laus in Pöltz setzte. Herr Cicero, mein, last mirs auch ein wenig sehen.

CICERO. Warumb verlangst dieses?

HANSS WURSCHT lachet. Ist daß eine artige Frag! Junge Leuth sehen allezeit gern was Schönes.

CICERO. Hier hastu sie. Gibt ihm ein Buch.

HANSS WURSCHT. Ists darinen?

CICERO. Ja, hier ist sie.

HANSS WURSCHT. Der Teuffl, so mus zimlich khlein sein.

CICERO. Nein, sie gehet die gantze Welt aus.

HANSS WURSCHT. Ey, ihr halt mich vor einen Narren, ich sehe ja kein so gros Weibsbild, hab auch mein Tag keins gesehen.[85]

CICERO. Was verstehestu dann?

HANSS WURSCHT. Die Gerechtigkeit, euer Mensch.

CICERO. Einfalt, sie ist kein Mensch, sondern es sind die Bücher, worinen begriffen, wie man einen ieden das Recht ertheillen soll.

HANSS WURSCHT. Das ist ein andres! Ich hab glaubt, ihr habt ein so schönes Mensch; iezt glaub ich, daß sie khlein sey, dann in manchen Orthen gar nichts davon. Weil dann niemandt bey euch, so leset diesen Brieff, den euch mein Herr überschickt.

CICERO. Dein Herr an mich einen Brieff? Gedulte, bis ich ihm gemessen. Lieset.


»Wehrtester Freund, folget meinen Rath und flüchtet Euch eillends auser Rom, sofehrne ihr nicht noch heute Euer rumvolles Leben beschlüsßen wollet. Dieses warnet Euch Euer iederzeit befliesener

Freundt Julius Antonius.«


Was hab ich gelessen? Was hab ich gesehen und verstanden? Grausames Verhängnus, grimiger Einflus der Sterne! Wormit hab ich dann den Himmel beleidiget, daß er also sehr mich zu verfolgen sucht? Doch ich will den Gestirnen weichen. Hanß Wurscht, empfahe dieses zur Belohnung und alldort warte eine kurtze Zeit.

HANSS WURSCHT bedancket sich und stellet sich voran.

CICERO schreibt in vorigen Brieff. »Lebe wohl! Es folget deinen Rath dein getreuer Freund Cicero.« Hier, Hanß Wurscht, nehme nur wieder diesen Brieff und sage, daß ich ihm gelesßen. Lebe wohl. Ab. Hinten zu, Hanß Wurscht gehet hervor.

HANSS WURSCHT. Was soll dann dißes sein? Ich hab ihm den Brieff geben, und er gibt mir eben wieder diesen Brieff? Ich glaub, der Mann phant[as]irt; ich hab mein Lebtag gehört, die gar gescheiden Leuth haben entweder einen Sporn zu viel oder einen zu wenig. Aber was frag ich darnach, wann ich nur daß Tringeld hab; iezt will ich den Brieff in meine Futerall stecken und abmarchirn. – – Ersihet den Marcum Antonium. Auwe, ietzt ist[s] geschehen, führt der Teuffl eben seinen Vattern her! Wann er nur den Brieff nicht suchet, ansonsten wird es ein artiges Aussehen mit mir haben.


Quelle:
Wiener Haupt- und Staatsaktionen. 2 Bände, Band 1, Wien 1908 und 1910, S. 84-86.
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