Scena 4.

[75] Cecina eillends.


CECINA. Verbleibet, schöne Tulia, es gehet große Verrätherei vorbey.

TULIA. Was redet ihr? Sich zurück wendendt.

CECINA. Es ist nicht anders als ich gesagt.

JULIUS. Und wer ist dann der Urheber derselben?

CECINA. Schweige, unwürdiger Cavalier, eben du bist einer von selben.

JULIUS. Wie, Cecina, was redestu, bistu deiner Sinnen beraubt?

CECINA. Ô Verräther, deine Verstellung kan dir nichtes mehr nutzen, nachdem das Feuer Euerer Bosheit schon ausgebrochen.

HANSS WURSCHT. Hört ihr, leeret Euer lose Goschen wo anders aus, und nicht allhier, oder man wird Euch den Weeg weisßen.

CECINA. Verächtliche Creatur, was unterstehestu dich? Will den Säbel zihen.

HANSS WURSCHT. Ich meine es weiter nicht bös, aber – (Daß mein Herr ietzo nicht aufstehen kan, dan ich hab keine gurache, sonst wolt ich dem Kerl einen Lunckenhib geben, daß ihm daß Hirrn heraushencken solte.)

TULIA. Rede Cecina, was gehet vorbey?

CECINA. Nachdem der hohe Rath in dem Capitolio versamblet war und Marcus Antonius Agrippa zum Todt unschuldiger Weis verurtheilt, hielte Cicero, dero Erzeuger, sein, des Agrippa, Seite und bracht es durch seine Beredsambkeit dahin, das iedermann Agripam vor unschuldig erkhlärte. Weillen aber dis den naßewitzigen Verräther Marcum Antonium verdrosße, schwur er, Ciceroni den Todt noch vor den Untergang der Sonnen zu befördern; ich als ein getreuer Vasal von Euch eilte alsobald, solches sowohl dem Kayser als auch Ciceroni zu entdecken und glaube, daß die Sache wird vereitlet werden; doch weillen die Rache bey[75] dem hochmütigen Burgermeister allzu gros, ist ein Unglück zu befürchten, darumb eillet, schöne Tulia, nacher Rom, damit ihr nicht auch in Unglück komen möget.

TULIA. Was höre ich! Den Julius ansehendt. Ach Julius!

EMILIA. (Dieser Zufahl machet meine Liebe hoffen.) Cecina, es ist ein Grosßes, was ihr uns hinterbracht, hietet Euch, damit es nicht die Unwarheit seye.

CECINA. Ich schwöre bey der Allmacht des Himmels, daß es dem also sey.

JULIUS. (Ich bin gantz auser mir und vermag nicht zu andwortten.)

HANSS WURSCHT. (Da heißt es wohl Hui und Pfui; auf einmahl mein Schatz, auf einmahl du Schelm.)

TULIA. Cecina, habet Danck vor Euere Bemühung. (Ach Julius du stürzest mich in den Todt, da ich dich liebe, und anjetzo hasßen mus.) Emilia komet, wir wollen von jenen Orth eillen, allwo unter einen Blumenfeld gifftige Schlangen verborgen.

JULIUS. Ach verbleibet, meine Seele! Cecina, du klagest mich einer Müsßethat an, von der mir nichts bewust. Schöne Tulia, höret mich, und sofehrne ich werde meine Unschuld dargethan haben, schließet, was Euch beliebet.

TULIA. Und was werdestu wohl vorbringen zu deiner Unschuld, da das Laster khlar ist?

JULIUS. Das ich Euch als meine Seele liebe, und das mir von allen diesen, was Cecina sagt, [nichts] iemahls in Sinn gekomen, dann mein Vatter war iederzeit in größter Freundschafft mit Euch verbunden, ihme ist unsere Liebe bekant, und hat nichts mehrers alß unsere Eheverbindnuß gewunschen, und wie solt ich nunmehro glauben, daß er sich in so weith verlohren? Ô dieses kan nichts anders als eine List von einen Nebenbuhler sein, derowegen stellet Eueren Zorn in etwas ein, erwartet der Zeit, bis daß ihr volkomentlich vergwisßet seyd; ist es, daß mein Vatter ein so unerhörte Müsßethat begangen, so vergebet dem Sohn, als welcher ehe zu sterben verlanget, als Euch nur in den Gedancken zu beleidigen.

TULIA. Ich habe dich verstanden, lebe wohl. Ab.[76]

EMILIA. (Diese Verwirung dienet mir zur Freude.) Ab.

CECINA. Nun hastu, Unwürdiger, die letzte Gegengunst von Tulia genosßen. Ab.

JULIUS. Gehe das du den Hals zerbrichst.

HANSS WURSCHT. Und gestuzt werdest, als wie des Mülner Esel. – Ihr habt iezt eine schöne Hundsfiterey angefangen, aber daß Euer Vatter ein so thumes Hirn ist! ihr habt mir niemahls glauben [wollen], was ich auch Tag und Nacht gebrediget. Euer Vatter hat offt gesagt: Bieberl, Bieberl las mir die Tulia mit Fried, ihr Vatter wird gwis einmahl ohne Kopf davon lauffen müsßen; wir seind so gutte Freundt als wie 2 Hund an einen Pein. Jezt glaub ichs gar gern, daß er diese Schelmerey angefangen. Wenn man ihm nur aufhencken thäte, ich wolt ihm selbst beyn Füsßen zihen, damit er bald todt wäre.

JULIUS. Schweige Hundt. – Ach unglückseelicher Julius! ach Tulia! ach Vatter!

HANSS WURSCHT. Erzürnet Euch nicht, Herr Julius, es möchte sonst der Brandt zur Wunde komen, das ihr gar beschnätzlet wurdet.

JULIUS springet auf und fahlet wieder nieder. Hat dann sich Himmel, Höll und alle Teuffl wieder mich verschworen? Schlagen dann alle Ungewitter auf meine Scheutl? Eine Wunde wird mir verbunden und 1000 eröffnet man mir. Eh, so reisße man auch diese auf, damit mit dem Geblüth zugleich die gepeinigte Seele entweiche. Will die Wunde aufreisßen, und Hanß Wurscht haltet ihn.

HANSS WURSCHT. Herr, seyd kein Narr, wann ihr die Wunden aufreist, müsßet ihr sterben, und weder die schöne Tulia bekomen, weder Eueren Vattern verhinderlich sein.

JULIUS. Lasße mich, dann es ist ohne dis alles Hoffen verlohren. Ich will sterben, aber als ein Schatten will ich daß Capitolium betretten und das Recht vor Ciceroni sprechen, und der sich mir zuwider stelt, soll von dieser Faust erleget werden.

HANSS WURSCHT. Lasßet es bleiben, Herr Julius, ihr martret Euch nur noch mehr ab; sehet lieber, wie ihr gemach aufstehen könt, damit wir nach Haus kommen.

JULIUS. Meine Kräffte haben mich gantz und gar verlassen. Hanß Wurscht, nehme mich auf deine Schultern und trage mich nacher Rom.[77]

HANSS WURSCHT. Das kan ohnmöglich sein, dann ich habs verschworen, kein lebendiges Fleisch zu tragen.

JULIUS. Wohldann, weil mich alle Welt verlast, will ich allhier sterben; adieu, geliebte Julia, Vatter, Mutter lebet wohl, ich will sterben, aber meine Rache wird dannoch leben.

HANSS WURSCHT. Last ihrs sterben bleiben, da gibts keine Todtgreber, ihr wurdet als wie ein verreckter Hund da liegen müsßen. – Herr, Victori! dort sehe ich Bauren mit einen Karn halten, sie könen schon einen Knitl abwerffen und den anderen aufladen, so kombt ihr mit schönster reputation nacher Rom.

JULIUS. Ach mir, ich seuffze, und niemandt bedauret mich, ich weine, und keiner ist, der sich durch meine Thränen bewegen läst; ô Julius, unglückseelicher Julius, wie wirstu verfolgt!


Quelle:
Wiener Haupt- und Staatsaktionen. 2 Bände, Band 1, Wien 1908 und 1910, S. 75-78.
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