Scena Ultima.

[127] Augustus, Scauro Scatilio, Lucius Scipio, Emilia, Julius Antonius gefeselter nebst Hanß Wurscht, Scapin, Bromia und Soldaten.


AUGUSTUS. Lieget der unglückseeliche Körper noch allhier? Alsobald, ihr meine Getreue, bringet ihm in den grosßen Rittersaal,[127] damit er nach Würde als unser Sohn zur Erde bestattet werde. – Du aber, lasterhafter Julius, der du vor kurzen unsere so hohe Gnadt genosßen, hast selbe so gering schätzen könen und durch einen Mord allen deinen Ruhm so schändlich verdunklen? Sage, hat dich nicht unsere Ungnade oder wenigstens die Schärffe der Straff abhalten könen?

JULIUS. Der vor die Liebe streitet, waget alles und verlachet alle Martern. Ich habe nicht mehr gethan, als meine Tapferkeit erfordert. Hatte Cecina mich nicht schimpflich tractiret, und mit Gewalt zum Streitten gezwungen, wurde ich mich nimermehr in einen so ungewissen und nunmehro mir unglückselichen Zweykampf eingelasßen haben; allein es ist geschehen, man mache und verfahre mit mir nach Belieben, ich will alles mit Gedult ertragen.

AUGUSTUS. Weistu aber, daß nichtes als der Todt deine Schuld bezahlen kan? Darumb bereithe dich, dein Haubt unter der Schärffe des Beuls zu verlihren.

HANSS WURSCHT. Aber mir werdet ihr nichts thun, dann was kan der Diener für seinen Herrn?

AUGUSTUS. Man sagt aber, daß du der Beeder Achsel Trager warest.

HANSS WURSCHT. Das redet mir ein Schelm nach, Herr Kayser. – So kombt ein armes Bieberl an Galgen offtermahls, und weis nicht wie; ô tempora ô mores!

JULIUS. Schweige Hanß Wurscht, du bist unschuldig, man kan dir nichts thun.

HANSS WURSCHT. Da habt ihrs selbst gehört. Das ist ein resonabler Herr: wann er an Galgen kombt, hilfst er seinen Diener davon. Wo thäte das ein anderer!

AUGUSTUS. Halte dein Maul, du bist ein Narr, man lasße ihm los, und backe dich alsobald aus unseren Angesicht. Wird los gelassen.

HANSS WURSCHT. Wer wird mir das Hierstehen verbiethen? Ich bleib bey meinen Herrn bis in Todt.

JULIUS. Worzu verzihet man so lang? Man bringe mich an jenen Orth, der mir anstat des Hochzeitsbeth dienen soll, man zinde nur auf anstatt der Freudenfackl die Todtenliechter, ich bin ohne dies meines Lebens müde, ia bin gantz willig, meinen Nacken dem geschärfften Beul darzubiethen. Desßen[128] aber ungeacht wird meine Unschuld auch in der Asche hervor leuchten und mein Edler Nahm unsterblich sein.

LUCIUS SCIPIO. (Sein Todt machet mich vergehen.)

EMILIA. (Ich bedauere sein zartes Leben.)

SCAURO SCATILIO. Mache dich nicht so gros, Verräther, iederman seind die Thaten deines meineidigen Hauses bekant, ia sogar hat deine schnöde Mutter die erblichene Zunge des Cicero mit gespizten Instrumenten durchbohret, weil sie ihre Rache nicht in seinen Lebzeiten vollbringen können.

JULIUS. Scauro, hättestu mir dieses zu einer anderen Zeit gesaget, wolte ich dir mit meinen Schwerd geandworttet haben; doch bistu ein Lügner, weillen du mich einen Verräther nehnest; was ich gethan, hab mit Recht, und nicht schelmischer Weise verrichtet.

TULIA. (Nun kan ich nicht mehr schweigen.) Julius, du hast recht geandworttet, ich pflichte dir bey, iederzeit hab ich dich als meinen ärgsten Feindt verfolget in Meinung, daß du in der Verrätherey deines barbarischen Vatters begriffen warest; nun, da mir der Geist meines Erzeugers deine Unschuld und Treue selbsten kund gethan, ist aller Has aus meinen Herzen verschwunden; damit ich aber jenen Fähler ersetze, so erlaube mir, grosßer Kayser, daß ich den letzten Willen des sterbenden Cecina, meines gewesten Bräutigambs, vollzihe, und Julium seiner harten Fesel entbinde, entgegen aber mit denen Feseln Ewiger Treue und Liebe belege. Will ihm die Fesel losmachen.

AUGUSTUS. Waß? haltet ein, Tulia, seyd ihr Euerer Sinnen beraubt?

TULIA. Ich bin bey gesunder Vernunfft und schwöre bey Jupiter, daß es die Warheit sey.

JULIUS. (Ich weis vor Erstaunung nichts zu reden.)

HANSS WURSCHT. Herr Kayser, ich kan Euchs sagen, daß es die Warheit, dann der Geist hat mich beym Schopf gehalten, und ich hab glaubt, daß er seinen Kopf von mir begehre, die Tulia ist eben dazumahl auf dem Cecina gelegen.

TULIA. Er redet die Warheit, dann die allzu grosße Schmerzen haben mich in eine Ohnmacht versenket.

AUGUSTUS. Unerhörte Begebenheit! Alsobald entlasße man Julium[129] Antonium der Fesel! Wir wollen nicht darwider sein, wo die Entleibte so grosmütig für ihm gesprochen.

TULIA. So dancke ich dann Euer May. für so hohe Gnade in Unterthänigkeit, werde auch lebenslang davor verbunden sein.

JULIUS. Und mit was soll ich dann Euch, schöne Tulia, für die Erhaltung meines Lebens bezahlen? Mein Leben stehet ohne bis in Euerer Gewalt, und alles, was ich besitze, ist daß Eurige, wüste also nichtes, wormit ich Euch zünsen kunte.

TULIA. Nichtes verlange ich alß Euere Ewige Treue und unveränderliche Liebe.

JULIUS. Dieses schwöre ich bey allen Göttern!

TULIA. So bin ich doch noch vergnüget worden, ich bin die Eurige bis in den Todt.

JULIUS. Ô Freude, dergleichen Rom noch nicht gehabt!

LUCIUS SCIPIO. Ihre Vergnügung machet auch die unsere vollkommen; was saget ihr dazu, schönste Emilia?

EMILIA. Das es die Warheit; hinfihro sollen aus unsern 2 Herzen eines gemacht werden, damit die Beständigkeit iederzeit blühe.

SCAURO SCATILIO. Nun kan ich in meinen alten Tägen mit freudenvollen Augen meine längst gewünschte Zufriedenheit ansehen.

AUGUSTUS. Und wir haben erlernet, daß jenes, was sonst ohnmöglich scheunet, der Himmel leicht möglich machen köne. Wer hätte gedacht, daß Julius noch ein Besitzer der schönen Tulia werden solte, da dero Has und Rache so hoch gestigen, daß sie nichtes mehr als seinen Untergang gesuchet?

TULIA. (Das Hertz hat doch zu Zeiten eine Neigung empfunden. Doch ich mus schweigen.)


NB.: Scapin fragt Bromia, ob sie nicht Lust hätte, auch ein Baar mit ihm zu werden. Bromia ist es zufrieden. Hanß Wurscht aber protestirt, sagendt: weil sein Herr die Frau hätte, also gebühre ihm daß Mensch. Scapin solte gleichwohl zu seinen Herrn gehen und mit ihm heurathen. Bromia sagt, es wäre ihr aber Scapin lieber. Hanß Wurscht stelt sein qualificirte Persohn ihr für. Scapin thut ingleichen, und fangen an zu streitten, daß sich Augustus darein legt und dem Hanß Wurscht Bromiam übergibt, Scapin aber abschaffet. Hanß Wurscht lachet ihm aus. Scapin sagt, er wolle ihm Hörner aufsetzen, daß er nicht zum Cärntner Thor hinaus könte. Hanß Wurscht sagt, dieses wäre nichts neues, er hätte Cameraden genuch, doch seye das Beste, daß sie niemand sehe. Bromia und Hanß Wurscht nehmen einander. Lucius Scipio nihmet den Scapin in Dienst auf, welcher sagt, daß er nun ein reicher Kerl seye, indeme er Geld von seinen Herrn[130] noch übrig, und auch seine Kleider. Hanß Wurscht sagt, die Kleider wurde der Quadrober nach der Comedi schon abhollen, es werden ihm nicht ihren.


AUGUSTUS. Genuch von eueren unnötigen Geschwätz! – Wir sind nun alle vergnüget, und dieser Tag soll billich unter die glückseelichste gezellet werden, weil sich nach so unerhörten Betrübnus alles mit Freude geendet hat.


Drum forth mit herben Schmertz, mit Blitz und Donnerkrachen,

Es müsße uns forthin die Anmuthssohnn anlachen,

Ein ieder wird belebt mit centnerschweren Freuden,

Da er sein mattes Hertz in Wollustfeld kan weiden.

JULIUS.

Wo ich schon stranden solt, wo alle Hilff verlohren,

Da wurd ich allererst zu neuer Freud gebohren.

Du jene Gottheit bist, die glindert meine Pein,

Die mein verlasßnes Schiff in Haffen gfiret ein.

TULIA.

Wann ein verliebtes Hertz sich stets der Treu befleiset,

Der khleine Bogenschütz es auch stets hoffen heisßet.

Er martert zwar und schmerzt, er machet vil Verdrus,

Doch macht er auch zulezt ein höchst beliebten Schlus.

LUCIUS SCIPIO.

Waß solt ich dann zu dir, ô schöne Göttin, sprechen?

EMILIA.

Diß, das du ewiglich dein Treu nicht wollest brechen.

LUCIUS SCIPIO.

Eh treffen mich zusam all scharffe Donnerkeul.[131]

EMILIA.

So bleiben stets bey uns die süsße Liebespfeil.

SCAURO SCATILIO.

Nun lebet Rom beglückt und weis von keinen Leidt,

Eß weichet Has und Zanck, es weichet aller Neidt,

Der, so es hat verwihrt, nun främde Länder suchet.

ALLE.

So sey dann, der ihm folgt, von iedermann verfluchet!

HANSS WURSCHT.

Weil dann die Reih an mir, waß werden wir anfangen?

BROMIA.

Ich weis nicht, mein Hanswurscht, waß seye dein Verlangen.

HANSS WURSCHT.

Ein frisches Stroh ins Beth, daß andre weistu schon.

BROMIA.

Dies gieng mir eben ab, zeich nur fein offt ein Mann!


Ende.


Quelle:
Wiener Haupt- und Staatsaktionen. 2 Bände, Band 1, Wien 1908 und 1910, S. 127-132.
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