Scena 5ta.

[115] Lucius Scipio.


LUCIUS SCIPIO. Ich gehe herumb als eine klagende Turtltaube, als ein Schatten an der Wandt, ia als ein Mensch ohne Seele.[115] Höre doch auf, grimiges Verhängnus, dieses arme Hertz fehrner zu bestürmen oder lege mich in den Todt.

EMILIA zu ihm gehendt. Lebe, Lucius, und Emilia ist deine.

LUCIUS SCIPIO. Wie?

EMILIA. Ia, ia, ich bin die deine, und zum Zeichen der Warheit hastu hier meine Handt.

LUCIUS SCIPIO. Also geschwind habt ihr, ô Schöne, Euere Meinung verändert?

EMILIA. Ein gerechter Eyffer hat mich Julio Antonio entrisßen, die Treue und Liebe aber schenket mich dir, Lucius.

LUCIUS SCIPIO. Ô angenehme Hand, in dir küsße ich eine so schöne Geschancknus.

EMILIA. Ich bin niemahls so grausam gegen dich geweßen, als du dir wohl eingebildet, ich habe iederzeit für dich die Flammen in meiner Brust gefüllet, dein Verlangen war auch daß meinige und meine Seuffzer waren gegen dich so zart, als es meine Möglichkeit zugelassen.

LUCIUS SCIPIO. Ô mich Glückseelichen! Und darff ich glauben, daß aus jenen Augen – – –

EMILIA. Für dich die Liebespfeille hervorschüsßen.

LUCIUS SCIPIO. Daß dein Herze – – –

EMILIA. Die Liebesfackln entzindet haben.

LUCIUS SCIPIO. Das deine schöne Brust – – –

EMILIA. Durch den Liebesbogen seye verwundet worden.

LUCIUS SCIPIO. Mehrers weis ich nichtes zu begehren, deine so balde Veränderung setzet mich gantz auser mir.

EMILIA. Zweifflestu villeicht an meinen Wortten?

LUCIUS SCIPIO. In geringsten nicht!

EMILIA. Sofehrne du aber einen bösen Argwon geschöpfet, so schwöre ich dir bey Hymen selbst, Ewig treu zu verbleiben.

LUCIUS SCIPIO. Erlaube, daß ich zum Zeigen meiner grosßen Liebe über deine Purpurlippen siegbrange.

EMILIA. Ergötze nach Belieben, eille zur Freudt!

LUCIUS SCIPIO. Zur Lust und Ergötzlichkeit! Beede ab.


Quelle:
Wiener Haupt- und Staatsaktionen. 2 Bände, Band 1, Wien 1908 und 1910, S. 115-116.
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