Sechster Akt.

[12] Im Himmel.


Gott und Uriel.


URIEL. Wehe uns! Luzifer hat seinen einigen Sohn gesandt, daß er den Menschen die Wahrheit verkünde.

GOTT. Was sagt er?

URIEL. Geboren von einer Jungfrau, will dieser Sohn gekommen sein, die Menschen zu erlösen und durch seinen Tod den Schrecken des Todes aus der Welt zu schaffen.

GOTT. Was sagen die Menschen?

URIEL. Die einen verbreiten, daß er Gott, andere, daß er der Teufel sei.

GOTT. Was verstehen sie unter dem Teufel?

URIEL. Luzifer!

GOTT in Zorn geratend. Mich reut, den Menschen auf Erden gemacht zu[13] haben; er ist stärker geworden als ich. Ich weiß nicht mehr, wie ich diese Masse von Toren und Narren lenken soll. Amaimon, Egyn, Paymon, Orieus, nehmt mir diese Last ab; stürzt den Ball, daß er sich in den Abgründen verirre! Fluch auf das Haupt der Rebellen. Und den Galgen auf die Stirn des verdammten Planeten, als Zeichen des Verbrechens, der Züchtigung und der Leiden.

EGYN UND AMAIMON treten auf.

EGYN. O Herr! Euer schlimmer Wille und das verkündete Wort haben ihre Wirkung getan! Die Erde stürmt auf ihrer Bahn dahin; die Gebirge stürzen zusammen, die Wasser überschwemmen das Trockene; die Achse zielt nach der eisigen Nacht des Nordens; Pest, Hungersnot verheeren die Völker; die Liebe ist in tödlichen Haß gekehrt, die kindliche Ehrfurcht in Vater- und Muttermord. Die Menschen glauben sich in der Hölle, und Ihr, o Herr, seid gestürzt.

GOTT. Zu Hilfe! Mich reut meiner Reue!

AMAIMON. Zu spät. Alles geht seinen Gang, seit Ihr einmal schwach gewesen seid ...

GOTT. Mich reut, Funken meiner Seele in unreine Gefäße[14] gelegt zu haben, welche mich durch ihre Zuchtlosigkeiten ... erniedrigen ...

EGYN zu Amaimon. Was redet er, der Alte!

GOTT. Meine Tatkraft versiegt, wenn sie sich von mir entfernen; ihre Sittenverderbnis befleckt mich; der Aberwitz meiner Nachkommenschaft rächt sich an mir. Was habe ich begangen, Ewiger! Hab Erbarmen mit mir! ... Da er den Fluch geliebt hat, falle der Fluch auf ihn; und weil er keine Freude am Segnen gehabt hat, so weiche auch der Segen von ihm! ...

EGYN. Was ist ihm?

GOTT. Herr, Ewiger, keiner unter den Göttern ist, der dir ähnlich sei, und deine Werke sind ohnegleichen. Denn du bist groß und du tust Wunder; du bist Gott, du allein!

AMAIMON. Er schwärmt.

EGYN. So muß es kommen, daß –

wollen Götter sich vergnügen,

die Sterblichen sie drum betrügen.

Quelle:
Strindberg, August: Inferno. Berlin [1919], S. 12-15.
Lizenz:
Kategorien: