10. Strafe des Kirchenraubes.

[19] Vor vielen hundert Jahren, als die Pommern noch Heiden waren, hatten sie zu einer Zeit viele Kriege mit den Polen. Der Herzog Bolislaff von Polen hatte damals einen großen Theil von Pommern inne. Das verdroß sehr den Fürsten Wartislav in Vorpommern und er machte deshalb Verständniß und Freundschaft mit Swantebor, dem[19] Fürsten von Hinterpommern, daß er von dem Polen-Herzoge abfiel; und er gewann auch wiederum die Städte Wollin, Camin, Colberg, Belgard, Cöslin und andere, welche ihm der Herzog von Polen abgenommen hatte, und befestete sie.

Da der Herzog Bolislaff solchen Abfall hörte, brachte er Volk auf, und zog damit vor das Pommersche Schloß Zarnekow, in welchem ein gewaltiger Edelmann Namens Gniefomer lag, und belagerte dasselbe und hat es endlich eingenommen. Die Pommern waren aber auch nicht faul, und kamen mit etlichen tausend Mann vor Zarnekow, welches die Polen aufgeben mußten. Darauf zogen jene weiter in das Land Polen hinein, bis nach Gnesen und verwüsteten und verdarben viele Dörfer und Flecken. Auch brachen sie der Könige und Herzöge von Polen Begräbnisse auf, und nahmen die Todtenköpfe und Gebeine heraus und schlugen den Todtenköpfen die Zähne aus, und zerstreuten sie dann auf den Feldern. Also trieben sie überall großen Muthwillen und Gewalt, und besonders raubten sie die Heiligthümer aus den Kirchen, als Patenen, Kelche und viele andere Kleinodien. Auch den Bischof Martinus von Gnesen wollten sie fangen, der gerade auf einem Dorfe war, um eine neue Kirche einzuweihen; allein der fromme Mann entkam ihnen, und sie fingen statt seiner nur seinen Archidiakonus Nicolaus, den sie jedoch, da er ein alter, zitternder Mann war, wieder los ließen.

Für solche Gewalt und Gräuel wurden die Pommern hart gestraft. Denn wie sie hernach in ihre Heimath gekommen waren, und die geraubten Kelche und Patenen bei ihren Banketten als Trinkgeschirr gebrauchten, da verfielen plötzlich Alle, so daraus getrunken, mit Weibern und Kindern, in schwere unsinnige Raserei, also daß sie sich untereinander jämmerlich verwundeten und umbrachten.[20]

Solche Zeichen und Strafen Gottes brachten große Furcht unter sie. Sie schickten deshalb das geraubte Kirchengut dem Bischofe von Gnesen zurück, worauf sie wieder vernünftig wurden und Ruhe erhielten. – Solches geschah im Jahre 1109.


D. Cramer, Große Pomm. Kirchen-Chronik, I. S. 21.

Th. Kantzow, Pomerania, I. S. 79.

Kanngießer, Pomm. Geschichte, S. 423-426.

Micrälius, Altes Pommerland, I. S. 145.

Quelle:
Jodocus Deodatus Hubertus Temme: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin 1840, S. 19-21.
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