Achtzehntes Bild

Montalban belagert Frau Aja schließt einen Frieden

[230] König Karl brachte nun eine große Macht zusammen und zog mit allen seinen Genossen vor Montalban und hielt es belagert. Roland mußte hineingehn und die Festung auffodern, daß sie sich auf Gnade und Ungnade ergeben solle aber Reinold wollte das nicht tun, sich aber ergeben, wenn König Karl ihm Verzeihung und Sicherheit verspräche. Das aber wollte König Karl wieder nicht eingehn, und so dauerte der Krieg wieder einige Jahre hintereinander, und ward auf eine blutige Art fortgeführt, so daß auf beiden Seiten viele Leute tot blieben.

In einer Schlacht stach Reinold den König vom Pferde und hätte ihn gefangengenommen, wenn ihn die Genossen nicht errettet hätten aber an demselben Tage wurde Malegys entwaffnet, und für einen Gefangenen in das Lager des Feindes geführt. Der König wollte ihn am folgenden Morgen hinrichten lassen.

In der Nacht aber brauchte Malegys seine Kunst und ging vor das Bett des Königs und sagte zu ihm: »Ew. Majestät, Reinold hat gebeten, daß wir beide zu ihm kommen sollen.« Der König war bezaubert und antwortete: »Schon gut, ich wünsche nur, wir[230] wären erst unterwegs.« Darauf nahm Malegys den schlafenden König auf seine Schultern und trug ihn so gen Montalban. Dort legten ihn die Brüder in ein köstliches Bette und warteten dann, bis er aufwachen würde.

Der König war sehr verwundert und erschrak heftig, als er alle seine Feinde um sein Bette stehen sah. Reinold redete ihn an, er möchte ihm verzeihen und er wollte ihn sogleich freilassen und ihm mit seinen Brüdern dienen. Aber König Karl wollte nicht nachgeben, so viel gute Worte ihm auch Reinold gab, worüber Ritsart ergrimmte und sein Schwert zog, und den König umbringen wollte aber Reinold hielt ihn zurück und sagte: »Das sei ferne von dir, Bruder, daß du unsern König umbringen solltest.« Alle Brüder baten drauf und auch Malegys, aber Karl bestand auf seinem stolzen Sinn, daß sie sich ihm alle auf Gnade und Ungnade ergeben sollten. So viel wollte aber Reinold dem Könige auch nicht trauen, er ließ ihn daher frei in sein Lager zurück, aber der Krieg ward immer noch mit großer Wut fortgesetzt, obgleich alle Genossen, insonderheit der Bischof Turpin, für Reinold baten.

Das Schloß Montalban war so fest, daß es der Feind durchaus nicht einnehmen konnte, aber der Proviant war den Belagerten gänzlich zu Ende gegangen, so daß sie in die größte Not gerieten. Alle übrigen Pferde waren schon verzehrt, Reinold war in der größten Verzweiflung und rief: »Nun muß Bayart sterben.« Er ging mit einem Messer in den Stall, um das Roß totzustechen aber sein Bruder Adelhart folgte ihm und hielt ihn zurück und bat für das treue Roß. Bayart selbst fiel demütig auf seine Kniee, als wenn er um sein Leben bitten wollte. Darüber wurde Reinold sehr gerührt, so daß er weinte und ließ dem Bayart Gnade widerfahren.

Turpin hörte von dem großen Mangel, der in der Festung herrschte und wurde sehr darüber betrübt, daß seine Verwandten solche Not leiden sollten. Er vermochte daher den Roland dahin, daß er beim nächsten Angriff sich die Ehre ausbat den Vortrab anzuführen, und als das geschah, schaffte er den Brüdern wieder eine große Menge Proviants in die Festung. So bekam auch Bayart wieder viel Futter und wurde wieder so stark als er nur je gewesen war.

Aber Reinold sah ein, daß er sich am Ende nicht gut auf Montalban würde halten können, weil der Proviant immer schnell verzehrt war ; beschloß daher, sich mit seinen Brüdern nach seiner Burg Ardane zu begeben, weil er sich dort besser[231] schirmen könne. Er ließ also Bayart zu einer heimlichen Pforte hinausbringen dort stiegen alle Brüder auf und ritten schnell nach Ardane. Malegys begab sich auf sein festes Kastell.

Als König Karl diese Nachricht gehört hatte, zog er mit seiner Macht vor Ardane und hielt es belagert, denn es war sein ernstlicher Wille, die Brüder in seine Gewalt zu bekommen. Der Streit wurde heftig fortgesetzt und es blieb viel Volk und viele Ritter. Am Ende kam Reinold auch hier in sehr bedrängte Umstände und er sah ein, daß er sich mit der Zeit würde ergeben müssen.

Aber seine Mutter Frau Aja kam mit einem großen Gefolge in das Lager ihres Bruders, Königs Karl, um für ihre Söhne zu bitten. Sie ließ sich vor ihm auf die Kniee nieder und weinte heftig und bat um das Leben ihrer Kinder, und daß er sich möchte rühren lassen. König Karl hatte seine Schwester in so langer Zeit nicht gesehn, dazu so rührte ihn ihr Knien und ihre bitterlichen Tränen, so daß er ihr versprach, einen guten Frieden zu machen und alles zu vergessen, wenn die Söhne ihm das Roß Bayart in die Hände liefern wollten, damit zu schalten wie er Lust hätte, weil es ihm gar zu großen Schaden getan habe. Frau Aja war von Herzen froh und ging sogleich in die Festung zu ihren Kindern, ihnen die Botschaft anzusagen. Adelhart setzte sich dagegen, daß man das Roß ausliefern sollte aber Reinold sagte: »Wir wollen es tun, lieben Brüder, wir mögen vielleicht für das Roß auch Gnade erlangen.«

Und so war denn nach einem langen Kriege der Friede geschlossen.

Quelle:
Ludwig Tieck: Werke in vier Bänden, Band 1, München 1963, S. 230-232.
Lizenz:
Kategorien: