Treue

[82] Alle Wünsche, alle Träume

Waren herrlich nun gestillt,

Das Verlangen war erfüllt,

Fröhlich rauschten grüne Bäume.

Aus geh ich die Spur zu finden

Alles sagt mir von dem Glücke,

Jene Zeit kömmt mir zurücke;

Mußte sie so schnell entschwinden?

Ach wie war die Stunde süße,

Als sich unsre Blick' erkannten,

Unsre Herzen schnell entbrannten,

Sich begegneten die Küsse.

Jeder Frühling sagt mir wieder,

Wie ich seelig einst gewesen,

Darum kann ich nicht genesen,[83]

Und die Sorge wirft mich nieder.

Kommt der Herbst, bin ich vermessen,

Kommt der Winter seh ich glänzen

Manche Schönheit bei den Tänzen,

Und die Einz'ge wird vergessen.

Aber wann die Blumen sprießen,

Wann die Nachtigallen singen,

Muß sie wieder mich bezwingen,

Ich den schnöden Frevel büßen.

Fließet, fließet treue Thränen,

Herz vergeh im tiefen Schmachten,

Mögt ihr Augen euch umnachten,

Leben, löse dich in Sehnen.

Quelle:
Ludwig Tieck: Gedichte. Teil 3, Heidelberg 1967, S. 82-84.
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