1. Die Erde

[122] Höher kann der Muth nicht streben,

Wunderbar bin ich besiegt,

Und ich fühle, wie das Leben

Seinem Widerstand erliegt.


Festen Trittes geht mein Sehnen

Auf die Dauer, Sicherheit,

Alle Wünsche, alle Thränen

Zittern vor der Ewigkeit.


Hier auf grüner Flur zu weilen

Nahe dem geliebten Kern,

Mäßig Freud' und Leiden theilen

Will die arme Seele gern.
[122]

Pflanzen kehren balde wieder,

Von den Bäumen fällt das Laub,

Alle Blumen sinken nieder,

Alle Farben löscht der Staub.


Frühling, Herbst und Sommer kommen,

Wie ein Lächeln gehn sie fort,

Und die Flammen sind verglommen,

Liebe flieht, ein eilend Wort.


Willst du tiefer, inn'ger walten

Als um dich die ganze Welt,

Was die tausendfach Gestalten

Bindet und zusammenhält?


Laß entfliehen, laß entfließen,

Dem nicht Dauer ist geliehn,

Demuthsvoll sollst du genießen,

Und im Stolze sollst du büßen,

Alles, alles muß verblühn.

Quelle:
Ludwig Tieck: Gedichte. Teil 1, Heidelberg 1967, S. 122-123.
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