Siebenzehenter Brief.

Fiekchen an Ernestinchen.

[127] Liebes Ernestinchen!


Ich kann dir nun schreiben, daß der Herr Magister ein recht braver, ehrlicher Mensch ist. Er besuchet mich alle Tage; und weil er nicht will, daß ich mehr mit Knoten tanzen soll, so hat er's mit dem Tanzmeister ausgemacht, daß er mich gegen tägliche vier Groschen Kostgeld im Hause behält. Freilich ist der Tanzmeister ein Schlingel, und speiset mich immer mit Kartoffeln ab; aber ich darf doch nichts sagen, weil er, wie er spricht, auch den Tagedieb (meinen Wilhelm meynt er) mit umsonst füttern muß: das bringt aber der Flegel nicht mit in Rechnung, daß ihm der arme Junge beständig Holz[128] hacken, und Wasser tragen muß. Gehe es, wie Gott will; wenn ich nur etwas aus der Tasche zu fressen habe. –

Damit du auch den Herrn Magister näher kennest, so mußt du wissen, daß er ein Theologe ist, und in einem Kaufmannshause informiret; wo er nicht nur freien Tisch hat, sondern auch von der Frau ein schönes Schürzenstipendium genießet. Er ist übrigens ein sehr geschickter Mensch. Neulich disputirte er, und ich sah ihn, geputzt wie eine Docke, unter meinem Fenster vorbei tragen. Gleich nach der Disputazion kam er zu mir, und legte mich auf's Bette; (denn er hat mir einen Federpolster gekauft) nahm mich auch rechtschaffen mit. Da er fertig war, zupfte ich ihm die Federn vom schwarzen Kleide, und wünscht' ihm, als er gieng, eine gesegnete Malzeit.

Ich kann dich mit aller Wahrheit, ja selbst bei meiner Ehre versichern,[129] daß ich ihm recht gut bin, weil er so ein hübscher Mensch ist, und besonders, weil er vom geistlichen Stande ist, wie ich. Es bleibt doch immer wahr, was der Teufel zum Kohlbrenner sagte; nemlich daß sich gleich und gleich gern gesellet. Ich bin ewig


Dein Fiekchen.

Quelle:
Karl Timlich: Priaps Normal-Schule die Folge guter Kinderzucht. [München] [1971], S. 127-130.
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