Drei und zwanzigster Brief.

Heinrich an Wilhelm.

[170] Bester Wilhelm!


Meine Belagerung ist mir theuer zu stehen gekommen. Die Margareth, (so hieß des Konrektors Magd) hat das Belagern wirklich besser verstanden, als ich, und mich zum Gefangenen gemachet. Stelle dir vor: das Mensch hatte einen Werber zum Liebhaber, der mir schon lange nachstand, und es deswegen in unser Haus zu bringen wußte.

Ich kam in Kurzem mit meiner Sappirung so weit, daß sie mir versprach, sich mit nächstem Sonntage von mir karniffeln zu lassen; und zwar bei einem Spatziergange. Ich ließ mir das gefallen. Am bestimmten Tage führte[171] sie mich vor das Thor, und bat mich, im nächsten Wirtshause ein Glas Wein mit ihr zu trinken. Ich wollte mich nicht schimpfen lassen, und gieng mit ihr hinein. Wir hatten schon das dritte Glas ausgetrunken, da kam ein Wachtmeister von der Werbung herein, der that, als ob er uns von ohngefähr erblickte, und nannte Margareth seine liebste Baase, die ihn auch mit aller Freundlichkeit empfieng. Er bat um Erlaubnis, sich mir an unsern Tisch zu setzen; Margareth trank ihm mit meiner Bewilligung ein Glas zu, und er ersuchte uns um die Freiheit, auch eine Bouteille hergeben lassen zu dürfen.

Es wurde tapfer losgetrunken. Ich erinnerte Margareth an ihr Versprechen, und sie vertröstete mich von einem Augenblick auf den andern. Endlich, da sich schon mein Kopf zu drehen anfieng, sagte sie mir ins Ohr, ich möchte mit ihr in eine Kammer gehen.[172] Ich folgte ihr nach, und sie führte mich in eine finstere Kammer, die sie hinter uns zuschloß. Es stand ein Bette darinn, auf welches sie mich zog, und ich machte meine Sachen, so gut ich konnte; als ich aber fertig war drückten mir Wein und Mattigkeit die Augen zu.

Ich schlief, bis es Tag war, und ich von einem Gepolter an der Thüre aufgewecket wurde. Wie ich aufsah, erblickte ich den Vetter der Margareth, nebst noch einem Unteroffizier; das Mensch aber war verschwunden. Ersterer fragte mich, wie ich diese Nacht bei ihm geschlafen hätte. »Sehr gut« sagt' ich: und er: »es freuet mich.« – Ich erwähnte, daß ich itzt nach Hause gehen müsse und einen Verweis befürchtete, weil ich über Nacht aus dem Hause geblieben. – »Das hat nichts auf sich, erwiederte er: der Konrektor hat Ihnen nichts mehr zu befehlen.« Da ich demohngeachtet darauf drang,[173] wegzugehen; erklärte er mir das Räthsel: – ob ich denn nicht mehr wisse, daß ich mich gestern Abends anwerben lassen? Ich erstaunte über diese Rede; er hieß mich in den Sack greifen, wo ich mein angenommenes Handgeld finden würde: ich suchte nach, und fand wirklich sechs Thaler in den Hosen, die mir vermuthlich das verruchte Mensch hinein praktiziret hatte, und ich ihm itzt für Zorn vor die Füße warf. Hier spannte er andere Seiten auf, und fieng an: ich sollte Respekt vor seines Fürsten Geld brauchen, sonst würde er mich zur Raison bringen. – –

Nun hub ich an zu weinen; doch er tröstete mich, und that mir den Vorschlag; – wenn ich das Handgeld nicht annehmen wollte, so wolle er mir einen Kontrakt aufsetzen, daß ich mich auf Avancement anwerben lassen; und den sollte ich unterschreiben. Aus zweien Übeln erwählt' ich also[174] das beßte. Der Werber bestellte gleich die Post, und brachte mich über die Gränze, wo er mich einem Transporte übergab, den einige Kommandirte mit großen Fanghunden begleiteten. Gestern sind wir beim Stabe angekommen, und morgen soll ich zur Fahne schwören.

Was kann ich machen, als mich geduldig drein ergeben? – Laß es dir zur Warnung dienen, liebster Wilhelm, und nimm dich vor solchen Schnapphähnen in Acht. Indessen lebe tausendmal wohl. Sollte ich wieder einen guten Menschen finden, der dir Nachricht von mir bringen wollte, so würde ich dir den ferneren Verlauf meiner Begebenheiten umständlich berichten. Ich bin indessen


Dein Heinrich.

Quelle:
Karl Timlich: Priaps Normal-Schule die Folge guter Kinderzucht. [München] [1971], S. 170-175.
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