Dritter Brief.

Heinrich an Wilhelm.

[20] Liebster Wilhelm!


Nun bin ich recht froh, daß ich nicht der einzige Leidende in der Welt bin. Wisse, mich hat das nemliche Schicksal betroffen, das du jüngst mir klagtest. Du weist, daß ich bißher immer mit unserer alten Katharine, die mich auferzogen hat, zu Bette gehen müssen. Jüngst erwacht' ich in der Nacht. Ich furchte mich, und kroch näher an sie. Bei dieser Gelegenheit kam ich an den Hintern, und wurd' einen Büschel Flachs oder Werk gewahr, (was es seyn mochte) das sie vermuthlich den Abend vorher der Mama gestohlen, und zwischen die Beine verborgen haben mochte, bis sie es den andern Tag verpraktiziren könnte.[21]

Ich zog daran so stark ich konnte, um es ihr wegzurupfen; es hielt aber sehr vest; doch wachte sie darüber auf. Ich hielt ihr itzt ihren Diebstahl vor. Lange gab sie mir keine Antwort; als ich aber immer fortfuhr sie zu schrauben; fieng sie an zu weinen, und sagte: wenn ich nicht aufhörte, und nur ein Wort zur Mama spräche, würde sie sich ins Wasser stürzen. Ich versprach ihr nicht allein zu schweigen, sondern ihr auch den andern Tag noch einen recht großen Wickel Werk aus der Flachskammer dazu zu geben. Ich hielt auch mein Wort; demohngeachtet war sie nicht mehr zu bewegen, mich bei sich schlafen zu lassen; Sie übernahm die Küchenwäsche, und die Mama übergab mich der Jungemagd zur Aufsicht.

Sie heist Theichen. Die ersten Tage machte sie nicht viel Wesens mit mir, bis gestern Morgens, als Papa und Mama noch schliefen, und ich ohne Hosen auf der Ofenbank saß; da hob sie mir[22] das Hemde mit diesen Worten in die Höhe: »So zeige mir doch dein kleines Nudelchen!« Sie fing nun damit zu spielen an, und ich hielt ganz still. Bald darauf wickelte sie es zwischen beiden Hände gelind hin und wieder, so, wie die Bäcker ihre Bretzen zu strecken pflegen, oder der Apotheker seinen Pillenteig. Nach und nach fieng es mir an zu schwellen, und wurde beinhart. Sie wickelte immer fort, bis es mich mit Gewalt juckte, und einige Tropfen Wasser heraus spritzten, die ihren Busen benetzten; worauf es nach und nach gänzlich wieder zusammen fiel.

Sie wischte sich solchen mit ihrem Tüchelchen rein, gleichwie mein Nudelchen; wobei sie es unter den Worten: »O du kleines, zuckernes Zippelchen! – an dir werde ich noch viel Freude erleben,« inbrünstig küßte.

Ich sagt' es der Mama, daß mich Theichen gewickelt hätte. »Das ist mir[23] lieb, antwortete sie: so darf ich dir keinen Friseur halten, wenn sich Theichen dazu appliziren will. Es ist zwar nicht in ihren Dienst eingedungen, aber ich werde sie dafür besonders beschenken.« – Morgen muß sie mich wieder wickeln, und ich werde sie dann der Mama wegen ihres Diensteifers so empfehlen, daß ihr ein guter heiliger Christ nicht entgehen soll. Leb wohl. Ich bin


Dein Heinrich.

Quelle:
Karl Timlich: Priaps Normal-Schule die Folge guter Kinderzucht. [München] [1971], S. 20-24.
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