Siebenter Brief.

Heinrich an Wilhelm.

[48] Bester Wilhelm!


Dein Brief hat mir so gut gefallen, daß ich mich beinahe krank gelachet hätte. Das Papaspiel! – O ich kann es gar nicht vergessen. – Das muß ein allerliebstes Spiel seyn. Ich habe Theichen schon um alles in der Welt gebeten, es mit mir zu spielen; aber das Mädchen macht allerlei Entschuldigungen. Bald sagt sie, es sey in unserm Städtchen nicht Mode; bald, es sey zu schwer für mich; bald, es müsse nur an einem gewissen Tag im Jahre gespielet werden; bald sagt sie gar, ich sey noch zu jung dazu: und das verdrießt mich nicht wenig, denn ich bin doch schon zwölf Jahre alt, und wie ich aus deinem[49] Briefe ersehe, kann es wohl so schwer nicht seyn. Endlich entschuldigte sie sich damit, sie wisse nicht einmal, was das für ein Spiel wäre.

Ich zog nunmehr deinen Brief aus dem Sack, und ließ ihn ihr lesen. Sie satzte sich damit nieder. Ich gab genau auf alle ihre Minen acht, und bemerkte, daß sie im Lesen die linke Hand in ihren Schlitz steckte, als ob sie etwas suchen wollte; und von Zeit zu Zeit hin und wieder rutschte. Anfangs lächelte sie beständig, zuletzt aber seufzte sie bei jeder Zeile; ihr Busen arbeitete wie ein Blasebalg; auch sah ich, daß ihr aus den Winkeln des Mundes das klare Wasser lief. Vermuthlich hat sie gleich dazumal der Herzenswurm beseicht. Mir ist es auch schon öfters so gegangen. Ich befragte sie darum; erhielt aber keine Antwort, bis sie fertig war. »Nun Theichen, kannst du das Spiel?« – »Ich kann es nicht.« – »Zum wenigsten wirst du's[50] nachmachen können. – Du bist ja sonst ein geschicktes Mädchen, und lernest gleich eine Speise kochen, wenn es dir die Mama nur einmal zeiget. Mache mir keine Entschuldigung mehr; du must mit mir spielen.« – »I nun, ... kannst du mich auf das Bett tragen?« – »Nein Theichen, du bist mir zu schwer.« – »Also mußt du es lassen, bis du einmal stärker bist.« –

Sie hält mich hingegen auf andern Seiten dafür schadlos, und es vergehet fast kein Tag, wo sie mich nicht wickelte. Weil ich es letzthin der Mama gesaget hate, daß mich Theichen gewickelt hat, so hat sie mich gebeten, daß ich nichts mehr sagen soll; und ich folge ihr pünktlich.

Ich, und meine kleine Schwester Friederike spielten letzthin das Verstecken: da mußte denn das Eine immer aus dem Zimmer, wenn sich das Andere verbarg. Endlich sagte Theichen[51] zu mir: »Ich will dich itzt verbergen, daß dich Friederikchen gewiß nicht finden soll.« Friederikchen mußte hinaus, und Theichen satzte sich auf einen Stuhl, und schob mich unter ihre Röcke. Kaum war ich unten, so fühlt' ich etwas rauches, das mich an der Stirne kitzelte. Ich grif in die Höhe, und fühlte, daß Theichen zwischen den Beinen, die sie ganz gutwillig aus einander that, eben so, wie die alte Katherine, Werk hatte; nur daß dieses ein Wickelchen von kurzem, feinem Haar, jener aber ein enormer Wickel mit langen Zoten war, die man eher für groben Hanf hätte halten sollen. Ei, ei, dacht' ich: hat Theichen auch gemaußt? – Es ist schon ausgemacht, daß der Mama Flachskammer bei allen unsern Mägden Haare lassen muß.

So wie ich Theichen im Anfange für eine Diebinn hielt; so sprach ich sie doch auf der Stelle von diesem Verdacht los, da ich mit den Fingern[52] nähere Untersuchung anstellte, und das Mädchen dabei so stille hielt, wie ein Schoßhündchen; und schrieb dieses auf Rechnung ihres guten Gewissens. Ich fand, daß es in der Haut vest stak, und eingewachsen war. Ich faßte das ganze Perückchen in die volle Hand, und drückt' es zusammen; und da kam ich mit dem Daumen in eine feuchte Öffnung, die mich ganz in Schrecken setzte; weil ich glaubte, daß ich es ihr zerdrücket hätte. Ich steckte deswegen den Kopf aus dem Schlitz, und sah das Mädchen an. Als ich aber bemerkte, daß es recht zärtlich lächelte, verlor ich alle Furcht, kroch wieder hinein, und setzte meine Untersuchung fort.

Bald zog ich die beiden Theile von Theichens Perücke auseinander, bald legt' ich sie wieder zusammen. Ich weiß nicht, was mir das Spiel damit für besonderes Vergnügen verschaffte. – Einen Finger nach dem andern legt' ich wechselsweise hinein, und begrub[53] ihn gleichsam in diesem Thale der Süßigkeit. Endlich kam ich an einen Abfall, der ungemein viel tiefer war. So gelind als möglich, bohrte ich so weit ich konnte hinein, und fühlte dabei ein Entzücken, das mir durch die Seele drang. – »Ach, dacht' ich; wenn mich doch nur Friederikchen recht lange nicht fände; damit ich in meinem Vergnügen nicht gestöhret würde!« –

Es war, als ob Theichen meine Gedanken errathen hätte. Nachdem meine Schwester gegen eine Viertelstunde vergeblich gesuchet hatte, fieng Theichen an: »Ach Friederikchen, ich glaube gar nicht, daß Heinrich im Zimmer ist. – du wirst ihn schwerlich finden; gieb dir lieber keine Mühe.«

Friederikchen gieng, und Theichen, die sich nun allein sah, schlang beide Arme um meine Schultern, und drückte mich eine Weile mit der heftigsten Zärtlichkeit an ihren Leib, wobei[54] sie die Schenkel ganz aus einander fallen ließ. Endlich hub sie an: Mein liebster, bester Heinrich, hör' auf! – es ist genug, – ich kann es nicht mehr aushalten. –

Mir selbst war so hart und ängstlich dabei, daß ich dir es nicht beschreiben kann. Ich kroch nun also mit den zerrütteten Haaren wieder hervor. Theichen umfieng mich aufs neue, und gab mir wohl hundert Küsse, Sogar die Augen küßte sie mir; worauf sie den Kamm nahm, und mir die Haare wieder in Ordnung brachte.

Kaum war sie damit fertig, so wurd ich zum Frühstück gerufen. Ich saß, wie gewöhnlich, neben der Mama. Auf einmal zog sie die Nase hin und her. »Es riechet mir etwas so wunderlich« sagte sie: »Ich habe nichts verbrannt, liebe Mama.« gab ich darauf, indem ich ihr zu gleicher Zeit die Backen streichen wollte: aber eben, als ich[55] mich mit der Hand ihrem Gesichte näherte, ergrif sie mich dabei, und hielt sie sich an die Nase: »Da haben wir's ja, du junger Schweinpelz. Gewiß, hast du gestern wieder in Häringen gewühlet. – Ich muß dich nur noch einen Häringskrämer werden lassen.« –

Du weist, daß ich öfters in den Kaufmannsladen gehe, der uns gegen über ist, um mit den Sachen zu spielen; diesmal aber hatte Mama unrecht. Sie befahl mir, auf der Stelle die Hände zu waschen; welches ich denn auch that.

Theichen hat seit der Zeit mit dem Krabbeln ein Bißchen spröder gegen mich gethan; indessen habe ich sie doch wieder dazu zu bewegen gewußt. In dem grünen Zimmer stehen einige große Töpfe mit eingemachten Früchten. Theichen ißt sie für ihr Leben gern. Sie that mir den Vorschlag, daß, wenn[56] ich ihr alle Tage ein halbes Kaffeeschälchen voll geben, und wenn endlich die Mama den Abgang merken sollte, das ganze Naschen übernehmen wollte; so wollte sie mich auch alle Tage dafür krabbeln lassen. Ich übernahm den Akkord, und es soll mir auf etwelche Maulschellen nicht ankommen; wofür ich mich aber auch sicher bezahlt machen will. Ich bin


Dein Heinrich.

Quelle:
Karl Timlich: Priaps Normal-Schule die Folge guter Kinderzucht. [München] [1971], S. 48-57.
Lizenz:
Kategorien: