Wenn einer eine Reise tut . . .

[554] Die Königin von Rumänien

war jetzt in Amerika. Da konnten diejenigen

Seifenhändler, die für das Königliche inklinieren,

eine Majestät hofieren –

das ist für Geschäft und Gefühl stets ein Gewinn,

und überhaupt: eine Königin ist eine Königin.


Was erzählt denn die Königin von Rumänien in Amerika?

Von ihrer lieben Heimat? von Jassy? vom Horatanz? ja?

Wenn die Amerikaner sie danach fragen,

dann soll sie nur alles, alles sagen –

nur möge sie bei den Empfängen und festlichen Essen

ja nichts vergessen.


Hat sie erzählt, die Gute, die drüben so sehr beliebt,

was sich, zum Beispiel, in den rumänischen Gefängnissen begibt –?


Wie die Leute da nächtelang geschlagen werden,

wie es da kein Recht gibt und keine Beschwerden?

Und daß gefangene Arbeiter in stehenden Särgen krepieren

und nichts zu trinken haben, wenn sie nicht grade urinieren?

Erzählt das die gute Königin? ja?

Drüben in Amerika –?


Und davon, wie jeder, den man für einen Kommunisten hält,

nichts mehr gilt in der rumänischen Welt?[554]

Und daß er vogelfrei ist und geprügelt wird und halbtot geschlagen,

und daß niemand wagt, die Schinder anzuklagen?

Erzählt das die gute Königin? ja?

Drüben in Amerika –?


Und daß bei ihr die Bauern gehalten werden wie Schweine?

Und daß es bei ihr statt Recht und Gesetz nur die eine

Macht: die Siguranza gibt?

Wer darüber die Wahrheit sagt, der ist nicht beliebt . . .

Und daß die Perlen, die an ihr schimmern,

Tränen von denen sind, die in den Särgen wimmern?

Und daß die Rubinen, die an ihr blitzen,

Blutstropfen derer, die in den Erdlöchern sitzen?

Und daß die Polizisten nach eignen Methoden

unbequemen Leuten die Hoden

abquetschen und Geld, Geld unterschlagen,

und keine Zeitung darf darüber was sagen –?


Das alles sollte die Königin nicht verfehlen

ihren lieben Amerikanern zu erzählen.

Denn das wissen wohl nur die wenigen.

Und das ist gut. Denn schon in Brooklyn

würde sie sonst verdientermaßen angespien,

die gute Königin von Rumänien.


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 07.12.1926, Nr. 49, S. 888.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 4, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 554-555.
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