Das Sozialistengesetz 1878

[295] Vor fünfzig Jahren kriegten sie die Partei zu fassen –

vor fünfzig Jahren haben sie ein Gesetz erlassen,

das war kein Gesetz!

das war ein Gehetz![295]

Hetze auf alles, was auf Seiten der Arbeiter stand,

Hetze in der Fabrik, Hetze in Stadt und Land –

Gegen Ausweisung aber und Streikverbot und Krawalle

stand die Partei –:

Alle für einen! Und einer für alle!


Und wie sehen die sozialistischen Führer heute aus?

Du armer Arsch! die ziehen die Leute aus!

Was früher Bebel und Mehring und Liebknecht geheißen,

heißt heute Noske und dient den Preußen –

und steht in dürftiger Maskerade

auf der andern Seite der Barrikade!

Damals: Opfer. Heute: Verräter.

Damals: Klassenkampf. Heute: Besetzt! Bitte später!

Damals: Klarheit. Heute: Pst, nicht so laut!

und im Hintergrund wird ein Kreuzer gebaut.

Einen Fußtritt! Laßt die Verführer stehn!

Ihr sollt immer mit der Masse gehn!

Und die Masse will Kampf. Und die Masse will

klare Ziele in jedem Falle . . .

Über die Noskes hinweg

braust ein unendlicher Strom –:

Alle für einen! Und einer für alle!


  • · Theobald Tiger
    Arbeiter Illustrierte Zeitung, 1928, Nr. 43, S. 7.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 6, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 295-296.
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