3.

[127] Ein Fräulein sah vom Schlosse

Hinab ins tiefe Tal.

Ihr Vater kam zu Rosse,

Er trug ein Kleid von Stahl.

»Willkomm, Herr Vater, gottwillkomm!

Was bringst du deinem Kinde?

Ich war wohl still und fromm.«


»Mein Kind im weißen Kleide!

Heut hab ich dein gedacht.

Die Blumen sind dein' Freude

Mehr als des Goldes Pracht.

Das Blümlein, klar wir Silber, hier

Nahm ich dem kühnen Gärtner,

Gab ihm den Tod dafür.«


»Wie war er so verwegen?

Warum erschlugst du ihn?

Er tät der Blümlein pflegen,

Die werden nun verblühn.« –

»Er hat mir wunderkühn versagt

Die schönste Blum im Garten,

Die spart' er seiner Magd.«


Das Blümlein lag der Zarten

An ihrer weichen Brust.

Sie ging in einen Garten,

Der war wohl ihre Lust.

Da schwoll ein frischer Hügel auf,

Dort bei den weißen Lilien,

Sie setzte sich darauf.


»O könnt ich tun zur Stunde

Den lieben Schwestern gleich!

Doch's Blümlein gibt kein' Wunde,

Es ist so zart und weich.«

Aufs Blümlein sah sie, bleich und krank,[127]

Bis daß ihr Blümlein welkte,

Bis daß sie niedersank.

Quelle:
Ludwig Uhland: Werke. Band 1, München 1980, S. 127-128.
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