Auf das Kind eines Dichters

[56] Sei uns willkommen, Dichterkind,

An deines Lebens goldner Pforte!

Wohl ziemen dir zum Angebind

Sich Lieder und prophet'sche Worte.


In großer Zeit erblühest du,

In ernsten Tagen, wundervollen,

Wo über deiner kind'schen Ruh

Des heil'gen Krieges Donner rollen.


Du aber schlummre selig hin

In angestammten Dichterträumen

Von Himmelsglanz und Waldesgrün,

Von Sternen, Blumen, Blütenbäumen!


Derweil verrauschet der Orkan,

Es weicht der blut'gen Zeiten Trübe;

Wohl blühst als Jungfrau du heran,

Du kündest so das Reich der Liebe.


Was einst als Ahnung, Sehnsucht nur

Durchdrungen deines Vaters Lieder,

Das sinkt von sel'ger Himmelsflur

Als reiches Leben dir hernieder.[56]

Quelle:
Ludwig Uhland: Werke. Band 1, München 1980, S. 56-57.
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