|
[106] Mondbeglänzte Zaubernacht,
Die den Sinn gefangenhält,
Wundervolle Märchenwelt,
Steig auf in der alten Pracht!
Tieck
Romantiker:
Finster ist die Nacht und bange,
Nirgends eines Sternleins Funkel!
Dennoch in verliebtem Drange
Wandl ich durch das grause Dunkel
Mit Gesang und Lautenklange.
Wenn Kamilla nun erwacht
Und das Lämpchen freundlich facht,
Dann erblick ich, der Entzückte,
Plötzlich eine sterngeschmückte,
Mondbeglänzte Zaubernacht.
[106] Rezensent:
Laß Er doch sein nächtlich Johlen,
Poetaster Helikanus!
Was Er singt, ist nur gestohlen
Aus dem Kaiser Oktavianus,
Der bei mir nicht sehr empfohlen,
Den ich der gelehrten Welt
Von den Alpen bis zum Belt
Preisgab als ein Werk der Rotte,
Die den Unsinn hub zum Gotte,
Die den Sinn gefangen hält.
Romantiker:
Welche Stimme, rauh und heischer!
Ist das wohl der Baur Hornvilla?
Ist es Klemens wohl, der Fleischer?
Von den Fenstern der Kamilla
Heb dich weg, du alter Kreischer!
Was die krit'sche Feder hält
Von den Alpen bis zum Belt,
Wüt es doch zu Haus und schäume,
Nur verschon es ihrer Träume
Wundervolle Märchenwelt!
Rezensent:
Bänkelsänger, Hackbrettschläger,
Volk, das nachts die Stadt durchleiert,
Nennt sich jetzt der Musen Pfleger;
Nächstens, wenn Apoll noch feiert,
Dichten selbst die Schornsteinfeger.
Zeit, wo man mit Wohlbedacht
Nur latein'schen Vers gemacht,
Zeit gepuderter Perücken,
Drauf Pfalzgrafen Lorbeern drücken,
Steig auf in der alten Pracht!
[107]
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (Ausgabe letzter Hand)
|
Buchempfehlung
Der satirische Roman von Christoph Martin Wieland erscheint 1774 in Fortsetzung in der Zeitschrift »Der Teutsche Merkur«. Wielands Spott zielt auf die kleinbürgerliche Einfalt seiner Zeit. Den Text habe er in einer Stunde des Unmuts geschrieben »wie ich von meinem Mansardenfenster herab die ganze Welt voll Koth und Unrath erblickte und mich an ihr zu rächen entschloß.«
270 Seiten, 9.60 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro