2. Das alte, gute Recht

[64] Wo je bei altem, gutem Wein

Der Württemberger zecht,

Da soll der erste Trinkspruch sein:

Das alte, gute Recht!
[64]

Das Recht, das unsres Fürsten Haus

Als starker Pfeiler stützt

Und das im Lande ein und aus

Der Armut Hütten schützt.


Das Recht, das uns Gesetze gibt,

Die keine Willkür bricht;

Das offene Gerichte liebt

Und giltig Urteil spricht.


Das Recht, das mäßig Steuern schreibt

Und wohl zu rechnen weiß,

Das an der Kasse sitzen bleibt

Und kargt mit unsrem Schweiß.


Das unser heil'ges Kirchengut

Als Schutzpatron bewacht,

Das Wissenschaft und Geistesglut

Getreulich nährt und facht.


Das Recht, das jedem freien Mann

Die Waffen gibt zur Hand,

Damit er stets verfechten kann

Den Fürsten und das Land.


Das Recht, das jedem offen läßt

Den Zug in alle Welt,

Das uns allein durch Liebe fest

Am Mutterboden hält.


Das Recht, des wohlverdienten Ruhm

Jahrhunderte bewährt,

Das jeder, wie sein Christentum,

Von Herzen liebt und ehrt.


Das Recht, das eine schlimme Zeit

Lebendig uns begrub,

Das jetzt mit neuer Regsamkeit

Sich aus dem Grab erhub.


Ja! wenn auch wir von hinnen sind,

Besteh es fort und fort[65]

Und sei für Kind und Kindeskind

Des schönsten Glückes Hort!


Und wo bei altem, gutem Wein

Der Württemberger zecht,

Soll stets der erste Trinkspruch sein:

Das alte, gute Recht!


Quelle:
Ludwig Uhland: Werke. Band 1, München 1980, S. 64-66.
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