An Venus

[67] O Venus, die in Amathunt

Und über Paphos herrscht, du Mutter süsser Klagen!

Wie lang soll ieder rauher Mund

Im Ton Anacreons dich zu besingen wagen?
[67]

Wie qvält mich ihrer Muse Wut!

Wenn sie von Küssen singt, so ekelt mir vor Küssen.

Gieb acht, wie, wann sie artig thut,

Und wann sie tändeln will, die Mädgen gähnen müssen.
[68]

Ihr ist Lyäus unbekannt:

Sie sieht so nüchtern aus, als ob sie Wasser tränke.

Doch jauchzt sie, als vom Wein entbrannt,

Und jauchzt, wie ein Student, und singt, wie in der Schenke.
[69]

Da hör ich keinen freyen Ton:

Ihr träger Witz gebiert nur wörterreiche Sätze.

Nie war dein Freund Anacreon

So schwatzhaft, ob gleich alt; und Amor haßt Geschwätze.


Die Väter dieser Liederbrut,

Die Affen deines ** gerechte Göttinn! strafe.

Es fühl ihr Herz der Liebe Glut:

Ihr Mädgen les' alsdann ihr frostig Lob und schlafe.
[70]

Nie werde deren Lieds gedacht

Bey sanftem Saitenspiel, im Munde kluger Schönen,

Noch wo der junge Bacchus lacht,

Wann ihn die Grazien mit frohen Rosen krönen.

Quelle:
Johann Peter Uz: Sämtliche poetische Werke, Stuttgart 1890, S. 67-71.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sämtliche poetische Werke
Sämtliche poetische Werke. Hrsg. von A. Sauer