Einladung zum Vergnügen

[65] An Herrn ***


Wie magst du stets der falschen Hoffnung trauen,

Die dich mit Träumen unterhält;

Und in die Luft manch glänzend Schloß erbauen,

Das plötzlich ohne Spur zerfällt?


Zu selten wird vom Himmel uns vergönnet,

Wornach wir, als verliebt, gestrebt.

Indessen flieht und fliehet, ungekennet,

Die Freude, die uns nahe schwebt.


Die Rasen hier, die weiches Gras bedecket,

Und über die zur Sicherheit

Sich, schattenreich, die breite Linde strecket,

Erwarten uns schon lange Zeit.
[66]

Hier laß uns, Freund! bey Wein und Liedern liegen:

Wie süß ists, von Lyäen glühn!

Auf! hohl' ihn her! Ihm folge das Vergnügen,

Und eitle Sorge müsse fliehn.


Denn tiefe Nacht deckt vor uns her die Tage,

Die ieder noch durchwandern wird.

Ich schleiche fort, bereit zu Lust und Plage,

Gleich einem, der im Nebel irrt.


Wie Schritt vor Schritt die schwarze Wolke fliehet,

Entdeckt sich ihm bald öder Sand,

Der, unerfrischt von kalten Quellen, glühet,

Und Felsen und unwirthbar Land.


Bald aber wird sein frohes Lied erschallen,

Wann, nach so viel Beschwerlichkeit,

Am kühlen Bach, ein Wald voll Nachtigallen

Ihm angenehme Schatten beut.

Quelle:
Johann Peter Uz: Sämtliche poetische Werke, Stuttgart 1890, S. 65-67.
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Sämtliche poetische Werke. Hrsg. von A. Sauer