Vorrede der zweyten Ausgabe

Diese wenigen Gedichte brauchen keiner weitläuftigen Vorrede. Ein großer Theil derselben ist nicht neu, sondern schon seit einiger Zeit gedruckt. Es sind die lyrischen Gedichte, die in den zweyen ersten Büchern dieser Sammlung enthalten sind, mehrentheils vor fünf Jahren bereits von einem berühmten Freunde zum Drucke befördert, itzo aber nochmals sorgfältig durchsehen, und vieles daran geändert, wo nicht verbessert worden. Im dritten und vierten Buche befinden sich diejenigen Lieder, welche die lyrische Muse erst nach jener Sammlung gedichtet hat. Sie sind in der Ordnung verfertiget worden, wie sie hier stehen.

Der Sieg des Liebesgottes hat ebenfalls schon im abgewichenen Jahre die Presse verlassen; da hingegen die vier angehangnen Briefe sich zum erstenmal der öffentlichen Critik darstellen.

Es ist gar kein Zweifel, daß ohngeachtet aller angewandten Mühe noch sehr viel an allen diesen Stücken mit Grunde getadelt werden könne. Die ausbessernde Hand des Dichters selbst ist mehr aus Müdigkeit, als in der[3] stolzen Einbildung, daß nunmehr alles vollkommen sey, zurückgezogen worden.

Da übrigens der deutsche Parnaß mit sich selbst uneinig und in gewisse Secten getrennet ist: so kann kein heutiger Dichter sich einen gewissen und allgemeinen Beyfall versprechen. Er wird allezeit von einigen getadelt werden, bloß weil er von andern gelobet wird. Es könnte leicht kommen, daß diese Gedichte noch ein härteres Schicksal zu gewarten hätten, und vielleicht dem Dichter aus dem Petronius zugeruffen würde:


Adolescens, sermonem habes non publici saporis.


Sollte er aber bloß deswegen mit seinen Meinungen, in Sachen, die den guten Geschmack betreffen, geheuchelt haben, weil sie von den Grundsätzen anderer angesehenen Kunstrichter abgehen?

Wie er sich selbst der im Reiche der Wissenschaften hergebrachten Freyheit, seine Gedanken offenherzig herauszusagen, mit Bescheidenheit bedienet hat: so wird es ihm auch nicht zuwider seyn, wenn andere sich einer gleichen Freyheit gegen ihn selbst gebrauchen. Er wird sich zu belehren suchen, wo er Unterricht findet; und wo er diesen nicht findet, wenigstens zu schweigen wissen.

Quelle:
Johann Peter Uz: Sämtliche poetische Werke, Stuttgart 1890, S. 3-4.
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Sämtliche poetische Werke. Hrsg. von A. Sauer