II.

Expedition des Baron von Bougainville. – Aufenthalt in Ponditscherry. – Die »weiße Stadt« und die »schwarze Stadt«. – Die Rechte und die Linke Hand. – Malakka. – Singapore und sein Aufblühen in jungster Zeit. – Aufenthalt in Manilla. – Die Bai von Tourane. – Die Affen und die Einwohner. – Die Marmorfelsen von Fay-Foë. – Cochinchinesische Diplomatie. – Die Anambas. – Der Sultan von Madura. – Die Madura- und die Allas-Straßen. – Cloates und die Trials. – Van Diemen. – Botany-Bai und Neu-Süd-Galles. – Santiagound Valparaiso. – Heimkehr und das Cap Horn. – Expedition Dumont d'Urville's auf der »Astrolabe«. – Der Pic von Teyde. – Australien. – Aufenthal bei Neu-Seeland. – Tonga. – Tabou. – Die Escarmouches. – Neu-Britannien und Neu-Guinea. – Die ersten Nachrichten über das Schicksal La Pérouse's. – Vanikoro und dessen Bewohner. – Aufenthalt bei Guaham. – Amboine und Manado. – Ergebnisse der Expedition.


Die Expedition, welche dem Baron von Bougainville anvertraut wurde, war eigentlich weder eine wissenschaftliche, noch eine Entdeckungsreise im engeren Sinne des Wortes. Ihr Hauptzweck bestand darin, im fernsten Osten die Flagge Frankreichs zu zeigen und den nicht selten ziemlich wenig scrupulösen Regierungen unzweideutig zu beweisen, daß Frankreich seine Angehörigen und Interessen überall und zu jeder Zeit zu schützen gewillt sei. Die Instructionen des Schiffskapitäns lauteten unter Anderem auch dahin, dem Beherrscher von Cochinchina einen Brief des Königs und gewisse Geschenke zu überreichen, die auf der »Thetis« eingeschifft wurden.

Bougainville sollte sich dabei, wo es anging, mit hydrographischen Studien beschäftigen, ohne damit seine Fahrt unnöthig zu verzögern, und möglichst umfassende Nachrichten über den Handel, die Erzeugnisse und Tauschmittel der von ihm besuchten Länder sammeln.

Zwei Schiffe wurden seinem Befehle unterstellt. Das eine, die »Thetis«, eine ganz neue Fregatte, führte vierundvierzig Kanonen und dreihundert Matrosen; bisher hatte, außer der »Boudeuse«, noch kein so starkes französisches Schiff eine Reise um die Erde ausgeführt; das andere war die Glattdeckskorvette »Espérance« mit vierundzwanzig Caronaden auf dem Deck und hundertzwanzig Mann Besatzung.[336]

Das erste dieser Fahrzeuge stand unter unmittelbarem Befehle des Barons Bougainville, und sein Stab war aus besonders gewählten Officieren zusammengesetzt. unter denen man die Namen Longueville's, Lapierre's und Baudin's fand, welche später zum Linienschiffs-Kapitän, Viceadmiral und Contreadmiral avancirten.


Indische Götzenbilder bei Ponditscherry. [Facsimile. Alter Kupferstich.]
Indische Götzenbilder bei Ponditscherry. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Die »Espérance« wurde von dem Fregattenkapitän de Nourquer du Camper[337] befehligt, der als zweiter Officier der Fregatte »Kleopatra« schon einen großen Theil der vorgeschriebenen Route der neuen Expedition kennen gelernt hatte. Zu ihren Officieren gehörten Turpin, der spätere Contreadmiral, Deputirte und Generaladjutant Louis Philipp's, Eugen Penaud, der spätere Generalstabsofficier, und Médéric Malavois, der Gouverneur von Senegal wurde.

Kein Specialgelehrter, die man sonst so freigebig, z. B. der »Naturaliste« und überhaupt jedem nach Entdeckungen aussegelnden Schiffe beigegeben hatte, begleitete die Schiffe des Barons von Bougainville, was dieser während der ganzen Fahrt lebhaft bedauerte, da auch die Aerzte, wegen der ihnen zufallenden Sorge für die Kranken einer so zahlreichen Mannschaft, auf den Halteplätzen kaum Zeit gewannen, sich länger vom Bord zu entfernen. Bougainville's Reisetagebuch beginnt mit folgender wohlbegründeten Bemerkung:

»Vor noch nicht vielen Jahren gehörte eine Reise um die Erde zu den gewagtesten Unternehmungen, und es ist kaum ein halbes Jahrhundert verflossen, daß eine solche Expedition hinreichte, dem Führer derselben einen gewissen Ruhm zu verleihen... Das war damals die schöne Zeit, das goldene Zeitalter des Erdumseglers, und die Gefahren und Entbehrungen, mit denen er zu kämpfen hatte, wurden ihm hundertfach vergolten, wenn er, reich an werthvollen Entdeckungen, die Gestade des Vaterlandes wieder begrüßte... Jetzt hat sich das geändert; die Glorie ist verblaßt; man macht jetzt eine Reise um die Erde, etwa wie man früher durch Frankreich fuhr!...«

Was würde der Baron Yves Hyacinthe Potentien de Bougainville, der Sohn des Viceadmirals, Senators und Mitglieds des Instituts, heutzutage sagen, wo alle Welt die so vervollkommneten prächtigen Dampfschiffe und die genauesten Karten besitzt, welche auch die weitesten Seefahrten fast zum Spiele gemacht haben?

Am 24. März 1824 verließ die »Thetis« allein die Rhede von Brest; sie sollte ihr Begleitschiff, die »Espérance«, die schon vor einiger Zeit abgefahren war, um Rio de Janeiro anzulaufen, in Bourbon antreffen. Ein kurzer Aufenthalt in Teneriffa, wo die »Thetis« nur schlechten Wein und wenig Lebensmittel, die sie brauchte, einkaufen konnte, die Besichtigung der Inseln des Grünen Vorgebirges und des Caps der Guten Hoffnung aus einiger Entfernung, die Aufsuchung der fabelhaften Insel Saxemburg und einige gespensterhafte Erscheinungen während einzelner Nächte waren die einzigen Vorkommnisse auf der Fahrt bis zur Isle Bourbon, wo die »Espérance« schon vor ihrem Begleitschiffe eingetroffen[338] war. Bourbon kannten alle Seefahrer zu jener Zeit schon so hinreichend und so genau, daß nach Erwähnung der beiden offenen Rheden von St. Denis and von St. Paul darüber kaum noch etwas zu sagen übrig blieb.

St. Denis, die im Norden von Bourbon und am Fuße einer geneigten Ebene gelegene Stadt, ist eigentlich ja nichts anderes als ein großer Flecken ohne Umplankung oder Mauern, in dem jedes Haus von einem Garten umgeben ist. Von öffentlichen Bauwerken ist nichts zu sagen, außer etwa über den Palast des Statthalters, der eine, die ganze Rhede beherrschende Lage hat, über den botanischen Garten und den für Acclimatisation, der aus dem Jahre 1817 herrührt. Der erstere, inmitten der Stadt, bietet schöne, leider nur wenig besuchte, aber vortrefflich gepflegte Spaziergänge. Ihn zieren Eukalypten, die Riesen der australischen Flora, Phormium tenax oder der Neuseeländische Hanf, die Casuarina oder Pinie von Madagaskar, der Baobab mit überraschend dickem Stamme, ferner Averrhoa-, Breiapfelbäume und Vanillesträucher, während ihn Kanäle mit fließendem Wasser befeuchten. Der zweite, angelegt auf einem Hügel mit staffelförmigen Terrassen, über welche mehrere Bäche herabrieseln, war für die Acclimatisation der Bäume und Gewächse aus Europa bestimmt. Apfelbäume. Pfirsiche, Aprikosen-, Kirschen- und Birnbäume gedeihen hier ausgezeichnet und hatten der Kolonie schon sehr werthvolle Stöcklinge geliefert. Man cultivirte in diesem Garten auch den Weinstock, den Theestrauch und mancherlei andere ausländische Gewächse, unter denen Bougainville die »Laurea argentea« mit glänzenden Blättern besonders hervorhebt.

Am 9. Juni verließen die beiden Fahrzeuge die Rhede von St. Denis. Nachdem sie die Bänke de la Fortune und von Saya de Malfa umschifft, auf hoher See an den Seschellen vorübergekommen und dann zwischen den Atolls der Malediven – an jene kaum über das Wasser emporragenden, mit dichten Bäumen, aus denen einzelne Cocospalmen hervorragen, bedeckten Inseln – angelaufen waren, bekamen sie die Insel Ceylon und die Koromandelküste in Sicht und gingen vor Ponditscherry vor Anker.

Dieser Theil Indiens entspricht nun keineswegs der bestrickenden Vorstellung, welche sich die Europäer nach den dithyrambischen Schilderungen der Schriftsteller, die seine Wunder preisen, vielleicht gemacht haben.

Die Zahl der Wohnhäuser und öffentlichen Bauwerke von Ponditscherry ist sehr gering, und wenn man die Pagoden besichtigt, die vielleicht das größte Interesse erwecken, und die »Dampfkessel« (das sind warme Quellen) besucht hat,[339] deren Nützlichkeit ihre einzige Empfehlung ist, so ergötzt man sich nur noch an den charakteristischen Scenen, die sich jeden Augenblick in der, in zwei bestimmt verschiedene Theile zerfallenden Stadt dem Blicke darbieten.

Dem einen Theil, der»Weißen Stadt«, mit zierlichen Häusern, aber verlassenen und stillen Straßen, dürfte wohl Jeder die »Schwarze Stadt« mit ihren Bazars, Jongleurs, den massiven Pagoden und den anziehenden Tänzen der Bajaderen vorziehen.

»Die indische Bevölkerung der Koromandelküste, heißt es in dem Berichte, zerfällt in zwei Classen, die »Rechte Hand« und die »Linke Hand«. Diese Theilung schreibt sich von der Zeit der Regierung eines Nabab her, unter der das Volk sich empörte; alle Diejenigen, welche dem Fürsten treu blieben, wurden durch den Namen die Rechte Hand ausgezeichnet, während die Anderen die Linke Hand genannt wurden.

Diese beiden großen Vereinigungen, welche die Bevölkerung in zwei fast gleich zahlreiche Abtheilungen scheiden, stehen sich wegen der Rangstellung und den Vorrechten, die der Ersteren als Freunden des Fürsten zuertheilt worden waren, stets feindlich gegenüber. Die Ersteren sind indeß im Besitze der Aemter geblieben, während sich die Anderen mit dem Handel und den Gewerben beschäftigen. Um unter denselben aber Frieden zu erhalten, hat man ihnen ihre früheren Processionen und Ceremonien untersagen müssen...

Die Rechte und die Linke Hand zerfallen dann selbst wieder in achtzehn Kasten oder Stände voller Prätensionen und Voreingenommenheiten, welche auch schon die Jahrhunderte lange Berührung mit Europäern nicht abzuschwächen vermochte. Dadurch entsteht ein so gespanntes Verhältniß, daß blutige Zusammenstöße nicht ausbleiben könnten, wenn die Hindus nicht Entsetzen vor Blut hätten und ihr Charakter sie nicht von Gewaltthätigkeiten abhielt.

Diese Milde der Sitten und die fortwährende gegenseitige Eifersucht allein vermögen die merkwürdige Erscheinung zu erklären, daß sich über fünfzig Millionen Menschen unter das Joch von fünfundzwanzig-bis dreißigtausend Ausländern beugen ließen.«

Die »Thetis« und die»Espérance« segelten am 30. Juli von der Rhede von Ponditscherry aus über den Golf von Bengalen und liefen die Nikobaren und Poulo-Penang an, einen Freihafen, in dem gleichzeitig dreihundert Schiffe lagen. Dann begaben sie sich nach der Straße von Malakka und hielten vom 24. bis 26. August in diesem holländischen Hafen an, um einige Beschädigungen[340] der »Espérance« so auszubessern, daß diese wenigstens bis Manilla See halten konnte. Die Beziehungen zu dem Residenten und den Einwohnern gestalteten sich sehr freundlich und erhielten durch verschiedene, theils zu Lande, theils auf der »Thetis« zu Ehren der Könige von Frankreich und der Niederlande veranstaltete Feste unzweifelhaften Ausdruck.

Die Holländer waren übrigens schon darauf vorbereitet, diese Niederlassung den Engländern abzutreten, was kurze Zeit darauf wirklich geschah. In Bezug auf die Fruchtbarkeit des Bodens, der Annehmlichkeit der Lage und die Leichtigkeit der Beschaffung der verschiedensten Bedürfnisse übertrifft übrigens Malakka viele seiner Rivalen beiweitem.

Bougainville verließ diese Rhede am 26. August und hatte während der weiteren Fahrt durch die Meerenge von widrigen Winden, Windstillen und Gewittern nicht wenig zu leiden. Gerade diese Gegenden werden von malayischen Seeräubern vorzüglich heimgesucht. Obwohl die Division stark genug war, um keinen Feind fürchten zu müssen, so stellte der Befehlshaber doch Schildwachen aus und traf alle nothwendigen Maßregeln, um gegen einen Ueberfall gesichert zu sein. Hier sieht man sonst nicht selten mehrere jener, mit gegen hundert Mann besetzten Proas, und so manches Handelsschiff ist schon von den unverbesserlichen Piraten geraubt worden.

Die Division bemerkte während der Fahrt aber nichts Verdächtiges und segelte unbehelligt nach Singapore.

Die Bevölkerung dieser Stadt zeigt eine eigenthümliche Mischung. Hier trifft man Europäer, in deren Händen sich vorzüglich der Handel befindet, aber auch armenische und arabische Kaufleute; Chinesen, welche sich meist mit Landbau beschäftigen, doch zuweilen auch Handwerke betreiben, um die Bedürfnisse der Einwohnerschaft zu befriedigen. Die in diese aufblühende Civilisation gleichsam verschlagenen Malayen leben entweder als niedere Diener, oder bleiben bei ihrer Indolenz und ihrem Elend völlig verborgen. Die wegen Verbrechen aus ihrem Vaterlande vertriebenen und verbannten Hindus betreiben jene unaussprechlichen Gewerbe, welche die Hefe des Volkes in allen großen Städten gerade noch vor dem Hungertode bewahren.

Erst 1819 hatten die Engländer von dem malayischen Sultan von Djohor die Berechtigung erkauft, sich in der Stadt Singapore niederzulassen. Der kleine Flecken, in dem sie sich damals festsetzten, zählte kaum hundertfünfzig Seelen; bald erhob sich aber, Dank dem rastlosen Eifer Sir Stamfard Rafleߣs, eine[341] Stadt an Stelle der bescheidenen Hütten der früheren Bewohner; durch eine weise Verwaltung, Aufhebung aller Zölle und die Vortheile der Lage an einem geräumigen sicheren Hafen vollzog sich schnell eine an's Wunderbare grenzende Umwandlung aller Verhältnisse.

Die Garnison hier betrug nur dreihundert Sipahis und dreißig Artilleristen; Festungswerke waren noch nicht angelegt, und das ganze Artilleriematerial beschränkte sich auf eine Batterie von zwanzig Festungs- und ebensoviel bronzenen Feldkanonen.

Singapore bildete im Grunde nur eine große Waarenniederlage. Madras lieferte hierher Baumwollengewebe, Calcutta das Opium, Sumatra den Pfeffer, Java Arak und Gewürze, Manilla Zucker und Arak, und alle genannten Waaren werden von diesem Platze aus nach Europa, China, Siam u. s. w. versendet.

Oeffentliche Gebäude finden sich keine. Es giebt weder städtische Magazine, noch Docks, Werfte oder Kasernen; doch existirte eine kleine Kirche für die bekehrten Eingebornen.

Am 2. September nahm die Division ihren Weg wieder auf und erreichte ohne Unfall den Hafen von Cavite. Der Commandant der»Espérance«, du Camper, der bei einem mehrjährigen Aufenthalte in Luzon die hervorragendsten Einwohner kennen gelernt hatte, erhielt den Auftrag, sich nach Manilla zu begeben, um den Gouverneur von der Ankunft der Fregatte und dem Grunde ihres Einlaufens in den Hafen Mittheilung zu machen, und gleichzeitig sich auch zu unterrichten, welchen Empfang die Franzosen hier zu erwarten haben dürften.

Die neuerliche Intervention der letzteren in Spanien nämlich versetzte diese dem Gouverneur gegenüber in eine etwas delicate Lage. Don Juan Antonio Martinez war ja durch die Regierung der Cortes, welche die Franzosen gestürzt hatten, auf seinen Posten berufen worden.

Die Befürchtungen des Commandanten bestätigten sich indessen nicht, und er fand bei den spanischen Behörden sowohl freundliche Aufnahme als die größte Bereitwilligkeit, ihm behilflich zu sein.

Die Bai von Cavite, wo die Schiffe Anker geworfen hatten, wird tagtäglich mehr von Schlamm aufgefüllt, bildete aber doch den wichtigsten Hafen der Philippinen. Die Spanier besaßen hier ein gut ausgerüstetes Fort, in welchem Indier aus der Nähe arbeiteten, die freilich ebenso geschickt und intelligent wie träge waren.[342]

Während nun die »Thetis« im Innern frisch bekleidet und die »Espérance« verschiedentlich ausgebessert wurde, überwachten mehrere Beamte und Officiere die Nahrungsmittel und die Herstellung des neuen Tauwerkes.

Das letztere wurde aus »Abaka«, das sind Fasern der Banane, die man gewöhnlich als »Manilla-Hanf« bezeichnet, angefertigt; es bewährte sich jedoch, trotz der großen Elasticität, die man ihm allgemein zuschreibt, an Bord der Schiffe nicht eben besonders gut.

Der Aufenthalt in diesem Hafen wurde leider durch Erdbeben recht bedauerlich gestört; auch verheerten Manilla einige Typhons. Am 24. October fand ein so heftiges Erdbeben statt, daß der Gouverneur, die Truppen und ein Theil der Einwohner eiligst aus der Stadt entfliehen mußten. Der Schaden durch dasselbe wurde auf drei Millionen Francs geschätzt; eine Menge Häuser stürzten zusammen, acht Personen wurden unter den Trümmern begraben und sehr viele andere trugen Verletzungen davon.

Kaum begann die Bevölkerung sich ein wenig zu beruhigen, als ein entsetzlicher Typhon dem Unheil die Krone aufsetzte. Dieser hielt nur während eines Theiles der Nacht zum 31. October an, und bei Sonnenaufgang des nächsten Tages hätte man glauben können, nur einen bösen Traum gehabt zu haben, wenn nicht der Anblick der verwüsteten Felder, das beklagenswerthe Bild, welches die Rhede mit sechs auf die Küste geworfenen und vielen anderen, fast vollständig zerstörten Fahrzeugen darbot, dafür zeugten, daß das Unglück leider auf Wahrheit beruhte. Rings um die Stadt war das Land arg mitgenommen, die Ernte verloren, selbst die stärksten Bäume waren entwurzelt und die Dörfer zerstört. In der That ein erschütterndes Schauspiel!

Auf der »Espérance« hatte der Sturm den Großmast und den Besan einige Fuß über dem Deck weggebrochen und die Schanzkleidung weggeführt. Die »Thetis« entging dem entsetzlichen Orkan glücklicher und trug ernsthafte Beschädigungen nicht davon. Die Trägheit der Arbeiter und die Menge von Festtagen, während denen dieselben feiern, bestimmten Bougainville, sich einstweilen von seinem Begleitschiffe zu trennen und am 12. December nach Cochinchina abzusegeln.

Bevor wir den Franzosen aber nach jenen selten besuchten Ländern folgen, wollen wir mit ihnen Manilla und dessen Umgebungen ein wenig durchstreifen.


Indier von Ponditscherry. (S. 340.)
Indier von Ponditscherry. (S. 340.)

Die Bai von Manilla ist ohne Zweifel eine der schönsten und geräumigsten der Welt, in der ganze Flotten Platz finden würden; ihre beiden Zugänge sind noch nicht befestigt, weshalb es im Jahre 1798 zwei englischen Fregatten möglich wurde, in diese einzudringen und unter den Kanonen der Stadt mehrere Schiffe zu rauben.


Strom San Matheo, Insel Luzon. [Facsimile. Alter Kupferstich.]
Strom San Matheo, Insel Luzon. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Den Horizont schließt eine Bergkette ab, die im Süden mit dem Taal, einem jetzt nahezu erloschenen Vulcan, endet, dessen Eruptionen früher wiederholt Unglück angerichtet haben. In der Ebene mit üppigen[343] Reisfeldern beleben hübsche Weiler oder einzelne Häuser die Landschaft. Dem Haupteingange der Bai gegenüber erhebt sich die Stadt, welche gegen einhundertsechszigtausend Einwohner zählt, mit ihrem Leuchtthurm und den weitgestreckten Vorstädten.[344] An derselben vorbei fließt der Passig, ein aus dem Baisee entspringender Strom, und diese ausnahmsweise Lage sichert ihr Vorzüge, um welche sie manche Hauptstadt beneiden dürfte.

Die Garnison betrug zu jener Zeit, die Milizen ungerechnet, zweitausend Mann. Neben der fortwährend durch einige Schiffe vertretenen Kriegsmarine des Staates war auch eine eigene Kolonialmarine organisirt worden, die man, entweder wegen der Kleinheit der Fahrzeuge oder wegen deren Schnelligkeit, mit[345] dem Namen »Sutil« bezeichnete. Diese Seemacht, in der die Besetzung aller Officiersgrade dem General-Gouverneur überlassen war, bestand aus Goëletten und Kanonenschaluppen zur Vertheidigung der Küsten und Handelsschiffe gegen die Piraten der Sulu-Inseln. Obwohl diese Einrichtung ziemlich viel kostete, kann man doch nicht sagen, daß sie etwas Besonderes geleistet hätte. Bougainville belegt das mit einem sehr schlagenden Beispiele: Als die Suluaner im Jahre 1828 dreitausend Bewohner von den Küsten Luzons geraubt hatten, wurde ein Zug gegen sie ausgerüstet, der einhundertvierzigtausend Piaster Unkosten verursachte, um jenen – sechs Mann zu tödten!

Auf den Philippinen herrschte zur Zeit des Aufenthaltes der »Thetis« und »Espérance« eine gewisse Gährung, und der Rückschlag der Ereignisse, welche die Hauptstadt mit Blut befleckt hatten, machte sich hier sehr bedauerlich fühlbar. Die Niedermetzlung der Weißen durch die Indier am 20. December 1820, die Erhebung eines Regiments und die Ermordung eines früheren Gouverneurs, de Folgueras, 1824, waren die ersten Stöße, welche die Herrschaft Spaniens erschütterten. Die Mestizen, die im Verein mit den Tagals die reichste und fleißigste Volksclasse und die wirklich eingeborne Bevölkerung darstellen, machten damals den Behörden manche Sorge, denn es war bekannt, daß sie darauf ausgingen, Alles zu vertreiben, was nicht von den Philippinen selbst herstammte. Sie befehligten die einzelnen Regimenter und hatten die meisten öffentlichen Aemter inne, mit einem Worte, sie besaßen einen weitgehenden Einfluß und es lag die Befürchtung nahe, daß man jetzt vielleicht am Vorabend einer jener Revolutionen stehe, welche Spanien schon seiner schönsten Kolonien beraubt haben.

Die Fahrt der »Thetis« nach Macao wurde durch steife Böen, widrige Winde und eine desto fühlbarere kalte Temperatur erschwert, weil die Seefahrer mehrere Monate lang sich unausgesetzt in einer Wärme von 27 Grad befunden hatten. Kaum griff der Anker in den Grund des Cantonflusses ein, als auch schon eine große Anzahl einheimischer Fahrzeuge die Fregatte umringte, um Gemüse, Fische, Orangen und eine Menge der früher so seltenen, heutzutage zwar weitverbreiteten, aber immer noch ziemlich kostbaren Kleinigkeiten anzubieten.

»Die zwischen dürren Hügeln eingezwängte Stadt Macao, sagt der Bericht, macht sich schon aus weiter Ferne durch die glänzende Weiße ihrer Häuser bemerkbar. Sie liegt mit der Front nach Osten, und die am Strande errichteten eleganten Häuser folgen genau den Conturen des Ufers. Es ist dies das vornehme Quartier der Stadt, welches die Fremden bewohnen; hinter demselben[346] steigt das Land steil empor: neben anderen Gebäuden zeichnen sich zwei Klöster durch ihre reiche Architektur aus, und alles das ist von den crenelirten Mauern des Forts umschlossen, auf denen die weiße Kriegsflagge Portugals weht. Im Norden und Süden der Stadt reichen die in drei Etagen angelegten Batterien bis zum Meere herab, und nahe vor der ersten erhebt sich eine Kirche, deren Porticus und äußere Decorationen einen geradezu bezaubernden Eindruck machen. Mehrere Sampanen, Dschonken und Fischerboote am Strande beleben das Bild, dessen Rahmen freundlicher erscheinen würde, wenn die Hügel rings um die Stadt nur nicht gar so kahl wären.«

Durch die günstige Lage für den Zwischenhandel Chinas mit der übrigen Welt erfreute sich Macao, eines der Ueberbleibsel des portugiesischen Kolonialbesitzes, lange Zeit des besten Gedeihens. Im Jahre 1825 war das nicht mehr der Fall, und die Stadt erhielt sich eigentlich nur noch durch den Schmuggelhandel mit Opium.

Die »Thetis« hielt sich in Macao allein zu dem Zwecke auf, Missionäre auszuschiffen und die französische Flagge zu zeigen.

Bougainville verließ die Stadt also schon am 8. Januar 1825 wieder.

Bis zur Bai von Tourane verlief die Weiterreise ohne jeden bemerkenswerthen Zwischenfall. Als Bougainville aber hier anlangte, hörte er, daß der französische Agent Chaigneau von Huë nach Saïgon gereist sei, um ein Barkschiff nach Singapore zu miethen. Der Commandant wußte nun nicht, an wen er sich wenden sollte, und er befürchtete schon, da die einzige Person, welche seine Absichten befördern konnte, abwesend war, einen totalen Mißerfolg seiner Mission. Er sandte in Folge dessen eiligst einen Brief an den Agenten, in dem er diesem den Zweck seines Erscheinens mittheilte und ihn ersuchte, sich in Begleitung einiger Officiere möglichst bald wieder in der Hauptstadt Huë einzufinden. Die Zeit bis zum Eintreffen einer Antwort benutzten die Franzosen zu einer eingehenden Untersuchung der Bai und ihrer Umgebungen, sowie der berühmten Marmorfelsen, welche alle Reisenden aufsuchen.

Einzelne Schriftsteller, und vorzüglich Horsburgh, nennen die Bai von Tourane eine der schönsten und geräumigsten der ganzen Erde. Bougainville ist anderer Meinung und erklärt nur einen sehr kleinen Theil derselben für sicher. Das Dorf Tourane liegt am Ufer des Meeres, nahe dem Eingange des Kanals von Faye-Foë, an dessen Ufer sich ein von französischen Ingenieuren erbautes Fort mit Glacis, Bastionen und trockenen Gräben erhebt.[347]

Die als alte Verbündete betrachteten Franzosen wurden stets wohlwollend und ohne Mißtrauen aufgenommen. Nicht so die Engländer, denen man verbot, an's Land zu gehen, während die Mannschaft der »Thetis« Erlaubniß zur Jagd und zum Fischfang erhielt, auch ungehindert sich überall hin begeben konnte, um Lebensmittel zu erlangen. Dank der ihnen gestatteten Freiheit, durchstreiften die Officiere das Land und machten recht interessante Beobachtungen. Einer von ihnen, de la Touanne, entwirft von den Eingebornen folgendes Bild:

»Ihr Wuchs ist eher unter als über mittel, und nach dieser Seite stehen sie etwa auf derselben Stufe, wie die Chinesen in Macao. Ihre Haut ist gelblichbraun und das Gesicht flach und rund, die Physiognomie ohne Ausdruck und ihre dunklen Augen erscheinen nicht so geschlitzt wie die der Chinesen. Sie haben eine breite Nase, einen großen Mund und wulstige Lippen, welche um so häßlicher aussehen, als sie durch die Gewohnheit der Männer wie der Frauen, mit Betel und Kalk gemischten Arek zu kauen, stets unreinlich und geschwärzt erscheinen. Die den Männern an Größe gleichkommenden Frauen bieten kein angenehmes Aeußere und die widerwärtige Unreinlichkeit beider Geschlechter raubt ihnen auch noch jeden Reiz.«

Das Elend der Bewohner fällt umsomehr auf, als sich das Land durch große Fruchtbarkeit auszeichnet, ein Contrast, der den Egoismus und die Sorglosigkeit der Regierung ebenso, wie die unersättliche Habgier der Mandarinen deutlich erkennen läßt.

Wenn die Felder Mais, süße Pataten, Manioc, Tabak und Reis liefern und ihr Aussehen für die sorgfältige Bearbeitung derselben spricht, so tummeln sich im Meere unzählige Fische und bergen die Wälder eine große Anzahl von Vögeln, Tigern, Rhinocerossen, Büffeln und Elephanten, ebenso wie Affen, die man überall in vielköpfigen Heerden antrifft. Vier Fuß hoch, mit dunklem Gesicht, perlgrauem Leibe, schwarzen Schenkeln und rothen Beinen, haben sie außerdem eine Art rothes Halsband und einen weißen Gürtel, was ihnen gerade das Aussehen verleiht, als wären sie bekleidet. Ihre Muskelkraft ist außerordentlich groß und sie springen von Zweig zu Zweig auf kaum glaubliche Entfernungen hin. Man kann kaum etwas Possirlicheres sehen, als ein Dutzend dieser Burschen, wenn sie, auf den Bäumen sitzend, Grimassen schneiden oder schier unmögliche Verrenkungen ausführen.

»Als ich mich einmal allein am Waldessaume befand, sagt Bougainville, verwundete ich einen derselben, der die Nase in die Sonnenstrahlen herausgesteckt[348] hatte. Er faßte sich mit beiden Händen nach dem Gesicht und fing so jämmerlich an zu heulen, daß ihn bald dreißig Kameraden umringten. Ich beeilte mich, die Flinte wieder zu laden, da ich nicht wissen konnte, wie die Sache ablief, denn es giebt derartige Thiere, welche auch vor einem Angriffe auf den Menschen nicht zurückschrecken; die Gesellschaft nahm jedoch den Verwundeten in die Mitte und verschwand im tiefen Walde.«

Ein anderer Ausflug galt den Marmorfelsen des Flusses Faye-Foë; hier fanden sich sehr merkwürdige Höhlen; in einer derselben sieht man eine Säule von der Decke herabhängen, deren Fuß ganz frei über dem Boden schwebt. Stalaktiten gab es in der Höhle nicht, doch rauscht in ihrem Hintergrunde ein Wasserfall herab.

Etwas weiter hin unter freiem Himmel, besuchten die Franzosen die Ruinen eines alten Bauwerkes in der Nähe einer Grotte mit einem Götzenbilde. Von einer Ecke derselben lief ein Seitengang aus, dem Bougainville folgte und der ihn nach einer »ungeheuren Rotunde mit Oberlicht führte, welche eine mindestens sechzig Fuß hohe Bogenwölbung abschloß. Stelle man sich verschiedenfarbige Marmorsäulen vor, von denen einige freilich aus Bronze zu bestehen scheinen, weil Zeit und Feuchtigkeit einen grünlichen Ueberzug auf denselben hervorgebracht haben, Lianen, welche durch die Giebelsteine gewachsen sind und, die einen bündelförmig, die anderen als einzelne Seile herabhängen, als sollten Kronleuchter daran befestigt werden; ferner Gruppen von Stalaktiten über unseren Köpfen, welche riesigen Orgelpfeifen ähnlich erscheinen; ältere, verstümmelte Statuen, häßliche, aus Stein gemeißelte Ungeheuer; endlich eine große Pagode, welche freilich nur einen sehr kleinen Theil des gewaltigen Raumes einnimmt, dann denke man sich alle diese Gegenstände in einem Rahmen vereinigt und von unbestimmtem, zitterndem Lichte erhellt, so wird man annähernd eine Vorstellung von dem Eindruck gewinnen, den wir an dieser Stelle erhielten.«

Am 25. Januar 1825 gesellte sich die »Espérance« wieder zu der Fregatte. Zwei Tage später erschienen zwei Gesandte des Hofes von Huë, welche von Bougainville den Brief, den dieser mitbrachte, verlangten. Da der Befehlshaber aber Auftrag hatte, jenen nur dem Kaiser selbst zu überreichen, so führte dies ziemlich lange und recht kindische Verhandlungen herbei.

Die ceremoniösen Förmlichkeiten, welche die cochinchinesischen Gesandten beobachteten, erinnerten Bougainville an die Erzählung von jenem Gesandten und dem Gouverneur von Java, welche, um sich an äußerer Würde und diplomatischer[349] Gewandtheit zu überbieten, vierundzwanzig Stunden beisammen blieben und dann schieden, ohne daß Einer von ihnen nur das Wort genommen hätte. Der Commandant gehörte nun zwar nicht zu den besonders langmüthigen Leuten, er konnte aber die nachgesuchte Audienz auf keine Weise erhalten, und die ganze Sache lief zuletzt auf einen Austausch von Geschenken hinaus, der keinen Theil irgendwie verpflichtete.

Erreicht wurde dabei nur das eine Resultat, daß der Kaiser die bestimmte Versicherung abgab, er werde stets mit Vergnügen französische Schiffe in seine Häfen einlaufen sehen, wenn dieselben die Gesetze des Landes beachteten.

Seit 1817 waren die Franzosen fast die einzigen gewesen, welche mit Cochinchina, Dank der Gegenwart ihrer Residenten in Huë, erträglich ausgekommen waren, und es hing eigentlich nur von ihnen ab, diese Ausnahmestellung, welche ihnen alte freundschaftliche Beziehungen zu der cochinchinesischen Regierung erworben hatten, fort und fort zu bewahren.

Die beiden Fahrzeuge verließen die Bai von Tourane am 17. Februar mit der Absicht, die Anambas-Inseln zu besuchen, die bisher noch nicht erforscht worden waren. Am 3. März kam dieser Archipel in Sicht, der aber seiner Gestalt nach keineswegs mit den auf der englischen Karte des chinesischen Meeres eingezeichneten Anambas übereinstimmte. Mit großer Befriedigung sah Bougainville vor seinen Augen eine Menge Inseln und Eilande auftauchen, welche für die Zeit der Moussons treffliche Ankerplätze bieten mußten.

Die beiden Schiffe segelten in die Mitte des Archipels ein, den sie hydrographisch aufnahmen. Während die Boote mit dieser Arbeit beschäftigt waren, näherten sich zwei zierlich gebaute Canots. Das eine derselben legte an der »Thetis« an, und ein Mann von etwa fünfzig Jahren, die Brust mit Narben bedeckt und die rechte Hand zweier Finger beraubt, stieg an Bord. Er war schon bis zum Zwischendeck hinabgekommen, als der Anblick der Waffenständer und der Kanonen ihn veranlaßte, eiligst nach seiner Pirogue zurückzukehren.

Am nächsten Tage kamen zwei andere, von wild aussehenden Malayen besetzte Canots herbei. Diese brachten Bananen, Cocosnüsse und Ananas, die sie gegen Schiffszwieback, ein Taschentuch und zwei kleine Beile eintauschten.

Es fanden noch wiederholte Zusammenkünfte mit den, mit Kris (das sind Malayendolche) und halblangen, eisernen zweischneidigen Lanzen bewaffneten Eingebornen statt, die im Grunde doch weiter nichts waren, als ehrlose Seeräuber.[350]

Obwohl die Franzosen nur einen Theil dieser Insel untersuchten, zeichnen sich die Informationen derselben doch durch ihre Neuheit vortheilhaft aus.

Die erste Bedingung für die Existenz einer zahlreichen Bevölkerung ist stets hinreichendes Wasser. Das giebt es hier aber sehr wenig. Die fruchtbare Erde bildet ebenfalls nur eine sehr dünne Lage, und die Berge sind alle durch enge Schluchten, nicht durch sanfte Abhänge von einander getrennt, so daß an einen Anbau derselben kaum zu denken ist. Mit einziger Ausnahme der Cocospalmen erreichen selbst die Bäume nur eine mittelmäßige Höhe. Nach Aussage der Eingebornen soll sich die Bevölkerung auf zweitausend Seelen belaufen, doch schien Bougainville auch diese Zahl zu hoch gegriffen.

Die günstige Lage der Inseln an den beiden Straßen der Schiffe, welche mit China Handel treiben, hätte dieselben schon längst der Aufmerksamkeit der Seefahrer empfehlen müssen. Jedenfalls trägt der Mangel an Allem, was Seeleute brauchen, die Schuld, daß man dieselben so gut wie unbeachtet gelassen hat.

Die geringe Zuvorkommenheit und das Mißtrauen, das Bougainville bei diesen Insulanern fand, der hohe Preis der Waaren und der Wechsel des Moussons in den Sundameeren bestimmten den Commandanten, die Erforschung dieses Archipels aufzugeben, um so schnell als möglich nach Java zu gelangen, das er seinen Instructionen gemäß anlaufen sollte.

Am 8. März lichteten beide Fahrzeuge die Anker, fuhren längs der Inseln Victory, Barren, Saddle und Camel hin, passirten die Gaspar-Straße, wozu sie nur zwei Stunden brauchten, während die Durchfahrt bei widrigen Winden zuweilen mehrere Tage in Anspruch nimmt, und trafen dann in Surabaya ein, wo sie die erste Nachricht von dem Tode Ludwig's XVIII. und der Thronbesteigung Karl's X. erhielten.

Da die Cholera, welche auf Java 1822 nicht weniger als zweimalhunderttausend Opfer gefordert hatte, noch immer wüthete, gebrauchte Bougainville die Vorsicht, seine Mannschaft, geschützt vor der Sonne, an Bord zu behalten, und untersagte ausdrücklich jeden Verkehr mit den mit Früchten beladenen Schiffen, da der Genuß dieser Früchte für Europäer, vorzüglich zu Anfang der Regenzeit, sehr gefährlich und schädlich ist. Trotz seiner weisen Vorsicht brach doch die Ruhr auf der »Thetis« aus und veranlaßte mehrere Todesfälle.

Die Stadt Surabaya liegt eine Stunde von der Mündung des Flusses, und man kann nach derselben nur auf kleinen, durch Seile gezogenen Fahrzeugen gelangen. Die Umgebung ist sehr belebt, und Alles zeugt für eine thätige und geschickte Bevölkerung.


Frauen aus der Bai von Tourane. (S. 348.)
Frauen aus der Bai von Tourane. (S. 348.)

[351] Frauen aus der Bai von Tourane. (S. 348.)


Da eine Expedition nach der Insel Celebes alle Mittel der Regierung erschöpft hatte und alle Magazine leer waren, mußten die Franzosen sich an chinesische Händler wenden, das heißt an die unverschämtesten Diebe, die man sich nur denken kann. Es giebt keine List. deren sie sich nicht bedienten, keine Art von Betrug, die sie nicht versuchten. So ließ der Aufenthalt bei Surabaya eigentlich bei Allen einen keineswegs angenehmen Eindruck zurück.

Dagegen konnten die Franzosen die Aufnahme seitens der Notablen der Kolonie und die Zuvorkommenheit aller Beamten nur loben.[352]

Nach Surabaya zu kommen, ohne den Sultan von Madura zu besuchen, dessen Gastfreundlichkeit einen Weltruf erlangt hat, wäre ebenso unmöglich, als in Paris zu sein, ohne Versailles und den Trianonpark gesehen zu haben.

Nach einem am Lande eingenommenen kräftigen Frühstück bestieg das Officiercorps der Schiffe mehrere vierspännige Kutschen. Die Straßen waren aber in so schlechtem Zustande und die Pferde so abgetrieben, daß man mehr wie einmal im Morast stecken geblieben wäre, wenn nicht viele, an den schlimmsten Stellen des Weges als Wachen aufgestellte Leute die Wagen weiter geschoben[353] hätten. Endlich kam man in Bacalan an, und die Kutschen hielten in dem dritten Hofe des Palastes daselbst, am Fuße einer Treppe, auf der der Erbprinz und der erste Minister die Reisenden erwarteten.


Einfahrt in die Bai von Sydney.
Einfahrt in die Bai von Sydney.

Der Fürst Adden Engrate gehörte zur berühmtesten Familie des Indischen Archipels. Er trug das Civilcostüm der javanischen Häuptlinge. Ein langer geblümter indischer Rock verhüllte fast die chinesischen Pantoffeln, ein weißes Vorhemd mit goldenen Knöpfen unter einer kurzen Weste aus braunem Tuch mit Diamantenknöpfen und ein um den Kopf geknüpftes Taschentuch, über das noch ein mit Visir versehener Helm emporragte, gaben dieser hohen Persönlichkeit fast das groteske Aussehen einer Carnevals-Amazone, wenn die Feinheit seines Benehmens und die Würde seiner Haltung nicht den halb lächerlichen Eindruck seiner Kleidung gemildert hätten.

Der Palast oder »Kraton« bestand aus einer Reihe mit Galerien versehener Gebäude, in denen Schirmdächer und Vorhänge eine erquickende, frische Temperatur erhielten. Kronleuchter, europäische Möbel von bestem Geschmack, Spiegel und Glasgefäße vollendeten den Schmuck der geräumigen Säle und Zimmer. Eine zusammenhängende, nach dem Garten zu liegende Wohnung, ohne Fenster nach der Hofseite, ist für die »Ratou« (Fürstin) und die Odalisken bestimmt.

Der Empfang hier war ein recht herzlicher und das nach europäischer Art servirte Frühstück ließ nichts zu wünschen übrig.

»Die Unterhaltung, sagt Bougainville, wurde englisch geführt und an Toasten fehlte es nicht, wobei der Fürst unsere Gesundheit mit Thee aus einer Flasche ausbrachte, den er ganz wie Madeira in ein Glas goß. Als geistliches Oberhaupt seiner Staaten befolgte er mit aller Strenge die Vorschriften des Korans, trank niemals Wein und brachte einen großen Theil seiner Zeit in der Moschee zu. Doch ist er daneben ein sehr guter Gesellschafter, und in seiner Unterhaltung bemerkt man nichts von der Engherzigkeit, die man bei einem so geregelten Leben voraussetzen könnte. Freilich verläuft dasselbe nicht ganz und gar unter Gebeten, und die Scenen, welche uns vorgeführt wurden, dürften eine ganz andere Anschauung über seine Sitten erwecken, wenn die Religion des Propheten ihren Anhängern nicht wirklich einen weiten Spielraum gestattete.«

Im Laufe des Nachmittags besuchte man die Remisen mit schönen Wagen, von denen einige, auf der Insel selbst gebaute, so ausgezeichnet gearbeitet sind, daß man sie von den importirten auf keine Weise zu unterscheiden vermag.[354]

Später wurde ein Bogenschießen veranstaltet. Bei der Rückkehr nach dem Palaste empfing die Gäste eine etwas melancholische Musik, dann und wann unterbrochen von dem Jauchzen und den grotesken Sprüngen des Hofnarren, der von seiner Gewandtheit und Geschmeidigkeit die besten Proben abzulegen suchte. Nach dem Tanze oder vielmehr der Ausführung graziöser Stellungen durch Bajaderen ging es zum Spiel, wonach Jeder die wohlverdiente Ruhe suchte. Am nächsten Tage gab es neue Spiele, neue Aufführungen aller Art. Zuerst war ein Kampf zwischen erwachsenen Männern und Kindern arrangirt; dann folgten Wachtelkämpfe und endlich Exercitien eines Elephanten und eines Kameels. Nach dem Frühstück unternahm man eine Spazierfahrt, darauf Bogenschießen, Sackhüpfen, Balancirübungen mit Körben u. s. w., und auf diese Weise vergehen alle Tage bei dem Sultan. Der Respect und die Ehrfurcht, die man dem Fürsten erwies, waren wirklich erstaunlich. Niemand bleibt in seiner Gegenwart stehen, sondern Jeder wirst sich zu Boden, bevor er mit ihm spricht. Man bedient ihn knieend, und es geht so weit, daß selbst sein vierjähriges Kind die Händchen faltet, wenn es mit ihm plaudert.

Bougainville benützte den Aufenthalt in Surabaya, um in den Bergen von Tengger den Vulcan Broumo zu besuchen. Dieser Ausflug, bei dem er auf eine Strecke von fast hundert Meilen durch die Insel kam, gehört zu den interessantesten von allen.

Surabaya enthält merkwürdige Bauten, meist das Werk eines früheren Gouverneurs, des Generals Dändels, unter anderen den Bauhof, das Münzhôtel, das einzige seiner Art in Java, und das Hospital mit vierhundert Lagerstätten auf einem recht gut gewählten Platze.

Die vor Surabaya gelegene Insel Madura, welche bei hundert Meilen Länge fünfzehn bis zwanzig Meilen Breite hat, erzeugt nicht genug, um ihre Bevölkerung zu ernähren, obwohl letztere nur dünn gesäet ist.

In die Herrschaft über diese Insel theilen sich der Sultan von Bacalan und der von Sumanap, welche den Holländern jährlich, abgesehen von außerordentlichen Aushebungen, sechshundert Mann Recruten stellen.

Seit dem 20. April hatten sich die ersten Symptome von Dysenterie gezeigt. Zwei Tage später gingen die Schiffe unter Segel. Sie brauchten sieben volle Tage, um die Meerenge von Madura zu passiren, fuhren dann an der Küste von Lombock hinauf und segelten durch die Allaß-Straße zwischen Lombock und Sumbava.[355]

Die erste dieser Inseln bietet vom Fuße der Berge bis zum Meere mit ihrem grünen Teppich, aus dem da und dort zierliche Baumgruppen emporragen, einen reizenden Anblick. An dieser Küste fehlt es nicht an guten Ankerplätzen, und Wasser nebst Holz findet sich in Menge.

Auf der anderen Seite erheben sich kahle Bergkuppen und ein hohes Gestade, zu dem eine Kette steiler und nicht anzulaufender Inseln jede Annäherung unmöglich macht; hier muß der Schiffer auch vor den Korallen im Grunde und vor trügerischen Strömungen auf der Hut sein.

Ein zweimaliger Aufenthalt bei den Dörfern Baly und Peejow zum Zwecke der Einnahme von Nahrungsmitteln gestattete den Officieren, diesen Theil der Küste hydrographisch aufzunehmen.

Nach der Ausfahrt aus der Meerenge suchte Bougainville vergeblich nach der Insel Cloates, was sehr erklärlich erscheint, da schon seit achtzig Jahren Schiffe über den Punkt, wo diese liegen sollte, hinweggefahren waren. Die Tyrals, jene Felsen, welche das Schiff »Fredensbörgs-Slot« im Jahre 1777 auffand, wären nach dem Kapitän King nichts Anderes als die Montebello-Inseln, auf welche die Beschreibung der dänischen Seefahrer vollkommen paßte.

Bougainville's Instructionen enthielten auch den Auftrag, die Umgebung des Schwanenflusses zu untersuchen, wo die französische Regierung einen Ort zu finden glaubte, um die unglücklichen Gefangenen aus den Bagnos dahin zu schaffen. England hatte aber seine Flagge auf dem Nuits- und Leuwin-Land, im Hafen Roi Georges, in der Bai des Geographen, dem kleinen Hafen Leschenaut und an dem Schwanenflusse gehißt. Die beabsichtigte Untersuchung wurde damit also gegenstandslos. So wie die Umstände lagen, mußte man von Anfang an auf dieselbe verzichten, schon wegen der Verzögerung der französischen Expedition, welche, statt im Monat April hier einzutreffen, erst gegen Mitte des Mai, das heißt mitten im Winter dieser Gegenden, daselbst ankam. In der That bietet die Küste hier keinerlei Schutz; sobald der Wind sich erhebt, entsteht ein furchtbarer Wellenschlag, und die Erinnerung an die Gefahren, welche die »Geographe« einst hier zu bestehen hatte, lebte noch zu frisch im Geiste der Franzosen.

Die schlechte Witterung begleitete die »Thetis« und »Espérance« bis nach Hobart-Town, das umfänglichste Etablissement der Engländer auf Van-Diemens-Land. Trotz des lebhaften Wunsches, den der Commandant hegte, hier anzulaufen, mußte er doch des Sturmes wegen darauf Verzicht leisten und bis Port Jackson hinaufsegeln.[356]

Den Eingang desselben bezeichnet ein schöner Leuchthurm aus Granit von sechzig Fuß Höhe, dessen mit Gas gespeiste Laterne bei klarem Wetter acht bis neun Meilen weit zu sehen war.

Der Gouverneur, Sir Thomas Brisbane, empfing die Expedition ungemein freundlich und traf sofort alle erforderlichen Maßregeln, um den nöthigen Proviant zu beschaffen. Es wurde dazu eine Submission veranstaltet, welche den erhofften Zweck nach Wunsch erfüllte.

Die Korvette mußte auf den Strand gesetzt werden, um die nöthigen Reparaturen am Rumpfe derselben vornehmen zu können; diese Arbeiten sowohl wie die geringfügigeren, welche die »Thetis« veranlaßte, nahmen nur wenig Zeit in Anspruch Uebrigens wurde der Aufenthalt von dem Officiercorps nach Kräften ausgenützt da sich dieses für die wunderbaren Fortschritte der Strafkolonie auf's höchste interessirte. Während Bougainville alle Werke, welche bisher über Neu- Süd-Galles erschienen waren, begierig studirte, durchstreiften die Officiere die Stadt und erstaunten sehr über die unzähligen Bauten, welche der Gouverneur Macquarie hat errichten lassen, wie Kasernen, das allgemeine Krankenhaus, Markthallen, Pflegeanstalten für Waisen, bejahrte Leute und Geistesschwache, das Gefängniß, Forts und der Regierungspalast, Springbrunnen, Stadtthore, endlich die »Ställe der Regierung«, welche Jedermann auf den ersten Anblick für deren eigenen Palast selbst halten könnte.

Das freundliche Bild verdüsterten freilich auch einzelne Schatten. Die breiten, geraden Straßen waren nicht gepflastert und in der Nacht recht unsicher, so daß mehrere Personen inmitten der großen Georges-Street, dies ist die bewohnteste Straße von Sydney, überfallen und beraubt werden konnten. Wenn das schon in den städtischen Straßen vorkam, so kann man sich denken, daß die Umgebungen noch weit unsicherer waren. Vagabundirende Sträflinge durchzogen in Banden von sogenannten »Bush-rangers« (Strauchdieben) die Landschaft, und hatten sich so sehr vermehrt, daß die Regierung einzig zum Zwecke ihrer Verfolgung eine Compagnie von fünfzig Dragonern errichten mußte.

Die französischen Officiere unternahmen auch mehrere interessante Ausflüge nach Parramatta am Ufer des Nepean, eines sehr eingeengten Flusses, wo sie die Domäne Regentville besichtigten; ferner nach den Ebenen von Emu, einem stattlichen Etablissement für Landbau und gleichzeitig Musterfarm, endlich besuchten sie auch das Theater, wo ihnen zu Ehren eine Festvorstellung gegeben wurde.[357]

Man weiß, wie gern im Allgemeinen die Seeleute ein Pferd besteigen. Auf solchen aber begaben sich die Franzosen nach den Ebenen von Emu. Die edlen, aus England eingeführten Thiere, waren auch hier nicht entartet und immer sehr lebhaft, wovon sich einer der jüngeren Officiere selbst überzeugen sollte. Sich an unseren Führer, Herrn Cox, wendend, sagte er zu diesem in gutem Englisch: »Ich liebe das Reiten sehr!« – da lag er auch schon, vom Pferd geworfen, im Grase und mußte das Lachen der Anderen noch in den Kauf nehmen, zumal da der geschickte Reiter ohne weiteren Schaden davon kam.

Jenseits der Culturen des genannten Herrn Cox erstreckt sich der Wald, der»Offene Wald«, wie die Engländer sagen, den man zu Pferde passiren kann, wo nichts den Weg versperrt, ein Wald aus Eukalypten und verschiedenen Akazienarten, nebst Casuarinen mit ihrem dunklen Laubwerke.

Am nächsten Tage unternahm man mit Booten eine Spazierfahrt auf dem Nepean, einem Zuflusse des Hawkesbury. Dieser Ausflug erwies sich für die Naturgeschichte als sehr fruchtbar. Bougainville bereicherte seine Sammlung mit Enten, Wasserhühnern, einer recht hübschen Species des Taucherkönigs, »Kingsfisher« genannt, und mit Kakadus. In den Wäldern vernahm man den unangenehmen Schrei des Leiervogels und zweier anderer Vögel, von denen einer das Klingen einer Schelle, der andere das Kreischen einer Säge zum Verwechseln nachahmt. Das sind jedoch nicht die einzigen Vögel, welche wegen der Eigenthümlichkeit ihrer Stimme die Aufmerksamkeit erregen; außer jenen ist noch der »Pfeifer«, der »Scheerenschleifer« und der »Kutscher« zu nennen, welch' letzterer das Knallen der Peitsche nachahmt, sowie der »Laughing jakaß«, der unaufhörlich lacht, so daß es einem zuletzt die Nerven erregt.

Sir John Cox beschenkte den Commandanten auch mit einem Paar Wassermaulwürfen, den sogenannten Ornithorynken. Die Lebensweise dieser merkwürdigen Amphibien war den europäischen Naturkundigen noch sehr wenig bekannt, und viele Museen besaßen überhaupt kein Exemplar derselben.

Ein fernerer Ausflug galt den Blauen Bergen, wo man das berühmte Königsplateau, »Kings-Table-Land«, besuchte, das eine prächtige Aussicht bietet. Nur mit großer Anstrengung gelangt man auf dasselbe hinauf, und plötzlich sieht man unter seinen Füßen sich einen Abgrund von sechzehnhundert Fuß Tiefe öffnen; es ist ein unendlicher Teppich mit saftigem Grün, der sich von diesem Punkte aus auf zwanzig Meilen hin ausbreitet; zur Linken und zur Rechten zeigte sich der Berg, wahrscheinlich durch ein Erdbeben, zerrissen, denn die[358] klaffenden Ränder paßten überall noch vollkommen zu einander; ganz in der Nähe stürzt sich ein Bergstrom herab, der in schäumenden Wasserfällen den Grund des Thales erreicht; es ist das der unter dem Namen »Aspley's Water-Fall« bekannte Katarakt. Ferner nahm man an einer Känguruhjagd in den Cow-Pastures mit Herrn Mac Arthur theil, einem der Männer, denen Neu-Süd-Galles sein Gedeihen vorzüglich verdankt.

Bougainville legte während seines Aufenthaltes in Sydney auch den Grundstein eines Denkmals zur Erinnerung an La Pérouse. Dasselbe wurde in Botany-Bai an derselben Stelle errichtet, wo sich das Lager des berühmten Seefahrers befunden hatte.

Am 21. September endlich gingen die »Thetis« und die »Espérance« unter Segel. Sie kamen in weiter Entfernung bei Pitcairn vorüber, ferner bei der Osterinsel und bei Juan Fernandez, jetzt einem Deportationsorte für chilenische Verbrecher, nachdem es ein halbes Jahrhundert lang im Besitze der Spanier gewesen war, die hier den Weinstock anpflanzten. Am 23. November ankerte die »Thetis«, welche bei einem dichten Nebel die»Espérance« verloren hatte, in Valparaiso, wo sie die Division des Admirals Rosamel antraf.

Auf der Rhede herrschte jetzt recht reges Leben; der damalige Dictator, General Ramon Freire y Serrano, den wir schon früher erwähnten, bereitete eben einen Kriegszug gegen die Insel Chiloe vor, die sich noch in spanischem Besitze befand.

Bougainville stimmt vollkommen mit dem russischen Reisenden Lütke darin überein, daß die Lage Valparaisos seinen Namen nicht im geringsten rechtfertigt. Die Straßen desselben sind schmutzig, eng und so steil, daß man darin nur schwierig fortkommt. Der einzige freundliche Theil ist die Vorstadt Almendral, welche, an Gärten und Weinberge gelehnt, ohne den entsetzlichen Staub, den der Wind hier zu jeder Jahreszeit aufwirbelt, noch angenehmer erscheinen würde. Im Jahre 1811 zählte Valparaiso nur vier- bis fünftausend Seelen; 1825 hatte sich diese Volkszahl verdreifacht und war noch immer in raschem Wachsthum begriffen.

Als die »Thetis« hier vor Anker lag, befand sich auch die englische Fregatte »La Blonde« daselbst, unter dem Befehle des Lord Byron, dem Enkel des Forschers, dessen Entdeckungen wir erzählt haben. Durch ein mindestens merkwürdiges Zusammentreffen hatte dieser eben auf der Insel Hawaï ein Denkmal zu Ehren Cook's gesetzt, als Bougainville, der Sohn des Erdumseglers, dem Byron in der Magellanstraße begegnete, in Neu-Süd-Galles den Grundstein zu dem Denkmale La Pérouse's legte.


Der Katarakt »Aspley's Water-Fall«. (S. 359.)
Der Katarakt »Aspley's Water-Fall«. (S. 359.)

Bougainville benutzte die lange Zeit, welche die Einnahme von Proviant für die Division in Anspruch nahm, zu einem Ausflug nach Santiago. der dreißig Meilen landeinwärts gelegenen Hauptstadt Chilis.

Die Umgebungen dieser Stadt sind entsetzlich kahl, ohne Wohnstätten oder cultivirte Ländereien. Man be[359] merkt die Nähe der Stadt erst an den auftauchenden Glockenthürmen und glaubt noch in den Vorstädten zu sein, wenn man sich schon in der Mitte derselben befindet.


Haus im Hafen von Doreï (Neu-Guinea). [Facsimile. Alter Kupferstich.]
Haus im Hafen von Doreï (Neu-Guinea). [Facsimile. Alter Kupferstich.]

An öffentlichen Bauten fehlt es indessen nicht; zu erwähnen sind davon das Münzhôtel, die Universität,[360] der erzbischöfliche Palast, die Kathedrale, die Jesuitenkirche und das Schauspielhaus, letzteres freilich so schlecht beleuchtet, daß man darin das Gesicht der Zuschauer nicht erkennen kann. An Stelle der Alameda war jetzt die Cañada getreten, wo sich die seine Welt des Abends an den Ufern des Rio Mapocho versammelte. Nachdem man die Merkwürdigkeiten der Stadt erschöpft, wandte man sich den Umgebungen zu und besuchte den Salto de agua, einen Wasserfall von zweihundert[361] Toisen Höhe, nach dem man nur schwierig hinausgelangt, und den Cerito de Santa Lucia, auf dem sich ein kleines Fort, das einzige Vertheidigungswerk der Stadt, erhebt.

Die Jahreszeit schritt voran, und man hatte keine Zeit mehr zu verlieren, um nicht die für die Umschiffung des Cap Horn günstigere Zeit verstreichen zu lassen. Am 8. Januar 1826 stachen die beiden Fahrzeuge denn wieder in See. Sie doublirten das Cap ohne Unfall, konnten wegen fortwährender Nebel und heftiger Gegenwinde an den Malouinen nicht landen und warfen am 28. März auf der Rhede von Rio de Janeiro Anker.

Hier lagen die Verhältnisse besonders günstig, um den Franzosen zu gestatten, die ganze Stadt und den Hof gründlich kennen zu lernen.

»Der Kaiser, sagt Bougainville, war bei unserer Ankunft noch auf einer Reise, und dessen Rückkehr gab zu Festen und Gelagen Veranlassung, welche die ganze Bewohnerschaft in Bewegung setzten, weil sie für eine kurze Zeit die Eintönigkeit, welche sonst in dieser, für Fremde geradezu langweiligen Stadt herrscht, glücklich unterbrachen. Die Umgebungen derselben sind jedoch entzückend, und der ungeheure Hafen, das Rendezvous aller auf dem Atlantischen Ocean handeltreibenden Nationen, bietet ein ungemein belebtes Bild; jeden Augenblick laufen hier Schiffe aus oder ein, kreuzen sich die Boote, oder donnern die Kanonen der salutirenden Kriegsschiffe oder die der darauf antwortenden Festungswerke, wenn diese nicht wegen eines Jahrestages oder bei Gelegenheit des Festes irgend eines Heiligen abgefeuert werden; endlich tauschen die Officiere der fremden Marinen Höflichkeiten gegeneinander aus, indem sie entweder sich gegenseitig, oder die diplomatischen Vertreter beim Hofe von Rio de Janeiro besuchen.«

Am 11. April segelte die Division wieder ab und lief am 24. Juni 1826 in Brest ein, ohne von Rio de Janeiro aus irgendwo noch einmal gehalten zu haben. Wenn Bougainville während dieser Reise auch keine neue wichtige Entdeckung machte, so muß man sich dabei seiner Instructionen erinnern, welche ihm nur vorschrieben, die französische Flagge an denjenigen weit entfernten Plätzen zu zeigen, wo sie bisher nur selten gesehen worden war.

Man verdankt diesem Officier dennoch viele interessante und zum Theil neue Aufschlüsse über die von ihm besuchten Länder. Verschiedene von der Division ausgeführte Arbeiten versprachen späteren Seefahrern wichtige Dienste zu leisten, und man muß anerkennen, daß der hydrographische Theil – die einzige Wissenschaft, welche man aus Mangel an Specialgelehrten zu pflegen im[362] Stande war – zahlreiche und verläßliche Ergebnisse lieferte. Man kann mit dem Commandanten der »Thetis« nur übereinstimmen, wenn er in seiner Vorrede bedauert, daß die Regierung und die Akademie der Wissenschaften es nicht für angezeigt hielten, diese Fahrt zu benützen, um neue Erfahrungen aller Art zu sammeln, welche die reichen Schätze der von Bougainvilles Vorgängern gesammelten Aufschlüsse gewiß noch vermehrt hätten.

Die Expedition, mit der der Kapitän Dumont d'Urville betraut wurde, sah der Marineminister nur für ein Mittel an, die beträchtliche Menge wissenschaftlicher Ausbeute, welche Kapitän Duperrey von 1822 bis 1824 gesammelt hatte, zu vervollständigen.

Kein Officier eignete sich hierzu mehr als Dumont d'Urville, der als zweiter Officier Duperreys gedient und auch den Plan zu dieser Fahrt bis in alle Einzelheiten ausgearbeitet hatte. Die Theile Oceaniens, welche er erforschen wollte, weil sie seiner Meinung nach die Aufmerksamkeit des Geographen und Reisenden vor Allem verdienten, waren Neu-Seeland, die Fidschi-Inseln, der Loyalty-Archipel, Neu-Britannien und Neu-Guinea.

Wir werden, wenn wir dem Reisenden Schritt für Schritt folgen, sehen, wie weit er diese Aufgabe vollendete.

An diese Expedition knüpfte sich auch noch ein Interesse anderer Art; doch lassen wir lieber die dem Seefahrer eingehändigte Instruction selbst sprechen.

»Ein amerikanischer Kapitän, heißt es darin, will in den Händen von Eingebornen einer Insel zwischen Neu-Caledonien und den Luisiaden ein Ludwigs-Kreuz und Medaillen gesehen haben, welche von dem Schiffbruche des berühmten Seefahrers La Pérouse herrühren könnten, dessen Verlust so schmerzlich bedauert wurde. Es ist freilich nur sehr geringe Hoffnung vorhanden, daß die Opfer jenes Unfalles daselbst noch lebten; doch würden Sie Seiner Majestät ein großes Vergnügen bereiten, wenn es Ihnen gelingen sollte, nach so vielen Jahren des Elends und der Verbannung einen der unglücklichen Schiffbrüchigen seinem Vaterlande wieder zuzuführen.«

Das der Expedition gesteckte Ziel war also ein vielfaches; der Zufall begünstigte sie aber in dem Maße, daß es gelang, fast alle erwarteten Resultate zu erreichen.

Im Monat December 1825 erhielt Dumont d'Urville seinen Commandobrief und wurde ermächtigt, alle Personen, die ihn begleiten sollten, selbst auszuwählen. Zu seinem zweiten Officier ernannte er Jacquinot und wählte als[363] wissenschaftliche Mitarbeiter Quoy und Gaimard, welche die Fahrt der »Uranie« mitgemacht hatten, und als Arzt Primevère Lesson.

Als Fahrzeug sachte er sich die »Coquille« aus, deren vortreffliche Eigenschaften er ja bereits kannte; er gab ihr nur zur Erinnerung an La Pérouse den Namen »Astrolabe« und schiffte auf derselben achtzig Mann Besatzung ein. Am 25. April 1826 wurden die Anker gelichtet und bald hatte man die Berge von Toulon und die Küsten Frankreichs aus den Augen verloren.

Nach kurzem Aufenthalte in Gibraltar hielt die »Astrolabe« bei Teneriffa an, um vor der Ueberfahrt über den Atlantischen Ocean einige frische Lebensmittel einzunehmen. Der Commandant benützte diese Station, um den Pic von Teyde zu besteigen. D'Urville, nebst Quoy, Gaimard und einigen Officieren, folgte einem ziemlich schlechten Wege durch die mit Schlacken bedeckte Landschaft.

Je mehr man sich aber Laguna nähert, desto anziehender wird die Scene. Diese ziemlich große Stadt hat nur eine geringe, indolente arme Einwohnerschaft.

Von Matanza bis Orotava findet sich eine herrliche Vegetation, und der Weinstock mit seinen grünen Reben verleiht dem reichen Bilde noch einen besonderen Reiz.

Orotava ist eine kleine Seestadt, deren Hafen nur sehr mangelhaften Schutz bietet; gut gebaut und angelegt, würde sie vielleicht angenehm zu nennen sein, wenn die steilen Abhänge in deren Straßen nicht den Verkehr zu sehr erschwerten.

Nach dreiviertelstündigem Steigen durch wohl angebaute Felder gelangt man in die Region der Kastanien. Jenseits der letzteren beginnen die Wolken und der Reisende schreitet, völlig durchnäßt von dem dichten Nebel, unter nicht besonders angenehmen Empfindungen dahin. Noch weiter oben fängt die Region des Heidekrautes an; über dieser klärt sich dann die Atmosphäre, die Pflanzen verschwinden gänzlich und der Boden wird mager und unfruchtbar. Hier findet man dann nur zersetzte Laven, Schlacken und Bimssteine in Menge, während ein ungeheures Wolkenmeer unter den Füßen des Wanderers wogt.

Bisher von den Wolken oder den hohen ihn umgebenden Bergen verdeckt, wird der Pic endlich sichtbar. Die Steigung ist jetzt nicht mehr so groß und man überschreitet ausgedehnte Ebenen von trostloser Traurigkeit, welche die Spanier ihrer Nacktheit wegen »Cañadas« genannt haben.

Um zu frühstücken, rastete man in der Piniengrotte, bevor man sich anschickte, die gewaltigen Basaltstücke zu erklimmen, welche, im Kreise angeordnet, die Umgebung des Kraters bilden, der heutzutage ziemlich von Asche ausgefüllt ist.[364]

Nun begiebt man sich nach dem eigentlichen Pic, nach dem eine Art Esplanade, deren Namen Estancia de los Ingleses ist, hinaufführt.

Hier verbrachten die Reisenden die Nacht, zwar nicht so gut wie in ihren Cabinen, doch ohne allzu viel von der sogenannten Bergkrankheit zu leiden, die anderen Reisenden so fühlbar zugesetzt hatte. Nur lieferten ihnen die Flöhe eine förmliche Schlacht, bei welcher der Commandant kein Auge zuzuthun vermochte.

Um vier Uhr Morgens brach man wieder auf und erreichte bald eine Esplanade, welche Alta Vista heißt. Von hier aus giebt es nun keinen Weg mehr und man muß unter großen Beschwerden bis nach dem Zuckerhute klettern, wobei man fortwährend an Schneemassen vorüberkommt, die, geschützt vor den Sonnenstrahlen, niemals zum Schmelzen kommen. Der Gipfel ist sehr steil und dessen Besteigung um so beschwerlicher, als die Bimssteine, auf die man tritt, immer abwärts rollen und das Fortkommen verhindern.

»Um sechs Uhr dreißig Minuten, sagt Dumont d'Urville, kamen wir auf den Gipfel des Zuckerhutes an. Es ist das offenbar ein halb geschlossener Krater mit dünnen, ausgeschweiften Wänden, dessen Tiefe sechszig bis achtzig Fuß beträgt und der außen mit Obsidiantrümmern, Bimssteinen und Lavablöcken bedeckt ist. Am Rande desselben dringen Schwefeldämpfe hervor und bilden sozusagen eine Rauchkrone, während der Grund völlig erkaltet erscheint. Auf dem Gipfel wies das Thermometer elf Grad; doch glaube ich, daß es dabei noch von den Dampfausströmungen beeinflußt wurde; denn im Grunde des Kraters zeigte es, nach neunzehn Grad in der Sonne, nur noch eine Temperatur von neuneinhalb Grad im Schatten.«

Das Herabsteigen ging auf einem anderen Wege ohne Unfall vor sich, wobei die Reisenden noch Cueva de la Nieve besichtigten und den Wald von Agua Garcia besuchen konnten, den ein klarer Bach durchströmt, und wo d'Urville viele Pflanzenexemplare sammelte.

In Santa Cruz sah der Commandant in dem Cabinet des Major Megliorini inmitten von Waffen, Muscheln, Thieren, Fischen und höchst verschiedenen Gegenständen auch eine complete Guanche-Mumie, welche die einer Frau sein sollte. Sie lag in genähte Felle eingehüllt und maß in der Länge etwa fünf Faß vier Zoll; die Hände waren groß, und die Gesichtszüge schienen ziemlich regelmäßig gewesen zu sein.

Die Gräberhöhlen der Guanchen enthielten Vasen aus Thon oder Holz, dreieckige Petschafte aus gebranntem Lehm und eine Menge Scheibchen aus[365] demselben Material, welche, in Form von Rosenkranzkugeln aufgereiht, dieser verschwundenen Race vielleicht zu demselben Zwecke gedient haben, wie die »Quipos« den Peruanern.

Am 21. Juni ging die »Astrolabe« wieder unter Segel und lief la Praya an den Inseln des Grünen Vorgebirges an, wo d'Urville den englischen Kapitän King zu treffen hoffte, von dem er wichtige Mittheilungen betreffs der Fahrt an den Küsten Neu-Guineas zu erhalten erwartete. Dieser hatte la Praya leider schon seit sechsunddreißig Stunden verlassen. Die »Astrolabe« nahm deshalb schon am folgenden Tage, dem 30. Juni, ihren Weg wieder auf.

Am letzten Juli kamen die Felseninseln Martin Vaz und Trinidad in Sicht. Die letztere schien vollkommen unfruchtbar zu sein, denn man gewahrte auf derselben nur ein sehr dürftiges Grün nebst einzelnen verkrüppelten Bäumen, welche in Felsenspalten wurzelten.

D'Urville hatte zwar lebhaft gewünscht, wenigstens einige botanische Nachforschungen auf der verlassenen Insel vorzunehmen; die Brandung an der Küste erwies sich aber als so heftig, daß er es nicht für gerathen hielt, ein Boot durch dieselbe zu entsenden.

Am 4. August segelte die »Astrolabe« über die Stelle, wo die Insel Saxembourg liegen sollte, die endlich von den französischen Seekarten verschwinden dürfte, wie es bezüglich der englischen schon lange geschehen war; später kam man, unter einer Reihe heftiger Windstöße, welche das Schiff beträchtlich anstrengten, in der Nähe der Inseln St. Paul und Amsterdam vorüber, und am 7. October ankerte das Fahrzeug im König Georgs-Hafen an der Küste von Australien.

Trotz des heftigen Seeganges und der fast ausnahmslos schlechten Witterung während der hundertacht Tage, welche die»Astrolabe« auf dem Meere zugebracht, unterließ d'Urville doch niemals seine gewohnte Beobachtung über die Wirkungen des Rollens des Schiffes, über die Höhe der Wellen an der Nadelbank, welche er zu achtzig bis hundert Fuß schätzte, und gleichzeitig über die Temperatur des Meerwassers in verschiedenen Tiefen.

Als Kapitän Jacquinot am rechten Ufer der engen Einfahrt zur Prinzessinnen-Bai einen schönen Wasserplatz, und unsern davon einen geeigneten Punkt zur Errichtung eines Observatoriums ausfindig gemacht hatte, schlugen die Segelmacher daselbst bald Zelte auf, während einige Officiere eine Rundfahrt um die ganze Bai unternahmen und andere mit einzelnen Urbewohnern Verbindungen anzuknüpfen suchten.[366]

Einer der letzteren ließ sich bestimmen, an Bord zu kommen. Man hatte alle mögliche Mühe, ihn zum Weglegen eines brennenden Banksiazweiges zu bewegen, den er zu tragen gewohnt war, um immer Feuer bei der Hand zu haben und sich den Leib und überhaupt die Vorderseite des Körpers damit zu erwärmen. Uebrigens verweilte er sehr ruhig zwei Tage lang an Bord und aß und trank seelenvergnügt vor dem Küchenherde. Seine am Lande zurückgebliebenen Landsleute bemühten sich unaufhörlich, ihre friedliche Gesinnung an den Tag zu legen, und scheuten sich sogar nicht, drei ihrer Kinder nach dem Lagerplatze mitzubringen.

Während des hiesigen Aufenthaltes erschien auch ein von acht Engländern besetztes Boot. Sie erzählten eine wenig glaubhafte Geschichte, wie sie hier zurückgelassen worden wären, welche den Befehlshaber auf den Gedanken brachte, daß die Leute wohl entlaufene Sträflinge sein möchten, eine Vermuthung, die sich durch die verdutzten Gesichter derselben zur Gewißheit erhob, als man ihnen vorschlug, sie nach Port Jackson zurückzubefördern. Am folgenden Tage trat jedoch einer derselben als Matrose ein, zwei andere meldeten sich als Passagiere; die fünf letzten zogen es jedoch vor, am Strande zu bleiben und die elende Existenz, die sie inmitten der Wilden hatten, fortzuführen.

Inzwischen wurden die hydrographischen und astronomischen Beobachtungen fortgesetzt, während die Jäger und die Naturforscher sich bemühten, neue Pflanzen- und Thierspecies einzusammeln. Der bis zum 24. October sich hinziehende Aufenthalt gab der Mannschaft Gelegenheit, sich von der beschwerlichen Reise bis hierher ordentlich zu erholen, die nöthig gewordenen Reparaturen auszuführen, Holz und Wasser zu fassen, einen Plan der Umgegend aufzunehmen und werthvolle vegetabilische und zoologische Sammlungen anzulegen.

Nach den von ihm angestellten vielseitigen Beobachtungen verwunderte es d'Urville, daß die Engländer am König Georgs-Hafen noch keine Niederlassung begründet hatten, da dieser ebenso für die von Europa direct nach Neu-Süd-Galles steuernden Schiffe, wie für diejenigen, welche bei ungünstigem Jahreszeitenwinde um das Cap nach China oder den Sunda-Inseln segeln, gleich günstig gelegen war.

Die Erforschung der Küste wurde bis Port Western fortgesetzt, welchen Ankerplatz d'Urville dem Hafen Dalrymple vorzog, bei dem Ein- und Ausfahrt stets mit Schwierigkeiten, oft mit Gefahren verknüpft sind. Port Western war bisher übrigens nur aus den Berichten Baudin's und Flinders' bekannt; es[367] erschien also nutzbringender, diese noch wenig besuchte Stelle in Augenschein zu nehmen. Die schon im König Georgs-Hafen betriebenen Arbeiten wurden ebenso auch in Port Western fortgesetzt und führten den Commandanten zu folgenden Schlüssen:

»Port Western, sagt er, bildet einen zum Ein- wie zum Aussegeln gleichmäßig geeigneten Ankerplatz; der Grund desselben ist ausgezeichnet und Holz daselbst leicht zu beschaffen. Mit einem Worte, sobald es gelungen sein wird, noch einen bequemen Wasserplatz aufzufinden (woran auf die Dauer nicht zu zweifeln ist), wird derselbe einen sehr wichtigen Zufluchtsort in einer Meerenge, wie der Baß-Straße, darstellen, wo steife Winde oft tagelang in der nämlichen Richtung wehen und Strömungen die Schifffahrt unter solchen Umständen als sehr gefährlich erscheinen lassen.«

Vom 19. November bis zum 2. December segelte die »Astrolabe« weiter an der Küste ohne anderen Aufenthalt als in der Jervis-Bai hin, wo man prächtige Eukalypten-Wälder fand.

Die Aufnahme der Franzosen in Port Jackson seitens des Gouverneurs Darling und der Kolonialbehörden war so herzlich als möglich, obwohl d'Urville's wiederholtes Verweilen an verschiedenen Punkten Neu-Hollands die englische Regierung einigermaßen beunruhigt hatte.

Seit drei Jahren war die Stadt wieder ganz auffallend gewachsen und schöner geworden, und obschon die Bevölkerung der Kolonie noch nicht auf fünfzigtausend Seelen geschätzt wurde, gründeten die Engländer doch fortwährend neue Niederlassungen.

Der Commandant sandte von Sydney aus Depeschen nach Frankreich, begleitet von einigen Kisten mit Naturproducten. Dann ging er, nach vollendeter Einnahme neuen Proviants und anderer nothwendiger Gegenstände, wieder unter Segel. Es scheint uns nutzlos, mit Dumont d'Urville in Neu-Süd-Galles zu verweilen; er widmet zwar der Geschichte und den Verhältnissen dieser Kolonie im Jahre 1826 einen ganzen Band seines Berichtes; wir haben davon indessen schon wiederholt zu sprechen gehabt. Wir verlassen also lieber mit ihm Sydney am 19. December und folgen dem Seefahrer durch die Windstillen, Meeresströmungen und Stürme, welche sein Eintreffen in der Tasman-Bai bis zum 14. Januar 1827 verzögerten. Noch hatte sich keine Expedition mit der Untersuchung dieser, von Cook bei seiner zweiten Reise gesehenen Bai beschäftigt.

Mehrere Piroguen mit etwa zwanzig Eingebornen, darunter die Hälfte scheinbar Häuptlinge, legten an der »Astrolabe« an. Sie stiegen voll Vertrauen an Bord und einige verweilten daselbst mehrere Tage lang. Später kamen noch Andere, die in der Nähe ihren Lagerplatz aufschlugen, und nun begann ein friedlicher Tauschhandel.
[368]

Die Jervis-Bai, wo man prächtige Eukalypten-Wälder fand. (S. 368.)
Die Jervis-Bai, wo man prächtige Eukalypten-Wälder fand. (S. 368.)

Mehrere Officiere bestiegen die die Bai beherrschenden, mit dichtem Walde bedeckten Anhöhen.

»Da fanden sich, sagt d'Urville, keine Vögel, keine Insecten, nicht einmal Reptilien; das vollständige Fehlen jedes lebenden Wesens und die absolute Stille ringsum machten einen feierlichen und doch traurig stimmenden Eindruck.«[369]

Vom Gipfel jener Höhen hatte der Commandant auch noch eine andere Bai, die Admiralitäts-Bai, bemerkt, die durch einen Kanal mit der, in welcher die »Astrolabe« lag, zusammenhing. Er wünschte dieselbe zu untersuchen, da sie, von oben aus gesehen, noch sicherer zu sein schien als die Tasman-Bai. Heftige Strömungen brachten ihn bei diesem Unternehmen aber wiederholt dem Untergange nahe. Wäre die »Astrolabe« an das felsige, schroffe Ufer geworfen worden, so ging das Schiff mit Mann und Maus verloren, ohne eine Spur von dem Schiffbruche zu hinterlassen. Nach mehreren fruchtlosen Versuchen gelang es d'Urville jedoch, die enge Einfahrt zu passiren, was ihm nur den Verlust einiger Stücke des Kielschweines kostete.

»Um das Andenken an die Anwesenheit der »Astrolabe« hier zu sichern, heißt es in dem Berichte, nannte ich diese gefährliche Straße die Einfahrt der Franzosen; ohne dringenden Grund hierher zu gehen, würde ich indessen Niemandem rathen... Wir nahmen nun das schöne Wasserbecken, in dem wir uns befanden, mit aller Muße in Augenschein. Es verdient an und für sich gewiß die Lobsprüche, die ihm Cook zutheilte, und vorzüglich würde ich einen hübschen kleinen Hafen, einige Meilen südlich von der Stelle, wo jener Kapitän ankerte, warm empfehlen... Unsere Fahrt durch die Einfahrt der Franzosen lieferte den unwiderleglichen Beweis von der Inselnatur des Landes bei Cook's Cap Stephens. Dasselbe wird von Tavaï Pounamou durch das Bassin der Strömungen getrennt. Die Vergleichung der unserigen mit der von Cook entworfenen Karte zeigte recht deutlich, wie viel dessen Arbeiten noch zu wünschen übrig ließen...«

Die »Astrolabe« segelte bald darauf in die Cook-Straße ein, an der Königin Charlotte-Bai vorüber und umschiffte das, aus übereinander gethürmten Bergen gebildete Cap Palliser. Zu seinem großen Erstaunen überzeugte sich d'Urville, wie viele Ungenauigkeiten sich in die Arbeiten des großen englischen Seefahrers eingeschlichen hatten, und er weist in dem hydrographischen Theile seines Reiseberichtes auf verschiedene Punkte hin, wo er Fehler von fünfzehn bis zwanzig Minuten gefunden hat. Des Commandanten Absicht ging nun dahin, die östliche Küste der Nordinsel Ika-Na-Mawi zu untersuchen, auf der man Schweine, doch keinen »Pounamou«, das ist grünen Nephrit, findet, aus welchem die Neu-Seeländer ihre kostbarsten Geräthe herstellen, während die Südinsel eben diesen, dagegen keine Schweine liefert.

Zwei Eingeborne, welche trotz allen Abredens an Bord zu bleiben wünschten, wurden doch recht trübe gestimmt, als sie am Horizont die Küsten ihres heimatlichen[370] Districts verschwinden sahen. Sie bedauerten jetzt, freilich zu spät, die Kühnheit, diese Reise gewagt zu haben. Das Wort Kühnheit sagt hier in der That nicht zu viel, denn sie fragten die Franzosen wiederholt, wann sie nun von diesen verzehrt werden würden, und erst nach Verlauf mehrerer Tage beruhigte sie nach dieser Seite die freundliche Behandlung durch die Fremden.

D'Urville segelte immer längs der Küste weiter. Die Caps Turn-again und Cook's Kidnappers wurden umschifft und die Unfruchtbare Insel mit ihrem Ipah kam in Sicht.

In Cook's Bai von Tologa brachten Eingeborne nach der Korvette Schweine und Kartoffeln, welche sie gegen ziemlich werthlose Gegenstände vertauschten. Als sich auch noch andere Piroguen zeigten, suchten die an Bord befindlichen Neu-Seeländer den Kapitän zu bestimmen, auf dieselben Feuer geben und ihre Landsleute tödten zu lassen. Als jene aber an Bord kamen, gingen sie ihnen entgegen und begrüßten sie auf's Freundschaftlichste. Dieses sonderbare Benehmen erklärt sich durch das gegenseitige Mißtrauen und die rege Eifersucht der Landesbewohner. Sie wollten nur allein die von dem Besuche der Fremdlinge erhofften Vortheile genießen und schienen ganz verzweifelt, auch ihre Nachbarn daran theilnehmen zu sehen.« Daß diese Erklärung die richtige war, sollten weitere Erfahrungen bestätigen.

Auf der »Astrolabe« verweilte eben eine Anzahl Neu-Seeländer, darunter ein gewisser Shaki, den sein hoher Wuchs, die kunstreichere Tätowirung, das stolze Auftreten und die Unterwürfigkeit, mit der seine Landsleute sich an ihn wendeten, bald als Häuptling erkennen ließen. Als diese nun eine nur mit sieben bis acht Mann besetzte Pirogue an die Korvette heranrudern sahen, verlangten Shaki und die Anderen dringend von d'Urville, die Ankömmlinge niederschießen zu lassen; sie baten sich sogar Gewehre aus, um das selbst auszuführen. Die neu Angelangten waren aber kaum an Bord gestiegen, als alle daselbst Anwesenden sie mit größter Zuvorkommenheit begrüßten, und selbst Shaki, der vorher am heftigsten gegen jene eiferte, einen anderen Ton anschlug und ihnen ein paar Beile anbieten ließ, die er selbst erst erhandelt hatte.

Diese Häuptlinge von wildem, kriegerischem Aussehen und über und über tätowirtem Gesichte befanden sich kaum einige Minuten auf dem Schiffe, und d'Urville schickte sich eben an, mit Hilfe eines von Missionären veröffentlichten Wörterbuches einige Fragen an sie zu richten, als dieselben das Verdeck plötzlich verließen, in ihre Piroguen sprangen und so schnell als möglich das Weite zu[371] gewinnen suchten. Um sich ihrer zu entledigen, hatten ihre Landsleute denselben nämlich vorgelogen, daß sie auf der »Astrolabe« nicht sicher seien und die Franzosen die Absicht hätten, sie zu ermorden.

In der Bai von Tologa, deren ursprünglicher Name Houa-Houa lautet, verschaffte sich d'Urville die erste Kenntniß von dem »Kiwi«, und zwar durch eine, mit Federn dieses Vogels geschmückte Matte, ein Prachtstück der Eingebornen. Der an Größe etwa einem kleineren Truthahn gleich kommende Vogel soll, wie der Strauß, nicht eigentlich fliegen können. Man stellt demselben des Nachts mit Fackeln und Hunden nach.

Es ist das derselbe Vogel, der auch den Namen »Apteryx« erhalten hat. Was d'Urville von den Eingebornen über ihn hörte, erwies sich als ziemlich zutreffend. Der Apteryx von der Größe eines Hahnes und bräunlichem Gefieder steht dem Strauße nahe; er bewohnt dunkle, feuchte Waldungen und zieht nur des Abends nach Nahrung aus. Da ihm die Eingebornen schonungslos nachstellen, war diese merkwürdige Vogelart schon damals sehr vermindert und ist heute ungemein selten geworden.

D'Urville setzte die hydrographische Untersuchung der Küsten der Nordinsel Neu-Seelands weiter fort und traf täglich mit Eingebornen zusammen, die ihm Kartoffeln und Schweine brachten.

Nach Aussage der Eingebornen lagen die verschiedenen Stämme fortwährend mit einander im Kriege, und das soll der eigentliche Grund der Abnahme der Bevölkerung sein. Die Leute verlangten immer Gewehre, begnügten sich zuletzt aber mit Pulver, das man ihnen im Austausch gegen ihre Waaren überließ.

Am 10. Februar hatte die Korvette in der Nähe des Cap Runaway einen Sturm zu bestehen, der auch bis zum nächsten Tage anhielt und sie wiederholt zu versenken drohte.

Dann fuhr sie in die Bai des Ueberflusses ein, in deren Hintergrunde sich der Berg Edgecumbe erhebt, segelte hierauf längs des Ufers derselben hin und lief die Inseln Haute und Major an; die Witterung war während der ganzen Untersuchung aber so schlecht, daß die auf Grund derselben entworfene Karte wenig Vertrauen verdient.

Die Korvette gelangte hierauf nach der Bai Mercure, bekam die Insel de la Barrière in Sicht, drang in die Bai Shouraki (alias Hauraki) ein, lief Poule-et-les-Poussins, so wie die »Armen Ritter« an und kam endlich nach der Bai der Inseln.[372]

Die Stämme, welche d'Urville hier vorfand, waren mit einem Kriegszuge gegen die der Baien Shouraki und Waikato beschäftigt. D'Urville ging an's Land, um die von Cook nur unzulänglich erforschte Bai Shouraki zu untersuchen, und machte dabei die Wahrnehmung, daß Neu-Seeland in dieser Gegend eine Menge überaus sicherer Häfen und tieferer Wasserbecken besitzt. Da d'Urville erfahren hatte, daß man bei Verfolgung des Waï-Mogoïa-Flusses nach einer Stelle gelangen könne, die nur eine sehr kurze Wegstrecke von dem großen Hafen Manukau an der Nordküste der Insel trennte, schickte er mehrere Officiere aus, sich davon zu überzeugen, und erhielt jene Angaben bestätigt.

»Diese Entdeckung, sagt Dumont d'Urville, kann für etwaige Niederlassungen in der Bai Shouraki von großem Interesse werden, welches sich noch erhöhen dürfte, wenn weitere Untersuchungen lehren sollten, daß der Hafen von Manukau zur Aufnahme größerer Schiffe geeignet wäre, denn eine solche Niederlassung würde hier einen bequemen Zugang zu zwei Meeren, nach Osten und nach Westen hin, besitzen.«

Rangui, einer der »Rangatiras« oder Häuptlinge jener Gegend, hatte von dem Befehlshaber wiederholt Blei zum Kugelgießen erbeten, dieser solches aber immer verweigert. Als er absegeln wollte, meldete man d'Urville, daß das Blei von der Sonde entwendet worden sei. Der Befehlshaber machte Rangui darüber heftige Vorwürfe und sagte diesem in strengem Tone, daß es ehrbarer Leute unwürdig sei, solche Diebereien zu begehen. Der Vorwurf schien dem Häuptlinge sehr zum Herzen zu gehen, und er entschuldigte sich mit der Ausrede, das sei ohne sein Wissen und durch keinen seiner Gefährten geschehen.

»Bald nachher, heißt es in dem Berichte, erweckte das Schallen von kräftigen Hieben und ein jämmerliches Geheul aus der Pirogue Rangui's meine Aufmerksamkeit. Da sah ich, wie Rangui und Tawiti aus Leibeskräften mit Pagaien auf einen Mantel losschlugen, der einen Mann zu bedecken schien. Ich erkannte aber leicht genug, daß die beiden schlauen Häuptlinge nur gegen eine Bank der Pirogue wütheten. Nachdem diese Posse eine Weile angedauert hatte, zerbrach Rangui die Pagaie in den Händen. Der Geschlagene schien niederzustürzen und Rangui rief mich mit dem Bedeuten an, daß er den Dieb gezüchtigt habe, und fragte, ob ich nun befriedigt sei. Ich bestätigte dies, lachte aber innerlich über die List der Wilden, eine List, von der man übrigens bei anderen, in der Civilisation weiter vorgeschrittenen Völkern auch gelegentlich Beispiele findet.«[373]

D'Urville nahm die schöne Insel Wa-Hiki in Augenschein und vollendete die Untersuchung des Kanals der »Astrolabe« und der Bai Hauraki. Er segelte nach Norden bis zur Bai der Inseln und zu dem Cap Maria Van Diemen, dies ist die nördlichste Spitze Neu-Seelands, »wohin sich die abgeschiedenen Geister der Waidouas begeben, um von hier aus ihren Flug nach den Hallen des ewigen Ruhmes oder den Abgründen der Finsterniß anzutreten«.

Die Bai der Inseln belebte zur Zeit der Anwesenheit der »Coquille« eine zahlreiche Bevölkerung, mit der damals recht freundliche Beziehungen zu Stande kamen. Jetzt war das Schweigen der Einöde an Stelle des regen Treibens der früheren Tage getreten. Der Ipah, oder vielmehr der Pah von Kahon-Wera, der einen fleißigen Stamm beherbergte, stand verlassen; der Krieg hatte hier mit allen seinen Schrecken gewüthet. Die streitbaren Schaaren von Songhui hatten geraubt, was sie erlangen konnten, und den ganzen Stamm von Paroa in alle Winde vertrieben.

In der Bai der Inseln hatten sich englische Missionäre niedergelassen. Trotz ihres Eifers konnten sie sich noch keiner Erfolge bei den Eingebornen rühmen und die Nutzlosigkeit ihrer Bemühungen lag klar zutage.

An dieser Stelle endigte übrigens die sehr umfassende hydrographische Aufnahme der Ostküste Neu-Seelands. Seit Cook's Zeit war keine so sorgfältige, mit so vielen Gefahren verknüpfte und eine so lange Küstenstrecke einschließende Untersuchung dieses Landes ausgeführt worden. D'Urville leistete mit dieser höchst gewissenhaften Arbeit der geographischen Wissenschaft wie der Schifffahrt einen sehr dankenswerthen Dienst. Er hatte unter plötzlichen und heftigen Stürmen ganz außergewöhnliche Eigenschaften entwickelt, ohne hier seiner vielfachen Strapazen und stets bewährten Opferwilligkeit zu erwähnen; dennoch ließ man ihn nach der Heimkehr nach Frankreich sehr unbeachtet oder übertrug ihm doch nur Aufgaben, die ihm keine Gelegenheit boten, sich auszuzeichnen, und denen jeder andere Kapitän ebenso gut gewachsen gewesen wäre.

Als d'Urville am 18. März 1827 Neu-Seeland verließ, steuerte er nach Tonga Tabu. Er bekam zunächst die Inseln Curtis, Macauley und Sunday zu Gesicht, suchte vergeblich die Insel Vasquez de Maurelle und gelangte am 16. April nach Namouka. Zwei Tage später sah er Eoa; bevor er jedoch Tonga Tabu erreichte, mußte er noch ein entsetzliches Unwetter erleben, das die »Astrolabe« dem Untergange nahe brachte. Einige, seit langen Jahren auf Tonga Tabu ansäßige Europäer theilten dem Commandanten alles Wissenswerthe[374] bezüglich der Eingebornen mit. Drei Häuptlinge oder »Eguis« theilten sich hier in die Herrschaft, während der Oberpriester oder »Touïtonga«, der ein weitreichendes Ansehen genossen hatte, eben verbannt war.

Auf Tonga hatte sich eine wesleyanische Mission angesiedelt; man ersah aber aus Allem, daß diese Methodisten-Prediger keinen Einfluß auf die Eingebornen zu gewinnen vermochten; die wenigen Bekehrten wurden auch wegen ihrer Apostasie allgemein verachtet.

Als die »Astrolabe« vor Anker ging, nachdem sie glücklich allen Gefahren durch widrige Winde, Strömungen und Klippen entronnen, wurde sie sofort mit einer unglaublichen Menge von Früchten, eßbaren Wurzeln, Schweinen und Geflügel überschüttet welche die Eingebornen fast gegen nichts vertauschten. D'Urville kaufte für die heimischen Museen auch gleichzeitig Waffen und mancherlei Erzeugnisse der Industrie dieser Wilden ein, z. B. Mordkeulen, meist aus Casuarinaholz und prächtig geschnitzt oder mit Perlmutter oder schwarzen Fischbein kunstvoll ausgelegt.

Die Gewohnheit, sich ein oder zwei Fingerglieder als Sühnopfer für die Gottheit in schweren Krankheitsfällen abzuschneiden, bestand noch immer fort.

Seit dem 28. April hatten sich die Eingebornen stets sehr friedlich benommen, so daß es zu keinerlei Streitigkeiten kam, als d'Urville am 9. Mai mit fast allen Officieren einen Besuch bei dem hervorragendsten Häuptlinge, Namens Palou, abstattete. Dieser empfing sie ganz außergewöhnlich scheu und zurückhaltend, und wenig übereinstimmend mit den lärmenden und enthusiastischen Kundgebungen der früheren Tage. Das Benehmen der Insulaner rief auch das Mißtrauen des Befehlshabers wach, der, im Hinblick auf die geringe Zahl seiner auf der »Astrolabe« zurückgebliebenen Leute, eine lebhafte Besorgniß nicht unterdrücken konnte. Es war in seiner Abwesenheit jedoch nichts vorgekommen. Aber nur an der Aengstlichkeit Palou's scheiterte damals ein Complot, das auf nichts Geringeres abzielte, als auf die Gefangennahme des ganzen Stabes; mit der Mannschaft wäre man dann leicht genug fertig geworden, da ein Theil derselben sich heimlich danach sehnte, das sorgenlose Leben dieser Wilden zu theilen.


Neu-Seeländer. (S. 370.)
Neu-Seeländer. (S. 370.)

So faßte der Commandant wenigstens die Sachlage auf. Die späteren Ereignisse sollten ihm hierin Recht geben.

Diese Befürchtung veranlaßte d'Urville, Tonga Tabu so schnell als möglich zu verlassen, und am 13. desselben Monats war Alles fertig, am folgenden Tage unter Segel zu gehen. Der Cadett Dudemaine ging eben noch auf der großen Insel spazieren, während der Cadett Faraguet mit neun Mann beschäftigt war, von dem Eilande Pangoï-Modou Wasser zu holen und die Fluth zu beobachten.[375] Einer der Eguis, Tahosa, befand sich noch mit vielen Eingebornen auf der »Astrolabe«, als die Piroguen auf ein Zeichen des Häuptlings plötzlich abstießen und nach dem Lande ruderten. Man forschte noch nach den Ursachen dieser plötzlichen Flucht, als man auch schon bemerkte, wie die Matrosen auf Pangaï-Modou mit Gewalt fortgeschleppt wurden.[376] D'Urville wollte schon ein Geschütz abfeuern lassen, hielt es aber für sicherer, ein Ruderboot an's Land zu schicken, welches zwei Mann und den Cadetten Dudemaine aufnahm. Als dasselbe Boot noch einmal ausgesendet wurde, um die Hütten am Strande in Brand zu stecken und womöglich einige Geißeln einzufangen, ward es mit Flintenschüssen empfangen. Ein Eingeborner wurde darauf getödtet und mehrere andere verwundet, aber auch ein Corporal der Marinesoldaten hatte so viele Bajonettstiche erhalten, daß er zwei Stunden später den Geist aufgab.


Angriff der Eingebornen von Tonga-Tabu.
Angriff der Eingebornen von Tonga-Tabu.

D'Urville hegte natürlich wegen des Schicksals seiner Matrosen und des diese anführenden Faraguet die schlimmsten Besorgnisse. Es blieb ihm nichts[377] übrig als ein Angriff auf das heilige Dorf Mafanga, das die Gräber mehrerer Häuptlingsfamilien enthält. Am folgenden Tage umringte aber diesen mit Erdwällen und Palissaden umgebenen Platz eine so zahlreiche Menge, daß gar nicht daran zu denken war, ihn durch einen Angriff in die Hände zu bekommen.

Man legte also die Korvette dichter an's Land und beschoß das Dorf, freilich ohne anderen Erfolg, als daß dadurch ein Insulaner zu Boden gestreckt wurde. Die erschwerte Beschaffung von Lebensmitteln, ein andauernder Regenfall und die fortwährende Unruhe, in welcher sie die Kanonade der Franzosen erhielt, bestimmten jedoch die Eingebornen, nachzugeben. Sie lieferten die Leute, denen übrigens kein Leid widerfahren war, aus, begleiteten den Friedensschluß mit einem Geschenke von Schweinen und Bananen, und am 24. Mai verließ die »Astrolabe« definitiv die Inseln der Freunde.

Es war übrigens die höchste Zeit, denn d'Urville's Lage erschien nach einer Mittheilung des Obersteuermannes kaum mehr haltbar, da er höchstens noch auf fünf oder sechs Matrosen sicher rechnen durfte, während die übrigen bei passender Gelegenheit Alle zu den Wilden übergelaufen wären.

Tonga Tabu ist madreporischen Ursprungs und besitzt eine sehr starke Humusdecke. Pflanzen aller Art und vorzüglich Bäume gedeihen hier vortrefflich; die Cocospalme, deren Schaft noch schlanker emporsteigt als anderwärts, und die Bananen gelangen zu wahrhaft wunderbarer Entwickelung. Das Land ist flach und einförmig; wer eine Viertelmeile in die Insel hineingekommen ist, braucht nicht weiter zu gehen, um von derselben eine richtige Vorstellung zu gewinnen. Die Bevölkerung beträgt etwa siebentausend Köpfe mit ausgesprochen polynesischer Physiognomie.

»Sie vereinigen in sich, sagt d'Urville, die widersprechendsten Eigenschaften. Sie sind edelmüthig, gefällig und gastfreundlich, aber gleichzeitig beutegierig, frech und zur Verstellung geneigt. In demselben Augenblick, da sie den Fremden mit Zärtlichkeiten und Freundschaftsbeweisen überhäufen, überfallen sie ihn wohl auch und berauben ihn, wenn ihre Habgier oder Eigenliebe nur einigermaßen aufgestachelt wird.«

Die Bewohner von Tonga Tabu stehen den Einwohnern Tahitis an Intelligenz unzweifelhaft voran. Die Franzosen konnten sich nicht genug wundern über den vortrefflichen Zustand der Kawa-, Bananen- und Yams-Pflanzungen, über die besondere Sauberkeit der Wohnungen und die Zierlichkeit der Einfriedigungen. Auch die Befestigungskunst war ihnen nicht fremd, wie d'Urville[378] selbst erfuhr, und sich auch bei einem Besuche des befestigten Dorfes Hifo überzeugen konnte, das er von soliden Palissaden und einem fünfzehn bis zwanzig Fuß breiten, halb mit Wasser gefüllten Graben umschlossen fand.

Am 25. Mai begann d'Urville die Untersuchung des Viti- oder Fidschi-Archipels. Er hatte zunächst das Glück, einen Eingebornen von Tonga zu treffen, der, seines Handels wegen auf den Fidschis ansäßig, früher schon Tahiti, Neu-Seeland und Australien besucht hatte. Dieser Mann, ebenso wie ein Insulaner aus Guaham, leistete dem Commandanten dadurch sehr wesentliche Dienste, daß er ihm die Namen von über zweihundert zu der Gruppe gehörigen Inseln angeben und im voraus deren Lage und die der sie einschließenden Risse bezeichnen konnte.

Gleichzeitig sammelte der Hydrograph Gressien das nöthige Material, um eine Karte der Fidschi-Inseln zu skizziren.

Eine Schaluppe erhielt Befehl, an der Insel Laguemba zu landen, wo ein Anker lag, den d'Urville, weil er zwei von den seinigen bei Tonga verloren hatte, gern zu haben wünschte. Anfangs sah Lottin, der jenes Boot befehligte, nur Weiber und Kinder am Ufer; bald liefen aber Bewaffnete herbei, trieben die Weiber zurück und trafen Anstalt, die Matrosen zu umzingeln und sich des Bootes zu bemächtigen. Ihre Absichten traten nur gar zu deutlich zutage; Lottin ließ also sofort das Boot wieder frei machen und erreichte den Strand, ehe es noch zu einem Zusammenstoße kam.

Achtzehn Tage lang kreuzte nun die »Astrolabe« trotz stürmischen Wetters und grober See im Archipel der Fidschis, besichtigte die Inseln Laguemba, Kandabon, Viti-Levon, Oumbenga, Vaton-Lele, Ounong-Lebon, Malolo u. s. w und vorzüglich den noch fast ganz unbekannten südlichen Theil der vielgliedrigen Gruppe.

Die Bevölkerung steht, nach d'Urville's Ansicht, auf der Grenze zwischen der kupferfarbenen oder polynesischen und der schwarzen oder melanesischen Race. Die Eingebornen erscheinen sehr muskulös und stark, womit auch ihr hoher Wuchs übereinstimmt. Sie sind Antropophagen und machen auch kein Hehl daraus.

Am 11. Juni steuerte die Korvette auf den Carteret-Hafen zu; sie fand dabei nach und nach die Inseln Eronnan und Annatom, die Loyaltys, eine Gruppe, von der d'Urville die Inseln Chabrol und Halgan entdeckte; ferner die kleine Gruppe der Beaupré-Eilande, die Risse der Astrolabe, welche um so gefährlicher sind, als sie von den Beaupré-Eilanden gegen dreißig und von[379] Neu-Caledonien gegen sechzig Meilen entfernt liegen, endlich die Insel Huon und die nördliche Reihe der neucaledonischen Risse.

Von hier aus erreichte d'Urville die Luisiaden-Inseln, binnen sechs Tagen, das schlechte Wetter aber, das an deren Küste herrschte, veranlaßte ihn, nicht den vorherbestimmten Kurs einzuhalten und die Torres-Straße zu vermeiden. Der Commandant meinte, daß die von ihm beabsichtigte Untersuchung der Südküste Neu-Britanniens und der Nordküste Neu-Guineas für die Wissenschaft nutzbringender sein werde.

Die Insel Rossel und das Cap Delivrance wurden besichtigt, und man begab sich nach Neu-Irland, um frisches Holz und Wasser zu fassen.

Hier langte man am 5. Juli bei trübem, regnerischem Wetter an und hatte alle Mühe, den Eingang zum Carteret-Hafen zu erkennen, wo d'Entrecasteaux seinerzeit acht Tage lang verweilte.

Die Franzosen erhielten hier zu wiederholten Malen Besuch von etwa zwanzig Eingebornen, dem Anscheine nach die ganze Bevölkerung dieses Platzes. Es waren das stumpfsinnige Wesen, welche nicht die geringste Neugierde gegenüber den vielen Gegenständen, die man ihnen zeigte, an den Tag legten.

Auch ihr Aeußeres sprach nicht zu deren Gunsten. Vollkommen nackt, schwarz von Haut und kraus von Haar, die Nasenscheidewand von einem Knochenstücke durchbohrt, gaben sie höchstens einiges Verlangen nach Eisen zu erkennen, ohne aber zu verstehen, daß man ihnen das nur im Austausch für Früchte und Schweine überlassen würde. Finster und mißtrauisch, weigerten sie sich, irgend Jemand nach ihren Dörfern zu führen. Während des hiesigen, wenig fruchtbringenden Aufenthaltes wurde d'Urville von einer Darmentzündung befallen, an der er mehrere Tage lang schwer zu leiden hatte.

Am 19. stach die »Astrolabe« wieder in See und folgte der Küste Neu-Britanniens. Diese Fahrt wurde aber durch sehr neblige feuchte Witterung, durch Platzregen und Hagelschläge unterbrochen, welche das Schiff zwangen, sich vom Lande wieder zu entfernen, nachdem es kaum in seine Nähe gekommen war.

»Man muß, sagte d'Urville, diese Gegenden selbst und unter den nämlichen Umständen wie wir besucht haben, um sich eine richtige Vorstellung von den wirklich unglaublichen Regengüssen machen zu können; man muß daneben ähnliche Arbeiten, wie diejenigen, welche uns oblagen, ausgeführt haben, um über die Angst und Unruhe richtig zu urtheilen, die eine solche Fahrt zu bereiten im Stande ist. Nur selten erstreckte sich unser Horizont weiter als auf hundert[380] Toisen, und wir konnten nur mit größter Vorsicht manövriren, weil uns unsere Position fast stets unbekannt blieb. Im Allgemeinen fielen denn auch unsere Arbeiten über Neu-Britannien bei den unerhörten Strapazen und den Gefahren, denen die »Astrolabe« dabei ausgesetzt war, weit weniger genau aus als die anderen Untersuchungen und Messungen während der Reise.«

Bei der Unmöglichkeit, durch den St. Georges-Canal zu segeln, mußte d'Urville durch die Dampier-Straße gehen, deren südliche Oeffnung fast vollständig durch eine Kette von Klippen versperrt ist, auf denen die»Astrolabe« auch zweimal auflief.

Wie Dampier und d'Entrecasteaux war auch d'Urville begeistert von dem entzückenden Anblicke der Westküste Neu-Britanniens. Ein gesunder Strand, ein amphitheatralisch aufsteigender Boden, Wälder mit dunklem Laubwerk oder üppige Wiesen und die beiden Spitzen des Glocester-Berges verleihen diesem Theile der Küste eine reiche Abwechslung, welche die Bogenlinien der Insel Rook noch vermehren.

Bei der Ausfahrt aus dem Canal erscheinen in all' ihrem Glanze die Berge von Neu-Guinea; bald sieht man sie einen Halbkreis bilden und eine Bucht umschließen, welche den Namen Golf der Astrolabe erhielt. Nach und nach lief man die Schouten-Inseln, die Bucht des Ueberfalls, wo d'Urville einen Angriff der Eingebornen zurückweisen mußte, die Humboldt- und Geelwinck-Bai, die Inseln der Verräther, Tobie und Mysory und die Arsak-Berge entweder an oder kam an denselben vorüber, und die »Astrolabe« ankerte endlich im Hafen Doreï, wo sie ihre Untersuchungen mit denen der»Coquille« verknüpfen wollte.

Hier entwickelten sich bald recht freundliche Beziehungen zu den Papuas, welche eine Menge Paradiesvögel, aber nur wenig Nahrungsmittel an Bord brachten. Von Natur sanft und furchtsam, wagten sich die Eingebornen nur ungern in die Wälder, wo sie von Arsakis, den Bewohnern der Berge und ihren geschwornen Feinden, öfters überfallen worden waren. Ein mit Herbeischaffung von Wasser beschäftigter Matrose wurde von dem Pfeile eines dieser Wilden verwundet, den man für den hinterlistigen, gänzlich unmotivirten Angriff nicht einmal bestrafen konnte.

Hier ist der Boden überall so reich, daß man denselben nur zu wenden und das Unkraut zu entfernen brauchte, um die reichlichsten Ernten zu gewinnen; die Papuas sind aber so träge und verstehen vom Landbau so blutwenig, daß die Nährpflanzen meist unter Schmarotzern ersticken.[381]

Die Einwohner sind ihrem Ursprunge nach sehr gemischt. D'Urville theilt sie in drei verschiedene Unterarten; die Papuas, die Mestizen, welche mehr oder weniger zur malayischen oder polynesischen Race gehören, und die Harfours oder Alfurus, die an den gewöhnlichen Typus der Australneger, der Neu-Caledonier und überhaupt der Oceanier schwarzer Race erinnern. Letztere sind die wirklichen Ureinwohner des Landes.

Am 6. September lief die »Astrolabe« nach einem ziemlich uninteressanten Aufenthalte, während dem sich d'Urville nur wenig naturhistorische Gegenstände, außer etwa einige Mollusken, und auch keine verläßlichen Nachrichten über die Sitten, die Religion und die verschiedenen Racen Neu-Guineas verschaffen konnte, wieder aus und steuerte nach Amboine, wo sie am 24. September ohne Unfall eintraf. Obwohl der Gouverneur Merkus auf einer Rundreise begriffen war, fand der Commandant in diesem Hafen doch nicht minder Alles, was er brauchte. Er wurde von den Behörden und Einwohnern auf die freundschaftlichste Weise aufgenommen, und diese ließen es sich angelegen sein, den Franzosen die Strapazen der langen gefährlichen Fahrt möglichst vergessen zu machen.

Von Amboine wandte sich d'Urville nach Tasmanien und Hobart-Town, ein Ort, den seit Baudin kein französisches Schiff berührt hatte; hier traf er am 17. December 1827 ein. Fünfunddreißig Jahre vorher hatte d'Entrecasteaux an dieser Stelle nur wenige elende Wilde angetroffen, und zehn Jahre später fand Baudin überhaupt gar Niemand mehr vor.

Das erste, was d'Urville bei der Einfahrt in den Dervent-Fluß, noch bevor er bei Hobart-Town vor Anker ging, hörte, war, daß der englische Kapitän Dillon aus Tukopia bestimmte Nachrichten über den Schiffbruch La Pérouse's bei Vanikoro mitbrachte; er besaß sogar einen Säbelkorb, in dem er den Rest einer Waffe des Seefahrers vermuthete. In Calcutta angelangt, wo Dillon dem Statthalter von seiner Entdeckung Mittheilung machte, hatte dieser ihn sofort nach jener Stelle zurückgesandt, um die Schiffbrüchigen, welche etwa noch existiren könnten, und Alles, was von dem Schiffe übrig wäre, aufzunehmen.

Man kann sich leicht vorstellen, mit welchem Interesse d'Urville diese Neuigkeiten hörte, da gerade er besondere Instructionen erhalten hatte, alle Nachweise zu sammeln, die über das Schicksal des unglücklichen Seefahrers weiteres Licht verbreiten könnten, vorzüglich nachdem er in Namouka unwiderlegliche Beweise von dem Aufenthalte La Pérouse's auf dem Archipel der Freunde erlangt hatte.[382]

In der englischen Kolonie waren zwar die Ansichten, inwieweit man der Erzählung des Kapitän Dillon trauen dürfe, getheilt, der Bericht aber, den jener Officier dem Gouverneur von Indien erstattet hatte, beseitigte bei d'Urville jeden etwaigen Zweifel. Unter Verzichtleistung auf seine weiteren Pläne bezüglich Neu-Seelands, beschloß er denn, die »Astrolabe« sofort nach Vanikoro, das er bisher nach Dillon nur unter dem Namen Mallicolo kannte, überzuführen.

Wir theilen hier kurz mit, was Dillon berichtet hatte.

Während des Aufenthaltes an den Fidschi-Inseln fand das Schiff, die »Hunter«, Gelegenheit, einen Deutschen, Namens Martin Bushart, dessen Frau und einen Laskarier, Namens Achowila, aufzunehmen, welche die Eingebornen zu verzehren drohten, wie sie es mit allen übrigen europäischen Deserteuren, die sich in diesen Archipel verirrten, zu thun gewohnt waren. Die drei Unglücklichen baten nur darum, auf der ersten bewohnbaren Insel, welche die »Hunter« antreffen würde, abgesetzt zu werden. Sie wurden also nach einer der Charlotten-Inseln, nach Tukopia, unter 12°15' südlicher Breite und 169° der Länge, befördert. Im Monate Mai 1826 näherte sich Dillon, der früher zur Besatzung der »Hunter« gehört hatte, der Insel Tukopia, um zu erfahren, was aus den 1813 hier ausgeschifften Leuten geworden wäre.

Er fand in der That den Laskarier und den Deutschen. Der Erstere verkaufte ihm sogar einen silbernen Säbelkorb. Natürlich fragte Dillon, wie er in dessen Besitz gekommen sei. Der Deutsche erzählte, daß er bei seiner Ankunft auf Tukopia Schrauben, Aexte, Messer, eiserne Geräthe, Löffel und eine Menge andere Gegenstände gefunden habe, die, wie man ihm sagte, von Mallicolo, das heißt einer Inselgruppe, herrühren sollten, welche man mittelst Piroguen in zwei Tagen erreichen könne.

Dillon zog nun bei den Eingebornen weitere Erkundigungen ein und erfuhr, daß vor mehreren Jahren zwei Schiffe an den Strand dieser Inseln geworfen worden seien. Eines derselben war total untergegangen, die Matrosen des zweiten aber hatten aus den Trümmern ein kleineres Fahrzeug erbaut, auf dem sie abgefahren wären, während auf Mallicolo noch einzelne der ihrigen zurückblieben. Der Laskarier wollte zwei jener Männer gesehen haben, welche durch verschiedene, den Häuptlingen geleistete Dienste einen gewissen Einfluß gewonnen hatten.


Einwohner von Vanikoro. [Facsimile. Alter Kupferstich.]
Einwohner von Vanikoro. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Dillon schlug jenem vergeblich vor, ihn nach Mallicolo zu geleiten; mehr Erfolg erzielte er bei dem Deutschen, der ihm bis in die Nähe der Insel – d'Entrecasteaux' Insel Recherche – begleitete. Windstille und Mangel an Nahrungsmitteln sollen Dillon aber verhindert haben, an derselben zu landen.


Ich begnügte mich, die Waffenkammer zu öffnen. (S. 390.)
Ich begnügte mich, die Waffenkammer zu öffnen. (S. 390.)

Bei seiner Ankunft in Ponditscherry übertrug ihm der Statthalter, nach Anhörung seines Berichtes, den Befehl über ein speciell zu weiteren Nachforschungen bestimmtes Fahrzeug. Das war im Jahre 1827. Dillon[383] lief Tukopia an, verschaffte sich hier einen Dolmetscher und einen Lootsen und segelte hierauf nach Mallicolo. Hier erfuhr er von den Eingebornen, daß die Fremden, mit der Herstellung ihres Fahrzeuges beschäftigt, fünf Monate auf der Insel geblieben und daß sie übrigens als halb überirdische Wesen betrachtet worden seien, eine Meinung, welche ihr eigenthümliches Auftreten noch mehr bestärkte.[384] Man habe sie z. B. mittelst langer Stöcke mit dem Monde und den Sternen sprechen sehen; sie hätten ungeheure Nasen gehabt, und einige der Männer wären immer ziemlich still mit einer Eisenstange in den Händen stehen geblieben.

Das waren die Vorstellungen, welche die Wilden von den astronomischen Beobachtungen, den dreieckigen Hüten und den Schildwachen der Franzosen bewahrt hatten.[385]

Dillon erhielt von den Eingebornen mancherlei Reliquien von der Expedition. Er gewahrte auch im Meeresgrunde auf der Korallenbank, an der das Schiff zerschellt war, bronzene Kanonen, eine Glocke und Trümmer aller Art, die er pietätvoll sammelte und im Jahre 1828 nach Paris überbrachte, wo ihm der König zum Dank für seine Arbeiten eine Pension von viertausend Francs bewilligte. Weitere Zweifel konnten nicht erhoben werden, als Graf Lesseps, der Begleiter La Pérouse's, der diesen in Kamtschatka verließ, die Kanonen und das geschnitzte Heck der »Boussole« wiedererkannt und man auf einem silbernen Leuchter das Wappen Colignon's, des Botanikers, gefunden hatte. Von diesen interessanten und merkwürdigen Thatsachen erhielt d'Urville freilich erst viel später Kenntniß, denn vorläufig war ihm nur der erste Bericht Dillon's zu Ohren gekommen.

Aus Zufall oder vielleicht aus Furcht, daß ihm Jemand zuvorkommen könnte, hatte dieser Kapitän es versäumt, die Position Vanikoros und den Kurs anzugeben, auf dem er von Tukopia dahin gelangt war. D'Urville meinte, diese Insel müsse der Banks- oder der Santa Cruz-Gruppe angehören, welche beide noch kaum bekannt waren.

Bevor wir jedoch dem Befehlshaber weiter folgen, wollen wir mit ihm kurze Zeit in Hobart-Town verweilen, das seiner Ansicht nach schon ziemliche Bedeutung erlangt hatte.

»Die Häuser daselbst, sagt er, stehen meist weit von einander und haben außer dem Erdgeschoß gewöhnlich nur ein Stockwerk; ihre Sauberkeit und Regelmäßigkeit verleiht ihnen jedoch ein recht hübsches Aussehen. Die Straßen sind nicht gepflastert, und das Fortkommen ist in denselben deshalb manchmal beschwerlich, doch hat man in mehreren wenigstens Trottoirs angelegt; übrigens ist der in ihnen herrschende Staub für die Augen oft sehr lästig. Das Regierungsgebäude liegt an einer recht geeigneten Stelle am Strande der Bai. Dieser Ort dürfte binnen wenigen Jahren weitere Annehmlichkeiten bieten, wenn die rings um denselben angepflanzten Bäume zu voller Entwickelung gelangt sind, denn die einheimischen erscheinen nicht gerade sehr passend, um als Schmuck zu dienen.«

Die Zeit während dieses Aufenthaltes wurde dazu benützt, die Vorräthe an Lebensmitteln zu ergänzen, Anker und andere höchst nothwendige Sachen anzuschaffen, das Fahrzeug neu auszuwägern, und eine Menge unumgänglicher Reparaturen an der Takelage auszuführen.[386]

Am 6. Januar 1828 lief die »Astrolabe« wieder aus, nahm am 20. die Insel Norfolk auf, sechs Tage später den kleinen Vulcan Mathew, Erronan am 28., am 8. Februar die kleine Insel Mitre, und kam am nächsten Tage in Sicht von Tukopia an. Es ist dieselbe eine kleine Insel von drei bis vier Meilen Umfang, mit einer von Pflanzenwuchs bedeckten ziemlich scharfen Bergspitze. Die Ostseite des Eilandes erscheint wegen der fortwährenden heftigen Brandung so gut wie unzugänglich. Die Ungeduld Aller wächst und übersteigt fast alle Grenzen, als man drei Boote heranrudern sieht, in deren einem sich ein Europäer befindet.

Es ist der Deutsche Bushart, wie er selbst erklärt, der Dillon nach Mallicolo begleitet hatte. Der letztere verweilte damals ziemlich einen Monat über an der Unglücksstelle, um alle Ueberreste von der Expedition zu sammeln, wie d'Urville schon in Hobart-Town erfuhr. Auf der Insel befand sich kein Franzose mehr, der letzte war vor einem Jahre gestorben. Bushart hatte zwar anfänglich zugesagt, d'Urville zu begleiten, trat später aber von seinem Versprechen zurück und weigerte sich, an Bord der »Astrolabe« zu bleiben.

Vanikoro ist von Riffen umgeben, durch welche man nicht ohne Gefahr endlich eine Einfahrt fand, die es der »Astrolabe« möglich machte, bei Oeil und an derselben Stelle vor Anker zu gehen, wo auch Dillon gelegen hatte. Die Stelle des Schiffbruches befand sich auf der anderen Seite der Insel.

Es war nicht leicht, von den habgierigen, mißtrauischen, unverschämten und perfiden Eingebornen Auskunft zu erhalten. Ein Greis gestand endlich ein, daß die auf den Strand von Vanou geworfenen Schiffbrüchigen mit Pfeilen empfangen worden wären; daraus entwickelte sich ein Kampf, bei welchem zahlreiche Einwohner den Tod fanden; die »Maras« seien alle getödtet und ihre Schädel in Vanou eingescharrt worden. Die übrigen Knochen hätten die Eingebornen zur Ausrüstung ihrer Pfeile verwendet.

Man entsendete nun ein Boot nach dem Dorfe Nama. Die Zusicherung eines Stückes rothen Tuches bestimmte die Eingebornen nach langem Zögern endlich, die Franzosen nach dem Orte des Schiffbruches zu geleiten. Etwa eine Meile vom Lande, nahe bei Païou und gegenüber Ambi, in einer Art Lücke zwischen den Rissen, gewahrte man da und dort Anker, Kanonenkugeln, Geschütze und andere Gegenstände, welche bei den Officieren der »Astrolabe« jeden etwa noch gehegten Zweifel beseitigten.

Für Alle lag es klar auf der Hand, daß das Schiff den Versuch gemacht hatte, durch eine enge Einfahrt zwischen den Rissen zu gelangen, wobei es aufgelaufen[387] sein mußte, ohne wieder flott zu werden. Die Besatzung mochte sich nach Païou haben retten können, um dort ein kleineres Fahrzeug zu erbauen, während das andere Schiff, das weiter draußen strandete, mit Mann und Maus untergegangen war.

Der Häuptling Moembe hatte sagen hören, daß die Einwohner von Vanou versucht hätten, das Schiff zu berauben, während sie von den Weißen vertrieben worden wären und dabei zwanzig Mann und drei Häuptlinge verloren hätten. Ihrerseits hätten sie dann alle an's Land gekommenen Franzosen ermordet; nur Zwei wären verschont worden und hätten drei Monate lang auf der Insel gelebt. Ein anderer Häuptling, Namens Valiko, erzählte, eines der Schiffe sei außerhalb der Risse, gegenüber Tanema, gescheitert; die Nacht über habe es fortwährend gestürmt, und fast alle Leute von demselben seien ertrunken, ohne das Land überhaupt betreten zu haben. Die»Maras« (Matrosen) des zweiten Schiffes seien in großer Anzahl an's Land gekommen und hätten in Païou aus den Trümmern des gestrandeten Fahrzeuges ein kleineres erbaut. Während ihres Aufenthaltes sei es zu Streitigkeiten gekommen, wobei fünf Einwohner von Vanon und einer von Tanema, ebenso wie zwei »Maras« den Tod gefunden hätten. Nach Verlauf von fünf Monaten hätten die Franzosen dann die Insel verlassen.

Endlich versicherte ein anderer Greis, es wären zu den Matrosen des ersten Schiffes auch gegen dreißig von dem zweiten gestoßen, und Alle wären erst nach sechs bis sieben Monaten abgefahren.

Alle diese Angaben, die man den Leuten fast nur mit Gewalt entlocken konnte, stimmten in wichtigen Einzelheiten nicht miteinander überein; es schien jedoch, als ob die letzteren Versionen der Wahrheit am nächsten kämen.

Unter den von der »Astrolabe« gesammelten Gegenständen befanden sich ein Anker von etwa achtzehnhundert Pfund Gewicht, eine kurze, gußeiserne Kanone, ein Steinmörser aus Bronze, eine Stutzbüchse aus Kupfer, Bleiblöcke und andere Kleinigkeiten in schlechtem Zustande und von geringem Interesse.

Diese Fundstücke alle beherbergt heutzutage, nebst den schon von Dillon gesammelten, das in den Galerien des Louvre untergebrachte Marine-Museum.

D'Urville wollte Vanikoro nicht verlassen, ohne dem Andenken seiner unglücklichen Landsleute ein Denkmal zu errichten. Das bescheidene Monument wurde auf dem Riffe selbst, inmitten einer Gruppe von Mangobäumen aufgestellt. Es besteht aus einem viereckigen Prisma von sechs Fuß Höhe aus[388] Korallenblöcken, überragt von einer ebenso hohen viereckigen Pyramide aus »Koudi«-Holz, welche auf einer Bleitafel folgende Inschrift enthält:


2.

Gleich darauf traf d'Urville Anstalt abzureisen. Es war dazu auch die höchste Zeit, denn die große, durch fortwährende Platzregen erzeugte Feuchtigkeit hatte heftige Fieber hervorgerufen und nicht weniger als vierundzwanzig Mann auf's Lager gestreckt. Wenn der Befehlshaber noch genug arbeitsfähige Leute übrig behalten wollte, um die bei der Ausfahrt durch die enge Straße nothwendigen Manöver auszuführen, so mußte er sich nun beeilen.

Der letzte Tag, den die »Astrolabe« noch bei Vanikoro verweilte, hätte den Commandanten, wenn das überhaupt nöthig gewesen wäre, über die Stimmung und Absichten der Eingebornen aufklären können. Er schildert die letzten Vorkommnisse dieser gefährlichen Station wie folgt;

»Gegen acht Uhr erstaunte ich, ein halbes Dutzend Piroguen von Tevaï auf uns zukommen zu sehen, umsomehr als sich drei oder vier Bewohner von Manevaï an Bord befanden, welche dabei keinerlei Furcht verriethen, obgleich sie mir wenige Tage vorher gesagt hatten, daß die Einwohner von Tevaï ihre Todfeinde seien. Ich gab den Leuten aus Manevaï meine Verwunderung zu erkennen, doch diese lachten nur eigenthümlich und erklärten, sie hätten mit den Bewohnern von Tevaï Frieden geschlossen, und diese brächten nur Cocosnüsse her. Ich bemerkte aber sehr bald, daß die Neuankommenden nur Bogen und Pfeile bei sich führten. Zwei oder drei derselben stiegen ohne Umstände an Bord und näherten sich der großen Luke, um nach dem Zwischendeck zu sehen und sich zu überzeugen, wie viele Kranke da lagen. In ihren Augen blitzte gleichzeitig eine wahre teuflische Freude. Da meldeten mir einige Leute aus der Mannschaft, daß zwei oder drei Männer aus Manevaï dieses Verfahren schon seit drei bis vier Tagen beobachteten. Gressien, der ihre Bewegungen schon seit dem Morgen im Auge hatte, wollte bemerkt haben, daß die Krieger beider Stämme sich am Strande versammelten und eine lange Unterredung hatten. Noch mehrere Anzeichen verriethen, daß sie nichts Gutes im Schilde führten und ich kam zu der Ueberzeugung, daß uns eine ernste Gefahr drohe. Sofort befahl[389] ich den Eingebornen, die Korvette zu verlassen und sich in ihre Piroguen zu begeben. Da wagten sie es, mich mit stolzen, herausfordernden Blicken zu messen, als wollten sie abwarten, ob ich meinen Befehl auch durchzuführen im Stande wäre. Ich begnügte mich, die sonst sorgfältig geschlossene Waffenkammer zu öffnen und in allem Ernste mit einer Hand nach den Gewehren, mit der anderen nach den Piroguen zu weisen; der unerwartete Anblick von zwanzig glänzenden Flinten, deren Wirkung sie kannten, machte ihnen schnelle Beine und befreite uns von ihrer bedrückenden Anwesenheit.«

Bevor wir diese Inselgruppe traurigen Andenkens verlassen, mögen einige, dem Berichte d'Urville's entnommene Details hier Platz finden.

Die Vanikoro-, Mallicolo- oder La Pérouse-Gruppe, wie Dillon sie nennt, besteht aus den beiden Inseln Recherche und Teval. Die erstere mißt im Umfange nicht weniger als dreißig, die zweite dagegen nur neun Meilen. Beide sind hoch, fast bis zum Meeresstrande mit undurchdringlichen Wäldern bedeckt und von einem sechsunddreißig Meilen langen Riffgürtel umschlossen, durch den nur an seltenen Stellen enge Fahrstraßen nach dem Lande führen. Die Einwohnerzahl wird zwölf- bis fünfzehnhundert Köpfe nicht übersteigen; es haust hier eine träge, widerliche, geistesbeschränkte, wilde, doch feige und beutegierige Race. La Pérouse konnte es nicht unglücklicher treffen, als inmitten einer solchen Bevölkerung zu stranden, während er auf jeder anderen Insel Polynesiens gewiß wohlwollender aufgenommen worden wäre.

Die Frauen hier sind von Natur häßlich; die schweren Arbeiten aber, die sie verrichten, und die herrschenden Lebensgewohnheiten lassen sie nur noch widerwärtiger erscheinen. Die Männer sind etwas weniger häßlich, doch klein, hager und zuweilen mit Geschwüren und Lepraknollen bedeckt. Als Waffen führen sie Bogen und Pfeile. Nach Aussage der Eingebornen verursachen die letzteren, welche aus Bambusstäben hergestellt und mit sehr seiner, mit zähem Harze befestigter Knochenspitze versehen werden, leicht tödtliche Wunden. Sie halten auch große Stücke darauf, und die Reisenden konnten sich nur mit Mühe einzelne Probestücke dieser Waffen erhandeln.

Am 17. März befand sich die »Astrolabe« endlich außerhalb der schrecklichen Risse, welche einen Kranz um Vanikoro bilden. Der Commandant derselben beabsichtigte nun, die Inseln Taumako, Kennedy, Nitendi und die Salomons-Inseln aufzusuchen, wo er noch Spuren der Ueberlebenden von den Schiffbrüchigen der »Boussole« und der alten »Astrolabe« zu finden hoffte. Der[390] traurige Zustand seiner durch Fieberanfälle entkräfteten Mannschaft, die Erkrankung der meisten Officiere und der Mangel eines sicheren Ankerplatzes in diesem Theile Oceaniens bestimmten ihn aber, sich nach Guaham zu begeben, wo es seiner Meinung nach möglich wäre, einmal zu rasten.

Er wich damit von seinen Instructionen, welche ihm die Untersuchung der Torres-Straße zur Pflicht machten, allerdings sehr stark ab; da ihm aber vierzig, jetzt bettlägerige Matrosen abgingen, wäre es eine Thorheit gewesen, jene gefährliche Untersuchung mit mangelhaften Kräften zu wagen.

Am 26. April wurde nun der Hogolez-Archipel angelaufen, wo d'Urville die noch von Duperrey's Untersuchung her übrig gebliebenen Lücken ausfüllte, und erst am 2. Mai kamen die Gestade von Guaham in Sicht. Als Ankerplatz ward Umata erkoren, wo man leichten Zugang zu Wasser und ein gemäßigteres Klima als in Agagna fand. Als die Expedition aber am 29. Mai wieder unter Segel ging, waren noch keineswegs alle Kranke wieder genesen, was d'Urville Diätfehlern der Matrosen, die unmöglich zu einer angepaßten Lebensweise zu bestimmen waren, zuschreibt.

Noch verwaltete den Gouverneursposten in Guaham der gute Medinilla, über den schon Freycinet des Lobes voll war. Wenn dieser sich gegen die Expedition jetzt nicht so zuvorkommend erwies. so verschuldete das die schreckliche Dürre, unter der die Kolonie eben litt, ferner das Gerücht, daß die Leute von der »Astrolabe« an einer ansteckenden Krankheit litten, und endlich wohl die ziemlich bedeutende Entfernung Umatas von Agagna, welche d'Urville verhinderte, dem Gouverneur in dessen Residenz seine persönliche Aufwartung zu machen.

Nichtsdestoweniger übersendete Medinilla der Expedition frische Lebensmittel und Früchte in Menge und verleugnete überhaupt seine gewohnte Freigebigkeit niemals.

Nach der Abreise von Guaham kam d'Urville bei den westlichen Carolinen und den Gruppen der Elivi-, der Lütke'schen Uluthii-Inseln, ferner bei Gouap, Goulov und Pelew vorüber; die herrschenden Winde zwangen ihn auch an Waigiou, Aiou, Asia und Guebe vorüber zu segeln, worauf er in die Bourou-Straße einfuhr, in Amboine vor Anker ging und von Seiten der holländischen Behörden sehr herzlich aufgenommen wurde. Hier fand der Commandant auch Nachrichten aus Frankreich vor. Das Ministerium schien die Arbeiten, die Strapazen und ausgestandenen Gefahren der Expedition nicht hoch zu schätzen; denn trotz der Vorschläge d'Urville's wurde kein einziger Officier durch eine Rangerhöhung[391] erfreut. Nach Bekanntwerden jener Nachrichten bemächtigte sich Aller eine gewisse Mißstimmung und Entmuthigung, welche der Befehlshaber nach Kräften zu bekämpfen suchte.

Von Amboine aus kam die »Astrolabe« durch die Banka-Straße nach Manado. Es ist das ein angenehmer Ort mit einem stark verschanzten, reichlich mit Kanonen bewehrten Fort. Der Gouverneur Merkus überließ d'Urville schöne Hornschweine, einen Sapioutang, ein Thier von der Größe einer kleinen Kuh, deren Schnauze und Beine es hat, nebst zwei zurückgebogenen Hörnern, ferner Schlangen, Vögel, Fische und Pflanzen, welche die naturhistorischen Sammlungen wesentlich bereicherten.

Nach Aussage d'Urville's nähert sich die äußere Erscheinung der Bewohner von Celebes mehr der der Polynesier als der Malayen. Er glaubte an denselben eher die Volkstypen von Tahiti, Tonga-Tabu und Neu-Seeland zu erkennen, als die der Papuas vom Doreï-Hafen, der Harfours von Bouron oder die eckigen und knochigen Gesichter der Malayen.

In der Nähe von Manado befanden sich goldhaltige Quarzminen, von denen der Commandant einige Steinproben erwarb, und ein im Innern gelegener See, der nach allgemeiner Annahme ungeheuer tief sein sollte. Dieser See ist der Tondano-See, aus welchem ein beträchtlicher Fluß, der Manado, seinen Ursprung nimmt, der vor seiner Einmündung in's Meer einen prächtigen Wasserfall bildet. Der Bergstrom, dem ein Basaltfelsen den Ausgang versperrte, hat sich eine Oeffnung durch denselben gebrochen und strömt in Form einer mächtigen Wassergarbe daraus hervor, die in einen Abgrund von neunzig Fuß Tiefe hinabstürzt.

Mit dem Gouverneur und den Naturforschern untersuchte d'Urville das schöne, von vulcanischen Bergen umschlossene Seebecken, neben dem man noch einzelne Fumarolen bemerkt; seine Tiefe beträgt jedoch überall nur zwölf bis dreizehn Faden, so daß er trocken gelegt eine vollkommen ebene Fläche bilden würde.

Am 4. August verließ man den Ankerplatz von Manado, der sich für die Genesung der Fieber- und Ruhrkranken der Expedition nicht besonders günstig erwiesen hatte. Am 29. desselben Monats traf diese in Batavia ein, wo sie indeß nur drei Tage lang verweilte.

Von hier aus durchsegelte die »Astrolabe« bis zu ihrer Heimkehr nach Frankreich nur längst bekannte Meere. Sie kam nach Isle de France, wo d'Urville den Kapitän Le Goarant antraf, der mit der Korvette »la Bayonnaise« eine Fahrt nach Vanikoro gemacht hatte. Er erfuhr, daß dieser Officier davor zurückgeschreckt war, in den Raum hinter dem Riffkranze einzudringen, und sich begnügt hatte, Boote auf Kundschaft auszusenden.


Felsenriff von Vanikoro. (S. 390)
Felsenriff von Vanikoro. (S. 390)

Die Eingebornen hatten das zur Erinnerung an La Pérouse errichtete Denkmal in Ehren gehalten und nur mit Mühe ihre Zustimmung zur Anbringung einer Kupfermedaille durch die Seeleute der »Bayonnaise«[392] gegeben.[393]

Am 18. November verließ die Korvette Isle de France wieder, hielt am Cap, bei St. Helena und Ascension an und traf am 25. März 1829, genau fünfunddreißig Monate nach ihrer Abfahrt, in Marseille wieder ein.

Schon bezüglich der Hydrographie allein waren die Resultate der Expedition höchst bemerkenswerthe, denn man verdankte dem unermüdlichen Fleiße Gressien's und Paris' nicht weniger als fünfundvierzig neue Karten. Was die Naturgeschichte betrifft, so dürften die nachfolgenden Zeilen aus dem Berichte Cuvier's die beste Vorstellung von dem Reichthum der betreffenden Sammlungen erwecken:

»Die Kataloge zählen sie (die Species, welche man Quoy und Gaimard verdankte) nach Tausenden auf, und nichts beweist besser die rege Thätigkeit dieser Forscher, als die Verlegenheit, in der sich die Verwaltung des Jardin du Roi befindet, um Alles unterzubringen, was sie durch die letzten See-Expeditionen, und vorzüglich von der in Rede stehenden erhalten hat. Man hat Erdgeschosse und Kellerräume dafür in Anspruch nehmen müssen, und selbst die Magazine sind jetzt so vollgepfropft, das ist der richtige Ausdruck, daß man sie hat durch Zwischendecken theilen müssen, um mehr Plätze zu gewinnen.«

Auch die geologischen Sammlungen standen an Anzahl von Exemplaren nicht nach; 187 Arten oder Varietäten von Felsgestein zeugen für den Eifer Quoy's und Gaimard's. Der jüngere Lesson hatte fünfzehn- bis sechszehnhundert Pflanzenspecies zusammengebracht. Kapitän Jacquinot hatte sich mit zahlreichen astronomischen Beobachtungen beschäftigt; der Befehlshaber selbst endlich, ohne seine Pflichten als Seemann und Chef der Expedition hintanzusetzen, Untersuchungen der Meerestemperatur in verschiedenen Tiefen und solche über meteorologische Phänomene angestellt, aber auch eine erstaunliche Menge schätzenswerther Beiträge für die Philologie und Ethnographie geliefert.

Wir glauben den Bericht über diese Expedition nicht besser abschließen zu können als mit der Wiedergabe folgender Stelle aus Dumont d'Urville's Memoiren, welche dessen Biograph Didot anführt:

»Dieser abenteuerreiche Zug übertraf alle bis jetzt unternommenen ebenso durch die häufigen und schweren Gefahren, die ihn bedroht haben, wie durch den Reichthum und die Mannigfaltigkeit der nach allen Seiten erzielten Resultate. Ein eiserner Wille verhinderte mich, vor irgend einem Hinderniß zurückzuweichen. Der Entschluß »zu sterben oder zu siegen« ließ kein Zaudern, keine Ungewißheit in mir aufkommen. Zwanzigmal habe ich die »Astrolabe« so dicht vor ihrem Untergange gesehen, daß in meiner Seele keine Hoffnung auf Rettung mehr[394] lebte. Tausendmal setzte ich das Leben meiner Leute auf's Spiel, um die Vorschriften meiner Instructionen zu erfüllen, und während zweier auf einander folgenden Jahre kann ich versichern, daß wir täglich mehr ernsthaften Gefahren ausgesetzt gewesen sind, als sonst eine gewöhnliche lange Seereise überhaupt bedrohen. Muthig und voller Ehrgefühl, erkannten die Officiere zwar die Gefahren, denen ich sie tagtäglich aussetzte, aber sie thaten schweigend ihre Pflicht.«

Diesem bewundernswerthen Wetteifer von Eifer und Opferfreudigkeit verdankt man die erstaunliche Menge von Entdeckungen, Materialien und Beobachtungen für alle Zweige des menschlichen Wissens, welche den ausgezeichneten Arbeiten de Rossel's, Cuvier's, Geoffroy St. Hilaire's, Desfontaine's und anderer unparteiischer Beurtheiler und erfahrener Sachkenner zugrunde liegen.

Quelle:
Jules Verne: Der Triumph des 19. Jahrhunderts. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band XXXVII– XXXVIII, Wien, Pest, Leipzig 1882, S. 336-395.
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