II.

[127] Rückkehr Johanns von Bethencourt. – Eifersucht Gadifer's. – Johann von Bethencourt besucht den Archipel. – Gadifer zieht zur Eroberung von Gran-Canaria aus. – Zwistigkeiten der beiden Befehlshaber. – Sie gehen nach Spanien. – Gadifer wird vom König getadelt. – Rückkehr der normannischen Ritters. – Die Eingebornen von Fortaventura lassen sich taufen. – Johann von Bethencourt kommt nach dem Pays de Caux. – Rückkehr nach Lancerote. – Landung an der Küste Afrikas. – Eroberung von Gran-Canaria, Palma und Ferro. – Maciot wird zum Gouverneur des Archipels ernannt. Johann von Bethencourt erlangt in Rom vom Papste die Ernennung eines canarischen Bischofs. – Seine Rückkehr in das Vaterland und sein Tod.


Der Gesandte des Gouverneurs war in Cadix noch nicht eingetroffen, als Baron von Bethencourt schon persönlich vor dem Fort von Lancerote[127] mit »einer hübschen kleinen Gesellschaft« landete. Gadifer und die Seinen ebenso wie die getauften Canarier empfingen sie mit großen Ehren. Wenige Tage nachher ergab sich auch König Guardarfia auf Gnade und Ungnade und trat mit allen seinen Leuten am 20. Februar 1404 zum Christenthum über Johann von Bethencourt's Capläne verfaßten auch auf seinen Wunsch ein einfaches Büchlein über die Grundelemente des Christenthums, die Schöpfung der Welt, den Sündenfall Adam's und Eva's, die Geschichte


Gadifer kam in ein prächtiges Thal. (S. 126.)
Gadifer kam in ein prächtiges Thal. (S. 126.)

Noah's und des Thurms zu Babel, das Leben der Patriarchen, die Geschichte Jesu Christi und seiner Kreuzigung durch die Juden, und endlich gab es Anleitung, wie man an die zehn Gebote, das Sacrament[128] des Altars, die Osterfeier, die Beichte und andere Punkte zu glauben habe.

Johann von Bethencourt war ein ehrgeiziger Mann. Nicht zufrieden damit, den Archipel der Canarien erforscht und sozusagen in Besitz genommen zu haben, dachte er schon daran, die benachbarten oceanischen Küstengebiete Afrikas zu erobern. Schon als er wieder nach Lancerote kam, trug er sich insgeheim mit solchen Gedanken, obwohl ihm noch viel zu thun übrig blieb, um auf dieser Inselgruppe, deren Herr er doch vorläufig nur dem Namen nach war, eine dauernde Regierung zu begründen. Das bestimmte ihn also, sich zunächst dieser Aufgabe zuzuwenden und alle von Gadifer schon früher erforschten Inseln nun auch selber zu besuchen.

Vor der Abreise kam es da zwischen ihm und Gadifer zu einer Auseinandersetzung, welche wir nicht übergehen dürfen. Gadifer verlangte unter Hervorhebung seiner Verdienste von dem Baron eine Belohnung; er wünschte Fortaventura, Teneriffa und Gomer zum Geschenk.

»Mein würdiger Freund, erwiderte der Baron, die Inseln und Länder, die Sie von mir beanspruchen, sind noch nicht einmal erobert. Es liegt nicht im geringsten in meiner Absicht, Ihre Bemühungen unbelohnt zu lassen, denn Sie haben sich große Verdienste um unsere Sache erworben. Für jetzt aber bitte ich Sie, vollenden wir erst unser Unternehmen und bleiben wir Brüder und Freunde.

– Das klingt zwar Alles recht schön, entgegnete Gadifer, doch mit einer Maßregel bin ich auch gar nicht zufrieden, daß Sie nämlich die Canarischen Inseln vom König von Castilien zu Lehen genommen und sich dabei zum Lehnsherrn aufgeworfen haben.

– Was Sie da einwenden, antwortete Johann von Bethencourt, ist zwar richtig; ich habe das Lehen angetreten und betrachte mich, so lange es dem Könige gefällt, hier als rechtmäßigen Herrn. Doch warten Sie nur die endliche Entwicklung der ganzen Angelegenheit ab und ich werde nicht anstehen, Ihnen so viel zukommen zu lassen, daß Sie gewiß zufrieden sind.

– Ich bleibe nicht lange mehr in diesem Lande, erwiderte Gadifer, denn ich muß nach Frankreich zurückkehren. Ich mag nicht mehr hier bleiben.«[129]

Mit diesen Worten trennten sich die beiden Cavaliere; Gadifer beruhigte sich jedoch allmälich und weigerte sich auch nicht, Johann von Bethencourt auf seiner Rundreise zu begleiten.

Gut bewaffnet und reichlich mit Allem versehen, ging Baron von Bethencourt nach Fortaventura unter Segel. Er verweilte auf dieser Insel drei volle Monate und brachte eine große Menge Eingeborne in seine Gewalt, die er nach der Insel Lancerote schaffen ließ. In einer Zeit, da alle Entdeckungsreisenden in gleicher Weise verfuhren, darf uns diese Art des Auftretens nicht wundernehmen. Während seines Aufenthaltes durchstreifte der Baron die ganze Insel, nachdem er zum Schutze gegen die Angriffe der großen, starken und starr auf ihrem Rechte bestehenden Eingebornen eine Befestigung errichtet hatte. Es wurde zu diesem Zwecke nämlich die Citadelle Richeroque, deren Spuren man noch heute inmitten eines Weilers findet, am Abhange eines hohen Berges erbaut.

Jenerzeit übernahm Gadifer, der seine Beschwerden und seine üble Laune, die sich manchmal in harten Worten Luft machten, keineswegs vergessen hatte, doch den Befehl über eine Compagnie, welche der Baron zum Zwecke der Eroberung von Gran-Canaria zu seiner Verfügung stellte.

Er brach dann am 24. Juli 1404 auf, doch hatte diese Expedition keinen dauernden Erfolg. Zuerst wurde sie auf der See von heftigen Stürmen und ungünstigen Winden heimgesucht. Endlich erreichten die Leute zwar den Hafen von Teldes, da es indeß schon Nacht wurde und eine sehr frische Brise wehte, wagten sie nicht, hier an's Land zu gehen, sondern fuhren noch ein Stück weiter bis zu der kleinen Stadt Arguynegui, bei welcher sie acht Tage lang vor Anker lagen. Von ihrem König Artaney aufgereizt, legten ihnen die hiesigen Bewohner aber da und dort einen verderblichen Hinterhalt, wodurch Gadifer's Mannschaft ein empfindlicher Schaden zugefügt wurde. Es kam auch zu einem Scharmützel mit Blutvergießen, da die Castilier sich jedoch an Zahl zu schwach fühlten, wichen sie zurück, hielten sich noch zwei Tage vor Teldes auf und segelten dann wieder nach Lancerote.

Gadifer überließ sich wegen dieses Mißerfolges einer solchen üblen Stimmung, daß er an Allem zu tadeln hatte, was um ihn vorging. Die Eifersucht gegen seinen Chef wuchs mit jedem Tage und verleitete ihn zu den härtesten Beschuldigungen, in denen er wiederholt aussprach, daß der[130] Baron selbst eigentlich gar nichts ausgeführt habe und daß Alles besser stehen würde, wenn nicht immer Andere ihre Hand mit im Spiele hätten. Diese Worte kamen dem Baron zu Ohren, der darüber erklärlicher Weise höchst aufgebracht war. Er nannte Gadifer einen mißgünstigen Eiferer, was einen harten Wortwechsel zwischen den beiden Führern zur Folge hatte. Gadifer bestand darauf, das Land zu verlassen, wo er, je länger er hier blieb, nur noch mehr verlieren könne. Da sich Johann von Bethencourt eben anschickte, noch einmal nach Spanien zu gehen, so schlug er Gadifer vor, ihn zu begleiten, um ihre Streitigkeiten vor Gericht zum Austrag zu bringen. Gadifer stimmte zu; die beiden Rivalen reisten indeß nicht miteinander, sondern der Baron auf seinem Schiffe und Gadifer auf dem seinigen. Beide kamen nach Sevilla und Gadifer brachte seine Klagen an; da der König von Castilien ihm aber nach allen Seiten Unrecht gab und Baron von Bethencourt's Maßnahmen vollständig billigte, so verließ Gadifer Spanien, kehrte nach Frankreich zurück und kam auch später niemals wieder nach den Canarischen Inseln, welche er für sich selbst zu erwerben gedacht hatte.

Baron von Bethencourt nahm fast gleichzeitig vom Könige Abschied. Die Verwaltung der jungen Kolonie erheischte dringend seine Anwesenheit. Vor seiner Abreise bereiteten ihm die Bewohner von Sevilla, bei denen er in hohem Ansehen stand, mancherlei Huldigungen und – was noch wichtiger war – versorgten ihn reichlich mit Waffen, Lebensmitteln, Silber und Gold.

Johann von Bethencourt kam nach der Insel Fortaventura und wurde von den Seinen sehr freudig empfangen. Gadifer seinerseits hatte vor der Abfahrt seinen Bastard Annibal an seiner Statt zurückgelassen, dem der Baron indessen seinen berechtigten Groll gegen den früheren Nebenbuhler nicht entgelten ließ.

Während der ersten Zeit der Uebernahme der Geschäfte auf der Insel durch Johann von Bethencourt kam es zu zahlreichen Gefechten mit den Canariern, welche sogar die Befestigung von Richeroque zerstörten, nachdem sie eine Kapelle verbrannt und die Proviantspeicher beraubt hatten. Der Baron verfolgte sie eifrig und es gelang ihm auch, die Aufständischen vollständig zu zerstreuen und zu unterwerfen. Dann rief er schnellstens eine Anzahl Leute von Lancerote herbei, durch die er die zerstörte Citadelle sofort wieder aufbauen ließ.[131]

Nichtsdestoweniger kam es immer wieder zu Gefechten mit den Canariern, wobei viele derselben fielen, unter Anderen auch ein Riese von neun Fuß Höhe, den Johann von Bethencourt gern lebend gefangen hätte. Der Baron konnte dem Sohne Gadifer's übrigens ebensowenig vertrauen wie den Leuten, welche dessen Begleitung bildeten. Der Bastard hatte von seinem Vater die Eifersucht auf den Baron gleichsam geerbt; da der Letztere jedoch seiner Hilfe jetzt noch nicht entbehren konnte, verheimlichte er sein Mißtrauen gegen ihn. Zum Glück übertraf die Zahl seiner eigenen Leute beiweitem die der treu gebliebenen Anhänger Gadifer's. Inzwischen nahmen die Beschwerden Annibal's in solchem Maße zu, daß ihm der Baron einen seiner Lieutenants, Jean le Courtois, zuschickte, um jenen an seinen Eid zu erinnern und ihn zu ermahnen, darnach auch zu handeln.

Jean le Courtois wurde sehr übel empfangen; er gerieth mit dem Bastard und dessen Leuten in Streit, vorzüglich wegen gewisser canarischer Gefangener, welche diese unrechtmäßiger Weise zurückhielten und auch ihm nicht ausliefern wollten. Annibal mußte sich zuletzt doch fügen; als Jean le Courtois dann zu dem Baron zurückkehrte, erzählte er ihm die Unverschämtheit des Bastarden und suchte seinen Herrn gegen diesen aufzureizen. »Nein, mein Herr, antwortete der gerechte Bethencourt, ich will nicht, daß man ihm Unrecht thue, weder ihm, noch seinen Leuten. Man muß nicht Alles thun, wozu man vielleicht berechtigt wäre, und immer damit zufrieden sein, seine Ehre, wenn auch nicht seinen Vortheil zu wahren.« Gewiß schöne Worte, welche sich Jedermann merken sollte.

Trotz dieser inneren Mißhelligkeiten nahm der Krieg zwischen den Eingebornen und den Eroberern seinen Fortgang, wobei Letztere, Dank ihrer besseren Bewaffnung auch mit schwerem Geschütz, stets im Vortheil blieben. Die Könige von Fortaventura waren denn auch bald zu Unterhandlungen geneigt und sandten einen Canarier zum Baron von Bethencourt, um von diesem einen Waffenstillstand zu erlangen. Sie fügten auch hinzu, daß es ihr Wunsch sei, sich zum Christenthum zu bekehren. Sehr erfreut über diese Eröffnungen, antwortete der Baron, daß die Könige mit Freuden empfangen werden sollten, wenn sie zu ihm kämen.

Sofort stellte sich zunächst der im Nordwesten der Insel regierende König Maxorata mit einem Gefolge von zweiundzwanzig Personen ein, welche Alle am 18. Januar 1405 getauft wurden. Drei Tage später[132] er hielten zweiundzwanzig andere Landesbewohner die heilige Taufe. Am 25. Januar stellte sich der König, der die Halbinsel Handia, im Südosten Fortaventuras, beherrschte, mit sechsundzwanzig Unterthanen ein, welche ebenfalls getauft wurden. In kurzer Zeit bekannten sich überhaupt alle Bewohner von Fortaventura zur katholischen Religion.

Baron von Bethencourt gedachte nun, erfreut über diese Erfolge, einmal sein Vaterland wieder zu sehen. Er überließ den Oberbefehl und die Verwaltung der Inseln seinem neuen Lieutenant Jean le Courtois und reiste am letzten Tage des Januars unter den Thränen und Segenswünschen seiner Gefährten ab, indem er drei Männer und eine Frau von den Inseln mitnahm, denen er das Königreich Frankreich zeigen wollte. So ging er unter Segel. »Gott geleite ihn und führe ihn glücklich zurück!« lautet der Bericht.

Nach einundzwanzig Tagen langte Baron von Bethencourt im Hafen von Harfleur an und kam zwei Tage später in sein Hôtel von Grainville zurück. Die gesammte angesehenere Bevölkerung des Landes veranstaltete Festlichkeiten zu seiner Begrüßung. Es lag in Johann von Bethencourt's Absicht, sobald als möglich nach den Canarischen Inseln zurückzukehren. Er hoffte dabei eine Anzahl freiwilliger Begleiter zu finden und engagirte auch Leute von allen Berufsarten, denen er den Besitz von Ländereien in Aussicht stellte. So brachte er etwa hundert Auswanderer zusammen, unter denen achtundzwanzig Kriegsleute waren, von welchen dreiundzwanzig ihre Frauen mitnahmen. Zum Zwecke der Ueberführung der Gesellschaft wurden zwei Schiffe hergerichtet, als Sammeltag aber der 6. Mai verabredet. Am 9. desselben Monats ging der Baron unter Segel und landete glücklich in Lancerote, vierundeinhalb Monate nachdem er den Archipel verlassen.

Der edle Normanne wurde mit dem Klange von Trompeten, Clarinetten, Tambourins, Harfen, Hörnern und anderen Instrumenten empfangen. »Man hätte Gott nicht donnern hören, so geräuschvoll war die Musik.« Die Canarier selbst feierten die Rückkehr des Gouverneurs mit Tänzen und Gesängen und riefen: »Da kommt unser König!« Auch Jean le Courtois stellte sich eiligst bei seinem Vorgesetzten ein, der ihn mit der Frage empfing, wie Alles ginge. »Herr, Alles geht von Tag zu Tag besser!« antwortete der Lieutenant.[133]

Die Gefährten des Barons von Bethencourt erhielten mit ihm vorläufiges Unterkommen im Fort Lancerote. Das Land schien ihnen sehr zu gefallen. Sie aßen Datteln und andere Früchte des Landes, die ihnen ausnehmend mundeten, »und Keinem etwas schadeten«.

Nach einigem Aufenthalte in Lancerote brach Johann von Bethencourt mit seinen neuen Leuten auf, die Insel Fortaventura zu besuchen. Hier war der ihm bereitete Empfang nicht minder herzlich, vorzüglich von Seiten der Canarier und ihrer Könige. Letztere nahmen mit dem Baron in der Festung Richeroque ein glänzendes Mahl ein, das Jean le Courtois hatte herrichten lassen.

Johann von Bethencourt trat nun mit der Absicht hervor, Gran-Canaria zu erobern, wie früher Lancerote und Fortaventura. Er hoffte auch, daß sein Neffe Maciot, den er aus Frankreich mitgebracht hatte, ihm in der Regierung der Insel folgen würde, damit der Name Bethencourt in diesem Lande nicht aussterbe. Eben dieses Project theilte er dem Lieutenant Jean le Courtois mit der es nach allen Seiten billigte und hinzufügte. »Herr, wenn es Gott gefällt, daß Sie nach Frankreich zurückkehren, so werde auch ich Ihnen folgen. Ich bin ein schlechter Ehemann; seit fünf Jahren schon hab' ich meine Frau nicht gesehen, doch – ehrlich gesprochen – sie wird sich auch nicht besonders d'rum gekränkt haben«.

Die Abfahrt nach Gran-Canaria wurde für den 6. October 1405 festgesetzt. Drei Fahrzeuge trugen die kleine Kriegsmacht des Barons. Der Wind verschlug diese aber zunächst nach der afrikanischen Küste, wo sie an Cap Bojador vorübersegelten und Johann von Bethencourt an's Land ging. Er führte einen Streifzug bis auf acht Meilen in das Innere aus und bemächtigte sich auch dreier Eingeborner und einiger Tausend Kameele, welche er nach seinem Ankerplatze hintrieb. Von den Thieren, deren Acclimatisation auf den Canarischen Inseln zu gelingen versprach, nahm man so viel als möglich an Bord, und der Baron ging unter Segel, indem er Cap Bojador wieder verließ, welches er die Ehre hatte, dreißig Jahre vor den portugiesischen Seefahrern zu entdecken.

Auf der Fahrt von der Küste Afrikas nach Gran-Canaria wurden die drei Schiffe durch einen Sturm getrennt. Das eine kam nach Fortaventura, ein anderes nach der Insel Palma. Zuletzt fanden sich jedoch alle am Orte des verabredeten Rendezvous ein. Gran-Canaria maß übrigens gegen zwanzig[134] Meilen in der Länge und zwölf Meilen in der Breite. Es hatte die Gestalt einer Egge. Im Norden war es eben und bergig im Süden. Weiden, Drachen-, Oliven-, Feigen- und Dattelbäume bildeten hier wirkliche Wälder. Schafe, Ziegen und wilde Hunde fanden sich in großen Mengen auf der Insel. Der leicht zu bearbeitende Boden lieferte jährlich zwei Korn-Ernten ohne Düngung zu brauchen. Die Bewohner bildeten ein ziemlich großes Volk und nannten sich selbst alle Edelleute.

Als Johann von Bethencourt seine Ausschiffung vollendet, dachte er an die Eroberung des Landes. Leider waren seine normannischen Krieger durch den kleinen Streifzug auf afrikanischem Boden sehr hochmüthig geworden, und wenn man sie so reden hörte, glaubten sie allein in der Zahl von zwanzig Mann ganz Gran-Canaria mit seinen 10.000 Einwohnern unterwerfen zu können. Als der Baron von Bethencourt diese Ueberhebung wahrnahm, ermahnte er die Leute ernstlich zu kluger Vorsicht, worauf sie jedoch nicht im mindesten achteten. Das sollte ihnen theuer zu stehen kommen. Nach einem Scharmützel, in dem sie gegen die Canarier zuerst im Vortheil gewesen waren, lösten sie sich in einzelne kleine Abtheilungen auf; später von den Eingebornen überfallen, wurden zweiundzwanzig Mann darunter Lieutenant Jean le Courtois und Annibal, Gadifer's Sohn, durch dieselben niedergemacht.

Nach diesem so verhängnißvollen Zusammenstoße verließ Baron von Bethencourt Gran-Canaria, um sich zunächst die Insel Palma zu unterwerfen. Die Palmeros waren sehr gewandt im Steineschleudern und verfehlten nur selten ihr Ziel. In den zahlreichen Gefechten mit den Eingebornen gab es denn auch stets eine ziemliche Anzahl Todte auf beiden Seiten, mehr jedoch auf der Seite der Canarier als auf der der Normannen, von denen etwa Hundert umkamen.

Sechs Wochen lang dauerten die Scharmützel fort, bis der Baron die Insel Palma verließ und sich zu einem dreimonatlichen Aufenthalte nach der Insel Ferro begab, eine große, sieben Meilen lange und fünf Meilen breite Insel von der Form eines Halbmondes. Sie bildet eine Hochebene mit einzelnen Berggipfeln.


Der König Maxorata stellte sich mit seinem Gefolge ein, (S. 132.)
Der König Maxorata stellte sich mit seinem Gefolge ein, (S. 132.)

Da und dort beschatten sie kleine Wäldchen von Pinien und Lobeerbäumen. Die an den hohen Bergen sich ansammelnden Dunstmassen liefern dem Boden hinreichende Feuchtigkeit und machen ihn zum Getreide- und Weinbau geeignet. Wild giebt es hier im Ueberfluß. Schweine,[135] Ziegen und Schafe tummeln sich auf dem Lande neben großen Eidechsen, welche fast die Größe der amerikanischen Iguane (Kropfeidechsen) erreichen. Die Urbewohner des Landes selbst, sowohl Männer als Frauen, sind sehr hübsch, lebhaft, lustig, gesund, körperlich gewandt und, wie es scheint, sehr heirathslustig. Alles in Allem war die Insel Ferro die »gemüthlichste« von allen im Archipel.[136]

Nach Eroberung der Inseln Ferro und Palma kehrte Johann von Bethencourt mit seinen drei Schiffen nach Fortaventura zurück. Diese siebzehn lange und acht Meilen breite Insel besteht abwechselnd aus Ebenen und Bergen, doch ist ihr Boden weniger zerrissen und zerklüftet als der der anderen Inseln der Gruppe. Reiche Ströme von süßem Wasser winden sich hier durch die herrlichsten Wälder; Euphorbien mit milchigem, aber scharfem[137] Safte liefern ein heftiges Gift. Daneben wuchern in üppiger Fülle Dattel-, Oel- und Mastixbäume, sowie eine gewisse Farbepflanze, deren Cultur außerordentlich lohnend sein mußte. Leider bietet die Küste von Fortaventura nirgends einen geeigneten Hafen für große Schiffe, kleinere Fahrzeuge finden daselbst aber stets eine sichere Zuflucht.

Auf eben dieser Insel schritt Baron von Bethencourt zum ersten Male zur Austheilung von Land für seine Kolonisten und ging dabei mit solcher Gerechtigkeit zu Werke, daß Jedermann mit dem empfangenen Lose zufrieden war.


Johann von Bethencourt machte also sein Testament. (S. 141.)
Johann von Bethencourt machte also sein Testament. (S. 141.)

Seine eigenen Gefährten, d. h. Diejenigen, die er selbst mit hierher gebracht hatte, sollten außerdem neun Jahre lang von allen Steuern und Abgaben befreit bleiben.

Die Frage der Religion und der religiösen Verwaltung konnte einem so gottesfürchtigen Manne, wie dem Baron von Bethencourt, nicht gleichgiltig sein. Er beschloß also, sich nach Rom zu begeben und sich für das Land einen Bischof zu erbitten, der hier als Hüter des katholischen Glaubens schalten und walten sollte. Vor der Abreise aber ernannte er seinen Neffen, Maciot von Bethencourt, zum Stellvertreter und Gouverneur aller Inseln des Archipels. Unter seiner Leitung sollten zwei »Sergeanten« functioniren, denen speciell die Rechtspflege zufiel. Er ordnete ferner an, daß ihm zweimal jährlich ausführliche und umfassende Berichte nach der Normandie gesendet würden und daß die Einkünfte von Lancerote und Fortaventura zunächst zur Erbauung zweier Kirchen Verwendung finden sollten.

Seinem Neffen Maciot sagte er: »Im Uebrigen lasse ich Euch die volle Gewalt und Selbstbestimmung in Allem, was Ihr zu thun für gerathen findet und wobei Ihr selbstverständlich meine Ehre und unseren Vortheil stets im Auge behaltet. So weit das möglich ist, folgt Ihr den Sitten Frankreichs und der Normandie, z.B. in der Rechtspflege und wo das überhaupt thunlich erscheint. Auch bitte ich Euch und hinterlasse es als den Auftrag, der mir am meisten am Herzen liegt, haltet Frieden, seid einig untereinander und liebt Euch wie Brüder, vorzüglich dürft Ihr, die Edelleute des Landes, niemals gegenseitig neidisch und mißgünstig sein. Es ist Jedem sein Theil geworden. Das Land ist groß genug für Alle; fügt Euch ineinander und erinnert Euch der Zusammengehörigkeit Aller. Etwas Besseres weiß ich zum Abschied nicht zu sagen, als die Worte: Bewahret Euch den inneren Frieden und Alles wird sich zum Besten wenden!«[138]

Drei Monate lang verweilte Baron von Bethencourt dann auf Fortaventura und auf den anderen Inseln. Er ritt auf seinem Maulthiere überall umher und unterhielt sich mit den Bewohnern des Landes, welche schon anfingen, sich der normannischen Sprache zu bedienen. Maciot und die übrigen Edelleute begleiteten ihn. Er wies auf Alles hin, was mit Vortheil auszuführen sei, und gab auch die nöthigen Mittel und Wege an. Nachdem er so den ganzen von ihm eroberten Archipel durchstreift, ließ er durch Ausrufer bekannt machen, daß er am 15. December des laufenden Jahres nach Rom abreisen werde.

Nach Lancerote zurückgekehrt, blieb Baron von Bethencourt daselbst bis zur Abfahrt. Er befahl dann noch allen Edelleuten, die er einst selbst hierher gebracht, seinen Handwerkern und den drei canarischen Königen, sich zwei Tage vor seiner Abreise hier einzufinden, um ihnen seinen letzten Willen mitzutheilen und sie dem Schutze des Höchsten zu empfehlen.

Kein Einziger fehlte an dem bestimmten Tage. Baron von Bethencourt empfing Alle in der Festung von Lancerote, wo er sie Alle reichlich bewirthete. Nach beendigtem Mahle betrat er einen etwas erhöhten Stuhl, wiederholte seine früheren Ermahnungen, wies Alle darauf hin, daß sie von nun an nur seinem Neffen Maciot zu gehorchen hätten, erinnerte sie an den ihnen zukommenden fünften Theil der Erträgnisse und legte ihnen an's Herz, den Satzungen des Christenthums treu zu bleiben und vor Allem Gott zu lieben. Dann wählte er noch Diejenigen aus, welche ihn nach Rom begleiten sollten, und machte sich bereit zur Abreise.

Kaum hatte sein Schiff die Anker gelichtet, als von allen Seiten ein Seufzen und Wehklagen anhob. Europäer und Canarier weinten, weil sie diesen »gerechtesten aller Herren« niemals wiederzusehen fürchteten. Eine große Menge derselben lief noch bis an die Schultern in's Wasser und versuchte das Schiff, welches ihn entführte, zurückzuhalten. Doch die Segel waren einmal gehißt. Herr von Bethencourt reiste ab. »Gott wolle ihn in seiner Gnade vor jedem Uebel und Unfalle behüten und bewahren.«

Nach sieben Tagen langte der normannische Baron in Sevilla an. Von dort begab er sich, um den König zu treffen, nach Valladolid, woselbst ihm ein ausgezeichneter Empfang zu Theil wurde. Er erzählte dem Könige von Spanien die Geschichte seiner Eroberungen und bat ihn gleichzeitig um Empfehlungsbriefe für den Papst, um die Ernennung eines Bischofs der[139] Canarischen Inseln zu erlangen. Der König gab ihm, nachdem er ihn mit Gunstbezeugungen und Geschenken überhäuft, die gewünschten Briefe, und Baron von Bethencourt brach mit glänzendem Gefolge nach Rom auf.

In der Ewigen Stadt angelangt, wohnte der Baron daselbst drei Wochen lang. Er wurde bei Innocenz VII. zum Fußkusse zugelassen; der geistliche Oberhirt beglückwünschte ihn, daß er die unterworfenen Canarier Alle zum katholischen Glauben bekehrt habe, und lobte seinen Muth, sich überhaupt so weit von Frankreich weggewagt zu haben. Dann wurden die vom Baron von Bethencourt erbetenen Bullen ausgefertigt und Albert des Maisons zum Bischof aller Canarischen Inseln ernannt. Endlich verabschiedete sich der Baron vom Papste, der ihm seinen Segen ertheilte.

Der neue Prälat sagte dem Baron Lebewohl und reiste sofort nach seiner Diöcese ab. Er ging dabei durch Spanien, wo er dem Könige einige Briefe Johann's von Bethencourt übergab. Dann schiffte er sich nach Fortaventura ein, das er ohne Unfall erreichte. Der zum Ritter ernannte ehr- und tugendsame Herr Maciot empfing ihn mit aller gebührenden Hochachtung. Albert des Maisons organisirte unverweilt sei nen Sprengel, regierte leutselig und sanftmüthig, predigte häufig bald auf dieser, bald auf jener Insel und führte in den Gottesdienst ein specielles Gebet für Johann von Bethencourt ein. Maciot erfreute sich der Liebe Aller und vorzüglich der Landleute. Freilich dauerte diese schöne Zeit ungetrübten Friedens nur fünf Jahre an. Denn später erlaubte sich Maciot, den seine souveräne Gewalt übermüthig machte, so vielerlei Ueberschreitungen, daß er aus dem Lande verjagt wurde.

Baron von Bethencourt hatte also Rom auch selbst verlassen. Er reiste über Florenz, kam nach Paris, und endlich nach Bethencourt, wo ihn viele Leute als den König der Canarischen Inseln begrüßten. Hatten sich schon bei der ersten Rückkehr des Barons Viele bei ihm eingestellt, so waren es jetzt noch weit mehr, welche damit vielleicht irgend welche geheime Absicht verbanden.

Doch Baron von Bethencourt fühlte sich nun, »schon alt« und richtete sich in Grainville mit seiner Gemahlin, einer noch jugendlichen schönen Dame, häuslich ein. Häufig erhielt er durch seinen Neffen Maciot Nachricht von den ihm so theuren Inseln und hegte immer die Hoffnung, noch einmal nach[140] seinem Canarischen Königreiche zurückzukehren; doch sollte Gott ihm diese Freude nicht gewähren.

Im Jahre 1425 erkrankte der Baron in seinem Schlosse und man erkannte bald, daß er nicht wieder genesen werde. Er machte also sein Testament, empfing die heiligen Sterbesacramente, »und,« so lautet der Bericht, »so ist er aus dem einen Leben in das andere übergegangen. Gott wolle ihm seine Sünden gnädig verzeihen. Er ward begraben in der Kirche von Grainville-la-Teinturière, gerade vor dem Hochaltare der genannten Kirche, und er verschied im Jahre des Herrn eintausendvierhundertundfünfundzwanzig«.

Quelle:
Jules Verne: Die Entdeckung der Erde. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band XXIX–XXX, Wien, Pest, Leipzig 1881, S. 127-141.
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