I.

[221] Covilham und Païva. – Vasco da Gama. – Das Cap der Guten Hoffnung wird umschifft. – Sam Braz, Mozambique, Mombaz und Melinde. – Ankunft in Calicut. – Verrath des Zamorin. – Kämpfe. – Rückkehr nach Europa. – Der Scorbut. – Tod Paul da Gama's. – Ankunft in Lissabon.


Gleichzeitig während Johann II., König von Portugal, Diaz aussendete, um im Süden Afrikas einen Weg nach Indien zu finden, gab er den Edelleuten seines Hofes den Auftrag, zu erforschen, ob es nicht möglich sei, auf einem leichteren, kürzeren und sichereren Wege dahin zu gelangen, wobei ihm die Landenge von Suez, das Rothe Meer und der Indische Ocean vorgeschwebt zu haben scheinen.

Natürlich verlangte eine solche Mission einen geschickten und unternehmenden Mann, der mit den Schwierigkeiten einer Reise in jenen Gegenden bekannt und der orientalischen Sprachen, mindestens des Arabischen, mächtig war. Er brauchte einen geschmeidigen, verschlossenen Agenten, der im Stande war, auf keine Weise seine Absichten zu verrathen, welche auf nichts Geringeres[221] hinausliefen als darauf, den Muselmanen, Arabern und dadurch in letzter Reihe den Venetianern den asiatischen Handel zu entreißen und diesen Portugal zuführen.

Ein erfahrener Seemann, Pedro von Covilham, der unter Alphons V. im castilischen Kriege mit Auszeichnung gedient, hatte sich auch ziemlich lange Zeit in Afrika aufgehalten. Nach ihm richtete Johann II. seine Blicke. Man gab ihm Alonzo de Païva zum Begleiter mit, und Beide reisten, mit eingehenden Instructionen ebenso versehen wie mit einer nach der Weltkarte des Bischofs Calsadilla entworfenen Specialkarte, nach der man Afrika vollständig sollte umsegeln können, von Lissabon im Mai 1487 ab.

Die beiden Reisenden erreichten Alexandria und Kairo, wo sie das Glück hatten, maurische Kaufleute aus Fez und Tlemcen zu begegnen, welche ihnen bis nach Thor, dem alten Asiongaber, am Fuße des Sinaï, das Geleite gaben, wo sie sehr werthvolle Erkundigungen über den Handel von Calicut einzuziehen vermochten.

Covilham beschloß, diesen glücklichen Umstand zu benutzen, um ein Land zu besuchen, auf welches Portugal schon seit einem Jahrhundert lüsterne Blicke geworfen hatte, während Païva in die bis dahin sehr unvollkommen beschriebenen Länder, welche man unter dem Namen Aethiopien zusammenfaßte, ein dringen und jenen berühmten Priester Johann aufsuchen wollte, der nach Aussage früherer Reisender über einen besonders reichen und fruchtbaren Theil Afrikas regieren sollte. Ohne Zweifel kam Païva bei seinem abenteuerlichen Unternehmen um's Leben, denn man hat später nie wieder das Geringste von ihm gehört.

Covilham seinerseits erreichte Aden, von wo aus er sich nach der Malabar-Küste einschiffte. Nach einander besuchte er nun Cananor, Calicut, Goa und sammelte höchst wichtige Nachrichten über den Handel und die Erzeugnisse der dem Indischen Meere benachbarten Länder, ohne auch nur einen Verdacht der Hindu zu erregen, welche weit entfernt waren, zu glauben, daß der wohlwollende und freundliche Empfang, den sie dem einzelnen Reisenden zu Theil werden ließen, den Untergang und die Unterjochung ihres Vaterlandes zur Folge haben könne.

Covilham, der für seine Heimat immer noch nicht genug geleistet zu haben glaubte, verließ nun Indien und setzte nach der Ostküste Afrikas über, wo er Mozambique, das wegen seiner Goldminen, von denen vielfache Gerüchte[222] durch arabische Kaufleute bis Europa gedrungen waren, weit berühmte Sofala, und Zeila, den Avalites pontus der Alten, und die Hauptstadt der Küste von Aden, beim Uebergange des Arabischen Golfes in das Meer von Oman besuchte. Nach längerem Aufenthalte daselbst kehrte er zurück nach Aden, damals dem wichtigsten Handelsplatze des Orientes, drang von hier aus bis Ormuz, am Eingange des persischen Meerbusens vor, und begab sich endlich wieder, das Rothe Meer hinaufsegelnd, nach Kairo zurück.

Dorthin hatte Johann II. zwei wohlunterrichtete Juden gesendet, um Covilham zu erwarten. Dem Einen derselben, dem Rabbiner Abraham Beja, überlieferte dieser seine Notizen, das Tagebuch seiner Reise und eine Karte von Afrika, die ihm ein Muselman gegeben hatte, mit dem Auftrage, das Ganze so schnell als möglich nach Lissabon zu schaffen.

Er selbst wagte sich, noch immer nicht zufrieden mit seinen bisherigen Leistungen und in der Absicht, das Vorhaben durchzuführen, an dem Païva durch einen vorzeitigen Tod gehindert worden war, nach Abessinien hinein, dessen Negus (d. i. Kaiser), eben jener Priester Namens Johann, ihn mit größtem Wohlwollen empfing, da es ihm schmeichelte, seine Allianz von einem der damals mächtigsten Herrscher Europas gesucht zu sehen, und vertraute ihm sogar eine hervorragende Stellung an seinem Hofe an, hinderte ihn aber, um sich seiner Dienste für immer zu versichern, stets daran, das Land zu verlassen. Obwohl Covilham sich verheiratete und auch Kinder hatte, dachte er doch immer an sein Vaterland zurück, und als im Jahre 1525 eine portugiesische Gesandtschaft unter Führung von Alvares nach Abessinien gekommen war, sah er seine Landsleute nur mit größtem Bedauern wieder scheiden und der Caplan der Expedition machte sich auf sehr naive Weise zum Echo seiner Klagen und seines Schmerzes.


Vasco da Gama. (Facsimile. Alter Kupferstich.) (S. 225.)
Vasco da Gama. (Facsimile. Alter Kupferstich.) (S. 225.)

»Indem er, sagt Ferdinand Denis, über die Möglichkeit der Umschiffung Afrikas sehr bestimmte Angaben lieferte, den richtigen Weg nach Indien zeigte, von dem Handel jener Länder positive und eingehende Berichte übersandte und die Goldminen von Sofala beschrieb, was natürlich die Begierde Portugals reizte, trug Covilham sehr wirksam zur Beschleunigung der Expedition Vasco da Gama's bei.«

Wenn man alten Traditionen Glauben schenken darf, obwohl dieselben durch kein authentisches Document bekräftigt wurden, so stammte Vasco da Gama in illegitimer Seitenlinie von Alphons III., König von Portugal, ab[223] Sein Vater, Estevam Eanez da Gama, Groß-Alcalde von Sines und Silves im Königreiche Algarbien und Commandant von Seixal, nahm am Hofe Johanns II. eine sehr hohe Stellung ein. Sein Ruf als Seefahrer war ein so großer, daß dieser König, noch als der Tod an ihn herantrat, daran dachte, ihm den Befehl über die Flotte zu übergeben, welche er nach Indien senden wollte.[224]

Aus seiner Ehe mit Isabella Sodre, einer Tochter Johannes von Resende, dem Proveditore der Befestigungen von Santarem, entsprossen mehrere Kinder und unter diesen Vasco, der als der Erste nach Umschiffung des Caps der Guten Hoffnung nach Indien kam, und Paul, der ihn bei dieser denkwürdigen Expedition begleitete. Man weiß zwar, daß Vasco da Gama in Sines das Licht der Welt erblickte, kennt die Zeit seiner Geburt aber nicht mit Bestimmtheit.


Indische Barken. (Facsimile. Alter Kupferstich.) (S. 228.)
Indische Barken. (Facsimile. Alter Kupferstich.) (S. 228.)

Gewöhnlich nimmt man das Jahr 1469 als[225] Geburtsjahr desselben an, doch außer, daß Gama noch sehr jung gewesen wäre (er hätte nur achtundzwanzig Jahre zählen können, als man ihm das wichtige Commando einer Expedition nach Indien anvertraute), hat man vor einigen zwanzig Jahren überdies in spanischen Archiven einen im Jahre 1478 ausgestellten Geleitsbrief für zwei Persönlichkeiten, Namens Vasco da Gama und Lemos, zur Reise nach Tanger aufgefunden. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß man einen solchen Geleitsschein für ein Kind von neun Jahren ausgefertigt hätte; das Datum seiner Geburt wird also nothwendig weiter zurückzuverlegen sein.

Vasco da Gama scheint sehr frühzeitig schon für die Seemanns-Carrière bestimmt gewesen zu sein, in der auch sein Vater sich ausgezeichnet hatte. Der erste Geschichtsschreiber Indiens, Lopez de Castañeda, berichtet, daß er sich die Sporen auf den Meeren Afrikas erworben habe.

Es ist auch bekannt, daß er den Auftrag erhielt, sich aller in portugiesischen Häfen ankernden französischen Schiffe zu bemächtigen, als Repressalie für die mitten im Frieden erfolgte Wegnahme einer von Mina zurückkehrenden reichbeladenen portugiesischen Gallione durch französische Corsaren.

Eine solche Mission konnte nur einem thatkräftigen, energischen und durch frühere Erfolge erprobten Kapitän anvertraut werden. Für uns ist es der Beweis, wie hoch der Werth und die Geschicklichkeit Gama's bei dem König in Ehren stand.

Zu jener Zeit etwa heirathete er Catarina de Ataïda, eine der ersten Hofdamen, die ihn mit mehreren Kindern beschenkte, darunter Estevam da Gama, der spätere Gouverneur von Indien, und Don Christovam, der durch seinen in Abessinien geführten Krieg gegen Ahmed Guerad, genannt der Linke, und durch sein romantisches Ende unter die berühmten Abenteurer des 16. Jahrhunderts gezählt zu werden verdient.

Wir verdanken es einem in der öffentlichen Bibliothek zu Porto aufgefundenen Documente – ein Document, das Castañeda kennen mußte und von dem Ferdinand Denis die Uebersetzung in den Voyageurs anciens et modernes von E. Charton mittheilte – daß über die Zeit der ersten Reise Gama's ein Zweifel nicht mehr aufkommen kann.

Man darf deren Anfang mit aller Sicherheit auf Sonnabend den 8. Juli im Jahre 1497 ansetzen. Alle Einzelheiten der seit langer Zeit geplanten Expedition waren bis in's Kleinste vorgesehen und geregelt.[226]

Sie sollte aus vier Fahrzeugen mittlerer Größe bestehen, »um, sagt Pacheco, möglichst überall ein- und auslaufen zu können«. Solid gebaut, führten sie alles Segelwerk und Takelage zu dreimaligem Ersatz bei sich, die Wasser-, Wein- und Oeltonnen erhielten starke eiserne Reisen; Provisionen jeder Art, Mehl, Wein, Gemüse, Arzneimittel, Schießbedarf, Alles wurde im Ueberfluß mitgenommen; dazu bildeten die besten Matrosen, die geschicktesten Lootsen und die erfahrensten Kapitäne das Personal des Geschwaders.

Gama, der den Titel »Capitam mōr« erhalten hatte, hißte seine Flagge auf dem »Sam-Gabriel« von 190 Tonnen. Sein Bruder, Paula da Gama, befehligte den »Sam-Raphael« von 100 Tonnen. Eine Caravelle von 50 Tonnen, der »Berrio«, sogenannt zur Erinnerung an den Piloten Berrio, der jenen an Emanuel I. verkauft hatte, wurde vom Kapitän Nicolas Coelho, einem weit erfahrenen Seemann, geführt. Eine große Barke endlich mit Provisionen und verschiedenen Waaren, die zum Tauschen mit den Eingebornen der zu besuchenden Länder bestimmt waren, hatte Pedro Nuñez zum Befehlshaber.

Pero de Alemquer, der schon Bartholomäus Diaz als Pilot diente, sollte den Kurs der Expedition bestimmen.

Die Mannschaft der Flotte, darunter zwei Verbrecher, welche man eingeschifft hatte, um sie bei besonders gefahrvollen Gelegenheiten zu verwenden, zählte 160 Mann.

Welch' kleine Mittel, welche fast lächerlichen Hilfsquellen im Vergleich zu der Mission, welche diese erfüllen sollten!

Mit den ersten Sonnenstrahlen des 8. Juli begiebt sich Vasco da Gama, gefolgt von seinen Officieren, mitten durch eine ungeheure Volksmenge nach den Schiffen. Ihn umringt eine große Zahl von Mönchen und Weltgeistlichen, welche Hymnen singen und den Segen des Himmels für die kühnen Reisenden herabflehen.

Diese Abfahrt von Rastello muß sich zu einer ergreifenden Scene gestaltet haben, da bei ihr Alle, die Betheiligten wie die Zuschauer, ihre Gesänge, Ausrufe, ihre Abschiedsworte und Thränen vermischten, während die von günstigem Winde geschwellten Segel Gama und das Glück von Portugal nach dem hohen Meere entführten.

Eine große Caravelle und eine kleinere Barke, welche nach Mina bestimmt waren, segelten unter dem Befehl Bartholomäus Diaz in Gesellschaft der Flotte Gama's.[227]

Am folgenden Sonnabend befanden sich die Schiffe in Sicht der Canarischen Inseln und verbrachten die Nacht bei Lancerote. Als sie auf die Höhe des Rio de Ouro kamen, trennte ein Nebel Paulo da Gama, Coelho und Diaz von der übrigen Flotte. Bei dem bald darauf erreichten Grünen Vorgebirge vereinigte man sich von Neuem. In Santiago wurden die Provisionen an Fleisch, Wasser und Holz erneuert und die Schiffe nach allen Seiten wieder in besten Zustand gesetzt.

Am 3. August verließ die Flotte den Strand von Santa Maria. Die Reise verlief ohne besondere Zwischenfälle, und am 4. November warf man an der Küste Afrikas in einer Bucht Anker, welche den Namen Santa Ellena erhielt. Dort verweilte man acht Tage, um Holz einzunehmen und an den Fahrzeugen Alles wieder in Ordnung zu bringen. Ebenda sah man auch zum ersten Male Boschis, eine sehr herabgekommene Race, die sich von dem Fleische der Seewölfe und Walfische, sowie von Wurzeln nährte. Die Portugiesen bemächtigten sich einiger Eingebornen und behandelten sie sehr freundlich. Diese Wilden kannten von keiner Waare, die man ihnen vorlegte, den Werth und Preis, sie sahen sie offenbar zum ersten Male, ohne von deren Anwendung etwas zu wissen. Das Einzige, was sie zu schätzen schienen war das Kupfer, und sie trugen auch kleine Ringe aus diesem Metalle in den Ohren. Dagegen bedienten sie sich der Zagaien, d. i. eine Art kleiner Wurfspieße mit im Feuer gehärteter Spitze, ziemlich geschickt, wie drei oder vier Matrosen und sogar Gama selbst erfahren mußten, als sie einen gewissen Velloso aus ihren Händen befreien wollten, der sich unkluger Weise zu weit in das Land hinein gewagt hatte – ein Zwischenfall, der Camoëns den Stoff zu einer der reizendsten Episoden seiner Luisiade geliefert hat.

Beim Auslaufen aus Santa Ellena erklärte Pero de Alemquer, der frühere Pilot Diaz', daß er noch dreißig Meilen vom Cap entfernt zu sein glaube. Da man indessen nicht wissen konnte, ob sich das wirklich so verhielt segelte man in die offene See hinaus, und erst am 18. November befand sich die Flotte in Sicht des Caps der Guten Hoffnung, das sie schon am anderen Tage mit günstigem Winde umsegelte. Am 25. landeten die Schiffe in der Bai von Sam-Braz, wo sie dreizehn Tage verblieben, während welcher Zeit man das Provisionsschiff demolirte und dessen Inhalt auf die anderen drei Schiffe vertheilte.[228]

Die Portugiesen schenkten den Boschis kleine Schellen und andere Gegenstände, die sie jene mit Erstaunen annehmen sahen, denn zur Zeit der Reise Diaz' hatten sich die Neger sehr furchtsam, ja sogar feindselig erwiesen und dem Einnehmen von Wasser mit Steinwürfen zu wehren gesucht. Jetzt führten sie sogar Ochsen und Schafe herbei, und um ihre Befriedigung über den Aufenthalt der Portugiesen an den Tag zu legen, »begannen sie, sagt Nicolas Velho, ein Concert mit vier oder fünf Flöten, deren einige sehr hohe, andere tiefe Töne gaben, und machten eine bei Negern wenigstens unerwartet erträgliche Musik. Dazu tanzten sie auch, wie Neger eben tanzen, und der (Capitam mõr ließ dazu mit Trompeten blasen und wir in unserer Schaluppe tanzten auch und der Capitam mõr tanzte, als er zu uns zurückgekehrt war, ebenfalls mit«.

Was sagt nun der Leser über dieses kleine Fest und das gegenseitige Ständchen, das sich Portugiesen und Neger gaben? Hätte Jemand erwartet, daß Gama, der so ernste Gama, wie die Porträts uns seine Erscheinung überliefern, die Neger in die Reize des Pfauentanzes habe einweihen können? Leider dauerten diese guten Verhältnisse nicht allzu lange und es bedurfte zuletzt sogar einiger Artillerie-Salven, um feindliche Demonstrationen zurückzuweisen.

In der Bai von Sam-Braz pflanzte Gama einen Padrao auf, der jedoch sofort nach seiner Abfahrt wieder zerstört wurde. Bald hatte man den Rio Infante, den äußersten von Diaz erreichten Punkt, überschritten. Da machte sich die Wirkung einer mächtigen Meerströmung fühlbar, die man jedoch bei dem gerade recht günstigen Winde zu überwinden vermochte. Am 25. December, am ersten Weihnachtsfeiertage, wurde die Küste von Natal entdeckt.

Die Fahrzeuge hatten einige Havarie erlitten und das Wasser fing an zu fehlen, so daß man bald anlaufen mußte, was die Flotte denn auch am 10. Januar 1498 that. Die Schwarzen, welche die Portugiesen schon bei ihrer Ausschiffung zu Gesicht bekamen, waren weit größer als die bisher gesehenen. Sie führten als Waffe einen großen Bogen mit langen Pfeilen und eine mit Eisenspitze versehene Zagaie, und gehörten zu dem Stamme der Kaffern, welche den Boschis in jeder Weise überlegen schienen. Bald entwickelten sich mit ihnen übrigens so gute Beziehungen, daß Gama der Küste den Namen des »Landes der guten Nation« (Terra da boa Gente) gab.[229]

Beim weiteren Hinaufsegeln längs des Ufers besuchten zwei muselmanische Kaufleute, deren einer einen Turban, der andere eine Kapuze von grünem Atlas trug, die Portugiesen mit einem jungen Manne, der, »so viel man aus ihren Zeichen verstehen konnte, einem sehr entfernten Lande angehörte und schon so große Schiffe wie die unsrigen gesehen habe«. Vasco da Gama hielt dies für den Beweis, daß er sich den so lange und so eifrig gesuchten Ländern Indiens näherte; er nannte deshalb den Strom, der an dieser Stelle in's Meer fiel, »Rio dos Boms Signaez« (der Strom der guten Vorzeichen). Unglücklicher Weise traten unter der Besatzung gleichzeitig die ersten Symptome des Scorbuts auf, der sehr bald eine große Anzahl Matrosen auf's Lager streckte.

Am 10. März ankerte die Expedition vor der Insel Mozambique. Dort erfuhr Gama durch seine arabischen Dolmetscher, daß sich unter den Einwohnern mohammedanischen Ursprungs eine gewisse Anzahl Kaufleute befanden, welche mit Indien Handel trieben. Gold und Silber, Tuche und Gewürze, nebst Perlen und Rubinen bildeten die Hauptgegenstände ihrer Geschäftsthätigkeit. Gleichzeitig erhielt Gama die Versicherung, daß er beim weiteren Hinaufsegeln längs der Küste eine Menge Städte finden werde, »worüber wir, schreibt Velho in seinem so naiven und doch überaus werthvollen Berichte, so entzückt waren, daß wir vor Freude weinten und Gott nur um Gesundheit baten, um das auch noch zu sehen, was wir so heiß herbeigewünscht hatten«.

Der Vicekönig Colyptam, der es mit Muselmanen zu thun zu haben glaubte, erschien mehrmals an Bord der Schiffe, wo man ihn auf das Beste bewirthete; er erwiderte diese Höflichkeiten durch verschiedene Geschenke und sandte Gama sogar zwei tüchtige Piloten; als er durch maurische Kaufleute, die in Europa gereist waren, aber erfahren hatte, daß diese Fremdlinge keineswegs Türken, sondern die schlimmsten Feinde der Mohammedaner seien, versuchte der Vicekönig, aus Aerger darüber, daß er sich so getäuscht habe, Alles, um sich jener zu bemächtigen und sie umzubringen. Gama mußte sogar Artillerie auf die Stadt richten und drohte, Alles in Grund und Boden schießen zu lassen, nur um das nöthige Wasser zur Fortsetzung der Reise noch einnehmen zu können. Es kam zum Blutvergießen, wobei Paolo da Gama zwei Barken eroberte, deren reiche Ladung unter die Matrosen vertheilt wurde.[230]

Gama verließ diese ungastliche Stadt am 29. März und setzte seine Reise fort, wobei er die arabischen Piloten jedoch auf's Schärfste überwachen und sogar peitschen lassen mußte.

Am 4. April bekam man die Küste in Sicht und er reichte am 8. Mombaca oder Mombaz, eine Stadt, welche nach Versicherung der Lootsen von Christen und Muselmanen bewohnt sein sollte.

Die Flotte warf vor dem Hafen derselben Anker, ging aber trotz der enthusiastischen Aufnahme, welche ihr zu Theil ward, nicht weiter hinein. Schon dachten die Portugiesen daran, mit den Christen der Insel die Messe zu hören, als sich dem Admiralschiffe in der Nacht eine von hundert Bewaffneten besetzte Zavra näherte, deren Insassen dasselbe mit aller Gewalt besteigen wollten, was ihnen jedoch verwehrt wurde.

Obwohl der König von Mombaz recht wohl wußte, was in Mombaz geschehen war, stellte er sich doch unwissend, sandte Geschenke an Gama, machte ihm das Anerbieten, in der Hauptstadt eine Niederlassung zu gründen, und versicherte, daß er eine Ladung Gewürze und aromatische Droguen einnehmen könne, wenn er in den Hafen einliefe. Ohne etwas Böses zu ahnen, schickte der Capitam mõr sofort zwei Mann ab, um sein Einlaufen für den folgenden Tag anzuzeigen. Schon lichtete man die Anker, ließ sie aber, da das Admiralschiff nicht wenden wollte, wieder herabfallen. In einer reizenden und hochpoetischen Dichtung sagt Camoëns, daß es die Nereïden, von Venus, der Beschützerin der Piloten, geführt, gewesen seien, welche die Schiffe abhielten, hier in den Hafen einzulaufen. In diesem Augenblick verließen alle Mauren, welche sich auf den portugiesischen Schiffen befanden, die Flotte, während die Lootsen aus Mozambique sich direct in's Meer stürzten.


Bai von Mozambique. (Facsimile. Alter Kupferstich.)
Bai von Mozambique. (Facsimile. Alter Kupferstich.)

Zwei Mauren, welche man der Tortur mittelst siedenden Oeles unterwarf, gestanden, daß man sich der Portugiesen, sobald sie in den Hafen gekommen wären, habe bemächtigen wollen. Im Laufe der Nacht versuchten die Mauren wiederholt an Bord zu klettern und die Ankertaue zu zerschneiden, um die Schiffe stranden zu lassen, wurden aber stets rechtzeitig entdeckt und vertrieben. Der Aufenthalt in' Mombaz konnte unter diesen Verhältnissen nicht von langer Dauer sein; dennoch wurde er so lange ausgedehnt, bis alle Scorbutkranken genesen waren.

Acht Meilen vom Lande fing die Flotte eine mit Gold, Silber und Proviant reich beladene Barke ab. Am nächsten Tage kam sie in Melinde, einer reichen, blühenden Stadt, an, deren in den Sonnenstrahlen blinkende, vergoldete Minarets und blendend weiße Moscheen sich scharf von dem tiefblauen Himmel abhoben.[231]

Die anfangs sehr kühle Aufnahme – man wußte hier von der vorhergegangenen Wegnahme der Barke – wurde bald eine recht herzliche, als die nöthigen Erklärungen über diese Angelegenheit gegeben worden waren. Der Sohn des Königs machte dem Admiral mit einem Gefolge seiner Frauen einen Besuch und brachte auch Musiker mit, welche verschiedene Instrumente spielten. Am meisten erstaunte derselbe über den Gebrauch und die Wirkung der Kanone, denn die Erfindung des Pulvers war zu jener Zeit auf der Ostküste Afrikas noch nicht bekannt. Ein feierlicher Vertrag wurde auf das Evangelium und den Koran beschworen und durch prächtige gegenseitige Geschenke besiegelt.


Karte der Ostküste von Afrika. (Facsimile. Alter Kupferstich.)
Karte der Ostküste von Afrika. (Facsimile. Alter Kupferstich.)

Der böse Wille, die Nachstellungen und Schwierigkeiten jeder Art, welchen die Flotte bisher begegnet war, verschwanden nun wie durch Zauberschlag, was nur der Offenherzigkeit und Generosität des Königs von Melinde und der Hilfe, die er den Portugiesen gewährte, zuzuschreiben war.

Treu seinem Vasco da Gama gegebenen Versprechen, sandte der König diesem einen Lootsen aus Guzara, Namens Malemo Cana, einen in der Seefahrt gut bewanderten Mann, der sich der Karten, des Compasses und Quadranten zu bedienen wußte und der Expedition die wichtigsten Dienste leistete.

Nach einem Aufenthalte von neun Tagen lichtete die Flotte die Anker, um nach Calicut zu gehen.

Jetzt mußte man auch auf die Gewohnheit der Küstenfahrer, immer längs des Ufers zu segeln, verzichten. Nun galt es, auf dem unendlichen Ocean der Gnade des Höchsten zu vertrauen, ohne jeden anderen Führer, als einen unbekannten Lootsen, der von einem König geschickt worden war dessen Wohlwollen das Mißtrauen der Portugiesen nicht ganz zu besiegen vermocht hatte.

Dank der Geschicklichkeit und Treue des Lootsen jedoch, wie der Freundlichkeit des Meeres und des Windes, der fortwährend ein günstiger blieb, landete die Flotte nach einer Fahrt von dreiundzwanzig Tagen und warf am folgenden Tage zwei Meilen unter Calicut Anker.[234]

Groß war die Freude an Bord. Endlich hatte man die reichen Wunderländer vor sich; Anstrengung, Gefahr und Krankheit, Alles ward vergessen; das Ziel so vieler und so langer Anstrengungen war ja errungen!

Wenigstens schien es doch so, denn noch galt es ja, sich der Schätze und reichen Erzeugnisse Indiens auch wirklich zu bemächtigen.

Kaum faßte der Anker den Grund, als schon vier Lootsen vom Ufer abstießen und um die Flotte herumglitten, als wollten sie die Matrosen einladen, an's Land zu gehen. Durch die Erfahrungen in Mozambique und Mombaz aber gewitzigt, sandte Gama einen der miteingeschifften Verbrecher gewissermaßen als Plänkler voraus. Dieser sollte die ganze Stadt durchstreifen und sich von den Verhältnissen der Einwohner unterrichten.

Umringt von einer Unmasse Neugieriger und bestürmt mit Fragen, auf welche er nicht zu antworten vermochte, wurde dieser vor einen Mauren Namens Moucaïda geführt, welcher Spanisch sprach und dem er mit kurzen Worten den Zweck der Expedition auseinandersetzte.

Moucaïda begleitete ihn nach der Flotte zurück, und seine ersten Worte, als er die Fahrzeuge betrat, waren: »Gute Aussicht! Gute Aussicht! Viel Rubinen und Smaragde!« Von Stund an wurde Moucaïda als Dolmetscher der Flotte angestellt.

Da der König von Calicut damals fünfzehn Meilen von seiner Residenz entfernt wohnte, sandte der Capitam mõr zwei Leute, um ihn zu benachrichtigen, daß ein Gesandter des Königs von Portugal angelangt sei und Briefe von seinem Souverän mitbringe. Der König beorderte sofort einen Lootsen, die portugiesischen Schiffe nach der sicheren Rhede von Pandarany zu führen, und antwortete, daß er am nächsten Tage in Calicut zurück sein werde. Er beauftragte auch seinen Intendanten oder Catoual, Gama nach dem Lande einzuladen, um daselbst über seine Sendung zu verhandeln. Trotz der flehentlichen Bitten seines Bruders Paul da Gama, der ihm die Gefahren vorstellte, denen er sich selbst und im Falle eines Unglücks die ganze Expedition aussetzte, begab sich der Capitam mõr an's Land, wo ihn eine zahllose Volksmenge erwartete.

Der Gedanke, daß sie sich unter einem christlichen Volke befänden, wurzelte bei den Theilnehmern der Expedition so fest, daß Gama, als er einer Pagode ansichtig wurde, sogar eintrat, um daselbst seine Andacht zu verrichten. Einer seiner Begleiter, Juan de Saa, dessen Glauben die häßlichen[235] auf die Mauer gemalten Bilder einigermaßen erschüttert hatten, sagte jedoch mit lauter Stimme, indem er niederkniete: »Wenn das auch ein Teufel ist, so vermag ich dabei doch nur zu dem einzigen, wahren Gott zu beten!« eine Bemerkung, welche bei dem Admiral eine auffallende Heiterkeit hervorrief.

Nahe den Thoren der Stadt wurde die Volksmenge immer dichter. Gama und die Portugiesen hatten, trotz der Führung des Catoual, große Mühe, bis zu dem Palaste zu gelangen, wo der König, der in den Berichten den Titel »Zamorin« hat, sie mit äußerster Ungeduld erwartete.

Die Portugiesen wurden in einen mit Seidenstoffen und Tapeten prächtig geschmückten Saal geführt, in dem auserwählte, wohlriechende Harze glimmten, und fanden hier den Zamorin, der in prachtvoller Kleidung mit vielen Edelsteinen, Perlen und Diamanten von außerordentlicher Größe erschien.

Der König ließ ihnen Erfrischungen bringen und Sessel anweisen – eine hochzuschätzende Gunst in einem Lande, wo man nur auf der Erde liegend mit dem Herrscher desselben spricht – und ging auf Gama's Wunsch mit nach einem anderen Gemach, um die Motive der Gesandtschaft des Letzteren zu vernehmen und den Wunsch des Königs von Portugal, mit dem von Calicut einen Handels- und Allianz-Vertrag abzuschließen. Auf die Ansprache Gama's antwortete der Zamorin, daß er glücklich sein werde, sich als Bruder und Freund des Königs Emanuel zu betrachten und daß er als Erwiderung auch Gesandte nach Portugal schicken wolle.

Es giebt gewisse Sprichwörter, welche unter allen Zonen gleichmäßig wahr bleiben; eines derselben: »Die Tage folgen zwar aufeinander, gleichen sich aber nicht«, fand in Calicut sehr bald seine Bestätigung. Der bei dem Zamorin durch die gewandten Reden Gama's erregte Enthusiasmus und die ihm gemachte Hoffnung, mit Portugal in vortheilhafte Handelsverbindung zu treten, verschwanden alsbald angesichts der für ihn bestimmten Geschenke.

»Zwölf Stück gestreiftes Tuch, zwölf Mäntel mit scharlachrother Kapuze, sechs Hüte und vier Korallenzweige, begleitet von einer Kiste mit sechs Stück Becken, einer Kiste Zucker und vier Fässern, zwei mit Oel und zwei mit Honig«, bildeten allerdings kein besonders kostbares Angebinde. Bei dessen Anblick erklärte der erste Minister spöttisch, daß der ärmste Kaufmann von Mekka reichere Geschenke darbringe und daß der König niemals solch' lächerliche Kleinigkeiten annehmen werde. Empört über diese Verhöhnung, beeilte sich Gama, dem Zamorin einen Besuch abzustatten. Nur nach langem Harren,[236] mitten unter einer Menge von Leuten, die sich über ihn lustig zu machen schienen, wurde er bei dem Fürsten vorgelassen. Dieser warf ihm in verächtlichem Tone vor, daß er ja nichts zu bieten habe und doch der Vertreter eines mächtigen Königs zu sein behaupte. Gama antwortete mit großer Sicherheit und brachte die Briefe Emanuel's vor, welche in sehr schmeichelhaften Ausdrücken das bestimmte Versprechen enthielten, daß er viel Waaren nach Calicut senden werde. Der König, den diese Aussicht lockte, unterrichtete sich darauf eingehender von dem Umfange der Erzeugnisse und Hilfsquellen Portugals und erlaubte Gama, sich auszuschiffen, sowie seine Waaren zu verkaufen.

Dieser plötzliche Umschwung in den Anordnungen des Zamorin paßte aber den maurischen und arabischen Händlern, denen Calicut seine Blüthe verdankte, keineswegs. Sie konnten nicht mit kaltem Blute zusehen, daß diese Fremdlinge den bis jetzt in ihren Händen gebliebenen Handel zu eigenem Nutzen auszubeuten sich bemühten, und beschlossen, nichts unversucht zu lassen, um diese gefährlichen Concurrenten für immer von Indien fern zu halten. Ihre erste Sorge bestand nun darin, den Catoual für sich zu gewinnen. Diesem schilderten sie denn mit den düstersten Farben jene unersättlichen Abenteurer, jene frechen Räuber, welche im Grunde nur die Kräfte und die Hilfsquellen der Stadt auszukundschaften suchten, um später in großer Anzahl wiederzukehren, diese auszuplündern und Alles niederzumachen, was sich ihren Plänen widersetze.

An der Rhede von Pandarany angelangt, fand Gama kein einziges Boot vor, um ihn nach seinen Schiffen zu bringen, und mußte er deshalb auf dem Lande übernachten. Der Catoual verließ ihn niemals und bemühte sich ihm einzureden, daß er die Flotte näher an das Ufer legen solle, und als der Admiral dieses Ansinnen rundweg ablehnte, erklärte er ihn als Gefangenen. Damit zeigte er freilich eine grenzenlose Unkenntniß des Charakters Gama's.

Schnell wurden bewaffnete Boote ausgesendet, um sich der Schiffe zu bemächtigen; die Portugiesen aber, welche ihr Admiral heimlich von dem Vorgefallenen unterrichtet hatte, waren streng auf ihrer Hut und offene Gewalt wagte man doch nicht anzuwenden.

Gama, der noch immer gefangen gehalten wurde, drohte dem Catoual mit dem Zorne des Zamorin, der seiner Ansicht nach die Pflichten der Gastfreundschaft nicht so schwer verletzen lassen könne; da er sich aber von der[237] Erfolglosigkeit seiner Drohungen überzeugen mußte, beschenkte er den Minister mit einigen Stücken Tuch, welche dessen Maßnahmen sofort änderten. »Hätten die Portugiesen, sagte er, ihr dem König gegebenes Versprechen gehalten und ihre Waaren ausgeschifft, so wäre der Admiral schon längst zu seiner Flotte zurückgekehrt.« Gama ertheilte sofort Befehl dazu und richtete ein Comptoir unter Leitung Diego Diaz', des Bruders vom Entdecker des Caps der Guten Hoffnung, ein und ging darauf an Bord zurück.

Die Muselmanen suchten jedoch dem Verkaufe der Waaren allerlei Hindernisse dadurch in den Weg zu legen, daß sie dieselben zu niedrig schätzten, so daß Gama seinen Vertreter Diaz zu dem Zamorin sandte, um sich über die Perfidie der Mauren und über die schlechte, ihm zu Theil gewordene Behandlung zu beklagen. Gleichzeitig verlangte er die Verlegung seines Comptoirs nach Calicut, wo er für seine Waaren reichen Absatz hoffte. Das Gesuch fand entgegenkommende Aufnahme und es entwickelten sich, trotz der Angriffe der Mauren, recht leidliche Verhältnisse, die bis zum 10. August 1498 anhielten. An diesem Tage begab Diaz sich zum Zamorin, um die bevorstehende Abreise Gama's zu melden, sowie ihn an sein Versprechen wegen der nach Portugal zu schickenden Gesandtschaft zu erinnern und erbat er sich gleichzeitig je eine Probe aller Erzeugnisse des Landes, die aus dem Erlöse der ersten nach Abfahrt der Flotte verkauften Waaren bezahlt werden sollten, denn die Beamten des Comptoirs beabsichtigten, auch während der Abwesenheit Gama's, in Calicut zu bleiben.

Der Zamorin, den die arabischen Händler noch fortwährend aufhetzten, verweigerte nicht nur die Erfüllung seines Versprechens, sondern verlangte auch noch 600 Seraphin Zollgebühren. Gleichzeitig ließ er die vorhandenen Waaren mit Beschlag belegen und führte die Beamten der Factorei als Gefangene weg. Ein solcher Schimpf, eine solche Verletzung alles Völkerrechtes forderte strenge Vergeltung. Gama wußte sich aber zu beherrschen; doch als er an Bord den Besuch mehrerer reicher und angesehener Kaufleute empfing, hielt er diese zurück und verlangte vom Zamorin die Auswechslung der Gefangenen. Da die Antwort des Königs über die vom Admiral bestimmte Zeit ausblieb, so ging dieser unter Segel und warf vier Meilen von Calicut Anker. Nach einem wiederholten fruchtlosen Angriff der Hindus kamen die beiden Beamten der Factorei an Bord zurück und Gama wechselte dagegen einen Theil der in seiner Gewalt befindlichen Geiseln aus. Diaz brachte[238] einen von dem Zamorin selbst an den König von Portugal auf ein Pergamentblatt geschriebenen Brief mit. Wir geben diesen hier mit all' seinem auffallenden Lakonismus wieder, der von dem gewöhnlichen Pomp des orientalischen Styls so bemerkbar abweicht:

»Vasco da Gama, ein Mitbewohner Deines Palastes, kam in mein Land, worüber ich mich freute. In meinem Reiche giebt es viel Zimmet, Nelken und Pfeffer, sowie zahlreiche Edelsteine, und was ich aus Deinem Reiche wünsche, besteht in Gold, Silber, Korallen und Scharlach. Leb' wohl!«

Am anderen Tage suchte Moucaïda, der Maure von Tunis, der den Portugiesen als Dolmetscher Dienste bei ihren Verhandlungen mit dem Zamorin geleistet hatte, Obdach auf den portugiesischen Schiffen. Da die Waaren nicht zur festgesetzten Frist freigegeben worden waren, beschloß der Capitam mõr, mit den als Geiseln zurückbehaltenen Personen abzusegeln. Einige Meilen von Calicut aber wurde die Flotte durch eine totale Windstille aufgehalten, wo sie eine Flottille von zwanzig bewaffneten Barken nochmals zu überfallen suchte, so daß die Artillerie Mühe hatte, jene in angemessene Entfernung zurückzuweisen, bis ein heftiger Sturm sie nöthigte, nahe dem Lande Schutz zu suchen.


1.

Der Admiral segelte längs der Küste von Dekkan hin und hatte einigen Matrosen Erlaubniß ertheilt, an's Land zu gehen, um Früchte zu holen und Zimmet zu sammeln, als er acht Boote bemerkte, welche auf ihn zuzusteuern schienen. Gama rief seine Leute an Bord zurück und fuhr den Hindus entgegen, welche nichts Eiligeres zu thun hatten, als die Flucht zu ergreifen, wobei sie eine mit Cocosnüssen und Lebensmitteln beladene Barke in den Händen der Portugiesen zurückließen.


Zusammenkunft des Zamorin mit Gama. (S. 236.)
Zusammenkunft des Zamorin mit Gama. (S. 236.)

Im Archipel der Lakediven angelangt, ließ Gama den »Berrio« am Boden reinigen und einfetten und sein eigenes Schiff an's Land legen, um es auszubessern. Die Matrosen waren mit dieser Arbeit beschäftigt, als sie noch einmal, doch auch jetzt nicht mit besserem Erfolge, angegriffen wurden. Da sahen sie am nächsten Tage einen einzelnen Mann von etwa vierzig Jahren auf sich zukommen, der zwar in der Tracht der Hindus erschien, ihnen jedoch im besten Italienisch mittheilte, daß er aus Venedig gebürtig, aber schon in zarter Jugend nach diesem Lande entführt worden sei und der christlichen Lehre anhänge, ohne Gelegenheit zu haben, seine Religion zu üben. Im Besitze einer einflußreichen Stellung bei dem Könige dieses Gebietes sei er zu ihnen geschickt worden, um ihnen Alles zur Verfügung zu stellen, was das Land nur für sie Passendes böte. Ein gegenüber dem gewohnten Empfange so überaus freundliches Anerbieten erregte den Verdacht der Portugiesen. Sie kamen bald auf den Gedanken, daß dieser Abenteurer der Anführer der Barken sein möge, die sie am vorhergegangenen Tage angegriffen hatten. Der Bursche erhielt als Antwort die Peitsche, bis er das Geständniß[241] ablegte, nur gekommen zu sein, um auszukundschaften, wie die Flotte wirksamer angegriffen werden könne, und gleichzeitig verrieth, daß die gesammte Bevölkerung der Küste sich verbunden habe, die Portugiesen abzufangen. Man behielt ihn demnach an Bord zurück; die nöthigen Arbeiten wurden möglichst beschleunigt und nach Einnahme einer hinreichenden Menge von Wasser und anderen Provisionen segelte man nach Europa ab.

Bis zur Küste von Afrika brauchte die Expedition in Folge von Windstillen und Gegenwinden drei Monate weniger drei Tage. Während dieser langen Ueberfahrt erkrankten viele Leute von der Mannschaft am Scorbut und starben sogar dreißig Matrosen. Auf jedem Fahrzeuge blieben nur noch sieben bis acht Mann zur Dienstleistung übrig und oft waren die Officiere selbst genöthigt, mit Hand anzulegen. »Weshalb ich versichern kann, sagt Velho, daß, wenn die Zeit, in der wir durch jene Meere fuhren, sich noch um vierzehn Tage verlängert hätte, Niemand von hier nach uns dort gesegelt wäre... und als die Kapitäne wegen dieser mißlichen Umstände eine Berathung abhielten, wurde beschlossen, für den Fall weiterer ungünstiger Winde nach Indien zurückzukehren und dort Zuflucht zu suchen.«

Am 2. Februar 1499 endlich befanden sich die Portugiesen in der Nähe einer großen Stadt an der Küste von Ajan mit Namen Magodoxo, etwa hundert Meilen von Melinde.

Gama befürchtete eine Wiederholung des Empfanges, wie er ihn von Mozambique her kannte, und wollte deshalb nicht beilegen, sondern feuerte nur im Vorübersegeln eine volle Breitseite bei der Stadt ab. Wenige Tage später bekam man die reichen und gesunden Gefilde von Melinde in Sicht, wo man vor Anker ging. Der König beeilte sich, frische Lebens mittel und Orangen für die Kranken zu senden. Der Empfang war mit einem Worte ein wahrhaft herzlicher und die bei dem ersten Besuche Gama's geknüpften Bande der Freundschaft schlossen sich jetzt nur noch mehr. Der Scheikh von Melinde sandte für den König von Portugal einen schönen Elephantenzahn und viele andere Geschenke mit; gleichzeitig bat er Gama, einen jungen Mauren an Bord aufzunehmen, damit der König durch ihn erfahre, wie sehr er seine Freundschaft wünsche.

Die fünf Ruhetage, welche die Portugiesen in Melinde zubrachten, gewährten ihnen eine namhafte Erleichterung, so daß sie mit frischem Muth wieder in See stachen. Kaum bei Monbaça vorüber, sahen sie sich gezwungen,[242] den Sam Raphael zu verbrennen, denn die Mannschaften waren zu sehr gelichtet, um drei Fahrzeuge zu bedienen. Sie trafen nun auf die Insel Zansibar, ankerten in der Bai von Sam Braz, umschifften, Dank einem günstigen Winde, am 20. Februar das Cap der Guten Hoffnung und befanden sich nun wieder im Atlantischen Ocean.

Eine anhaltende Brise schien die Rückkehr der Reisenden zu beschleunigen. In siebenundzwanzig Tagen hatten sie die Höhe der Insel von Santiago erreicht. Nicolaus Coelho, der den »Berrio« führte, trennte sich, da er darnach geizte, dem König Emanuel zuerst die Nachricht von der Entdeckung Indiens zu über bringen, am 25. April von dem Geschwader und segelte, ohne, wie verabredet war, die Insel des Grünen Vorgebirges anzulaufen, direct nach Portugal, wo er am 10. Juli anlangte.

Unterdessen durchlebte der arme Gama eine rechte Trauer- und Schmerzenszeit. Sein Bruder Paul da Gama, der alle Mühen und Gefahren mit ihm ausgestanden und mit ihm den erworbenen Ruhm so gern getheilt hätte, ging langsam seinem Ende entgegen. In Santiago, auf bekanntem und vielfach befahrenem Meere angekommen, überließ Vasco da Gama das Commando seines Schiffes an Joao de Saa und miethete eine schnellsegelnde Caravelle, um seinem geliebten Kranken die Gestade der Heimat desto eher begrüßen zu lassen.

Diese Hoffnung trügte und die Caravelle langte nur noch mit der Leiche des braven und liebenswürdigen Paul da Gama in Terceira an.

Bei seiner Rückkunft, welche in den ersten Tagen des September erfolgt sein mag, wurde der Admiral mit pompösen Festen empfangen. Von hundertsechzig Portugiesen, die er einst mitgenommen hatte, kamen freilich nur fünfundfünfzig wieder zurück. Gewiß war der Verlust ein großer, was bedeutete er aber gegenüber den unermeßlichen Vortheilen, die man sich von dem Unternehmen versprach! Die öffentliche Meinung täuschte sich nicht, als sie Gama eine hoch enthusiastische Aufnahme bereitete. Der König Emanuel I. fügte seinen eigenen bisherigen Titeln den eines »Herrn der Eroberung und Umschiffung Aethiopiens, Arabiens, Persiens und Indiens« hinzu; er zögerte aber zwei volle Jahre, bevor er auch Gama belohnte und ihm den Titel eines Admirals von Indien ertheilte, womit gleichzeitig die Erlaubniß verbunden war, seinem Namen ein »Dom« vorzusetzen, eine Begünstigung welche man damals nur sehr schwierig zugestand. Wahrscheinlich um sein[243] Zaudern, bezüglich der äußerlichen Anerkennung der Verdienste Gama's vergessen zu machen, schenkte er ihm noch eintausend Thaler, eine für die damalige Zeit sehr beträchtliche Summe, und gewährte ihm für den Handel mit Indien gewisse Privilegien, die ihn voraussichtlich bald weiter bereichern mußten.

Quelle:
Jules Verne: Die Entdeckung der Erde. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band XXIX–XXX, Wien, Pest, Leipzig 1881, S. 221-232,234-244.
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