II.

[298] Ferdinand Cortez. – Sein Charakter. – Seine Ernennung. – Vorbereitungen zur Expedition und Velasquez Versuche, jene zu hintertreiben. – Landung in Vera-Cruz. – Mexico und der Kaiser Montezuma. – Die Republik von Tlascala. – Zug nach Mexico. – Gefangennahme des Kaisers. – Narvaez' Niederlage. – Die »Noche triste«. – Schlacht bei Otumba. – Zweite Belagerung und Einnahme von Mexiko. – Zug nach Honduras. – Reise in Spanien. – Expeditionen im Pacifischen Ocean. – Cortez' zweite Reise in Spanien. – Sein Tod.


Velasquez hatte die Rückkehr Grijalva's nicht abgewartet, um die reichen Producte der von diesem entdeckten Gebiete nach Spanien zu senden, und dabei vom Rathe für Indien ebenso wie vom Bischof von Burgos um[298] erweiterte Machtvollkommenheiten nachzusuchen, die ihm freie Hand gaben, jene nun auch zu erobern. Gleichzeitig traf er schon die nöthigen Vorbereitungen zu einem neuen Zuge in dem Maßstabe, den die Gefahren und die Wichtigkeit des geplanten Unternehmens verlangten. Fiel es ihm nun auch verhältnißmäßig leicht, das dazu erforderliche Material und ausreichende Mannschaft zusammenzubringen, so hatte Velasquez, den ein alter Schriftsteller als einen etwas geizigen, abergläubischen und argwöhnischen Mann schildert, weit mehr Mühe, einen Anführer zu finden. In der That mußte man bei diesem eine glückliche Vereinigung immerhin seltener Eigenschaften voraussetzen, wie großes Talent und unerschrockenen Muth, ohne welche auf einen durchschlagenden Erfolg gar nicht zu rechnen war, gleichzeitig neben der Einsicht und Unterwürfigkeit, um nichts ohne Befehl zu thun und Dem, der bei der ganzen Sache keinerlei Gefahr lief, den Ruhm der Entdeckung und ihrer Erfolge zu überlassen. Die Einen, vielleicht thatenlustige und kühne Männer, wollten sich nicht zu Werkzeugen erniedrigen; Andere, welche gefügiger oder nur minder offenherzig waren, entbehrten wieder der nothwendigsten Eigenschaften für den wichtigen Ausgang eines so weitschichtigen Unternehmens; Diese, und zwar die meisten Theilnehmer des Grijalva'schen Zuges, wollten das Obercommando ihrem Führer übergeben wissen, Jene zogen Augustin Bermudez oder Bernardino Velasquez vor. Während dieser langen Vorverhandlungen einigten sich zwei Günstlinge des Gouverneurs, Andreas de Duero, dessen Secretär, und Amador de Lares, ein Controleur auf Cuba, mit einem Hidalgo, Namens Fernando Cortez, unter der Bedingung, den Ertrag des Zuges zu theilen.

»Sie drückten sich, sagt Bernal Dias, mit so schönen und honigsüßen Worten aus, erschöpften sich in Lobsprüchen über Cortez mit der Versicherung, daß nur er der geeignete Mann für diese Sache und der gesuchte unerschrockene Führer und gleichzeitig der treueste Diener Velasquez', übrigens seines Taufzeugen, sein werde, daß sie Letzteren überredeten und Cortez wirklich zum General-Kapitän ernannt wurde. Andreas de Duero, als Secretär des Gouverneurs, beeilte sich, für Cortez möglichst günstig gefaßte und vorschriftsmäßig unterzeichnete Vollmachten auszufertigen.«

Und doch wäre gerade dieser gewiß nicht der Mann gewesen, den Velasquez gewählt hätte, wenn er hätte in die Zukunft schauen können. Cortez war im Jahre 1485 zu Medellin in Estremadura von alter, aber[299] unvermögender Familie geboren. Nachdem er in Salamanca lange Zeit den Studien obgelegen, kehrte er nach seiner Vaterstadt zurück, deren ruhiges und friedliches Leben seinem erregbaren Charakter und launischen Sinne nicht lange genügen konnte. Er reiste also bald nach Amerika, wo er unter der Protection seines Verwandten, des Gouverneurs Ovando in Espagnola, schneller vorwärts zu kommen hoffte.

Cortez fand nach seiner Ankunft wirklich bald eine ebenso ehrenhafte als einträgliche Beschäftigung, davon zu schweigen, daß er wiederholt an Streifzügen gegen die Eingebornen theilnahm. Wenn er sich hierbei mit der gewohnten Taktik der Indianer vertraut machte, so verlor er dabei leider auch alle Scheu vor den Grausamkeiten, welche den castilischen Namen später so oft besudeln sollten.

Im Jahre 1511 begleitete er Diego de Velasquez bei einem Zuge nach Cuba und zeichnete sich dabei so sehr aus, daß er trotz gewisser Mißhelligkeiten, worüber die neueren Schriftsteller vollkommenen Aufschluß geben, als Belohnung sehr ausgedehnte Ländereien mit vielen Bewohnern verliehen erhielt.

Binnen wenig Jahren hatte Cortez durch glückliche Unternehmungen schon drei Millionen Castellanos zusammengebracht, eine für seine Verhältnisse gewiß sehr beträchtliche Summe. Obwohl er sich als Anführer noch nicht erprobt hatte, so waren es doch seine unermüdliche Thätigkeit, die von dem ungeordneten Aufbrausen der Jugendzeit übrig blieb, seine anerkannte Klugheit, seine Prudhomie, wie man früher sagte, die Entschlossenheit und das ihm in hohem Maße zukommende Talent, durch die Cordialität seines Wesens die Herzen Anderer zu gewinnen, welche ihm bei Velasquez der Empfehlung seiner Protectoren würdig erscheinen ließen. Hierzu denke man sich noch eine ansprechende äußere Erscheinung, neben hervorragender Gewandtheit in allen körperlichen Uebungen und einer selbst unter allen diesen Abenteurern seltenen Ausdauer in Entbehrungen und Strapazen.

Als er aber einmal außer den sprechendsten Zeugnissen wohlerworbener Dankbarkeit einen Auftrag, als Führer zu dienen, erhielt, zog Cortez an seinem Hause eine schwarze, goldgestickte Standarte mit einem rothen Kreuze inmitten blauer Flammen auf, unter der er die Inschrift anbrachte: »Freunde, folgen wir dem Kreuze, und wenn wir den Glauben haben, werden wir unter diesem Zeichen siegen«. Nun concentrirte er auch alle Kräfte seines[300] erfinderischen Geistes, um den Erfolg seines Unternehmens sicher zu stellen. Getrieben von einem Enthusiasmus, den nicht einmal Diejenigen erwartet haben würden, die ihn vielleicht am besten kannten, verwendete er nicht nur alle seine baaren Mittel zur Ausrüstung der Flotte, sondern belastete auch seinen Grundbesitz und entlieh von Freunden ganz namhafte Summen, nur um Schiffe, Lebensmittel, Schießbedarf und Pferde einzukaufen. In wenig Tagen traten, angezogen von dem Ruhme des Generals und gereizt durch die verlockende und sicheren Erfolg versprechende Aussicht auf reichlichen Ertrag, dreihundert Freiwillige bei ihm ein.

Velasquez jedoch wollte, vielleicht noch immer voll Verdacht und von einigen neidischen Seelen noch angetrieben, den Zug noch in seinem Anfange verhindern. Cortez empfing von dessen Absicht, ihm in letzter Stunde noch den Oberbefehl wieder abzunehmen, durch seine Beschützer Nachricht, und schnell war sein Entschluß gefaßt. Trotz seiner noch nicht vollzähligen Mannschaft und der unzureichenden Ausrüstung, rief er seine Leute zusammen und lichtete während der Nacht die Anker. Velasquez, der sich so überlistet sah, verheimlichte zwar seinen Zorn darüber, ging aber sofort daran, Den auf seinem Wege aufzuhalten, der alle Abhängigkeit so leicht von sich geschüttelt hatte.

In Macaca vervollständigte Cortez seinen Proviant und sah viele frühere Genossen Grijalva's unter seiner Fahne zusammenströmen, wie Pedro de Alvarado und seine Brüder Christoval de Olid, Alonzo de Avila, Hermandez de Puerto Carrero, Gonzalo de Sandoval und Bernal Diaz de Castillo, der über diese Ereignisse, quorum pars magna fuit, eine prächtige Chronik schrieb. Dann wandte er sich nach Maritima de Trinidad, einem an der Südküste Cubas gelegenen Hafen, wo er noch weitere Provisionen einnahm. Inzwischen erhielt der Gouverneur Verdugo von Velasquez briefliche Mittheilung, Cortez zu verhaften, da diesem der Oberbefehl über die Flotte wieder entzogen worden war. Das wäre aber für die Stadt ein sehr gefährlicher Versuch gewesen, und Verdugo enthielt sich dessen klüglich. Um noch neue Anhänger zu gewinnen, begab sich Cortez nach Havanna, während sein Lieutenant Alvarado den Landweg dahin einschlug, wo die letzten Vorbereitungen getroffen wurden. Trotz des Mißerfolges seines ersten Versuches erließ Velasquez noch einen zweiten Befehl, Cortez zu verhaften; der Gouverneur Pedro Barba sah aber ohne Weiteres die Unmöglichkeit ein, diesen[301] Auftrag auszuführen inmitten der Soldaten, die nach Bernal Diaz' Zeugnis gern ihr Leben für Cortez gelassen hätten.

Nach Zusammenrufung seiner Freiwilligen und Einschiffung alles dessen, was er brauchte, ging Cortez am 18. Februar 1519 unter Segel mit elf Schiffen, deren größtes 100 Tonnen maß, in Begleitung von 110 Seelenten, 553 Soldaten, darunter 13 Andalusier, 200 Indianer von der Insel und einige Frauen zur Verrichtung der häuslichen Arbeiten. Die Hauptstärke der Expedition bildeten ihre zehn Stück Kanonen und vier Falkonets mit reichlicher Munition und sechzehn Pferde, die für schweres Geld angeschafft worden waren. Mit diesen geringfügigen Mitteln, deren Aufbringung ihm doch so viel Mühe gekostet hatte, wagte Cortez den Kampf gegen einen Herrscher, dessen Besitzungen einen größeren Umfang hatten als die der Krone Spaniens – ein Unternehmen, vor dessen Schwierigkeiten er gewiß zurückgewichen wäre, wenn er nur deren Hälfte gekannt hätte. Schon vor langer Zeit sang jedoch ein Dichter: »Das Glück ist stets dem Kühnen hold«.

Nach einem heftigen Sturme gelangte die Expedition nach der Insel Cozumal, deren Bewohner entweder aus Furcht vor den Spaniern, oder weil sie die Machtlosigkeit ihrer Götter erkannten, zum Christenthum übertraten. Eben als die Flotte die Insel verlassen wollte, hatte man das Glück, noch einen Spanier, Jeromino de Aguilar, der seit sieben Jahren in Gefangenschaft der Indianer gewesen war, aufzunehmen. Dieser Mann, der die Maya-Sprache vollständig gelernt hatte und ebensoviel Klugheit als Gewandtheit besaß, sollte der Expedition als Dolmetscher bald die ersprießlichsten Dienste leisten.

Cortez segelte nach Umschiffung des Cap Cotoche in die Campeche-Bai, an Potonham vorüber und den Rio Tabasco hinauf, in der Hoffnung, hier ebensogut wie früher Grijalva aufgenommen zu werden und eine ähnliche Menge Gold als Geschenk zu erhalten. Jetzt hatten aber die Anschauungen der Indianer eine völlige Umwandlung erfahren, so daß man gegen dieselben Gewalt brauchen mußte. Trotz ihrer großen Anzahl und ihres persönlichen Muthes wurden die Eingebornen doch in mehreren Gefechten gänzlich geschlagen, vorzüglich, weil ihnen die Detonationen der Feuerwaffen und die Erscheinung der von ihnen für übernatürliche Wesen gehaltenen Reiter einen wahrhaft panischen Schrecken einflößten. Die Indianer verloren hierbei viel Menschen, während die Spanier mit zwei Todten und vierzehn verwundeten Soldaten[302] nebst einigen blessirten Pferden davon kamen; die letzteren verband man mit Fett, das die todten Körper der Indianer lieferten. Zuletzt wurde Friede geschlossen und Cortez erhielt Lebensmittel, Baumwollenstoffe, etwas Gold und zwanzig weibliche Sklaven, unter diesen auch jene Marina, deren alle zeitgenössischen Schriftsteller Erwähnung thun und welche den Spaniern so hervorragende Dienste als Dolmetscherin leisten sollte.

Cortez steuerte seinen Kurs nach Westen weiter, immer bemüht, einen geeigneten Landungsplatz zu entdecken, fand aber einen solchen erst in St. Jean d'Ulloa. Kaum hatte die Flotte Anker geworfen, als sich dem Admiralschiffe ein Canot ohne jedes Zeichen von Furcht näherte. Durch Marina, welche ja selbst aztekischer Abkunft war, erfuhr Cortez, daß die Völkerstämme dieses Landes einem großen Reiche unterthan waren, dessen jüngst eroberte Provinz ihre Heimat bildete. Ihr Monarch, mit Namen Moctheuzoma, bekannter unter dem Namen Montezuma, residirte zu Tenochtitlan oder Mexico, etwa sechzig Meilen im Innern des Landes. Cortez theilte den Indianern seine friedlichen Absichten mit, bot ihnen einige Geschenke an und landete an dem unfruchtbaren und ungesunden Strande von Vera-Cruz. Lebensmittel strömten bald in Menge herbei. Am Tage nach der Landung kam aber der von Montezuma gesendete Gouverneur der Provinz in nicht geringe Verlegenheit, was er Cortez antworten sollte, als dieser von ihm ohne Verzug zu seinem Herrn geführt zu werden verlangte. Er kannte nur zu gut die Unruhe und die Furcht, welche die Seele des Herrschers seit dem Eintreffen der Spanier erfüllten. Inzwischen ließ er jedoch seine Baumwollenstoffe, Federmäntel und verschiedene goldene Gegenstände zu den Füßen des Generals niederlegen, wodurch freilich die Habsucht der Europäer nur noch mehr gereizt wurde. Um nun den armen Indianern eine Vorstellung von seiner Macht zu geben, ließ Cortez seine Soldaten exerciren und einige Kanonen abfeuern, deren Donner jene zu Eis erstarren ließ. Während der ganzen Zeit der Verhandlungen hatten mehrere Maler auf weißen Baumwollenstoffen die Schiffe, die Truppen und Alles, was jenen in die Augen gefallen war, abconterfeit. Diese sehr geschickt ausgeführten Bilder sollten Montezuma zugesendet werden.

Bevor wir zu dem Berichte über die wahrhaft heldenmüthigen Kämpfe, welche nun bald folgen sollten, übergehen, scheint es wohl am Orte, Einiges über das mexicanische Reich mitzutheilen, das, so mächtig es auf den ersten Blick auch erschien, doch schon vielfache Keime des Zerfalls und der Auflösung in seinem Schooße barg. Sonst möchte es dieser Handvoll Abenteurern schwerlich gelungen sein, dasselbe zu überwinden.


Cortez erhielt Lebensmittel, Baumwollenstoffe, etwas Gold und zwanzig weibliche Sklaven. (S. 303.)
Cortez erhielt Lebensmittel, Baumwollenstoffe, etwas Gold und zwanzig weibliche Sklaven. (S. 303.)

Der unter Montezuma's Herrschaft stehende Theil von Amerika hieß Anahuac und erstreckte sich zwischen dem 14. und 20. Grade nördlicher Breite. Etwa in der Mitte dieses Gebietes, welches der wechselnden Höhenlage wegen sehr verschiedene Temperaturen[303] bietet, findet sich, etwas näher dem Pacifischen Ocean als dem Atlantischen, in einem Umfange von fünfundsiebzig Meilen und einer Meereshöhe von 7500 Fuß ein ausgedehntes Becken, das mehrere Seen enthält und unter dem Namen des Thales von Mexico – dem Namen der Hauptstadt des Reiches – bekannt ist.


Lagunen von Mexico. (Facsimile. Alter Kupferstich.)
Lagunen von Mexico. (Facsimile. Alter Kupferstich.)

[305] Erklärlicher Weise besitzen wir nur wenig authentische Kenntnisse über ein Volk, dessen schriftlich aufbewahrte Geschichte durch unwissende »Conquistadores« und fanatische Mönche den Flammen übergeben wurde, weil Letztere vorzüglich mit tollem Eifer Alles zu vernichten suchten, was an die religiösen oder politischen Traditionen des unterjochten Volkes erinnern konnten.

Im 7. Jahrhundert von Norden herabziehend, hatten sich die Tolteken über das Plateau von Anahuac verbreitet. Es war das ein intelligenter, mit dem Landbau, mechanischen Künsten und der Bearbeitung der Metallen vertrauter Volksstamm, der die meisten jener prachtvollen und wahrhaft-riesigen Bauwerke aufgeführt hat, deren Spuren man noch heute in Neu-Spanien auffindet.

Nach einer Herrschaft von vierhundert Jahren verschwanden die Tolteken ebenso geheimnißvoll, wie sie einst gekommen waren. Ein Jahrhundert nachher wurden sie durch einen anderen, von Nordwesten herabgestiegenen wilden Volksstamm ersetzt, dem bald noch andere, auf höheren Bildungsstufen stehende Stämme nachfolgten, welche die toltekische Sprache gesprochen zu haben scheinen. Die berühmtesten dieser Stämme sind die Azteken und die Alkolhues oder Tezkukanen, welche mit Leichtigkeit den Rest von Civilisation in sich aufnahmen, der im Lande noch von den letzten Tolteken her vorhanden war. Die Azteken ließen sich, nach verschiedenen Wanderungen und Kriegszügen, seit dem Jahre 1326 im Thale von Mexico nieder, wo sie ihre Hauptstadt Tenochtitlan erbauten. In Folge eines Offensiv- und Defensiv-Vertrages zwischen den Staaten von Mexico, Tezkuko und Tlakoplan, dem man ein volles Jahrhundert lang streng nachkam, breitete sich die aztekische Civilisation, während sie sich früher nur auf die Grenzen des Thales beschränkte bald so weit aus, wie das Land zwischen dem Pacifischen und Atlantischen Ocean reichte.

In kurzer Zeit stiegen diese Völker zu einem solchen Grade der Civilisation empor, daß sie alle Stämme der Neuen Welt überragten. In Mexico gab es schon ein anerkanntes Eigenthumsrecht, der Handel stand in[306] voller Blüthe und drei Arten verschiedener Münzen erleichterten den Verkehr. Das Polizeiwesen war geregelt und ein ganzes System mit vollkommener Sicherheit fungirender Relais vermittelte schnell die Befehle des Herrschers von einem Ende des Reiches bis zum anderen. Die Anzahl und Schönheit der Städte, die Größe der Paläste, Tempel und Festungswerke legen Zeugniß ab von einer weit vorgeschrittenen Civilisation, welche doch mit dem sonst wilden Stamme der Azteken in grellem Widerspruche stand. Man kann sich etwas barbarischeres und blutigeres als ihre polytheistische Religion kaum vorstellen. Die Priester bildeten eine sehr zahlreiche Kaste und übten, selbst bei rein politischen Fragen, einen weitgehenden Einfluß aus. Neben manchen rituellen Aehnlichkeiten mit der christlichen Religion, wie z.B. bezüglich der Taufe und des Glaubensbekenntnisses, bestand die ihrige aus einem dichten Gewebe des sinnlosesten und blutigsten Aberglaubens. So kam es, daß die zu Anfang des 14. Jahrhunderts aufgekommenen und zuerst nur seltenen Menschenopfer bald so häufig wurden, daß man die Zahl der geschlachteten Opfer im Jahresmittel auf zwanzigtausend schätzt, welche meist von den besiegten Völkern geliefert wurden. Unter gewissen Verhältnissen ward diese Zahl sogar noch beträchtlich überschritten. So fanden z.B. im Jahre 1486, bei Gelegenheit der Einweihung des Tempels von Huitzilopchit, nicht weniger als siebzigtausend Gefangene ihren Tod an einem einzigen Tage.

Die Regierung Mexicos war eine monarchische; mit den immer ausgebreiteteren Eroberungen wuchs aber die sonst ziemlich beschränkte Macht der Kaiser mehr und mehr und artete zuletzt in eine reine Despotie aus. Der Souverän ward stets aus derselben Familie gewählt und seine Thronbesteigung durch zahllose Menschenopfer gefeiert.

Der Kaiser Montezuma gehörte der Priesterkaste an und gerade seine Machtbefugniß hatte vielerlei Erweiterungen erfahren. Durch zahlreiche Kriege hatte er die Grenzen des Landes immer weiter hinausgerückt und Nationen unterjocht, welche nun die Spanier mit Freuden empfingen, deren Herrschaft ihnen weniger drückend und minder grausam als die der Azteken erschien.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Spanier, wenn Montezuma mit allen ihm zu Gebote stehenden Kräften sie überfallen hätte, als sie auf der heißen und ungesunden Ebene von Vera-Cruz lagerten, einem solchen Stoße trotz der Ueberlegenheit ihrer Waffen und Disciplin nicht hätten Widerstand leisten können, Sie wären dabei alle umgekommen oder doch genöthigt[307] gewesen, wieder zu Schiffe zu gehen. Das Schicksal der Neuen Welt wäre dann wohl ein anderes geworden.

Montezuma aber, der niemals genau wußte, was er thun sollte, fehlte vor Allem jene Entschlossenheit, die einen hervorragenden Zug in Cortez' Charakter bildet.

Inzwischen hatten sich andere Gesandte des Kaisers nach dem spanischen Lager begeben, mit dem Befehl an Cortez, das Land unverzüglich zu verlassen; auf dessen Weigerung hin aber wurden alle Beziehungen mit den Eingebornen sofort abgeschnitten. Die Situation schleppte sich hin. Cortez verstand sie auszunützen. Nach Besiegung einiges Zauderns im Schooße seiner Truppen ließ er den Grundstein zu Vera-Cruz legen, eine Festung, die ihm als Operationsbasis, im Nothfalle aber wenigstens als Rückhalt dienen sollte, nm eine Wiedereinschiffung zu ermöglichen. Er organisirte sofort eine Art Civilregierung, eine Junta, wie man sich heute ausdrücken würde, der er seine von Velasquez zurückgenommenen Aufträge vorlegte, und ließ sich – Alles im Namen des Königs – neben weiteren Provisionen auch die ausgedehntesten Vollmachten geben. Dann empfing er die Abgesandten der Stadt Zempoalla, welche ein Bündniß mit ihm und seinen Schutz gegen Montezuma begehrten, dessen Joch man nur mit Unwillen ertrug.

Gewiß war es ein besonderes Glück, schon in den ersten Tagen nach der Landung solche Verbündete zu finden. Cortes wollte sich auch diese gute Gelegenheit nicht entgehen lassen und nahm die Totonaken möglichst freundlich auf, begab sich nach deren Hauptstadt und beschloß, nachdem er eine Befestigung in Quiabislan am Meeresufer erbaut, die Zahlung von Zöllen zu verweigern. Seinen Aufenthalt in Zempoalla benutzte er auch dazu, das Volk zur Annahme des Christenthums zu ermahnen, und stürzte ihre Götzenbilder um, wie er es schon in Cozumal gethan hatte, um den Bewohnern die Ohnmacht ihrer Götter vor Augen zu führen.

Währenddem wurde in seinem eigenen Lager ein Complot geschmiedet, und da er die Ueberzeugung hatte, daß er ebenso lange gegen die Lässigkeit und Unzufriedenheit seiner Soldaten anzukämpfen haben werde, als noch eine Möglichkeit vorlag, nach Cuba zurückzukehren, ließ Cortez seine Schiffe auf den Strand setzen unter dem Vorgeben, daß sie alle in zu schlechtem Zustande seien, um noch ferner Dienste zu leisten. Gewiß ein Act wahrhaft unerhörter Kühnheit, der seinen Begleitern nur noch die Wahl ließ, zu siegen oder zu sterben.[308]

Da er nun von dem Ungehorsam seiner Leute nichts mehr zu fürchten hatte, brach Cortez am 16. August von Zempoalla aus mit fünfhundert Soldaten, fünfzehn Pferden und sechs Stück Feldgeschützen auf, ungerechnet zweihundert indianische Träger, welche die niederen Arbeiten verrichten sollten.

Bald erreichte er die Grenzen der kleinen Republik Tlascala, deren wilde Eingeborne als Feinde jeder Knechtschaft schon lange mit Montezuma im Streite lagen. Cortez schmeichelte sich, daß seine so vielmal öffentlich erklärte Absicht, die Indianer Mexicos zu befreien, ihm die Tlascalanen in die Arme führen und zu seinen Verbündeten machen würde. Er begehrte also den Durchzug durch ihr Gebiet, um nach Mexico zu gelangen. Seine Abgesandten wurden aber einfach zurückgehalten, und als er in das Innere eindrang, mußte er vierzehn Tage hintereinander Tag und Nacht die unablässigen Angriffe mehrerer Heerhaufen von zusammen 30.000 Tlascalanen aushalten, die eine solche Kühnheit und Zähigkeit entwickelten, wie sie den Spaniern in der Neuen Welt noch niemals vorgekommen war.

Die Waffen dieser Wackeren waren aber gar zu primitiver Art. Was vermochten sie auszurichten mit ihren Pfeilen und mit Obsidian oder Fischknochen besetzten Lanzen, mit ihren getrockneten Pfählen und hölzernen Schwertern und vorzüglich mit ihrer unausgebildeten Taktik? Als sie gewahr wurden, daß in allen den Gefechten, welche das Leben einer so großen Zahl ihrer besten Krieger gekostet hatten, kein einziger Spanier getödtet worden war, singen sie an zu glauben, daß die Fremden Wesen höherer Art sein müßten, vorzüglich da sie sich über Menschen nicht klar wurden, welche die in ihrem Lager gefangenen Spione nicht mit abgeschnittenen Händen zurückschickten und nach jedem Siege die Gefangenen nicht nur nicht aufzehrten, wie es die Azteken gethan haben würden, sondern sie gar noch beschenkten – und so baten sie um Frieden.

Die Tlascanen bekannten sich also als Vasallen Spaniens und schwuren, Cortez bei jedem Zug Heerfolge zu leisten. Er seinerseits sollte sie dafür gegen ihre Feinde beschützen. Uebrigens war es hohe Zeit, daß es zu einem Friedensschlusse kam. Viele Spanier lagen verwundet, krank oder doch von Anstrengung erschöpft darnieder. Ihr Siegeseinzug in Tlascala aber, wo sie gleich übernatürlichen Wesen empfangen wurden, ließ sie bald alle früheren Leiden vergessen.

Nach zwanzigtägiger Rast in genannter Stadt nahm Cortez mit einem[309] Hilfscorps von 6000 Tlascanen seinen Marsch nach Mexico wieder auf. Er wandte sich zunächst nach Cholula; der Aussage der Indianer nach eine sehr gesunde Stadt, gleichzeitig ein heiliger Ort und bevorzugter Sitz ihrer Götter. Montezuma freute sich nicht wenig darüber, die Spanier dorthin gelockt zu sehen; mochte er nun darauf rechnen, daß die Götter selbst die Verletzung ihrer Tempel rächen würden, oder sagte er sich, daß eine Ermordung der Eindringlinge in dieser volkreichen und fanatischen Stadt leichter auszuführen sein werde.

Cortez jedoch war von den Tlascanen schon gewarnt worden, den Freundschafts- und Ergebenheits-Versicherungen der Cholulanen Glauben zu schenken. Trotzdem wählte er seine Quartiere ganz im Innern der Stadt, denn sein Ansehen verlangte wenigstens den Schein, daß er nichts zu fürchten brauche. Als ihn die Tlascanen aber benachrichtigten, daß die Weiber und Kinder aus der Stadt weggeschleppt worden seien, und Marina, daß sich eine beträchtliche Truppenmenge an den Thoren der Stadt sammle, sowie daß man in den Straßen Fußangeln gelegt und Gräben eingeschnitten habe, während nach allen erhöhten Stellen Steine gebracht würden, da kam Cortez seinen Feinden zuvor, ließ die Vornehmsten der Stadt ergreifen, fesseln und richtete unter der erschrockenen und ihrer Führer beraubten Einwohnerschaft ein entsetzliches Blutbad an. Volle zwei Tage lang waren die armen Cholulanen allen Schrecken preisgegeben, welche die Wuth der Spanier und die Rache der Tlascanen, ihrer Alliirten, nur erfinden konnten. Sechstausend Einwohner ermordet, die Tempel eingeäschert und die halbe Stadt zerstört – das war freilich ein grausames Beispiel und gewiß geeignet, Montezuma und seinen Untergebenen die nöthige Furcht einzuflößen.

Auf den zwanzig Meilen, die ihn noch von der Hauptstadt trennten, wurde Cortez überall als Befreier begrüßt. Es gab keinen einzigen Caziken, der sich nicht über den kaiserlichen Despotismus zu beklagen gehabt hätte, was Cortez noch mehr in dem Glauben bestärkte, er werde mit einem, im Innern so zerspaltenen Reiche leicht genug fertig werden.

Je weiter sie von den Bergen von Chalco herabstiegen, desto lieblicher entrollte sich das Thal von Mexico, sein umfangreicher Binnensee, der weite Buchten bildete und mit großen Städten besetzt war, die auf Pfählen gebaute herrliche Hauptstadt selbst nebst ihren wohl angebauten Feldern, vor den entzückten Augen der Spanier.[310]

Ohne sich um die fortwährenden Winkelzüge Montezuma's zu kümmern der bis zum letzten Augenblicke noch schwankte, ob er die Spanier als Feinde oder Freunde empfangen sollte, zog Cortez mit seinen Leuten auf der künstlichen Straße weiter, welche quer durch den See nach Mexico führt. Kaum eine Meile befand er sich von der Stadt entfernt, als sich mehrere durch ihre prächtige Kleidung als hervorragende Persönlichkeiten ausgezeichnete Indianer näherten und ihm die Ankunft des Kaisers meldeten.

Bald darauf erschien Montezuma, auf einer reich mit Gold und Federn geschmückten Tragbahre, welche auf den Schultern seiner Günstlinge ruhte, während ihn gleichzeitig ein prächtiger Thronhimmel gegen die Strahlen der Sonne schützte.

Wo er auf der Straße dahinzog, warfen sich die Indianer vor ihm nieder und verbargen ihr Gesicht, als seien sie unwürdig, des Herrschers Antlitz zu sehen. Dieses erste Zusammentreffen wurde ein sehr herzliches, und Montezuma führte in eigener Person seine Gäste nach dem für sie hergestellten Quartiere, einem ausgedehnten, mit einer Mauer umgebenen und von hohen Thürmen vertheidigten Palaste. Cortez traf sofort die nöthigsten Vertheidigungsmaßregeln und ließ seine Geschütze so aufstellen, daß sie die hierher führenden Straßen bestrichen.

Bei der zweiten Zusammenkunft wurden dem General und seinen Soldaten werthvolle Geschenke angeboten. Montezuma erzählte auch, daß die Vorfahren der Azteken, einer alten Sage nach, einst unter Anführung eines weißen und, ebenso wie die Spanier, bärtigen Mannes in's Land gekommen seien. Nachdem dieser ihre Macht begründet, habe er sich auf dem Ocean eingeschifft, unter dem Versprechen, seine Nachfolger würden dereinst wieder erscheinen, sie zu besuchen und ihre Gesetze zu verbessern. Wenn er sie (die Spanier) heute nicht als Fremde, sondern als Freunde aufnähme, so geschehe das, weil er überzeugt sei, in ihnen die Abkömmlinge jenes alten Häuptlings zu sehen, und er bitte sie deshalb, sich als die Herren seiner Staaten zu betrachten.

Die nächsten Tage widmeten die Spanier einer genaueren Besichtigung der Stadt, die sie größer, volkreicher und schöner fanden als irgend eine bis jetzt in Amerika gesehene andere. Als ganz besondere Eigenthümlichkeit erschienen die Straßen, die sie mit dem Festlande verbanden, nämlich eine Art Dämme mit verschiedenen Durchlaßöffnungen, um den auf dem See dahinsegelnden Fahrzeugen unbehinderten Durchgang zu gewähren. Uebrigens[311] schlossen leicht zerstörbare Brücken jene Oeffnungen ab. In der Richtung nach Osten fehlte es jedoch an einem solchen Straßendamme, und konnte man auf dieser Seite nur mittelst Canots nach der Stadt gelangen.

Diese eigenthümliche Lage der Stadt Mexico flößte Cortez, der hier, ohne einen Ausweg zu haben, unerwartet eingeschlossen werden konnte, doch einige Unruhe ein. Er beschloß also, um jedem verrätherischen Putsche zuvorzukommen, sich des Kaisers als Geisel zu bemächtigen. Die ihm eben zukommenden Nachrichten lieferten dazu den geeignetsten Vorwand: der mexicanische General Qualpopoka hatte von den Spaniern schon unterworfene Gebiete angegriffen und dabei Escalante und sieben Soldaten tödtlich verwundet.

Cortez benutzte diese Vorkommnisse, den Kaiser des Verrathes zu beschuldigen. Er behauptete, daß jener seinen Soldaten nur freies Spiel gewähre, um sie auch die erste günstige Gelegenheit ergreifen zu lassen, ihnen gegenüber hier ebenso wie gegen Escalante aufzutreten, ein Verfahren, das eines mächtigen Herrschers unwürdig wäre und sich sehr von dem guten Vertrauen unterscheide, mit dem Cortez zu ihm gekommen sei. Im Falle der Verdacht der Spanier aber unbegründet sei, habe der Kaiser ja ein einfaches Mittel, sich zu rechtfertigen, indem er Qualpopoka empfindlich bestrafen lasse. Um die Wiederkehr gewaltthätiger Auftritte zu verhindern, welche dem bisherigen guten Einvernehmen doch nur schaden konnten, und um seinen Mexicanern zu zeigen, daß er selbst gegen die Spanier keinerlei böse Absichten hege, blieb Montezuma keine andere Wahl übrig, als mitten unter Letzteren seine eigene Wohnung aufzuschlagen. Es liegt auf der Hand, daß sich der Kaiser hierzu nur sehr ungern entschloß, doch mußte er wohl oder übel der Uebermacht und den Drohungen seiner ungebetenen Gäste nachgeben. Als er seinen Unterthanen den Beschluß der Residenzverlegung kundgab, mußte er ihnen wiederholt versichern, daß er sich freiwillig und aus eigener Wahl unter die Spanier begebe, und sie durch seine Worte zu besänftigen suchen, da jene nicht übel Lust zeigten, über die Fremdlinge herzufallen.

Cortez' gewagter Streich gelang also weit über Erwarten. Qualpopoka, sein Sohn und fünf Hauptanführer bei jenem Angriffe wurden von den Mexicanern selbst verhaftet und einem spanischen Tribunal – Richter und Partei in einer Person – übergeben, das sie verurtheilte und lebendig verbrennen ließ. Nicht zufrieden damit, die Männer grausam bestraft zu haben, welche nur ihres Kaisers Befehle ausführten und sich dem Raube ihres Landes mit bewaffneter Hand widersetzten, bereitete Cortez Montezuma noch eine weitere Erniedrigung, indem er diesen unter dem Vorwande, von den Verurtheilten im letzten Augenblicke schwer angeschuldigt worden zu sein, in Ketten legen ließ.


Montezuma's Tod. (S. 317.)
Montezuma's Tod. (S. 317.)

Sechs Monate hindurch übte der »Conquistador« so im Namen des zum bloßen Scheinherrscher degradirten Kaisers die oberste Gewalt aus,entsetzte ihm mißliebige Gouverneure, ließ Zölle und Steuern eintreiben, bekümmerte sich um alle Einzelheiten der Verwaltung und entsendete Spanier in die verschiedenen Provinzen des Reiches, um sich Kenntnisse von deren Erzeugnissen zu verschaffen und vorzüglich die Bergbau-Districte auszukundschaften, sowie die bei der Goldgewinnung üblichen Verfahrungsweisen zu studiren.

Endlich machte sich Cortez die Neugier Montezuma's, der gern einmal europäische Schiffe sehen wollte, zunutze und ließ von Vera-Cruz Takelage nebst anderem Ausrüstungsmateriale kommen, um zwei Brigantinen erbauen zu lassen, die ihm die Verbindung mit dem Festlande sichern sollten.

Ermuntert durch die Beweise von Furcht und Unterwürfigkeit, ging Cortez noch weiter und verlangte von Montezuma, daß er sich als Vasall und Tributärfürst Spaniens bekennen solle. Die Leistung des Lehenseides ging, wie man sich leicht denken kann, unter Darbringung zahlreicher und kostbarer Geschenke, sowie unter Auflegung einer starken Contribution vor sich. Durch letztere wollte man alles von den Indianern erpreßte Gold und Silber zusammenhäufen, das mit Ausnahme weniger, ihrer schönen Bearbeitung wegen verschonter Stücke eingeschmolzen werden sollte. Alles in Allem kamen aber nicht mehr als 600.000 Pesos ( = 1,600.000 Mark) zusammen. Obwohl die Spanier also ihre ganze Macht aufboten und Montezuma seine eigenen Schätze leerte, um sie zu befriedigen, so erreichte das Ergebniß doch nur obige lächerliche Summe, die den Vorstellungen der Eindringlinge von den Reichthümern des Landes herzlich schlecht entsprach.

Nach Absetzung eines Fünftels für den König, eines Fünftels für Cortez und nach Abzug der für die Heeresausrüstung aufgewendeten Unkosten betrug der Antheil jedes Soldaten noch nicht hundert Pesos. Statt so arge Strapazen durchzumachen, sich so großen Gefahren auszusetzen und so schwere Entbehrungen zu erleiden für – erbärmliche hundert Pesos, wäre Jeder gewiß lieber auf Espagnola geblieben! Liefen Cortez' prahlerische Versprechungen auf dieses armselige Resultat hinaus, wenn anders die Theilung gerecht zugegangen war, worüber man sich allerdings leise Zweifel erlaubte, so erschien es wahrhaft lächerlich, noch länger in einem so elenden Lande auszuharren, während man unter einem, mit Versprechungen mehr haushälterischen aber freigebigeren Führer an Gold und Edelsteinen reiche Länder erobern konnte, wo für brave Kriegsleute wenigstens eine entsprechendere Belohnung[314] ihrer Mühen zu erwarten war. So etwa murmelten die beutegierigen Abenteurer unter einander; die Einen nahmen ihren Antheil höchstens unwillig in Empfang, Andere schlugen ihn verächtlich ganz aus.

Gelang es nun Cortez, auch bei Montezuma bezüglich aller politischen Angelegenheiten seinen Willen durchzusetzen, so war das bezüglich der Religion doch ganz und gar nicht der Fall. So konnte er ihn niemals dazu bewegen, das Christenthum anzunehmen, und als er, wie in Zempoalla, einen Versuch machte, die Götzenbilder umzustürzen, entstand sofort ein Aufruhr, der gewiß ein sehr ernstes Aussehen angenommen hätte, wenn er nicht staatsklug genug gewesen wäre, von seinem Vorhaben sofort abzustehen. Ertrugen die Mexicaner auch fast ohne Widerstand die Einkerkerung und Herabwürdigung ihres Monarchen, so beschlossen sie jetzt doch, den ihren Göttern angethanen Schimpf zu rächen, und bereiteten heimlich eine allgemeine Empörung gegen die Eindringlinge vor.

Eben als die Dinge im Innern des Landes einer minder günstigen Wendung entgegen gingen, empfing Cortez von Vera-Cruz her die Nachricht, daß mehrere Schiffe vor dem dortigen Hafen kreuzten. Zuerst glaubte er, diese als eine von Karl V. gesendete Hilfsflotte ansehen zu dürfen, und als Antwort auf einen Brief, den er durch Karrero und Monteja am 16. Juli 1519 an den König abgeschickt hatte. Bald erkannte er seine Täuschung und er erfuhr, daß diese Flottille, ausgerüstet von Velasquez, welcher wohl erfahren hatte, mit wie leichtem Herzen sein Unterbefehlshaber alle Bande des Gehorsams gegen ihn gesprengt hatte, den Auftrag habe, ihn abzusetzen, gefangen zu nehmen und nach Cuba zu schaffen, wo ihm der Proceß gemacht werden sollte.

Diese, unter dem Commando Pamphilo de Narvaez' stehende Flotte zählte nicht weniger als achtzehn Schiffe und trug vierhundert Reiter, hundert Fußsoldaten, darunter achtzig Musketiere nebst hundertzwanzig Armbrustschützen, und zwölf Kanonen.

Narvaez landete, ohne Widerstand zu finden, in der Nähe des Forts San Juan d'Ulloa. Als er aber an Sandomal, den Gouverneur von Vera-Cruz, das Ansuchen stellte, ihm die Stadt auszuliefern, verhaftete dieser einfach die Leute, welche sich zur Ueberbringung jener unverschämten Zumuthung hergegeben hatten, und schickte dieselben nach Mexico. Cortez setzte sie hier sofort wieder in Freiheit und zog von ihnen eingehende Erkundigung über die[315] Absichten und Streitkräfte Narvaez' ein. Die ihm persönlich drohende Gefahr war gewiß nicht gering. Außer ihrer überlegenen Anzahl besaßen die von Velasquez aufgebotenen Truppen auch bessere Waffen und reichlichere Munition als die seinigen; was ihn aber vorzüglich beunruhigte, war nicht etwa die Aussicht, selbst zum Tode verurtheilt zu werden, sondern die Furcht, die Erfolge seiner Mühen wieder verloren gehen zu sehen und die vor dem schlechten Eindruck, den solche Differenzen in Spanien hervorrufen mußten. Die Lage wurde kritisch Zuletzt, nach reiflicher Ueberlegung und Abwägung des Für und Wider, entschloß sich Cortez trotz des Mißverhältnisses zwischen seinen und den entgegenstehenden Kräften doch, lieber den Kampf aufzunehmen, als seine Eroberungen und die Interessen Spaniens aufzugeben.

Bevor es jedoch zum Aeußersten kam, entbot Cortez an Narvaez seinen Kaplan Olmeda, der eine sehr schlechte Aufnahme fand, und alle seine überbrachten Vermittelungsvorschläge kurzer Hand abgewiesen sah. Mehr Erfolg hatte Olmedo bei den Soldaten, die ihn meist von früherher kannten und unter denen er eine Menge Kettchen, Goldringe und andere Schmuckgegenstände vertheilte, Geschenke, welche nur zu sehr geeignet waren, bei jenen eine hohe Meinung von den Reichthümern des kühnen Eroberers zu erwecken. Narvaez, der hiervon hörte, wollte seine Soldaten aber nicht länger der Verführung ausgesetzt wissen; er setzte einen Preis aus auf den Kopf Cortez' und seiner ersten Officiere und zog jenem entgegen. Der Letztere war viel zu kriegsgewandt, um unter ungünstigen Verhältnissen eine Schlacht anzunehmen. Er suchte nur Zeit zu gewinnen, ermüdete Narvaez und dessen Truppen, die sich nach Zempoalla zurückzogen, und traf so ausgezeichnete Vorbereitungen, daß er durch eine nächtliche Ueberrumpelung, bei der Erstaunen und Schrecken das Mißverhältniß der Streitkräfte ausglichen, seinen Gegner mit allen Truppen gefangen nahm, während er selbst nur zwei Soldaten verlor.

Der Sieger behandelte die Besiegten mild und ließ ihnen die Wahl entweder nach Cuba zurückzukehren, oder sich seiner Fahne anzuschließen. Der letztere Ausweg erschien durch Cortez' Geschenke und Versprechungen den neuen Ankömmlingen am verlockendsten, so daß jener sich heute an der Spitze von 1000 Mann befand, wo er gestern so nahe daran war, Narvaez in die Hände zu fallen.

Diese unerwartet günstige Wendung seiner Verhältnisse benutzte Cortez mit diplomatischer Gewandtheit und beeilte sich zunächst, nach Mexico[316] zurückzugehen. Die hier unter dem Befehle Almarado's zurückgelassenen Truppen zur Bewachung seiner Schätze und des kaiserlichen Gefangenen befanden sich in harter Bedrängniß. Die Eingebornen hatten nicht wenige derselben getödtet und verwundet und hielten den Rest, unter fortwährender Bedrohung mit einem allgemeinen Sturmangriff eng eingeschlossen. Uebrigens muß hierzu bemerkt werden, daß das unkluge, vor keinem Verbrechen zurückscheuende Verfahren der Spanier und vorzüglich die Ermordung der hervorragendsten Personen der Stadt während eines Festes, den Aufruhr erst hervorgerufen, dem die Spanier dadurch hatten zuvorkommen wollen.

Nachdem er sich durch zweitausend Tlascalanen verstärkt, wandte sich Cortez in Eilmärschen nach der Hauptstadt, wo er glücklich eintraf, bevor die Indianer die Brücken der Landstraßen und Dammwege, welche Mexico mit dem Lande verbanden, zerstört hatten. Trotz Eintreffens dieser Verstärkung besserte sich aber die Lage noch nicht. Tagtäglich kam es zu Gefechten und mußten die Straßen, die nach dem von den Spaniern besetzten Palaste führten, mit Waffengewalt gesäubert werden.

Cortez erkannte jetzt den Fehler, den er begangen hatte, sich in einer Stadt festzusetzen, wo er in jedem Augenblicke angegriffen werden konnte, während der Abzug aus derselben mit ganz besonderen Schwierigkeiten verknüpft war. Da wandte er sich an Montezuma, der durch seine Autorität und den Einfluß, den er noch immer übte, die Wogen der Empörung glätten, jedenfalls aber den Spaniern eine Zeit der Ruhe verschaffen konnte, um ihren Rückzug vorzubereiten. Als der unglückliche, zu Cortez' bloßem Spielballe herabgesunkene Kaiser aber, geschmückt mit den Abzeichen seiner Würde, auf der Mauer erschien und seinen Unterthanen anrieth, die Feindseligkeiten einzustellen, erhob sich ein Murren der Unzufriedenheit und wurden verschiedene Drohungen laut, die Feindseligkeiten begannen von Neuem, und bevor die Soldaten Zeit gewannen, ihn mit ihren Schilden zu decken, wurde der Kaiser durch mehrere Pfeile verwundet und von einem Steine so an den Kopf getroffen, daß er zusammenbrach.

Bei diesem Anblick stellten die Indianer, erschrocken über das begangene Verbrechen, augenblicklich den Kampf ein und stoben nach allen Richtungen auseinander. Montezuma aber, der nun erst begriff, zu welch' niedriger Rolle Cortez ihn herabgewürdigt hatte, riß sich den Verband seiner Wunden ab,[317] verweigerte jede Aufnahme von Nahrung und gab, mit einem Fluche gegen die Spanier auf den Lippen, den Geist auf.

Nach so unseligen Ereignissen war auf die Wiederherstellung freundschaftlicher Beziehungen zu den Mexicanern natürlich nicht ferner zu rechnen, und es galt nur, schnell und um jeden Preis eine Stadt zu räumen, in der man fürchten mußte, eingeschlossen und ausgehungert zu werden. Cortez sah das ein und traf im Geheimen seine Vorbereitungen. Seine Truppen hielten sie stets so eng als möglich beisammen, und er selbst mußte häufig zum Degen greifen und fechten wie ein gemeiner Soldat. Solis erzählt sogar, ohne daß seine Quelle bekannt geworden ist, daß zwei junge Mexicaner bei einem Angriffe auf ein, das Quartier der Spanier beherrschendes Gebäude, als sie Cortez, der seine Soldaten anfeuerte, erkannten, den Beschluß faßten, sich aufzuopfern, um den Urheber des Unglücks ihres Vaterlandes umzubringen. Sie näherten sich ihm mit flehenden Geberden, als suchten sie Schutz und Hilfe, faßten ihn dann aber mitten um den Leib und schleppten ihn nach den Zinnen des Daches, von welchen sie sich herabstürzten, während sie ihn dabei mit sich zu reißen versuchten. Cortez verdankte es nur seiner außerordentlichen Körperkraft und Gewandtheit, daß er sich von ihnen loswand und nur die muthigen Mexicaner bezahlten ihre heldenhafte, aber nutzlose That mit dem Leben.

Nachdem der Rückzug einmal beschlossen war, fragte es sich, ob man ihn am Tage oder in der Nacht bewerkstelligen sollte. Am hellen Tage konnte man dem Feinde erfolgreichen Widerstand leisten, etwa in den Weg gelegte Hindernisse erkennen und leichter Anstalt treffen, die von den Mexicanern voraussichtlich zerstörten Brücken wieder herzustellen. Andererseits wußte man aus Erfahrung, daß die Indianer sich nach Sonnenuntergang kaum in ein Gefecht einließen; vorzüglich aber entschied sich Cortez zu einem nächtlichen Rückzuge, weil ein Soldat, der etwas Astrologie trieb, seinen Kameraden einen guten Ausgang vorausgesagt hatte, wenn man die Nacht zum Abzuge benutze.

Um Mitternacht ward also der Abmarsch angetreten. Außer den spanischen Truppen standen unter Cortez' Befehle auch Heerhaufen aus Tlascala, Zempoalla und Cholula, zusammen, trotz der erheblichen, im Laufe der Zeit erlittenen Verluste, eine Stärke von 7000 Mann. Sandoval commandirte den Vortrab; Cortez befand sich mit dem Gepäck, den Kanonen[318] und den Gefangenen, darunter ein Sohn und zwei Töchter Montezuma's, in der Mitte; Alvarado und Velasquez de Leon führten den Nachtrab. Man hatte vorsorglicher Weise auch eine fliegende Brücke hergestellt, um den Uebergang über etwaige zerstörte Stellen der Straße zu ermöglichen. Kaum drängte sich das Heer aber auf dem nach Tacuba führenden, nämlich dem kürzesten Dammwege zusammen, als es auch schon von vorn, von den Seiten und von rückwärts her durch dichte feindliche Massen angegriffen wurde, während es eine unzählbare Bootsflottille mit einem Hagel von Steinen und Geschossen überschüttete. Bestürzt und unfähig, etwas zu sehen, wissen die Alliirten nicht, nach welcher Seite hin sie sich vertheidigen sollen. Die hölzerne Brücke giebt unter der Last der Cavallerie und der Kämpfenden nach. Eingekeilt in eine schmale Chaussee, außer Stande, von ihren Feuerwaffen Gebrauch zu machen, oder die Cavallerie, der es an Terrain zur Bewegung gänzlich fehlt, zu verwenden, untermengt mit Indianern, die sie Mann gegen Mann überfallen, und ohne Kräfte, um einen Feind niederschlagen zu können, weichen die von allen Seiten umringten Spanier nebst ihren Verbündeten vor der immer wachsenden Uebermacht der Angreifer zurück. Führer und Soldaten, Infanterie und Cavallerie, Spanier und Tlascanen, Alles wälzt sich durcheinander; Jeder wehrt sich seiner Haut, so gut er eben kann, ohne sich um Disciplin und die Rettung des Ganzen zu bekümmern.

Alles schien verloren, da gelingt es Cortez mit etwa hundert Mann einen Dammeinschnitt über die ihn fast ausfüllenden Leichen der Gefallenen zu überschreiten. Er ordnet seine Soldaten, so gut das im Drange des Augenblickes möglich ist, und schiebt sich an der Spitze der noch kampffähigsten Mannschaften wie ein Keil in das Gewirr ein, wodurch es ihm gelingt, einen Theil der Seinigen zu befreien. Noch vor Tagesanbruch fanden sich Alle, denen es gelungen war, dem Blutbade dieser »noche triste«, wie jene entsetzliche Nacht bezeichnet ward, zu entrinnen, in Tabuca zusammen. Thränenden Auges musterte Cortez seine letzten Soldaten, die alle fast ohne Ausnahme verwundet waren, und übersah die fürchterliche Größe des erlittenen Verlustes; 4000 Indier, Tlascanen und Cholulanen und fast sämmtliche Pferde waren getödtet; die ganze Artillerie nebst Munition und fast alles Gepäck verloren; verschiedene hervorragende Officiere, Velasquez de Leon, Salcedo, Morla, Laros und noch manche Andere zählten zu den Gefallenen; Alvarado lag an den schwersten Wunden darnieder.[319]

In Tacuba hielt man sich nicht auf, sondern marschirte auf gut Glück, unbekümmert um den dort zu gewärtigenden Empfang, nach Tlascala zu.


Cortez in der Schlacht von Otumba. (S. 349.)
Cortez in der Schlacht von Otumba. (S. 349.)

Von den Mexicanern unablässig beunruhigt, mußten die Spanier in der Gegend von Otumba auch noch eine große Schlacht gegen zahlreiche feindliche Heerhaufen annehmen, deren Stärke manche Geschichtsschreiber auf 200.000 Mann angeben. Mit den wenigen, ihm übrig gebliebenen Reitern gelang es Cortez jedoch, Alles niederzurennen, was im Wege stand, und sich[320] bis zu einer Gruppe an den goldverzierten Federbüschen und der prachtvollen Kleidung erkennbarer hoher Persönlichkeiten durchzuschlagen, unter der sich auch der das Banner tragende General befand. Cortez stürzte sich also mit einigen Reitern auf jene Gruppe und war glücklich oder geschickt genug, den mexikanischen Officier mit einem Lanzenstiche zum Falle zu bringen, während ein Soldat, Namens Juan de Salamanca, demselben mit dem Degen vollends den Garaus machte. Mit dem Augenblicke, wo das Banner verschwand, ward die Schlacht entschieden, und die von panischem Schrecken ergriffenen Mexicaner flohen nach allen Seiten. »Noch niemals vorher, sagt Prescott, waren die Spanier so schwer bedroht gewesen, und ohne Cortez' Glücksstern würde kaum Einer am Leben geblieben sein, um der Nachwelt von der blutigen Schlacht bei Otumba zu berichten.« Die Siegesbeute war sehr beträchtlich und entschädigte die Spanier doch theilweise für die beim Auszuge aus der Stadt Mexico erlittenen Verluste, denn die Armee bestand aus den vornehmsten Kriegern des Volkes, die sich, überzeugt von der Unfehlbarkeit des Erfolges, mit ihren reichsten Zieraten geschmückt hatten.

Am folgenden Tage betraten die Spanier das Gebiet Tlascalas.

»Ich lenke jetzt die Aufmerksamkeit des Lesers, sagt Bernal Dias, auf die Thatsache, daß unsere eigene Gesammtstärke, als wir zum Entsatze Alvarado's nach Mexico marschirten, 1300 Mann betrug, darunter siebenundneunzig Reiter, achtzig Armbrust- und ebenso viele Büchsenschützen, neben mehr als 2000 Tlascanen und reichlicher Artillerie. Unser zweiter Einzug in Mexico erfolgte am Johannistage 1520 und unsere Flucht am 10. Juli. Die denkwürdige Schlacht bei Otumba lieferten wir am 14. Juli. Weiter richte ich hiermit die Aufmerksamkeit auf die Anzahl Menschen, welche sowohl in Mexico, bei dem Zuge über die Dammstraße und deren Brücken, als auch bei Otumba und anderen Gefechten unterwegs den Tod fanden. Im Zeitraume von fünf Tagen verloren wir 760 Mann, darunter 70 Soldaten, die in dem Dorfe Rustepeque niedergemacht wurden, und außerdem fünf castilische Frauen; in derselben Zeit fielen auch 1200 Tlascalanen. Es verdient ferner erwähnt zu werden, daß, wenn auch von Narvaez' Truppen mehr Leute als von den Cortez'schen Soldaten umkamen, das deshalb geschah, weil sie sich bei dem Ausmarsche mit vielem Golde beladen hatten, dessen Gewicht sie verhinderte, zu schwimmen und sich aus den Dammdurchstichen wieder heraufzuarbeiten.«[321]

Cortez' Truppen waren jetzt auf 400 Mann mit 20 Pferden, 12 Armbrust- und 7 Büchsenschützen zusammengeschmolzen, welche keine Ladung Pulver mehr besaßen, Alle verwundet und an Armen und Beinen gelähmt waren; sie erreichten also dieselbe Stärke wie bei ihrem ersten Einzuge in Mexico, freilich mit dem nennenswerthen Unterschiede, daß sie jetzt als Besiegte die Hauptstadt geräumt hatten.

Beim Uebertritt auf tlascalanisches Gebiet legte es Cortez seinen Leuten und vorzüglich denen von Narvaez' Heere übernommenen dringend an's Herz, sich gegenüber den Einwohnern ja keinerlei Uebergriffe zu erlauben, da jetzt das allgemeine Wohl auf dem Spiele stand, und die einzigen ihnen noch verbliebenen Verbündeten auf keine Weise zu reizen. Zum Glück erwiesen sich auch die wegen der Treue der Tlascalanen gehegten Befürchtungen als grundlos. Die Spanier wurden mit theilnehmender Anhänglichkeit empfangen; die Bewohner dachten dagegen nur daran, ihre von den Mexicanern hingemordeten Brüder zu rächen. In ihrer Hauptstadt traf Cortez auch die Nachricht von dem Verluste zweier weiterer Detachements, doch waren alle diese harten Schläge nicht im Stande, seinen Muth zu beugen. Unter seinem Befehle standen ja noch kriegsgewohnte Truppen und treue Bundesgenossen; Vera-Cruz war unversehrt; noch einmal konnte er ja sein Glück versuchen.

Bevor er jedoch einen neuen Feldzug unternahm und sich auf eine wiederholte Belagerung einließ, galt es, Unterstützung zu finden und Vorbereitungen zu treffen. Cortez versäumte das auch nicht. Er sandte vier Schiffe nach Espagnola, um Freiwillige zu werben und Pferde, Pulver und Munition aufzukaufen; gleichzeitig ließ er in den Wäldern von Tlascala das nöthige Holz zur Erbauung von zwölf Brigantinen fällen, welche stückweise nach dem See von Mexico geschafft und dort zu geeigneter Zeit vom Stapel gelassen werden sollten.

Nach Unterdrückung einiger Meuterei-Versuche, vorzüglich unter den mit Narvaez hierher gekommenen Leuten, marschirte Cortez wieder vorwärts und band, mit Hilfe der Tlascalanen, mit den Bewohnern von Tepeaka und anderen Provinzen an, was den Vortheil hatte, seine eigenen Truppen wieder an den Sieg, seine Alliirten aber an den Krieg zu gewöhnen.

Inzwischen fielen Cortez zwei mit Munition und Verstärkungen beladene Brigantinen in die Hände, welche Velasquez an Narvaez, ohne Kenntniß von dessen Mißgeschick, abgesendet hatte, gleichzeitig schloß sich ihm noch eine[322] Anzahl, von Franz de Garay, Gouverneur von Jamaica, hierher geschickter Spanier an. Cortez Armee bestand nun, nach Ausscheidung aller, ihm nicht genehmer Anhänger Narvaez', aus 500 Mann Fußvolk, darunter 80 Musketiere nebst 40 Reitern. Mit diesem schwachen Heere, dem als Unterstützung noch 1000 Tlascalanen zur Seite standen, brach er den am 28. December 1520 wiederum nach Mexico auf, sechs Monate, nachdem er dasselbe gezwungen verlassen hatte.

Trotz des Interesses, welches er bietet, gehen wir über diesen Feldzug in Kürze hinweg, da dessen Schauplatz in schon vorher bekannten Gegenden zu suchen, unsere Aufgabe aber nicht die ist, hier eine Geschichte der Eroberung Mexicos zu liefern. Es genüge hier also die Bemerkung, daß nach Montezuma's Tode dessen auf den Thron erhobener Bruder Quetlavaca alle durch die strategische Kunst der Azteken gebotenen Vertheidigungsmaßregeln getroffen hatte. Er starb aber an den Blattern, jenem traurigen Geschenke, das die Spanier der Neuen Welt gemacht hatten, gerade in dem Augenblicke, wo seine vorsorgliche Klugheit und sein entschlossener Muth am nöthigsten gewesen wären. Sein Nachfolger wurde Guatimozin, ein wegen seiner Talente und persönlichen Werthes bekannter Neffe Montezuma's.

Sobald Cortez nur den Fuß auf mexicanischen Boden setzte, hatte er auch zu kämpfen. Er eroberte bald Tezcuco, eine zwanzig Meilen von Mexico und am Gestade des Binnensees gelegene Stadt, auf welch' letzterem die Spanier nach Verlauf von drei Monaten eine achtunggebietende Flotte besitzen sollten. In diese Zeit fällt auch die Anzettelung einer Verschwörung, welche die Ermordung Cortez' und seiner obersten Anführer bezweckte und deren Haupturheber hingerichtet wurde. Im Uebrigen lächelte Cortez jetzt allseitig das Glück; er erhielt Nachricht von weiteren, in Vera-Cruz eingetroffenen Verstärkungen und der größte Theil der unter Guatimozin's Herrschaft stehenden Städte unterwarf sich der Gewalt seiner Waffen. Die wirkliche Belagerung (Mexicos) nahm im Mai 1521 ihren Anfang und dauerte, unter wechselnden Erfolgen und Mißerfolgen, bis zu dem Tage, da die Brigantinen flott wurden. Die Mexicaner schreckten jedoch nicht vor einem Angriffe auf dieselben zurück, vier- bis fünfhundert von je zwei Mann besetzten Boote bedeckten plötzlich den See und fuhren gegen die spanischen Schiffe, welche eine Bemannung von drei- bis vierhundert Soldaten hatten, heran. Die neun mit Kanonen bewaffneten Brigantinen hatten die feindliche Flotte zwar sehr[323] bald zerstreut oder vernichtet, doch führten weder dieser Erfolg noch auch einige andere Vortheile, die Cortez gleichzeitig gewann, zu einer merklichen Aenderung der Situation und die Belagerung zog sich noch weiter in die Länge. Der General beschloß also, die Stadt mit Sturm zu nehmen. Leider fand der Officier, der die Rückzugslinien auf den Dammwegen decken sollte, während die Spanier in die Stadt eindrangen, diesen Posten seiner nicht würdig und verließ denselben also, um sich am Kampfe zu betheiligen. Sobald Guatimozin von diesem Fehler hörte, beeilte er sich, daraus Nutzen zu ziehen Er griff die Spanier von allen Seiten mit einer solchen Heftigkeit an, daß er sehr viele derselben tödtete und zweiundsechzig Soldaten gefangen nahm. Cortez selbst, der am Schenkel eine schwere Verwundung davontrug, wäre bald lebend in seine Hände gefallen. Während der Nacht ward der große Tempel des Kriegsgottes zur Feier des Sieges festlich erleuchtet und mit tiefster Trauer hörten die Spanier die Töne der großen Trommeln der Mexicaner. Von ihren Stellungen aus konnten sie die letzten Augenblicke ihrer gefangenen Landsleute beobachten, denen man die Brust öffnete, um das Herz herauszureißen, und deren die Altartreppen hinabgestürzte Leiber vollends von den Azteken zerstückelt wurden, welche sich noch darum stritten, um sie bei einem schauerlichen Gastmahle zu verzehren.

Diese furchtbare Niederlage trug noch mehr dazu bei, daß sich die Belagerung in die Länge zog und bis zu dem Tage dauerte, wo Guatimozin, nachdem die Stadt schon zu drei Viertheilen eingenommen oder zerstört war, durch seine Rathgeber veranlaßt wurde, sich nach dem festen Lande zu begeben und hier den weiteren Widerstand zu organisiren. Die Barke, welche ihn trug, wurde jedoch abgefangen und er selbst ergriffen. Während seiner Hast bewies er übrigens mehr Charakterstärke und Selbstachtung als sein Oheim Montezuma.

Jetzt hatte nun aller Widerstand ein Ende und Cortez konnte von der, zur Hälfte in Trümmern liegenden Stadt Besitz nehmen. Nach heldenmüthiger Vertheidigung, während welcher 120.000 – wie die Einen sagen – oder 240.000 Mexicaner nach anderen Berichten – den Tod fanden, nach einer Belagerung, welche nicht weniger als fünfundsiebzig Tage dauerte, unterlag Mexico, und mit der Hauptstadt auch das ganze Reich, weniger den Streichen der Spanier, als vielmehr dem alten Hasse, der Empörung der unterworfenen Volksstämme und der Eifersucht der Nachbarstaaten, welche bald das neue Joch schwer beklagen sollten, dem sie sich so bereitwillig gebeugt hatten.[324]

Dem Siegesrausche folgte bei den Spaniern bald der Aerger und die Wuth. Die ungeheuren Schätze, auf welche sie gerechnet hatten, waren nicht vorhanden oder in den See versenkt worden.

Cortez, der seine Unzufriedenen auf keine andere Weise zu beruhigen vermochte, sah sich genöthigt, den Kaiser und seinen ersten Minister der Tortur zu unterwerfen. Einige Geschichtsschreiber, in erster Reihe Gomorra, erzählen, daß der letztere, während die Spanier das Feuer unter dem Roste schürten, auf dem die beiden unglücklichen Opfer ausgestreckt lagen, den Kopf nach seinem Herrn gewendet habe, wie um ihn zum Reden und dadurch zur Beendigung seiner Qualen zu bewegen; Guatimozin aber habe jede Anwandlung von Schwäche unterdrückt durch die wenigen Worte: »Und ich, bin ich etwa hier zum Vergnügen oder im Bade?« eine Antwort, welche poetischer in: »Und ich, bin ich hier etwa auf Rosen gebettet?« umgewandelt wurde.

Die Geschichtsschreiber schließen ihren Bericht über die Eroberung Mexicos gewöhnlich mit der endgiltigen Einnahme der Hauptstadt ab; uns bleibt jedoch noch übrig, von einigen anderen, von Cortez zu verschiedenen Zwecken unternommenen Expeditionen zu sprechen, welche ein ganz neues Licht über verschiedene Theile Central-Amerikas verbreitet haben; endlich wollen wir uns auch von diesem Helden, der in der Entwicklung der Civilisation und in der Geschichte der Neuen Welt eine so hochwichtige Rolle spielt, nicht verabschieden, ohne dem Ende seiner merkwürdigen Laufbahn einige Worte zu widmen.

Mit der Hauptstadt war, im eigentlichen Sinne, das mexicanische Reich gefallen; leisteten die Bewohner auch da und dort, vorzüglich in der Provinz Oaxaca noch einigen Widerstand, so blieb dieser doch vereinzelt und reichten geringe Truppenabtheilungen hin, die letzten Widerstrebenden zu entwaffnen, welche überdies erschreckt waren durch die schrecklichen Strafen, mit denen man andere Aufständische in Panucco belegt hatte. Gleichzeitig schickten die Bewohner der entferntesten Gegenden des Reiches Abgesandte, sich von der Wahrheit dieses wunderbaren Ereignisses, der Einnahme von Mexico, zu überzeugen, die Ruinen der verwünschten Stadt in Augenschein zu nehmen und ihre Unterwerfung anzuzeigen.

Cortez, der endlich seine Stellung gesichert sah nach so vielen Zwischenfällen, daß deren Aufzählung hier zu vielen Raum beanspruchen würde, und[325] von denen er selbst sagte: »Es hat mir mehr Mühe gekostet, gegen meine eigenen Landsleute zu kämpfen als gegen die Azteken!« blieb nun nur noch übrig, sein erobertes Land zu organisiren. Er begann damit, den Sitz seiner Herrschaft in dem wieder aufgebauten Mexico zu errichten. Viele wußte er durch Landschenkungen herbeizulocken, die Indianer aber dadurch zu gewinnen, daß er ihnen zunächst ihre gewohnten Häuptlinge ließ, obwohl er, mit Ausnahme der Tlascalanen, durch das abscheuliche, in den spanischen Kolonien gebräuchliche System der repartimientos sie im Grunde zu Sklaven gemacht hatte. Verdient aber Cortez auch den Vorwurf, daß er alle politischen Rechte der Indianer schmählich mißachtet habe, so muß man doch anerkennen, daß er für ihr geistiges Wohlsein eine lobenswerthe Sorgfalt an den Tag legte. So ließ er z. B. Franziskaner in's Land kommen, die durch ihren Eifer und ihre theilnehmende Liebe sich bald die Achtung der Eingebornen errangen und binnen zwanzig Jahren die ganze Bevölkerung zum Christenthum bekehrten.

Gleichzeitig schickte Cortez kleinere Truppenabtheilungen nach Mechoacan, welche bis zum Pacifischen Ocean vordrangen und bei ihrer Rückkehr einige der reichen, im Norden des Landes gelegene Provinzen besuchten. Ueberall, wo ihm das von Vortheil schien, gründete er Niederlassungen, so in Zacutala, am Gestade des Stillen Oceans, bei Coliman in Mechoacan, in Santesteban bei Tampico, in Medellin, nahe Vera-Cruz u.s.w.

Nach der völligen Pacification des Landes vertraute Cortez Christoval de Olid eine beträchtliche Streitmacht an, um auch in Honduras eine Kolonie zu gründen. Gleichzeitig sollte Olid die Südküste des Landes aufnehmen, und nach einer Straße suchen, welche den Atlantischen Ocean mit dem Pacifischen verbände. Bethört durch den Stolz als Anführer und Befehlshaber, hatte Olid indeß kaum sein Ziel erreicht, als er sich auch schon für unabhängig erklärte. Cortez sandte sofort einen seiner Verwandten, um den Ungehorsamen zu verhaften, und brach dann auch selbst noch, begleitet von Guatimozin, hundert Reitern und fünfzig Fußsoldaten, am 12. October 1524 zur Verfolgung auf. Dieses Detachement zog unter Strapazen aller Art durch die Provinzen Gratzocoalco, Tabasco und durch Yucatan, ein höchst mühseliger Marsch durch sumpfiges, sozusagen bewegliches Terrain, durch einen Ocean wogender Wälder, und näherte sich jetzt der Provinz Aculan, als Cortez der Plan einer, wie man behauptete, von Guatimozin und den[326] vornehmsten Indianerhäuptlingen angezettelten Verschwörung hinterbracht wurde. Dieser lief darauf hinaus, den Anführer und die Soldaten bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zu ermorden, wonach man weiter nach Honduras ziehen, die dortigen Anlagen zerstören und sich endlich nach Mexico zurückbegeben wollte, wo es einer allgemeinen Erhebung ohne Zweifel leicht genug gelingen müsse, sich der Unterdrücker zu entledigen. Da half Guatimozin freilich keine Betheuerung seiner Unschuld, obwohl diese so gut wie am Tage lag, er wurde an den Aesten eines »Ceyba«, der die Straße beschattete, nebst mehreren vornehmen Azteken einfach gehenkt. »Die Hinrichtung Guatimozin's, sagt Bernal Diaz del Castilla, war gewiß ein Act der Ungerechtigkeit, den wir Alle fast einstimmig tadelten.« Aber auch »wenn Cortez, äußert sich Prescott hierüber, nur seine Ehre und das Interesse seines Rufes befragt hätte, so mußte er sich jenen als lebende Trophäe, als unwiderlegliches Siegeszeichen erhalten, wie man etwa Gold im Futter des Rockes aufbewahrt«.

Endlich erreichten die Spanier Aculan, eine blühende Stadt, wo sie sich in ausgezeichneten Quartieren gütlich thaten, und wandten sich von hier nach dem See von Peten hin, dessen Uferbevölkerung ohne Schwierigkeit zum Christenthum bekehrt wurde. Wir übergehen das Elend und die Leiden der Expedition in diesen menschenarmen Gegenden und bis nach San Gil de Buena-Vista am Golfe Dolce, wo sich Cortez nach Empfang der Nachricht von Olid's Hinrichtung und der Wiederherstellung der gesetzlichen Gewalt einschiffte, um nach Mexico zurückzukehren.

Jetzt übergab Cortez an Alvaredo ein Commando über dreihundert Fußsoldaten, hundertsechzig Reiter und vier Kanonen nebst einem indianischen Hilfscorps. Alvaredo marschirte nach Süden, zur Eroberung von Guatemala aus. Er unterwarf die Provinzen Zacatulan, Tehuantepec, Soconusco und Utlatlan, gründete die Stadt Guatemale la Vieja und wurde, auf einer Reise, die er später in Spanien machte, vom Kaiser Karl V. zum Statthalter der von ihm eroberten Gebiete ernannt.

Kaum drei Jahre nach den ersten Eroberungsversuchen war ein Territorium mit über vierhundert Meilen Küstenausdehnung am Atlantischen und über fünfhundert am Pacifischen Ocean der Krone Castiliens unterthan und erfreute sich, mit nur sehr wenigen Ausnahmen, der ungestörten Ruhe.

Nur wenige Tage nach seiner Rückkehr von der nutzlosen Expedition


Die Spanier schürten das Feuer unter dem Roste. (S. 325.)
Die Spanier schürten das Feuer unter dem Roste. (S. 325.)

nach Honduras, welche den Spaniern fast eben so viel Zeit und Anstrengung gekostet hatte als die Eroberung Mexicos, erhielt Cortez die Nachricht seiner vorläufigen Entsetzung und den Befehl, sich zur Vertheidigung wegen verschiedener Anschuldigungen nach[327] Spanien zu begeben. In der Hoffnung, diese Anordnung widerrufen zu sehen, beeilte er sich nicht allzu sehr, ihr nachzukommen;


Karte von Peru. (Facsimile. Alter Kupferstich.)
Karte von Peru. (Facsimile. Alter Kupferstich.)

seine unermüdlichen Verleumder und erbitterten Feinde in Spanien wie in Mexico aber trieben es so weit, daß er sich genöthigtsah, seine Vertheidigung selbst in die Hand zu nehmen, seine Beschwerden auseinander zu setzen und eine öffentliche Gutheißung seiner Maßnahmen zu erwirken.

Cortez reiste also in Begleitung seines Freundes Sandoval, Tapia's und mehrerer Azteken-Häuptlinge, unter letzteren auch eines Sohnes Montezuma's, ab. Im Mai 1528 landete er in Palos, an derselben Stelle, wo Christoph Columbus fünfunddreißig Jahre früher den Boden der Heimat zum ersten Male wieder betreten hatte, und wurde mit demselben Enthusiasmus und ebenso lauten Freudenbezeugungen empfangen wie der Entdecker der Neuen Welt. Hier begegnete er Pizarro, der, im Anfange seiner Laufbahn stehend, sich bei der spanischen Regierung um Unterstützung seiner Pläne bewarb. Von Palos aus begab er sich nach Toledo, dem dermaligen Aufenthaltsorte des Hofes. Schon die einfache Nachricht von seinem Eintreffen hatte die Gemüther völlig umgestimmt. Durch die kaum erwartete Rückkehr fanden seine angeblichen Pläne zur Empörung gegen und zur Unabhängigmachung von der spanischen Krone das gebührende Dementi. Karl V. begriff, daß die Stimme des Volkes sich einmüthig dagegen erheben würde, wenn er einen Mann bestrafen wollte, der zur Krone Castiliens die werthvollsten Juwelen beigesteuert hatte. Cortez' Reise gestaltete sich zu einem ununterbrochenen Triumphzuge mitten durch unerhörte Menschenmengen. »Die Häuser und Straßen der großen Städte, berichtet Prescott, strotzten von Zuschauern, welche ungeduldig dem Anblicke des Helden entgegenharrten, dessen Arm gewissermaßen allein Spanien ein ganzes Kaiserreich erworben hatte, und der, um die Worte eines alten Geschichtsschreibers zu gebrauchen, nicht mit dem Pompe und Ruhme eines Vasallen, sondern gleich einem unabhängigen Monarchen dahinzog.«

Nachdem er ihm mehrere Audienzen bewilligt und besondere Zeichen seiner Gunst erwiesen, welche seitens der Hofbeamten als sehr beträchtliche bezeichnet wurden, geruhte Karl V. das von Cortez eroberte Reich und die prächtigen Geschenke, die jener mitbrachte, entgegen zu nehmen. Uebrigens glaubte er ihn aber genug belohnt zu haben, indem er ihn mit dem Titel eines Marquis della Balle de Oajaca und der Würde eines General-Kapitäns von Neuspanien belohnte, ohne ihm die Civilregierung, welche er von der Junta von Vera-Cruz früher erhalten hatte, wieder zuzugestehen. Cortez, der jetzt die Nichte des Herzogs von Bejar, aus einer der ersten Familien[330] Castiliens, geheirathet hatte, begleitete nun den Kaiser, der sich nach Italien begab, bis zum Hafen, bald aber machte er sich, dieses thatlosen, mit seinen übrigen Gewohnheiten so wenig entsprechenden Lebens müde, 1530 wieder auf den Weg nach Mexico, wo er in Villa-Rica landete.

Er schlichtete zuerst einige Zänkereien der Behörde, welche in seiner Abwesenheit die Zügel der Regierung geführt und früher die gegen ihn erhobenen Anklagen hervorgesucht hatte, kam aber auch wegen militärischer Angelegenheiten mit der Civil-Junta in Conflict. Bald ekelten ihn diese Zwistigkeiten so sehr an, daß sich der Marquis della Balle auf seine ungeheuren Besitzungen nach Cuernavaca zurückzog, um sich mit Landbau zu beschäftigen. Auf diesem Gebiete verdankt man ihm die Einführung des Zuckerrohres und des Maulbeerbaumes, die Anregung zur Cultur des Hanfes und Leinsamens und die in größerem Maßstabe getriebene Zucht des Merinoschafes.

Dieses friedliche Leben ohne jedes Abenteuer konnte jedoch dem unternehmenden Geiste eines Cortez nicht lange genügen. In dem Jahre 1532 und 1533 rüstete er zwei Geschwader aus, welche im Nordosten des Pacifischen Oceans eine Entdeckungsreise unternehmen sollten. Die letzteren gelangten bis zum Südende der Californischen Halbinsel, ohne dasjenige Resultat zu erzielen, auf welches ihr Haupt-Augenmerk gerichtet war, nämlich auf die Entdeckung einer Wasserstraße zwischen dem Atlantischen und Pacifischen Ocean. Nicht mehr Erfolg hatte er selbst im Jahre 1536 im »Purpurmeere« (Busen von Californien). Endlich, drei Jahre später, drang eine letzte Expedition bis zum Grunde des Golfs ein, folgte dann der äußern Küste der Halbinsel und segelte bis zum 29. Grade der Breite hinaus. Von hier aus sandte der Chef der Expedition eines seiner Schiffe an Cortez zurück, während er selbst weiter nach Norden vordrang; man hörte jedoch später kein Wort mehr von ihm.

Das war das unglückliche Ende von Cortez' Expeditionen, die, ohne ihm einen Ducaten einzubringen, einen Kostenaufwand von über 300.000 Goldpesos verursacht hatten. Immerhin verdankt man denselben die Kenntniß der Küste des Pacifischen Oceans von der Bai von Panama bis zum Colorado. Es wurde ferner dabei die californische Halbinsel umschifft und festgestellt, daß die vermeintliche Insel einen Theil des Festlandes bildete. Alle Einbuchtungen des Purpurmeeres, oder der Cortez-See, wie es die Spanier mit Fug und[331] Recht bezeichneten, wurden sorgfältig untersucht, wobei man eben erkannte daß jenes, statt, wie vorausgesetzt, einen Ausgang nach Norden zu haben nur einen tief in den Continent eingeschnittenen Golf darstellte.

Die erwähnten Expeditionen hatte Cortez freilich nicht in's Werk setzen können ohne Conflict mit dem Vicekönig Don Antonio de Mendoza, den der Kaiser mit diesem, für den Marquis della Valle beleidigenden Titel nach Mexico geschickt hatte. Ermüdet von den unaufhörlichen Streitigkeiten und verletzt in seiner Würde, seine Vorrechte als General-Kapitän, wenn auch nicht gänzlich mißachtet, so doch immer wieder angefochten zu sehen, reiste Cortez noch einmal nach Spanien. Freilich sollte diese Fahrt der ersten nicht im mindesten gleichen. Gealtert, thatenmüde und vom Glücke verlassen, wie der »Conquistador« jetzt auftrat, hatte er von der Regierung nichts mehr zu erwarten und sollte das auch nur zu bald gewahr werden. Eines Tages drängte er sich durch die Menge, welche die Sänfte des Kaisers umgab, und stieg auf das Trittbrett derselben. Karl V. stellte sich, als erkenne er ihn nicht wieder, und fragte, wer dieser Mann sei? »Der, antwortete Cortez stolz, der Euch mehr Reiche geschenkt hat, als Eure Väter Euch Städte hinterließen!« Die öffentliche Meinung beschäftigte sich jetzt im Ganzen weniger mit Mexico, das den zuerst überspannten Erwartungen nicht entsprochen hatte, und alle Köpfe waren schon von den an's Wunderbare grenzenden Reichthümern Perus verdreht. Von dem obersten Rathe für Indien ehrenvoll empfangen, setzte Cortez seine Beschwerden vor diesem Tribunal auseinander; die Verhandlungen zogen sich jedoch in die Länge und er konnte keine Genugthuung erlangen. Im Jahre 1541 verlor Cortez, bei Gelegenheit von Karl's V. unglücklichem Zuge gegen Algier, an dem er als Freiwilliger theilnahm, obwohl man seiner abmahnenden Stimme kein Gehör geschenkt hatte, drei künstlich geschnittene Smaragden hervorragender Größe, deren Werth für ein Königreich als Lösegeld hingereicht hätte. Nach der Rückkehr brachte er seine Beschwerden wiederholt an maßgebender Stelle, doch ohne besseren Erfolg an. Solche Ungerechtigkeit und die vielfachen Enttäuschungen bereiteten ihm so bitteren Kummer, daß seine Gesundheit ernstlich darunter litt. Fern von dem Schauplatze seiner Großthaten, starb er am 10. November 1547 in Castilleja de la Cuesta, eben als er sich zur Rückkehr nach Amerika rüstete.

»Er war ein irrender Ritter, sagt Prescott. Unter dem ganzen[332] glorreichen Heere von Abenteurern, das im 16. Jahrhundert von Spanien aus auf Entdeckungen und Eroberungen auszog, war keiner so tief erfüllt von dem Geiste dieser romantischen Unternehmungen wie Fernand Cortez, Der Kampf war seine Lust und er liebte es, seine Aufgaben womöglich von der schwierigsten Seite anzufassen....«

Die Vorliebe für das Romantische könnte den Eroberer von Mexico wohl leicht zu der Rolle eines gewöhnlichen Abenteurers erniedrigen; Cortez war aber sicherlich auch ein weitsichtiger Politiker und großer Anführer, wenn irgend ein Mann nur diesen Namen verdient, der so weitumfassende Unternehmungen allein durch sein Genie ausführte. Die Geschichte kennt kein zweites Beispiel, daß solche Großthaten mit so unzulänglichen Mitteln vollbracht worden wären, und man kann in der That behaupten, daß Cortez Mexico nur mit eigener Hilfe unterjocht hat.

Sein Einfluß auf den Geist der Soldaten gründete sich gewiß auf deren Vertrauen zu seiner Geschicklichkeit, doch wird man auch sein leutseliges Auftreten dabei mit in Anschlag bringen müssen, das ihn mehr als einen Anderen zur Führung einer Bande von Abenteurern geeignet machte. Als er zu hohem Range emporgestiegen, sich mehr Aufwand gestattete, büßten wenigstens seine alten Kriegskameraden ihr vertrauliches Verhältniß zu ihm keineswegs ein. Zur Vollendung dieses Bildes des »Conquistadors« schließen wir uns vollständig dem an, was der ehrenwerthe und wahrheitsliebende Bernal Dias von ihm sagt: »Er gab seinem einfachen Namen Cortez stets den Vorzug vor allen Titeln, die ihm zu Theil wurden, und gewiß hatte er allen Grund dazu, denn der Name Cortez ist noch heute so berühmt wie der Cäsar's bei den Römern oder Hannibal's bei den Karthagern«. Der alte Chronist schließt mit einem Satze, der die religiöse Geistesrichtung des 16. Jahrhunderts recht charakteristisch kennzeichnet: »Vielleicht sollte er, heißt es nämlich an der betreffenden Stelle, seinen Lohn erst in einer besseren Welt empfangen, und das glaube ich gewiß; denn er war ein sehr ehrenwerther Ritter, voll ernstlicher Ergebung gegen die heilige Jungfrau, den Apostel St. Petrus und gegen alle Heiligen«.[333]

Quelle:
Jules Verne: Die Entdeckung der Erde. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band XXIX–XXX, Wien, Pest, Leipzig 1881, S. 298-334.
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