III.

[334] Die Tripelallianz. – Franz Pizarro und seine Brüder. – Don Diego d'Almagro. – Die ersten Versuche. – Peru, seine Ausdehnung, Bevölkerung und seine Könige. – Gefangennahme Atahualpa's, sein Lösegeld und sein Tod. – Peter d'Alvarado. – Almagro in Chili. – Kämpfe zwischen den Eroberern. – Proceß und Hinrichtung Almagro's. – Expeditionen Gonzalo Pizarro's und d'Orellana's. – Ermordung Franz Pizarro's. – Empörung und Hinrichtung seines Bruders Gonzalo.


Kaum gewannen die Berichte Balboa's von den Schätzen der im Süden von Panama gelegenen Länder einige Ausbreitung in Spanien, als auch schon mehrere Expeditionen ausgerüstet wurden, um deren Eroberung zu versuchen. Alle aber scheiterten, entweder weil ihre Führer der übernommenen Aufgabe nicht gewachsen waren, oder wegen Unzulänglichkeit der zu Gebote stehenden Hilfsmittel. Man darf auch nicht vergessen, daß die von den ersten Abenteurern – jenen Pionnieren, wie man sich heute ausdrücken würde – erforschten Länder keineswegs dem entsprachen, was spanische Habsucht von ihnen erwartete. In der That hatten sich alle nach jenen Gebieten begeben, welche man damals das »Festland« nannte, nach jenen sumpfigen, gebirgigen und ungesunden, waldbedeckten Küstenländern, deren zwar verstreute, aber sehr kriegslustige Ureinwohner den Fremden zu den schon von Natur vorhandenen Hindernissen noch manche neue in den Weg legten. So erkaltete nach und nach der frühere Enthusiasmus und man erwähnte der wunderbaren Berichte Balboa's höchstens noch, um sie in's Lächerliche zu ziehen.

In Panama aber befand sich noch ein Mann, der von der Wahrheit der Gerüchte über die Reichthümer der von dem Pacifischen Ocean bespülten Länder genugsam überzeugt war, Francisco Pizarro, ein früherer Begleiter Nuñez de Balboa's im südlichen Meere, der sich nun mit zwei anderen Abenteurern, Diego de Almagro und Fernand de Luque, in Verbindung setzte.

Zuerst einige Worte über die Führer der Unternehmung. Franz Pizarro, geboren in der Nähe von Truxillo zwischen 1471 und 1478, war der natürliche Sohn eines Kapitäns Gonzalo Pizarro, der ihn weiter nichts lernen ließ, als Schweine zu hüten. Bald eines solchen Lebens müde, wurde Pizarro, der sich die Gelegenheit zunutze machte, wegen eines unter seiner Obhut gestandenen Schweines, das sich verlaufen hatte, nicht wieder in das väterliche Haus[334] zurückzukehren, wo er gleich bei dem geringsten Versehen mit Stockschlägen bestraft ward, Soldat, verbrachte mehrere Jahre als Söldner in Italien und folgte Columbus im Jahre 1510 nach Espagnola. Hier diente er ebenso wie auf Cuba mit Auszeichnung und begleitete Hojeda, dessen Günstling er geworden war, nach Darien, bei der Eroberung des unter dem Namen des »Goldenen Castiliens« benannten Gebietes.

War Pizarro ein außereheliches Kind, so war Diego de Almagro ein Findling, der im Jahre 1475 aufgefunden wurde, entweder, wie die Einen sagen, in Aldea del Rey, oder, wie Andere behaupten, in Almagro, von welchem Orte er auch den Namen angenommen haben soll. Mitten unter Soldaten aufgewachsen, gelangte er beizeiten nach Amerika, wo es ihm glückte, ein kleines Vermögen zu erwerben. Fernand de Luque endlich war ein begüterter Weltgeistlicher aus Tabago, der sich in Panama als Schulmeister beschäftigte.

Der jüngste der drei Abenteurer zählte schon mehr als dreißig Jahre und Garcilasso de la Vega berichtet, daß jene, als man ihre Absichten erfuhr, zum Gegenstand des allgemeinen Gelächters wurden; vorzüglich spottete man über Fernando de Luque, der bald den Namen Fernando el Loco, Ferdinand der Narr, erhielt.

Schnell geschlossen war der Bund jener drei Männer, von denen Zwei wenigstens ohne Furcht, wenn auch alle Drei nicht ohne Tadel waren, Luque schoß die nöthigen Geldmittel zur Ausrüstung der Schiffe und zur Besoldung der Soldaten vor; auch Almagro betheiligte sich hierbei; Pizarro freilich, der nichts besaß als seinen Degen, mußte seinen Beitrag auf andere Weise liefern. Er übernahm den Oberbefehl bei dem ersten Zuge, den wir etwas eingehender erzählen wollen, weil jeder Tag für die Ausdauer und unbeugsame Hartnäckigkeit des »Conquistadors« Beweise beibringt.

»Nach eingeholter und erhaltener Erlaubniß Pedro Arias d'Avila's, berichtet Augustin de Zarate, einer der Geschichtsschreiber der Eroberung von Peru, bemannte Franz Pizarro mit ziemlicher Mühe ein Fahrzeug, auf dem er sich mit 114 Mann einschiffte. Fünfzig Meilen von Panama entdeckte er ein kleines und ärmliches Land, Namens Peru, was von der Zeit ab die Ursache zur unrichtigen Benennung der ganzen Küstenstrecke wurde, die man hier in einer Längenausdehnung von 1200 Meilen verfolgte. Weiterhin entdeckte er ein anderes Land, das die Spanier das Gebiet »des Verbrannten[335] Volkes« nannten. Hier tödteten ihm die Indianer so viel Leute, daß er sich gezwungen sah, in größter Unordnung nach Chinchama zurückzufliehen, das von seinem Ausgangspunkte nicht gar zu fern liegt. Inzwischen bemannte der in Panama zurückgebliebene Almagro ein zweites Schiff, auf dem er mit siebzig Spaniern an Bord ging, und fuhr hinab bis zum San Juan-Flusse, gegen hundert Meilen von Panama.


Franz Pizarro. (Facsimile. Alter Kupferstich.)
Franz Pizarro. (Facsimile. Alter Kupferstich.)

Da er Pizarro nicht fand, segelte er bis zum Lande des Verbrannten Volkes, wo er, da ihm mehrere Zeichen verriethen, daß der Gesuchte hier gewesen sei, mit seinen Leuten an's Ufer ging. Die Indianer aber, durch ihren über Pizarro davon getragenen Sieg nur zuversichtlicher gemacht, widersetzten sich herzhaft stürmten die Verschanzung, durch welche Almagro sich zu schützen versuchte und zwangen ihn, wieder zu Schiffe zu gehen.


Die Indianer tödteten so viele Leute... (S. 335.)
Die Indianer tödteten so viele Leute... (S. 335.)

Er kehrte nun, immer dicht an der Küste hinsegelnd, um, bis er nach Chinchama kam, wo er Franz Pizarro antraf. Beide waren über das Wiedersehen sehr erfreut, und da sie ihre Mannschaft jetzt auch durch mehrere neu geworbene Soldaten verstärkenkonnten, fuhren sie noch einmal längs der Küste hinab. Dabei litten sie jedoch so sehr von Mangel an Nahrungsmitteln und den Angriffen der Indianer, daß Don Diego nach Panama zurückging, um daselbst neue Recruten zu werben und Proviant einzukaufen. Er führte auch wirklich weitere achtzig Mann hinzu, mit denen sie nun gleichzeitig mit den ihnen übrig gebliebenen bis zu einem Lande, Namens Catamez kamen, einem nur mäßig bevölkerten Gebiete, wo sie jedoch einen Ueberfluss an Nahrungsmitteln vorfanden. Es fiel ihnen wiederholt auf, daß die Indianer jener Gegenden, die sie so unablässig angriffen, das ganze Gesicht mit goldenen Nägeln verziert hatten, die sie, durch besondere, nur für dieser Zweck gestochene Löcher gesteckt, als Schmuck zu tragen schienen. Noch einmal segelte Diego de Almagro allein nach Panama, während sein Gefährte ihn auf der kleinen Ile du Coq mit Verstärkungen zurückerwartete, wo Letzterer jedoch bitteren Mangel an allem zum Leben Nothwendigen zu erleiden hatte.

Bei seiner Ankunft in Panama konnte Almagro von Los Rios, dem Nachfolger Avila's, nicht die Erlaubniß auswirken, neue Aushebungen vorzunehmen, denn er könne nicht zugeben, sagte jener, daß eine noch größere Menge Leute einem so aussichtslosen Unternehmen geopfert würde; er schickte sogar ein Schiff nach der Ile du Coq, um Pizarro sammt seinen Gefährten heimzuführen. Ein solches Vorgehen fand aber weder Almagro's noch de Luque's Beifall. Hiermit wären ja alle Kosten weggeworfen, alle Hoffnungen, welche der Anblick des Silber- und Goldschmucks der Bewohner von Catamez erregt hatte, mit einem Schlage zunichte gemacht gewesen. Sie sandten also einen Vertrauten an Pizarro ab, um diesem anzuempfehlen, bei seinem Vorhaben zu verharren und sich den Anordnungen des Gouverneurs von Panama nicht zu fügen. Pizarro konnte sich jedoch in den lockendsten Versprechungen erschöpfen., die Erinnerung an so harte Leiden waren noch zu frisch, und alle seine Leute bis auf zwölf ließen ihn im Stich.

Mit diesen unerschrockenen Männern, deren Namen auf uns gekommen sind, und unter denen sich Garcia de Xeres, einer der Geschichtsschreiber der Expedition, befand, zog sich Pizarro nach einer von der Küste etwas entfernt liegenden unbewohnten Insel zurück, der er den Namen Gorgone gab.[338]

Dort fristeten die Spanier ihr Leben mit Magnolien, Fischen und Muschelthieren und warteten fünf Monate lang auf die Hilfe, die Almagro und de Luque ihnen senden sollten.

Endlich sandte Los Rios, besiegt durch den einstimmigen Protest der ganzen Kolonie, welche darüber entrüstet war, Leute, »deren einziger Fehler darin bestand, an ihrem Unternehmen nicht verzweifelt zu haben«, elend und Verbrechern gleich umkommen zu sehen, an Pizarro ein kleines Schiff mit dem Auftrage, ihn abzuholen. Damit dieser aber nicht versucht würde, sich dessen etwa zur Fortsetzung seiner Expedition zu bedienen, trug man dafür Sorge, daß la kein einziger Soldat mit an Bord kam. Beim Erblicken der nahenden Hilfe vergaßen die dreizehn Abenteurer alle Noth und Entbehrung und hatten nichts Eiligeres zu thun, als die zu ihrer Abholung gesendeten Matrosen auch mit ihrer Hoffnung zu erfüllen. Statt nach Panama zurückzukehren, gingen nun Alle trotz Wind und Strömungen nach Südosten unter Segel, bis sie, nach Entdeckung der Insel St. Clara, im Hafen von Tumbez, unter 3 Grad südlicher Breite anlangten, wo sie einen prächtigen Tempel und einen Palast, ein Besitzthum der Könige des Landes, der Inkas, antrafen.

Die Umgegend schien bevölkert und gut angebaut; was die Spanier aber am meisten entzückte und in dem Glauben bestärkte, daß sie jetzt das früher so oft erwähnte Wunderland gefunden hätten, das war der große Ueberfluß an Gold und Silber, welche beide Metalle nicht blos zum Putz und Geschmeide der Eingebornen, sondern auch zu Gegenständen des täglichen Gebrauches verarbeitet waren.

Pizarro ließ das Innere des Landes durch Pietro de Cantia und Alonzo de Molina in Augenschein neh men, die ihm von demselben eine wahrhaft enthusiastische Beschreibung lieferten, worauf er sich sowohl einige goldene Gefäße als auch mehrere der von den Peruanern als Hausthiere gehaltenen Lamas verschaffte. Endlich nahm er zwei Eingeborne an Bord auf, die er in der spanischen Sprache unterrichten und als Dolmetscher gebrauchen wollte, wenn er später in das Land zurückkam. Er ankerte darauf nach und nach in Payta, Saugarata und in der Bai von Santa-Cruz, deren Herrscherin, Capillana, die Fremden mit solcher Freundlichkeit empfing, daß mehrere derselben sich gar nicht wieder einschiffen wollten. Nachdem er die Küste bis Porto-Santo hinabgesegelt, steuerte Pizarro wieder auf Panama zu, wo er[339] nach dreijährigen, gefahrvollen Irrfahrten, welche de Luque und Almagro völlig ruinirt hatten, glücklich wieder ankam.

Bevor er nun die Eroberung des von ihm entdeckten Gebietes versuchte, entschloß sich Pizarro, da er die Erlaubniß, neue Abenteurer anzuwerben, von Los Rios nicht erhalten hatte, direct an Karl V. zu gehen. Er lieh sich das nöthige Reisegeld und fuhr im Jahre 1528 nach Spanien, um daselbst dem Kaiser von seinen Unternehmungen Bericht zu erstatten. Von den zu erobernden Ländern entwarf er ein reizendes Bild und erhielt als Lohn seiner Bestrebungen die Titel des Gouverneurs, General-Kapitäns und Alguazilmajor von Peru für sich und seine Nachkommen. Gleichzeitig erhob der Kaiser ihn in den Adelsstand mit einer Pension von tausend Thalern. Seine, von dem Gouverneur von Panama unabhängige Jurisdiction sollte sich auf eine Entfernung von zweihundert Meilen südlich des Santiago-Stromes, längs der Küste, für die man den Namen Neu-Castilien wählte und deren Gouvernement ihm zugesprochen wurde, erstrecken, eine Concession, welche Spanien ja nichts kostete, da es ihm zukam, sich deren Genuß zu erwerben. Er seinerseits verpflichtete sich, zweihundertfünfzig Mann anzuwerben und sich mit Schiffen, Waffen und Munition zu versehen. Pizarro begab sich sofort nach Truxillo, wo er seine Brüder, Fernand, Joan und Gonzalo, bestimmte, ihm zu folgen, ebenso wie einen seiner Brüder aus der anderen Ehe, Namens Martin d'Alcantara. Er benutzte den Aufenthalt in seiner Vaterstadt, in Caceres und ganz Estremadura, um sich Recruten zu verschaffen, welche doch nicht in Menge herzuliefen, trotz des Titels Caballeros de la Espada dorata, den er Denen versprach, welche unter ihm Dienste nehmen würden. Dann kam er nach Panama zurück, wo doch nicht Alles so leicht abging, wie er gehofft hatte. Es gelang ihm zwar, de Luque zum Bischof protector de los Indios ernennen zu lassen; für Almagro aber, dessen Ehrgeiz er fürchtete und dessen Talente er kannte, begnügte er sich, die Erhebung in den Adelsstand und nebst dem Befehle über eine in Turbez zu errichtende Festung eine Gratification von fünfhundert Ducaten zu erlangen. Almagro, der für frühere Expeditionen sein gesammtes Vermögen geopfert hatte, zeigte sich über den ihm zufallenden mageren Antheil nicht zufrieden, lehnte es ab, sich an der neuen Expedition zu betheiligen, und wollte eine solche auf eigene Rechnung ausrüsten.

Es bedurfte der ganzen Gewandtheit Pizarro's und des Versprechens,[340] ihm das Amt eines »Adelantado« zu überweisen, um ihn umzustimmen und die alte Verbindung noch einmal zu erneuern.

Die Hilfsquellen der drei Verbündeten waren eben jetzt so erschöpft, daß sie nur drei kleine Fahrzeuge und 180 Soldaten, darunter 36 Reiter zusammenbringen konnten, welche im Monat Februar 1531 unter dem Befehle Pizarro's und seiner vier Brüder absegelten, während Almagro in Panama blieb, um noch eine Expedition zu organisiren. Nach dreizehntägiger Seefahrt und nachdem sie durch einen Orkan um hundert Meilen über ihr Ziel hinaus verschlagen worden waren, sah sich Pizarro genöthigt, seine Mannschaften und Pferde in der Bai San Mater auszuschiffen und der Küste nachzugehen. Dieser Marsch ward sehr schwierig in einem bergerfüllten, wenig bevölkerten und von Flüssen durchschnittenen Lande, welch' letztere man alle nahe ihrer Mündung überschreiten mußte; endlich erreichte man eine Ortschaft Namens Coagui, welche eine so reiche Beute lieferte, daß Pizarro zwei seiner Fahrzeuge damit belud und diese im voraus zurücksendete. Sie nahmen nach Panama und Nicaragua eine Summe von 30.000 Castellanos, sowie eine große Menge Smaragden mit, ein Ergebniß, von dem Pizarro hoffte, daß es ihm viele neue Abenteurer zuführen müsse.

Weiter setzte der Eroberer seinen Marsch nach Süden bis Porto Virjo fort und traf Sebastian Benalcazar nebst Juan Fernandez, die ihm zwölf Reiter und dreißig Fußsoldaten zuführten. Die Wirkung des Anblickes der Pferde und der Detonationen der Feuerwaffen wiederholte sich in Peru in ganz gleicher Weise wie in Mexico, und es gelang Pizarro, ohne Widerstand zu finden, bis zur Insel Puna im Golfe von Guyaquil vorzudringen. Die Bewohner derselben aber, an Zahl und Kriegsgewandtheit ihren Nachbarn vom Festlande weit überlegen, trotzten sechs Monate lang allen Angriffen der Spanier. Obwohl Pizarro von Nicaragua eine durch Fernand de Soto zugeführte Verstärkung erhielt, und obwohl er den Caziken Tonallo und sechzehn andere Anführer hatte hinrichten lassen, so gelang es ihm doch nicht, ihren Widerstand zu besiegen. Er sah sich also zur Rückkehr nach dem Continente gezwungen, wo seine Leute so heftig von Krankheiten befallen wurden, daß er, den unablässigen Neckereien der Eingebornen ausgesetzt, drei Monate lang in Tumbez ausharren mußte. Von hier aus begab er sich nach dem Rio Puira, entdeckte den Hafen von Payta, den besten der ganzen Küste, und gründete an der Mündung des Chilo die Kolonie[341] San-Miguel, um den von Panama kommenden Schiffen einen sicheren Zufluchtsort zu bieten. Hier empfing er auch Abgesandte von Huascar, der ihm von der Empörung seines Bruders Atahualpa Nachricht gab und seine Unterstützung erbat.

Zur Zeit als die Spanier landeten, grenzte Peru an den Pacifischen Ocean in einer Länge von 1500 Meilen und erstreckte sich bis über die imposante Kette der Anden in das Innere des Continentes hinein. Ursprünglich zerfiel die Bevölkerung in mehrere wilde und barbarische Stämme, ohne jeden Begriff von Civilisation, welche fortwährend mit einander im Kriege lagen. Eine lange Reihe von Jahrhunderten hindurch war dieser Zustand der Dinge der nämliche geblieben und noch kein Anzeichen für den Anbruch einer neuen Aera vorhanden, als den Indianern am Ufer des Titicaca ein Mann und eine Frau erschienen, welche sich rühmten, Kinder der Sonne zu sein. Diese beiden Personen von majestätischer Gestalt, mit Namen Manco-Capac und Mama-Oello, vereinigten, nach Garcilasso de la Vega, gegen Ende des 12. Jahrhunderts eine Anzahl der unstet umherschweifenden Stämme und legten den Grund zu der Stadt Cusco. Manco-Capac unterrichtete die Männer im Ackerbau und mechanischen Künsten, während Mama-Oello, die Frauen nähen und sticken lehrte. Als er diesen ersten Grundlagen gesellschaftlichen Beisammenseins genügt, gab Manco-Capac seinen Unterthanen Gesetze und errichtete ein regelrecht geordnetes Staatswesen. Auf diese Weise entstand die Herrschaft der Inkas oder Oberherren von Peru. Das zuerst nur auf die Umgebungen von Cusco beschränkte Reich vergrößerte sich bald unter ihren Nachfolgern und breitete sich vom Wendekreis des Steinbockes bis zu den Perleninseln in einer Länge von dreißig Graden aus. Ihre Macht war nach und nach eben so absolut geworden, wie die der früheren asiatischen Souveräne. »Es gab auch, sagt Zarate, nirgends in der Welt ein Land, wo der Gehorsam und die Unterwürfigkeit größer gewesen wären. Die Inkas erschienen in den Augen ihrer Unterthanen wie Halbgötter; sie hatten nur nöthig, aus ihrem königlichen Stirnbande einen Faden zu ziehen und denselben Jemand zu übergeben, um jenem unbedingten Gehorsam zu verschaffen, so als ob dessen Befehle von dem Könige selbst ausgingen und er wirklich eine ganze Provinz seinem Willen ohne jede andere Unterstützung unterordnen, oder Männer und Frauen beliebig hinrichten lassen konnte, weil sich Alle beim Anblick jenes Fadens vom Könige, freiwillig und ohne Widerstand dem Tode opferten.«[342]

Alte Chronisten erzählen allerdings, daß die Inkas diese ihre unbegrenzte Macht stets nur zum Wohle der Landeskinder benutzt hätten. Unter einer Reihe von zwölf aufeinander auf dem Throne Perus folgenden Fürsten hat Keiner ein anderes Andenken hinterlassen als das eines weisen und von seinem Volke geliebten Herrschers. Würde man in der übrigen Welt nicht vergeblich nach einem Lande suchen, dessen Geschichte ein so ungetrübt reines Bild lieferte? Ist es nicht zu beklagen, daß die Spanier den Krieg und seine Schrecken, die Krankheiten und Laster eines anderen Klimas und das, was sie in ihrem Stolze Civilisation nannten, diesen glücklichen und reichen Völkerschaften brachten, deren verarmte und entartete Nachkommen nicht einmal die Erinnerung ihres früheren Wohlstandes als Trost in dem jetzigen jammervollen Zustand besitzen?

»Die Peruaner, sagt Michelet in seinem bewunderswerthen Précis d'histoire moderne, überlieferten die Kenntnisse der wichtigsten Vorkommnisse der Nachwelt durch Knoten, welche sie in Stricke knüpften. Sie besaßen Obelisken, regelrechte Sonnenuhren, um die Zeit der Aequinoctien und Solistitien zu bezeichnen. Ihr Jahr zählte 365 Tage, sie hatten wahrhafte Wunderwerke der Baukunst errichtet, Bildsäulen mit überraschender Kunstfertigkeit gemeißelt und repräsentirten überhaupt die gebildetste und gewerbfleißigste Nation der Neuen Welt.«

Der Inka Huayna-Capac, der Vater Atahualpa's, unter dem dieses große Reich zertrümmert wurde, hatte dasselbe bedeutend erweitert und verschönert. Dieser Inka, der das ganze Gebiet von Quito eroberte, hatte mit Hilfe seiner Soldaten und der besiegten Völker von Cusco bis Quito durch Ausfüllung von Abgründen und Abtragung von Hügeln und Bergen eine fünfhundert Meilen lange Heerstraße erbauen lassen. Von einer halben Meile zur anderen standen hier Boten als Relais, welche die Befehle des Monarchen durch das ganze Land verbreiteten.

So weit war das Volk also in der Cultur vorgeschritten; will man aber über die Prachtliebe und den Reichthum der Fürsten urtheilen, so genügt es, zu wissen, daß der König bei seinen Reisen auf einem goldenen Throne im Gewicht von fünfundzwanzigtausend Ducaten getragen wurde. Die goldene Bahre, auf der sich der Thron selbst befand, lag dabei auf den Schultern der ersten Personen des Reiches.

Zur Zeit als die Spanier, im Jahre 1526, zum ersten Male an der[343] Küste Perus erschienen, hatte der zwölfte Inka, mit Verletzung der alten Landesgesetze, eben eine Tochter des besiegten Königs von Quito geheiratet und besaß von dieser einen Sohn, Namens Atahualpa, dem er bei seinem 1529 erfolgten Tode dieses Königreich hinterließ.


Pizarro empfangen durch Karl V. (S. 340.)
Pizarro empfangen durch Karl V. (S. 340.)

Sein älterer Sohn, Huascar, dessen Mutter dem Stamme der Inkas angehörte, erhielt den Rest seiner Staaten. Eine solche, gegen die seit undenklichen Zeiten gepflogenen Gewohnheiten verstoßende Theilung aber erregte in Cusco eine solche Unzufriedenheit, daß der von seinen Unterthanen angetriebene Huascar sich entschloß, gegen seinen Bruder zu marschiren, der ihn als seinen Herrn und Meister nicht anerkennen wollte;


Gefangennahme Atahualpa's. (Facsimile. Alter Kupferstich.) (S. 349.)
Gefangennahme Atahualpa's. (Facsimile. Alter Kupferstich.) (S. 349.)

jedenfalls hatte Atahualpa schon genug von königlicher Macht gekostet, um sie nicht ohne Weiteres aufgeben zu können. Er brachte durch Freigebigkeit die meisten Krieger, die seinem Vater bei der Eroberung[344] von[345] Quito gedient hatten, auf seine Seite, und als die beiden Heere zusammenstießen, begünstigte das Schicksal den Usurpator.

Erscheint es nicht auffallend, daß das Auftreten der Spanier sowohl in Mexico wie hier in Peru unter wirklich ganz ausnahmsweise günstigen Umständen stattfand? In Mexico empfingen sie die erst neuerdings den Azteken unterworfenen Stämme, welche von den Siegern ohne Gnade bedrückt wurden, als willkommene Befreier; in Peru hinderte der Streit zweier feindlicher, gegen einander erbitterten Brüder die Indianer, alle ihre Kräfte gegen die Eindringlinge zu verwenden, die sie sonst leicht zermalmt hätten!

Als Pizarro die Abgesandten Huascar's empfing, die ihn um Hilfe angingen gegen dessen als Rebellen und Usurpator angesehenen Bruder, begriff er sofort, welchen Vortheil er aus diesen Umständen ziehen könne. Er rechnete darauf, daß er durch Unterstützung des Einen derselben, später desto leichter alle Beide unterdrücken werde. Er drang also ohne Aufschub mit beträchtlichen Streitkräften in das Innere des Landes ein, wobei er zweiundsechzig Reiter und hundertzwanzig Fußsoldaten, von denen freilich nur zwanzig mit Arquebusen und Musketen bewaffnet waren, mit sich nahm, da ein Theil der Truppen zur Bewachung von San Miguel zurückbleiben mußte, wo Pizarro im Falle eines Mißerfolges Zuflucht zu finden hoffte, und wo auf jeden Fall die Verstärkungen, welche er erwartete, sollten an's Land gehen können.

Pizarro begab sich nach Caxamalca, einer kleinen, zwanzig Tagemärsche von der Küste gelegenen Stadt. Er mußte dabei durch eine baum- und wasserlose Wüste voll brennenden Sandes ziehen, die sich in einer Länge von zwanzig Meilen bis zur Provinz Matupe erstreckte und wo der geringste feindliche Ueberfall, in Anbetracht der harten Entbehrungen dieser handvoll Soldaten hingereicht hätte, der ganzen Expedition ein Ende zu machen. Dann drang er in die Berge ein und wagte sich in die beschränktesten Engpässe, wo ihn auch schwache feindliche Kräfte aufzureiben im Stande gewesen wären. Während des Marsches erreichte ihn ein Gesandter Atahualpa's, der als Geschenk gemalte Schuhe und eine goldene Halskrause mitbrachte, welche er bei dem nächsten Zusammentreffen mit dem Inka tragen sollte. Natürlich war Pizarro mit den Versprechungen von Freundschaft und Ergebenheit nicht sparsam. Er erklärte dem indischen Gesandten, daß er nur den Anordnungen des Königs, seines Herrn und Meisters nachkommen und Leben und Eigenthum[346] der Einwohner schonen werde. Gleich nach seiner Ankunft in Caxamalca quartierte Pizarro seine Soldaten kluger Weise in einem Tempel und Palaste des Inkas ein, wo sie vor jeder Ueberrumpelung gesichert waren. Dann sandte er einen seiner Brüder mit de Soto und etwa zwanzig Reitern nach dem nur eine Meile entfernten Lager Atahualpa's, um ihm sein Eintreffen anzumelden. Die mit allen Ehren empfangenen Soldaten konnten nicht genug erstaunen über die Menge von Zieraten, goldenen und silbernen Gefäßen, die sie im indianischen Lager zu Gesicht bekamen. Sie kehrten mit dem Versprechen zurück, daß Atahualpa am nächsten Tage Pizarro einen Besuch abstatten und ihn in seinem Reiche willkommen heißen werde. Gleichzeitig erzählten sie von den ungeheuren Reichthümern, die sie gesehen, was Pizarro nur noch mehr in seinem Projecte bestärkte, sich des unglücklichen Atahualpa und seiner Schätze durch Verrath zu bemächtigen.

Mehrere spanische Autoren verdrehen offenbar die ihnen allzu häßlichen Thatsachen und suchen die Schuld des Verrathes auf Atahualpa abzuwälzen. Die Jetztzeit aber besitzt hinlängliche Zeugnisse, um mit Robertson und Prescott die ganze Perfidie Pizarro's zu durchschauen. Für Letzteren war es natürlich hochwichtig, den Inka in seiner Gewalt zu haben und sich seiner als willenloses Werkzeug zu bedienen, ebenso wie Cortez früher mit Montezuma verfuhr. Er benutzte also die Einfalt und Ehrenhaftigkeit Atahualpa's, der seinen Freundschaftsversicherungen unbegrenzten Glauben schenkte und nicht im Geringsten auf seiner Hut war, um einen Hinterhalt zu legen, in den jener nothwendig fallen mußte. Mit einem Wort, kein Skrupel beschwerte das Gewissen des verrätherischen Eroberers, er bewahrte sein kaltes Blut, als ob es gelte, dem Todfeind eine Schlacht zu liefern, und doch wird dieser abscheuliche Verrath eine ewige Schande seines Namens bilden.

Pizarro theilte seine Reiter in drei kleinere Abtheilungen, während er die Infanterie zu einem Haufen zusammenzog, die Arquebüsiere neben dem Wege verbarg, den der Inka einschlagen mußte, und er in seiner Nähe aber zwanzig der verwegensten Leute behielt.

Atahualpa, der den Fremdlingen eine hohe Meinung von seiner Macht beizubringen wünschte, kam mit seiner ganzen Armee dahergezogen. Er selbst ward auf einer Art blumengeschmückten, mit Gold- und Silberplatten belegten und mit kostbaren Steinen verzierten Bette getragen; umringt von Gauklern und Tänzern, erschien er begleitet von seinem vornehmsten Gefolge; auch diese[347] Herren ruhten in Sesseln auf den Schultern ihrer Diener. Ein solcher Zug glich natürlich mehr einer Procession als dem Marsche eines Heeres.

Sobald der Inka im Quartiere der Spanier angelangt war, trat, nach Robertson, der Pater Vincent Valverda, der Almosenier der Expedition, der später für seine geleisteten Dienste den Titel eines Bischofs erhielt, mit dem Crucifix in der einen und dem Brevier in der anderen Hand vor. Mit unendlichem Redeschwall erklärte er dem Monarchen die Schöpfungsgeschichte, den Sündenfall des ersten Menschen, die Menschwerdung, die Leiden und Wiederaufstehung Jesu Christi, ferner wie Gott St. Peter zu seinem Stellvertreter auf Erden erwählt und dieser seine Macht den Päpsten übertragen, und endlich, daß Papst Alexander dem Könige von Castilien alle Länder der Neuen Welt geschenkt habe; nach Entwicklung dieser Sätze ermahnte er Atahualpa, die christliche Religion anzunehmen, die Oberherrschaft des Papstes anzuerkennen und sich dem Könige von Castilien als seinem legitimen Herrscher zu unterwerfen. Bei sofortiger Zustimmung versprach ihm Valverda, daß der König, sein Herr, Peru unter seinen Schutz nehmen und ihm gestatten werde, daselbst auch ferner zu regieren; er erkläre ihm aber hiermit den Krieg und drohe ihm mit fürchterlicher Rache, wenn er den Gehorsam verweigere und noch länger in seiner Gottlosigkeit verharre.

Gewiß war das mindestens ein sonderbarer Empfang und eine merkwürdige Zumuthung, die auf Verhältnisse Bezug nahm, von welchen die Peruaner nicht ein Sterbenswörtchen wußten und von deren Wahrheit sie auch ein geschickterer Redner als Valverda nicht hätte überzeugen können. Rechnet man hierzu noch, daß der Dolmetscher die spanische Sprache so schlecht verstand, daß es ihm unmöglich sein mochte, zu übersetzen, was er selbst nur zur Hälfte begriff, und daß es der peruanischen Sprache an Worten fehlte, solche ihrem Geiste fremde Begriffe auszudrücken, so wird man sich nicht darüber wundern, daß Atahualpa von der langen Rede des spanischen Mönches so gut wie nichts verstand; nur einzelne Phrasen, die seine Machtvollkommenheit betrafen, schienen ihn zu verwundern und zu erregen. Trotzdem antwortete er in sehr gemäßigtem Tone. Er sagte ungefähr, daß er es als erbangesessener Herrscher seines Reiches nicht begreife, wie man über dasselbe ohne seine Zustimmung verfügen könne; bemerkte auch, daß er keineswegs gewillt sei, die Religion seiner Väter abzuschwören, um dafür eine andere anzunehmen, von der er heute zum ersten Male reden höre; von den anderen[348] erwähnten Punkten verstehe er nichts, das wären für ihn ganz neue Sachen, und er sei begierig zu erfahren, woher Valverda solch' wunderbare Dinge wisse. – »Aus diesem Buche!« antwortete Valverde unter Vorzeigung des Breviers. Atahualpa ergriff dasselbe hastig, blätterte neugierig darin herum und hielt es zuletzt an das Ohr. »Was Ihr mir da zeigt, sagte er, spricht nicht zu mir und sagt mir nichts!« Darauf warf er das Buch zur Erde.

Das war das Signal zum Angriffe oder vielmehr zum Blutbad. Die Kanonen und Musketen eröffneten das Feuer, die Reiter stürmten vor und die Fußsoldaten warfen sich mit den Säbeln in der Faust auf die erschrockenen Peruaner In wenig Minuten schon herrschte eine namenlose Verwirrung. Die Indianer flohen nach allen Seiten, ohne an eine Vertheidigung zu denken.

Auf Atahualpa, den seine ersten Anführer mit sich wegzuziehen suchten, indem sie sich bemühten, ihn mit eigenem Leibe zu decken, stürzte sich Pizarro selbst, zerstreute oder durchbohrte seine Beschützer, erfaßte ihn an dem langen Haupthaare und riß ihn von der Tragbahre herab. Erst die Nacht machte dem Morden ein Ende. Viertausend Indianer waren getödtet, eine noch größere Anzahl verwundet und dreitausend gefangen worden. Daß es sich hierbei nicht um ein eigentliches Gefecht handelte, wird dadurch bis zur Evidenz bewiesen, daß von allen Spaniern nur Pizarro allein eine kleine Wunde davontrug, die ihm noch dazu von einem seiner eigenen Soldaten aus Unvorsichtigkeit beigebracht wurde, als dieser sich gar zu hastig auf den Inka stürzte.

Die von den Gefallenen und dem indianischen Lager zusammengestohlene Beute übertraf Alles, was die Spanier jemals erwartet hatten. Ihr Enthusiasmus entsprach auch der Menge dieser lockenden Schätze.

Zuerst ertrug Atahualpa seine Gefangenschaft mit Ergebung, da ihn Pizarro, wenigstens mit Worten, immer zu besänftigen suchte. Da er sich aber sehr bald darüber klar wurde, wie groß die Habgier seiner Kerkermeister sei, schlug er Pizarro vor, ihm ein Lösegeld zu zahlen und ein Zimmer von zweiundzwanzig Fuß Länge und sechzehn Fuß Breite bis zu der Höhe, die er mit der Hand erreichen könne, mit goldenen Gefäßen, Geräthen und Geschmeiden anzufüllen. Pizarro gab eiligst seine Zustimmung und der gefangene Inka erließ sofort nach allen Provinzen seine Befehle, welche schnell und ohne Murren ausgeführt wurden. Noch mehr; die indianischen Truppen[349] wurden verabschiedet und Pizarro konnte Soto nebst fünf Spaniern nach Cusco, einer über zweihundert Meilen von Caxamalca gelegenen Stadt entsenden, während er selbst das Land im Umkreise von hundert Meilen unterjochte.

Inzwischen landete Almagro mit zweihundert Soldaten. Man legte für ihn und seine Leute – mit welchem Bedauern ist wohl leicht zu begreifen – 100.000 Pesos zurück; der für den König bestimmte fünfte Theil ward ebenfalls abgezogen und nun verblieben noch 1,258.500 Pesos zur Vertheilung an Pizarro und seine Leute. Dieses Ergebniß der Plünderung und des Blutbades ward am Tage des heiligen Jakob, des Schutzpatrons von Spanien, nach frommer, inbrünstiger Anrufung des Himmels, feierlich unter die Berechtigten vertheilt. Welch' beklagenswerthe Mischung von gläubiger Frömmigkeit und Entweihung, und wie häufig begegnet man ihr in jener Zeit des Aberglaubens und der brennenden Habgier!

Jeder Reiter erhielt für seinen Theil 8000 Pesos, jeder Fußsoldat 4000, d. h. eine Summe von etwa 32.000, resp. 16.000 Mark. Das war doch dazu angethan, nach einem weder lange dauernden, noch besonders anstrengenden Feldzuge auch die Anspruchsvollsten zu befriedigen. Jetzt beeilten sich aber auch viele dieser Abenteurer, in dem Wunsche, das unverhoffte Glück in Frieden und im Vaterlande zu genießen, um ihren Abschied einzukommen. Pizarro bewilligte ihnen denselben ohne Schwierigkeiten, denn er sagte sich, daß die Nachricht von ihrem so schnell erworbenen Vermögen, ihm bald neue Recruten zuführen werde. Mit seinem Bruder Fernand, der nach Spanien ging, um dem Kaiser von diesem Triumphzug Bericht zu erstatten und ihm prächtige Geschenke zu überbringen, reisten sechzig Spanier zwar schwer an Silber, aber leicht an Gewissensbissen ab.

Nach Erlegung des Lösegeldes verlangte Atahualpa seine Freilassung. Pizarro, der ihm das Leben nur geschenkt hatte, um sich selbst mit der Autorität und dem Einflusse zu decken, den der Kaiser noch bei seinen Unterthanen genoß, um auf diese Weise alle Reichthümer Perus an sich zu reißen, ward von dem Gefangenen bald mit Reclamationen bestürmt. Er hegte seit letzter Zeit gegen ihn auch den Verdacht, daß jener in den entlegenen Provinzen des Reiches heimlich Truppen ausheben lasse. Da Atahualpa bemerkte, daß Pizarro über die thatsächlichen Verhältnisse nicht im Geringsten besser unterrichtet war als der niedrigste seiner Söldner, erwuchs in ihm[350] allmälich eine gewisse Verachtung gegen den Gouverneur, die er zu seinem Unglück nicht einmal zu verheimlichen wußte. Solcher Art waren die sehr nichtigen Gründe – um keinen schlimmeren Ausdruck zu gebrauchen – welche Pizarro bestimmten, dem Inka den Proceß machen zu lassen.

Es giebt kaum etwas Widerlicheres als dieser Proceß, in dem Pizarro und Almagro gleichzeitig Richter und Partei waren. Von den erhobenen Anschuldigungen sind die einen so lächerlich, die anderen so unsinnig, daß man wahrlich nicht weiß, ob man mehr über die Frechheit oder über die schreiende Ungerechtigkeit Pizarro's erstaunen soll, der auf solche Grundlagen hin den Herrscher eines mächtigen Reiches verurtheilte, über das ihm nicht die geringste Jurisdiction zustand. Indeß, Atahualpa wurde für schuldig befunden und verurtheilt, lebendig verbrannt zu werden. Da er sich aber zuletzt, nur um seinen Peiniger Valverda loszuwerden, noch hatte taufen lassen, begnügte man sich damit, ihn zu erdrosseln. Ein würdiges Seitenstück zu Guatimozins Hinrichtung! Wahrlich, eine der abscheulichsten und entsetzlichen Gräuelthaten der Spanier in Amerika, wo diese sich übrigens durch mehrere ähnliche Verbrechen besudelt haben!

Immerhin befanden sich unter dieser Rotte von Abenteurern doch noch einige Männer, welche das Gefühl für Ehre und ihre eigene Würde nicht ganz verloren hatten. Sie protestirten lebhaft im Namen der unwürdig entstellten Gerechtigkeit; ihre edelmüthige Stimme wurde jedoch durch die eigennützigen Redereien Pizarro's und seiner gottlosen Helfershelfer erstickt.

Der Gouverneur übertrug nun einem Sohne Atahualpa's unter dem Namen Paul Inka die königliche Würde. Der Krieg zwischen den beiden Brüdern aber und die seit Ankunft der Spanier vorgekommenen Ereignisse hatten die Bande, welche die Peruaner sonst mit ihrem Könige verknüpften, merklich gelockert, und der junge Mann, der ebenfalls bald einen schmählichen Tod finden sollte, genoß kaum mehr Ansehen als Manco-Capac, der Sohn Huascar's, der von den Bewohnern Cuscos auf den Thron erhoben wurde. Bald versuchten nun auch mehrere Große des Landes, sich aus dem Peruanischen Reiche eigene unabhängige Herrschaften auszuscheiden, so z.B. Ruminagui, der Commandant von Quito, der den Bruder und die Kinder Atahualpa's umbringen ließ und sich für unabhängig erklärte.

Ueberall herrschte Uneinigkeit im peruanischen Lager. Die Spanier beschlossen, sich dieselbe zunutze zu machen. Pizarro marschirte jetzt eiligst nach Cusco;


Erdrosselung Atahualpa's. (S. 351.)
Erdrosselung Atahualpa's. (S. 351.)

daß er es nicht schon früher gethan, lag nur in dem Mangel hinreichender Streitkräfte. Jetzt, da eine Menge von den nach Panama gebrachten Schätzen verlockte Abenteurer um die Wette nach Peru strömte,[351] wo er fünfhundert Mann unter seiner Fahne sammeln konnte, und noch unter dem Befehle Benalcazar's eine starke Garnison in San-Miguel zurückließ, fiel für Pizarro jeder Grund für weiteres Zaudern hinweg.


Pizarro und Almagro schwuren auf die geweihte Hostie. (S. 355.)
Pizarro und Almagro schwuren auf die geweihte Hostie. (S. 355.)

Unterwegs wurden mehreren größeren Heerhaufen einige Gefechte geliefert; diese endeten jedoch wie ge[352] wöhnlich mit einem sehr großen Verluste der Eingebornen und einem ganz geringfügigen der Spanier. Als diese in Cusco einzogen und von der Stadt Besitz nahmen, erstaunten sie sehr über die geringe Menge von Gold und Edelsteinen, die sie hier fanden, obgleich sie den Werth des Lösegeldes Atahualpa's weit überstieg. Entweder hatten sie sich nun schon[353] mit den Reichthümern des Landes zu sehr vertraut gemacht, oder es waren ihrer zu Viele zur Theilung.

Während dieser Zeit benutzte Benalcazar, der seiner Unthätigkeit müde war, eine von Nicaragua und Panama angelangte Verstärkung, um sich nach Quito zu begeben, wo Atahualpa nach Aussage der Peruaner den größten Theil seiner Schätze zurückgelassen haben sollte. Er stellte sich an die Spitze von achtzig Reitern und hundertundzwanzig Fußsoldaten, schlug wiederholt Ruminagui, der ihm den Weg zu verlegen suchte, und konnte, Dank seiner Klugheit und Gewandtheit, als Sieger in Quito einziehen; er fand aber da nicht, was er suchte, d. h. keine von Atahualpa herrührenden Schätze.

Ungefähr gleichzeitig gab sich Pierre d'Alvarado, der sich schon unter Cortez besonders ausgezeichnet hatte und als Lohn für seine Dienste zum Gouverneur von Guatemala ernannt worden war, den Anschein zu glauben, daß Quito nicht mehr unter dem Befehle Pizarro's stehe, und organisirte eine Expedition von fünfhundert Mann, von denen hundertzwanzig als Reiter dienten. Nach seiner Landung in Porto-Viego wollte er ohne Führer durch einen Zug längs des Guyaquil und über die Andenkette nach Quito gelangen. Gerade dieser Weg war zu jener Zeit einer der schlechtesten und gefährlichsten, den man nur wählen konnte. Vor der Ankunft auf der Ebene von Quito, nach entsetzlichen Qualen durch Hunger und Durst, von der glühenden Asche des Chimborasso, eines Vulkans in der Nachbarschaft von Quito, und den Schneestürmen, die sie überfielen, ganz zu schweigen, war der fünfte Theil der Abenteurer und die Hälfte der Pferde zu Grunde gegangen; der Rest fühlte sich gänzlich entmuthigt und unfähig, einen Angriff aufzunehmen. Zu ihrem größten Erstaunen und gleichzeitig mit einem gewissen Gefühle von Unruhe sahen sich da Alvarado's Leute plötzlich, nicht wie sie erwarteten, einem Heere Indianer, sondern einem spanischen Corps unter Führung Almagro's gegenüber. Die Letzteren machten sich schon fertig, auf jene Feuer zu geben, als einige gemäßigtere Officiere eine Vereinbarung zu Stande brachten, laut welcher Alvarado gestattet wurde, sich in sein Gouvernement zurückzuziehen, nachdem er auf seinen Zug nicht weniger als 100.000 Pesos verwendet hatte.

Während diese Ereignisse sich in Peru abspielten, segelte Fernand Pizarro nach Spanien, wo ihm die große Menge Gold, Silber und Edelsteine, die er mitbrachte, ohne Zweifel einen ausgezeichneten Empfang sichern[354] mußten. Er erwirkte für seinen Bruder Franz die Bestätigung seiner Vollmacht als Gouverneur mit sehr erweiterten Machtbefugnissen; er selbst ward zum Ritter des heiligen Jakob ernannt; Almagro wurde in seinem Titel als »adelantado« bestätigt und seine Herrschaft auf einen Raum von zweihundert Meilen festgesetzt, ohne daß man diesen eine bestimmte Grenze gab, wodurch weitere Verschiedenheit der Anschauung Thür und Thor offen gelassen wurde.

Fernand Pizarro war noch nicht nach Peru zurück, als Almagro auf die Nachricht hin, daß ihm ein besonderes Gouvernement zugesprochen worden sei, das Verlangen stellte, Cusco ihm unterzuordnen, und auch schon Vorbereitungen traf, dasselbe für sich zu erobern. Johann und Gonzalo spürten aber nicht die geringste Lust, sich jenes entreißen zu lassen. Schon stand man auf dem Punkte, handgemein zu werden, als Franz Pizarro, den man häufig den »Marquis« oder auch den Großen Marquis nannte, in seiner Hauptstadt eintraf.

Niemals hatte Almagro diesem seine Hinterlist und Doppelzüngigkeit in den Verhandlungen mit Kaiser Karl V. und den Eigennutz vergeben können, mit dem er sich auf Kosten seiner Verbündeten die größte Autorität und das ausgedehnteste Gouvernement hatte zutheilen lassen. Da er aber zu vielfachem Widerspruch gegen seine Absichten begegnete und sich selbst nicht besonders stark fühlte, so verheimlichte er seine Unzufriedenheit, machte gute Miene zum bösen Spiele und stellte sich höchst erfreut über eine Wiederannäherung zwischen ihm und Pizarro.

»Sie erneuerten also, sagt Zarate, ihre frühere Gesellschaft unter der Bedingung, daß Don Diego Almagro ausziehen sollte, um weiter im Süden neue Länder zu entdecken, und man, wenn er eines fand, das seinem Geschmacke entsprach, bei Sr. Majestät um das Gouvernement für ihn anhalten wolle, fand er aber nichts, was ihn befriedigte, so sollte das Gouvernement Don Franz' zwischen Beiden getheilt werden. Diesen Vertrag schloß man unter gebührenden Feierlichkeiten, und Beide schwuren auf die geweihte Hostie, in Zukunft niemals etwas gegeneinander zu unternehmen. Manche berichten sogar, daß Almagro einen Eid geleistet habe, niemals etwas gegen Cusco und das umgebende Land bis auf hundertdreißig Meilen Entfernung zu unternehmen, auch wenn Se. Majestät selbst ihm das Gouvernement darüber ertheilte. Er selbst soll dabei unter Anrufung des Heiligen Sacramentes die Worte gesprochen haben: »Herr, wenn ich je den[355] eben jetzt geleisteten Eid verletze, so mögest Du mich verderben und an Leib und Seele bestrafen«.

Nach Abschluß dieses feierlichen Vertrages, der mit ebensowenig Treue wie der frühere gehalten werden sollte, bereitete Almagro alles Nothwendige zu seiner Abreise. Dank seiner bekannten Freigebigkeit und seinem oft bewährten Muthe, brachte er bald fünfhundertsiebzig Mann, Reiter und Infanteristen zu gleichen Theilen, zusammen, mit denen er nach Chili zu abmarschirte. Der Zug stieß auf viele Schwierigkeiten und die Abenteurer hatten bei ihrer Ueberschreitung der Anden von der Kälte ganz außerordentlich zu leiden; überdies bekamen sie es hier mit sehr kriegerischen Volksstämmen zu thun, deren Sitten noch keine Civilisation gemildert hatte und die sie mit einer »furia« angriffen, für die sie in Peru sonst noch kein Beispiel fanden. Almagro vermochte nirgends eine Niederlassung zu gründen, und kaum befand er sich zwei Monate im Lande, als er erfuhr, daß die Indianer Perus sich erhoben und den größten Theil der Spanier ermordet hätten.

Nach Unterzeichnung des neuen Vertrages zwischen den Eroberern nämlich (1534), zog Pizarro wieder nach den näher dem Meere gelegenen Landestheilen, in welchen er, da jetzt hier nichts mehr zu fürchten war, eine regelrechte Regierung einrichten konnte. Für einen Mann, der sich früher niemals mit Gesetzgebung beschäftigt, erließ er in der That sehr weise Verordnungen, betreffend die Justizverwaltung, die Erhebung der Steuern, die Landvertheilung an die Indianer und die Arbeit in den Bergwerken. Bot der Charakter des »Conquistador« auch manche Handhaben für eine minder wohlwollende Kritik, so verlangt es doch die Gerechtigkeit, anzuerkennen, daß ihm eine gewisse Erhabenheit der Gedanken nicht abging und er sich der Rolle des Begründers eines großen Reiches wohl bewußt war. Hierin liegt auch der Grund seines Zögerns bezüglich der Wahl des Ortes für die zukünftige Hauptstadt der spanischen Besitzungen. Cusco hatte zwar den Vorzug für sich, früher die Residenz der Inkas gewesen zu sein; diese vom Meere über vierhundert Meilen entfernte Stadt aber trennte ein gar zu großer Zwischenraum von Quito, dem Pizarro einmal eine hervorragende Bedeutung zuschrieb. Da reizte ihn plötzlich die Schönheit und Fruchtbarkeit eines großen Thales, durch welches sich ein Wasserlauf, der Rinac, dahinschlängelte. Hierher verlegte er dann im Jahre 1536 den Sitz seiner Regierung. Bald nahm Lima, »die Stadt der Könige«, wie man sie durch[356] Verstümmelung des Namens jenes zu ihren Füßen verlaufenden Flusses nannte, durch das prächtige Palais, das er sich erbauen ließ, und die schönen und geräumigen Wohnungen seiner ersten Beamten das Aussehen einer großen Stadt an. Während Pizarro die Einrichtung der Regierung hier fern von seiner bisherigen Hauptstadt hielt, durchschwärmten einzelne kleinere Truppenabtheilungen die entlegensten Gegenden des Reiches, um auch die letzten Herde des Widerstandes zu zerstören, so daß in Cusco nur eine sehr geringe Truppenzahl zurückblieb. Der in den Händen der Spanier befindliche Inka glaubte jetzt den geeigneten Zeitpunkt gekommen, um eine allgemeine Erhebung anzuschüren, durch welche er der fremden Herrschaft ein Ende zu bereiten hoffte. Trotz seiner scharfen Ueberwachung wußte er alle nothwendigen Maßregeln mit solchem Geschick zu treffen, daß er bei seinen Unterdrückern auch nicht den leisesten Verdacht erregte. Er erhielt sogar die Erlaubniß, einem großen Feste beizuwohnen, das einige Meilen von Cusco gefeiert werden sollte und bei dem die ersten Personen des ganzen Reiches erschienen. Sobald der Inka sich sehen ließ, wurde die Fahne der Empörung entfaltet. Von den Grenzen der Provinz Quito bis nach Chili stand das ganze Land plötzlich unter Waffen und sehr viele kleine spanische Detachements wurden überfallen und vernichtet. Cusco selbst, das die drei Brüder Pizarro's mit nur hundertsiebzig Spaniern vertheidigten, war acht Monate lang den unaufhörlichen Angriffen der Peruaner ausgesetzt, die sich den Gebrauch der ihren Gegnern abgenommenen Waffen angeeignet hatten. Die Eroberer widerstandenheldenmüthig, erlitten aber sehr empfindliche Verluste, vorzüglich als Johann Pizarro selbst fiel. Als Almagro diese Nachrichten erhielt, verließ er eiligst Chili, zog durch die gebirgige, steinige und auch sandige Wüste von Atacama, wo er von der Hitze und Dürre nicht weniger litt als in den Anden von Schnee und Kälte, drang in das peruanische Gebiet ein, besiegte Manco-Capac in einer größeren Schlacht und gelangte endlich, nach Vertreibung der Indianer, bis nach Cusco. Sofort machte er nun den Versuch, sich die Stadt ausliefern zu lassen, unter dem Vorwande, daß sie gar nicht zu Pizarro's Gouvernement gehöre, und stürmte unter Verletzung eines Waffenstillstandes, während die Leute des Marquis sich einige Ruhe gönnten, die Stadt, bemächtigte sich Fernand und Gonzalo Pizarro's und ließ sich als Gouverneur anerkennen.

Inzwischen griff ein größeres indianisches Heer Lima an, schnitt diesem[357] alle Verbindung ab und vernichtete mehrere kleinere Abtheilungen, welche Pizarro wiederholt zum Entsatze Cuscos absendete. Gleichzeitig schickte Letzterer alle seine Schiffe nach Panama, um seine Leute zum verzweifelten Widerstande zu nöthigen; er rief von Truxillo die unter dem Befehle Alonzo d'Alvarado's stehende Truppe herbei und übergab diesem die Führung einer Colonne von fünfhundert Mann, mit der er bis auf einige Meilen an die Hauptstadt heranzog, ohne im geringsten zu ahnen, daß diese sich in den Händen von Landsleuten befand, welche entschlossen waren, ihm den Weg zu sperren. Almagro aber lag es weit mehr am Herzen, die neuen Ankömmlinge an sich zu locken, als sie zu vernichten; er traf also Anstalt, sie zu überraschen, und machte sie zu Gefangenen. Jetzt bot sich ihm die günstigste Gelegenheit, dem Kriege ein Ende und sich mit einem Schlage zum Herrn von zwei Gouvernements zu machen. Mehrere Officiere ließen auch einen derartigen Vorschlag laut werden und vorzüglich Orgoños, der dafür war, daß er die Brüder des »Conquistador« einfach hinrichten lasse und mit Eilmärschen mit seinen siegreichen Kräften nach Lima ziehe, wo ihm der überraschte Pizarro nicht werde widerstehen können. Doch Die, welche Jupiter verderben will, sagt ein lateinischer Dichter, die verblendet er. Almagro, der bei so vielen anderen Gelegenheiten sich über jeden Scrupel hinwegsetzte, wollte nicht das Unrecht auf sich nehmen, das Gouvernement Pizarro's als Empörer zu überfallen, und schlug ruhig den Weg nach Cusco wieder ein.

Vom Standpunkte seines persönlichen Interesses aus beging Almagro hiermit gewiß einen schweren Fehler, den er auch gar zu bald bereuen sollte. Fasst man aber, was ja stets der Fall sein sollte, nur das Interesse des Vaterlandes in's Auge, so bildeten schon die Angriffe, die er unternommen, und der Bürgerkrieg, den er angesichts eines Feindes, welcher nur darauf lauerte, daraus seinen Nutzen zu ziehen, entflammte, ein Capitalverbrechen. Seine Gegner erinnerten sich dessen auch nur gar zu bald.

Bedurfte es für Almagro eines schnellen Entschlusses, um sich zum Herrn der Situation zu machen, so hatte Pizarro im Gegentheil Alles von der Zeit und der günstigen Gelegenheit zu erwarten. Während er weitere, ihm von Darien her versprochene Verstärkungen erwartete, ließ er sich mit seinem Gegner in Unterhandlungen ein, welche mehrere Monate dauerten und während welchen es einem seiner Brüder und Alvarado gelang, mit siebzig[358] Mann zu entkommen. Obwohl er schon wiederholt hintergangen worden war, gab er doch seine Zustimmung, den Licentiaten Espinosa zu empfangen, der beauftragt war, ihm vorzustellen, daß, wenn der Kaiser wüßte, was zwischen den beiden Rivalen vorging und über die Sachlage aufgeklärt würde, welche ihre Streitigkeiten herbeigeführt hatten, er wahrscheinlich Beide abberufen und durch andere Personen ersetzen werde. Nach Espinosa's bald darauf erfolgtem Tode wurde durch den Bruder Franz von Bovadilla's, dem Pizarro und Almagro die Entscheidung über ihren Zwist anheimgegeben hatten, ein Vertrag zu Stande gebracht, nach dem Fernand Pizarro sofort freigegeben, Cusco den Händen des Marquis überlassen werden sollte, und man beschloß, mehrere Officiere von beiden Parteien nach Spanien abzusenden, welche die beiderseitigen Rechte der Rivalen vertheidigen und die Entscheidung des Kaisers selbst anrufen sollten.

Kaum hatte der letzte seiner Brüder die Freiheit wieder erlangt, als Pizarro, jeden Gedanken an Frieden und freundschaftliches Uebereinkommen verwerfend, erklärte, daß es der Gewalt der Waffen überlassen bleiben solle, zwischen ihm und Almagro zu entscheiden, wer in Peru Herr sei. In kurzer Zeit vereinigte er siebenhundert Mann, deren Führung er seinen beiden Brüdern anvertraute. Bei der Unmöglichkeit, die Berge zu überschreiten, um auf directem Wege nach Cusco zu gelangen, folgten diese Truppen dem Ufer des Meeres bis nach Nasca, von wo aus sie in ein Seitenthal der Anden eindrangen, das sie bald nach der Hauptstadt führen mußte.

Vielleicht hätte Almagro richtiger gehandelt, schon die Abhänge des Gebirges zu vertheidigen, doch er besaß nur fünfhundert Mann und rechnete stark auf seine Reiterei, die in beschränktem Terrain nicht wohl in Verwendung kommen konnte. Er erwartete den Feind also in der Nähe von Cusco. Beide Theile griffen sich am 26. April 1538 mit gleicher Wuth an, der Sieg wurde jedoch durch zwei Compagnien Musketiere entschieden, welche der Kaiser, auf die Nachricht von der Empörung der Indianer hin, Pizarro zu Hilfe geschickt hatte. Hundertvierzig Soldaten fanden in dem Gefechte, das den Namen der Schlacht von Bas Selimas erhielt, den Tod. Orgoños und mehrere hervorragende Führer wurden nach dem Kampfe kaltblütig niedergemetzelt. Auch der alte und kränkliche Almagro vermochte Pizarro nicht zu entkommen.

Die auf den benachbarten Bergen in Waffen stehenden Indianer hatten[359] sich zwar verabredet, Denjenigen, der Sieger bleiben würde, zu überfallen, jetzt aber stoben sie nach allen Richtungen auseinander. »Nichts, sagt Robertson, beweist deutlicher das Uebergewicht, das die Spanier über die Amerikaner besaßen, als die Thatsache, daß Letztere, die Zeugen der Niederlage und Zersprengung der einen feindlichen Partei, nicht den Muth hatten, die andere, welche jetzt durch den Kampf geschwächt und ermattet war, anzugreifen und ihre Unterdrücker zu überfallen, als ihnen die Umstände eine Gelegenheit an die Hand gaben, die kaum je so günstig wiederkehren konnte, um einen Befreiungskampf zu beginnen.«

Zu jener Zeit galt ein Sieg, wenn ihn keine Plünderung begleitete, nur für einen halben. Auch die Stadt Cusco verfiel diesem Schicksale, doch vermochten alle Schätze, welche die Leute Pizarro's auffanden, diese nicht zu befriedigen. Sie hatten Alle eine so große Meinung von ihren Verdiensten und von dem, was sie jetzt geleistet, daß für Jeden ein Gouverne ments-Posten hätte frei sein müssen. Fernand Pizarro zerstreute sie also und sandte sie mit einigen Parteigängern Almagro's, die sich ihm jetzt angeschlossen hatten und deren Entfernung ihm am Herzen lag, bald weg, um noch weitere Länder zu erwerben.

Was den Letzterwähnten selbst betrifft, so beschloß Pizarro, überzeugt, daß sich unter dessen Namen stets ein verdächtiger Herd der Aufregung erhalten könne, sich seiner zu entledigen. Er ließ ihm also den Proceß machen, der selbstverständlich mit einem Todesurtheil endigte. Bei dieser Nachricht behielt er nach einigen Augenblicken natürlicher Erregung, in denen er sein Alter und die sehr abweichende Art und Weise, in der er mit Fernand und Gonzalo Pizarro verfahren sei, als sie seine Gefangenen waren, doch sein kaltes Blut und sah dem Tode mit dem Muthe eines tapferen Soldaten entgegen. Er wurde im Gefängniß erdrosselt und dann öffentlich hingerichtet (1538).

Nach einigen weiteren glücklichen Zügen reiste Fernand Pizarro nach Spanien ab, um den Kaiser von allen Vorkommnissen zu unterrichten. Jetzt fand er aber die öffentliche Meinung gegen sich und seine Brüder heftig eingenommen. Ihre Grausamkeiten und Gewaltacte, ihre Mißachtung der heiligsten Verträge waren nämlich durch einige Anhänger Almagro's in ihrer ganzen Nacktheit und ohne jede Schonung aufgedeckt worden. Fernand Pizarro bedurfte seiner ganzen Gewandtheit, um sich beim Kaiser Gehör zu verschaffen.


Die Ufer des Rio Napo. (S. 363.)
Die Ufer des Rio Napo. (S. 363.)

Außer Stande, zu entscheiden, auf welcher Seite das Recht sei, da er nur durch die beiden Parteien von deren Händeln wußte, erkannte Karl V., daß seinem überseeischen Reiche die größten Gefahren und der[360] verderblichste Bürgerkrieg drohten. Er entschied also dahin, einen Commissär an Ort und Stelle zu senden, den er mit ausgedehntester Machtvollkommenheit ausstattete und der nach genauer Einsicht in die Verhältnisse die Regierungsform so herstellen sollte, wie es ihm am Besten dünkte. Diese heikle Mission[361] wurde einem Richter von dem Obergericht zu Valladolid, Christoval de Vaca, zuertheilt, der sich dieses Vertrauens nicht unwürdig zeigte. Sonderbar! Man empfahl ihm, ganz besonders gegen Franz Pizarro mit größtmöglicher Schonung zu verfahren, während sein Bruder Fernando verhaftet und in den Kerker geworfen wurde, wo er zwanzig lange Jahre vergessen schmachten sollte.

Während sich diese Ereignisse in Spanien abspielten, vertheidigte der Marquis das eroberte Land, behielt für sich und seine Getreuen die fruchtbarsten und bestgelegenen Landschaften und gestand den Kampfgenossen Almagro's, denen von Chili, wie man sich ausdrückte, nur unfruchtbare und entlegene Einöden zu. Dann übertrug er einem seiner Abtheilungsführer, Pedro de Valdivia, die Ausführung des Projects, an dem Almagro gescheitert war, nämlich die Unterjochung von Chili. Am 28. Januar 1540 brach dieser auf in Begleitung von hundertfünfzig Spaniern, unter denen sich Pedro Gomez, Pedro de Miranda und Alonso de Monroy besonders hervorthun sollten, zog durch die Wüste von Atacama, ein Unternehmen, das auch heutigen Tages für sehr beschwerlich gilt, und kam in Copiapa inmitten eines herrlichen Thales an. Während er zuerst eine sehr freundliche Aufnahme fand, mußte er doch nach Einbringung der Ernte zahlreiche Gefechte mit einer von den Indianern Perus sehr verschiedenen Race, den Araucaniern, sehr tapferen und unermüdlichen Kriegern, bestehen. Nichtsdestoweniger gründete er am 12. Februar 1541 die Stadt Santiago. Acht Jahre lang verweilte Valdivia in Chili und leitete die Eroberung und Organisation des Landes.

Minder habsüchtig als die anderen »Conquistadoren« jener Zeit, forschte er nach den Mineralschätzen des Landes nur in der Absicht, die gedeihliche Entwickelung der Kolonie, in der übrigens auch dem Landbau die gebührende Pflege zu Theil wurde, sicherzustellen. »Der beste Bodenschatz, den ich kenne, ist doch Getreide und Wein nebst dem Futter für die Thiere. Wer diesen hat, besitzt auch Silber und Gold. Von den eigentlichen ersten Producten des Bergbaues vermögen wir nicht unser Leben zu fristen. Ein reiches Bergwerk sichert noch Niemand ein angenehmes Leben.« Diese Worte Lescarbot's in seiner »Geschichte von Neu-Frankreich« könnte Valdivia wohl selbst ausgesprochen haben, denn sie drücken seine Gefühle in zutreffender Weise aus. Seine Tapferkeit, Klugheit und Menschlichkeit – und vorzüglich die letztere sticht gegenüber den Grausamkeiten Pizarros sehr vortheilhaft ab – sichern[362] ihm einen besonderen Ehrenplatz und gewiß einen der vornehmsten unter den »Conquistadoren« des 16. Jahrhunderts.

Zur Zeit, als Valdivia sich nach Chili begab, überschritt Gonzalo Pizarro an der Spitze von dreihundertvierzig Spaniern, die zur Hälfte beritten waren, und viertausend Indianern die Anden, doch um den Preis so entsetzlicher Strapazen, daß die Hälfte der Letzteren vor Kälte dabei umkamen; dann drang er nach Osten zu tiefer in das Festland ein, in der Absicht, ein Land aufzusuchen, in dem, wie man allgemein sagte, Zimmt und andere Gewürze in Ueberfluß gediehen. In den unendlichen, von Sümpfen und Urwäldern bedeckten Savannen von furchtbaren Regengüssen überrascht, welche gleich zwei Monate anhielten, hatten die Spanier bei der dünnen, wenig thätigen und feindseligen Bevölkerung oft Hunger und Durst zu leiden in einem Lande, wo es weder Rinder noch Pferde gab, und die größten Vierfüßler Tapire und Lamas waren, welch' letzteren man übrigens auf den Abhängen der Anden auch nur sehr selten begegnete. Trotz dieser Schwierigkeiten, die gewiß hingereicht hätten, minder energische Leute als die »Descubridores« des 16. Jahrhunderts abzuschrecken, harrten sie bei ihrem Unternehmen aus und gingen längs des Rio Napo oder Coca, einem linken Nebenflusse des Marañon, bis zur Einmündung in diesen hinab. Dort erbauten sie mit größter Mühe eine Brigantine, auf welcher fünfzig Soldaten unter Führung Francisco Orellana's Platz nahmen. Ob diesen nun die Gewalt der Strömung hinwegriß oder er, einmal aus den Augen des Chefs, der Versuchung nicht widerstehen konnte, jetzt selbst den Anführer einer Entdeckungsexpedition zu spielen, jedenfalls erwartete er Gonzalo Pizarro nicht an dem verabredeten Platze, sondern segelte den Strom hinunter bis zu dem Atlantischen Ocean. Eine solche Fahrt von nahe 2000 Meilen durch unbekannte Gebiete, ohne Führer, ohne Boussole und ohne Vorrath an Lebensmitteln, mit einer Mannschaft, welche wiederholt über dieses tolle Unternehmen ihres Hauptmanns zu murren anfing, und mitten durch eine fast allenthalben feindselig auftretende Bevölkerung, ist gewiß eine wunderbare zu nennen. Von der Mündung des Stromes aus, den er mit seiner mangelhaft construirten und halbzerfallenen Barke hinabgefahren war, gelang es Orellana noch, die Insel Cabragua zu erreichen, von welcher er nach Spanien abreiste.

Wenn das Sprichwort: »Der hat gut lügen, der aus weiter Ferne[363] kommt«, noch nicht erfunden gewesen wäre, Orellana hätte dazu Veranlassung gegeben. Er verbreitete in der That die ungereimtesten Fabeln von den Schätzen des von ihm durchreisten Landes. Die Einwohner desselben sollten so reich sein, daß die ganzen Tempeldächer nur aus massiven Goldplatten beständen, eine Versicherung, welche zur Entstehung der Legende von El Dorado Veranlassung gab. Orellana wollte auch von der Existenz einer Republik kriegerischer Frauen gehört haben, was dem Marañon den Namen »Amazonen-Strom« erwarb. Entkleidet man diese Berichte indeß alles Lächerlichen und Grotesken, dem für die Phantasie der Zeitgenossen berechneten Beiwerke, so bleibt doch das eine bestehen, daß Orellana's Zug eine der merkwürdigsten Expeditionen jener an gigantischen Unternehmungen so überreichen Periode darstellt, und daß eben dieser die erste Nachricht von der unendlichen Ausdehnung des Landes zwischen den Anden und dem Atlantischen Ocean lieferte.

Kehren wir jedoch zu Gonzalo Pizarro zurück. Seine Verlegenheit und Verwunderung mögen nicht gering gewesen sein, als er selbst an den Zusammenfluß des Napo und Marañon kam, ohne Orellana zu finden, der ihn hier erwarten sollte. In der Befürchtung, daß seinem Lieutenant ein Unfall zugestoßen sei, marschirte er fünfzig Meilen weit längs des Stromes hinunter, bis er einen unglücklichen Officier antraf, der als Strafe für den Einspruch gegen die Perfidie seines Chefs hier ausgesetzt worden war. Bei der Nachricht von der elenden Verlassenheit und Entblößung, in der sie sich befanden, verloren auch die Kühnsten den Muth. Pizarro mußte ihren Vorstellungen nachgeben und nach Quito umkehren, von wo man übrigens mehr als zwölfhundert Meilen entfernt war. Zur Kennzeichnung der Entbehrungen bei diesem Marsche genüge die Bemerkung, daß nach Aufzehrung von Pferden und Hunden, Wurzeln und wilden Thieren, und nachdem sie sogar ihr gesammtes Lederzeug zerkaut, nur achtzig Ueberlebende vom Buschwerk zerrissen, blaß und abgemagert nach Quito wirklich zurückkamen. Viertausend Indianer und zweihundertzehn Spanier hatten bei diesem Zug, der nicht weniger als zwei volle Jahre dauerte, das Leben eingebüßt.

Während Gonzalo Pizarro diese unglückselige Expedition führte, über welche wir eben berichteten, schaarten sich die alten Parteigänger Almagro's, welche sich niemals ganz und voll an Pizarro anzuschließen vermochten, um den Sohn ihres früheren Chefs und faßten den Beschluß, den Marquis zu[364] ermorden. Vergeblich ward Franz Pizarro wiederholt gewarnt, doch niemals wollte er solchen Nachrichten Glauben schenken und sagte stets: »Seid nur ruhig, ich bin sicher genug, daß es in ganz Peru Niemand giebt, der nicht wüßte, daß ich die Macht habe, ihm in dem Augenblicke das Leben zu nehmen, wo er es wagen sollte, nach dem meinigen zu trachten.«

Am Sonntag dem 26. Juni 1531, zur Zeit der Siesta, traten Jean de Herrada und achtzehn Verschworene aus dem Hause Almagro's, den Degen in der Faust und von Kopf bis zu den Füßen bewaffnet. Sie stürzen sich mit dem Rufe: »Tod dem Tyrannen! Tod dem Verräther!« auf das Haus Pizarro's, stürmen den Palast, tödten Franz de Chaves, der auf den Lärm hin herbeilief, und dringen in den Saal, in dem sich mit Franz Pizarro, dessen Bruder Franz Martin, der Doctor Juan Velasquez und ein Dutzend Diener aufhielten. Diese retten sich mit Ausnahme Martin Pizarro's durch die Fenster, während zwei Edelleute und mehrere Diener bei der Vertheidigung des Zugangs zu den Gemächern des Gouverneurs fallen. Dieser selbst ergreift, da ihm die Zeit fehlte, erst einen Panzer anzulegen, den Degen und ein Schild, wehrt sich tapfer und tödtet vier Gegner, während viele Andere Wunden davontragen. »Trotzdem, sagt Zarate, erreichten sie ihre Absicht und ermordeten ihn durch einen Stich in den Hals. Im Niederfallen verlangte er noch mit lauter Stimme zu beichten, und da er dann nicht weiter reden konnte, machte er noch auf dem Boden das Zeichen des Kreuzes und gab so seinen Geist auf. Einige Neger schleppten seinen Leichnam nach der Kirche, von wo Juan Barbazan, sein altbewährter Diener, denselben allein zu reclamiren wagte. Dieser treue Diener erwies ihm heimlich die letzten Ehren, denn die Verschworenen hatten Pizarro's Wohnung geplündert und nicht so viel übrig gelassen, um davon die Wachskerzen neben dem Sarge zu bezahlen.«

So endete Franz Pizarro, ermordet in der Hauptstadt seines großen Reiches, das Spanien seiner Tapferkeit und unermüdlichen Ausdauer verdankte, das er dem Vaterlande aber nur verwüstet, halb entvölkert und mit Blut getränkt, hinterließ. Häufig mit Cortez verglichen, besaß er gewiß ebenso viel Muth, Ehrgeiz und militärisches Geschick; dagegen besaß er auch die Fehler des Marquis, Grausamkeit und Habsucht, in erhöhtem Maße, und Treulosigkeit und Doppelzüngigkeit noch obendrein. Wenn das Jahrhundert in dem Cortez lebte, die Schattenseiten seines Charakters erklärlich erscheinen[365] läßt, so läßt man sich eben gern durch die Anmuth und das Edle in seinem Wesen, sein über gewöhnliches Vorurtheil erhabenes Auftreten gefangen nehmen, das ihn bei seinen Soldaten so außerordentlich beliebt machte. In Pizarro's Charakter dagegen tritt eine Roheit ohne Gleichen, eine wenig sympathische Härte der Gefühle häßlich hervor, und selbst seine erträglichen Eigenschaften verschwanden gänzlich gegenüber der Habgier und Treulosigkeit, diesen markantesten Zügen seiner Persönlichkeit.

Begegnete Cortez in den Mexicanern tapferen und entschlossenen Feinden, die ihm fast unüberwindliche Hindernisse bereiteten, so hatte Pizarro dafür fast keine Mühe, die milderen und furchtsameren Peruaner zu besiegen, welche seinen Waffen kaum jemals ernsteren Widerstand leisteten. Stellt man die Eroberung Perus und Mexicos nebeneinander, so führte die leichtere Spanien allerdings mehr metallische Schätze zu. Sie war es auch, auf die man den höheren Werth legte.

Noch einmal nach Pizarro's Tode sollte der Bürgerkrieg aufflackern, als der von der hauptstädtischen Regierung abgeschickte Gouverneur eintraf. Dieser raffte aber sofort die nöthigen Truppen zusammen und zog gegen Cusco aus. Er bemächtigte sich bald des jüngern Almagro, ließ ihn nebst vierzig seiner Helfershelfer hinrichten und regierte das Land mit Festigkeit bis zur Ankunft des Vicekönigs Blasco Nuñez Vela. Es liegt nicht in unserer Absicht, näher auf die Streitigkeiten einzugehen, die dieser mit Gonzalo Pizarro hatte, der sich unter Benutzung der durch die neuen »Repartimentos« erzeugten allgemeinen Unzufriedenheit gegen den Stellvertreter des Kaisers auflehnte. Nach verschiedenen Wechselfällen endete der Kampf mit der Niederlage und Hinrichtung Gonzalo Pizarro's im Jahre 1548. Sein Leichnam ward nach Cusco gebracht und daselbst völlig bekleidet begraben, da »Niemand, sagt Garcilasso de la Vega, ein armseliges Leichentuch für ihn hergeben wollte«. So endete der Mörder Almagro's. Liegt es nicht nahe, hier an die Worte der heiligen Schrift zu denken: »Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll wieder vergossen werden?«[366]

Quelle:
Jules Verne: Die Entdeckung der Erde. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band XXIX–XXX, Wien, Pest, Leipzig 1881, S. 334-367.
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