II.

[53] Wallis und Carteret. – Vorbereitungen. – Beschwerliche Fahrt durch die Magelhaens-Straße. – Trennung der »Dauphin« und der »Swallow«. – Die Insel Whitsunday. – Die Königin Charlotte-Insel. – Cumberland, Henry u. a. m. – Tahiti. – Die Insel Howe, Boskaven und Keppel. – Insel Wallis. – Batavia. – Das Cap. – Entdeckung der Inseln Pitcairn, Osnabrugh und Glocester durch Carteret. – Der Archipel Santa-Cruz. – Die Salomons-Inseln. – Der Kanal st. Georg und Neu-Irland. – Die Portland- und Admiralitäts-Inseln. – Macassar und Batavia. – Begegnung mit Bougainville im Atlantischen Ocean.


Nachdem einmal der Anstoß gegeben war, betrat England den Weg jener großartigen wissenschaftlichen Expeditionen, welche für dessen Marine so fruchtbringend sein und ihr ein so großes Ansehen verleihen sollten. Welch' unschätzbare Ausbildung gewähren auch solche Erdumsegelungen, bei denen die Mannschaften, Officiere wie Soldaten, stets auf unerwartete Vorkommnisse gefaßt sein mußten und die Eigenschaften des Seemannes, des Soldaten, ja, des Menschen überhaupt jeden Augenblick auf die Probe gestellt werden konnten. Wenn die englische Seemacht Frankreich während der Kriege der Revolutionszeit und des Kaiserthums stets durch ihre Ueberlegenheit erdrückte, so ist das wohl ebenso gut den Matrosen und Seeleuten zuzuschreiben, die sich im harten Dienste ausbildeten, wie der Zerrissenheit des Landes selbst, welche dasselbe jeder Oberleitung der Marine beraubt hatte.

Die englische Admiralität organisirte also, sofort nach Byron's Heimkehr, eine neue Expedition, doch scheint es, als ob dieselbe gar zu eilig vorbereitet worden sei. Anfang Mai war die »Dauphin« nach Dunes zurückgekommen und schon sechs Wochen später, am 19. Juni, übernahm Kapitän Samuel Wallis das Commando derselben.

Dieser Officier hatte, nachdem er alle Grade eines Marinesoldaten durchlaufen, in Canada ein wichtiges Commando geführt und zur Einnahme von Louisbourg wesentlich beigetragen. Wir wissen nicht, warum die Admiralität gerade ihn unter so vielen Seeofficieren, die ihr zur Verfügung standen, auserwählte;[53] doch hatten die edlen Lords keine Ursache, ihre getroffene Entscheidung zu bereuen.

Wallis ging sofort daran, die »Dauphin« wieder in seetüchtigen Zustand zu versetzen, und am 21. August, also kaum zwei Monate nach Uebernahme seines Auftrages, vereinigte er sich auf der Rhede von Portsmouth mit der Sloop »Swallow« und der Flute »Prince Frederic«. Das zweite dieser Fahrzeuge stand unter dem Befehl des Lieutenants Brine; das erstere hatte als Kapitän Philipp Carteret, einen ausgezeichneten Officier, der mit Byron eben die Reise um die Erde gemacht und dessen zweite Fahrt sein schon erworbenes Ansehen noch wesentlich steigern sollte. Leider schien die »Swallow« wenig geeignet, den Anforderungen zu entsprechen, die man an sie stellen mußte. Schon seit dreißig Jahren im Dienst, war dieses Schiff nur leicht bekleidet, sein Kiel in Ermangelung einer Metallbedeckung, nicht einmal mit Nieten beschlagen, die ihn hätten vor Würmern schützen können; endlich waren die Lebensmittel und Tauschwaaren so eigenthümlich vertheilt, daß die »Swallow« nur eine weit geringere Menge davon erhielt als die »Dauphin«. Vergebens reclamirte Carteret Kabelgarn, eine Schmiedezange und verschiedene andere Gegenstände, deren Unentbehrlichkeit ihm aus Erfahrung bekannt war. Die Admiralität erwiderte darauf nur, Schiff und Ausrüstung entsprächen vollkommen den zu stellenden Anforderungen. Diese Antwort bestätigte noch mehr Carteret's Glauben, daß man nicht weiter als bis zu den Falklands-Inseln segeln werde. Nichtsdestoweniger traf er alle nothwendigen Maßnahmen, welche seine Erfahrung ihm eingab.

Sofort nach vollendeter Ausrüstung, d. h. am 22. August 1766, gingen die Schiffe unter Segel. Wallis machte sehr bald die Bemerkung, daß die »Swallow« ein möglichst schlechter Segler war und ihm während der Reise noch oftmals hinderlich sein werde. Die Fahrt bis zur Insel Madeira ging jedoch ganz glücklich von statten; hier hielten die Schiffe zum ersten Male an, um den schon verbrauchten Proviant zu ersetzen.

Beim Verlassen dieses Hafens händigte der Commandant an Carteret eine Abschrift seiner Instructionen aus und bezeichnete ihm Port Famine in der Magelhaens-Straße als Stelldichein, im Fall sie unterwegs von einander getrennt würden. Der Aufenthalt in Port Praya, auf der Insel Santiago, wurde abgekürzt, weil daselbst eben eine Pockenseuche heftig wüthete, und Wallis ließ seine Leute nicht einmal an das Land gehen. Kaum hatte das kleine Geschwader die Linie passirt, als die »Prince Frederic« eine erlittene Havarie meldete, so[54] daß man ihr den Schiffszimmermann senden mußte, um ein Leck an Backbord zu verschließen. Dieses Fahrzeug, dessen Lebensmittel bereits recht verdorben waren, hatte übrigens schon viele Kranke.

Am 19. November, Abends gegen acht Uhr, beobachteten die Mannschaften ein außergewöhnliches Meteor, das von Nordost nach Südwest und in scheinbar gleichbleibender Höhe mit rasender Schnelligkeit dahinglitt. Es blieb eine Minute lang sichtbar und ließ einen lebhaft glänzenden Feuerstreifen zurück, der das Oberdeck taghell beleuchtete.

Am 8. December bekam man endlich die Küste Patagoniens in Sicht. Wallis segelte längs derselben hin bis zum Cap der Heiligen Jungfrau, wo er mit einigen bewaffneten Abtheilungen von der »Swallow« und der »Prince Frederic« an's Land ging. Eine Gesellschaft Eingeborner, welche die Europäer am Strande erwartete, nahm mit den Zeichen höchster Befriedigung Messer, Sheeren und andere Kleinigkeiten an, welche man bei einem derartigen Zusammentreffen auszutheilen pflegt; um keinen Preis wollten sie aber die in ihrem Besitze befindlichen Guanako's (Lamas), Strauße und anderes Wild abgeben.

»Wir maßen, sagt Wallis, die größten der Leute. Einer hatte 6 Fuß 6 Zoll, Einzelne 5 Fuß 5 Zoll, die Länge der Meisten erreichte aber 5 Fuß 6 Zoll bis 6 Fuß.

Man beachte, daß hier von englischen Füßen die Rede ist, welche nur 305 Millimeter enthalten. Entsprach die Gestalt dieser Eingebornen auch nicht der der Riesen, von der die ersten Reisenden erzählten, so hatten doch weitaus die Meisten eine außergewöhnliche Größe.

Ein Jeder trug, so meldete der Bericht, im Gürtel eine eigenthümliche Waffe; dieselbe bestand aus zwei runden, lederüberzogenen Steinen, im Gewichte von etwa je ein Pfund, welche an den Enden eines ungefähr acht Fuß langen Strickes befestigt waren. Sie bedienten sich derselben wie einer Schleuder, indem sie einen Stein in der Hand haltend, den anderen um den Kopf schwingen, bis er eine hinreichende Schnelligkeit erlangt hat, und ihn dann gegen das Ziel schleudern. Hierin zeigen sie eine solche Geschicklichkeit, daß sie auf die Entfernung von fünfzehn Ruthen einen Gegenstand in der Größe eines Schillings mit beiden Steinen treffen. Doch benutzen sie z.B. diese Waffe nicht bei der Jagd auf Guanakos oder Strauße.«

Wallis nahm acht jener Patagonier mit an Bord. Die Wilden zeigten sich beim Anblick so vieler außergewöhnlicher und für sie neuer Gegenstände[55] nicht so erstaunt, wie man hätte glauben sollen. Nur ein Spiegel erregte ihre höchste Bewunderung. Sie traten vor denselben hin, gingen zurück, spielten tausend Possen und sprachen lebhaft untereinander. Auch die lebenden Schweine interessirten sie kurze Zeit; am meisten schienen sie sich aber über die Guineahühner und Truthähne zu amüsiren. Man hatte zuletzt viele Mühe, sie vom Schiffe wieder wegzubringen. Doch gingen sie endlich an's Ufer, sangen lustig und gaben den sie am Strande erwartenden Landsleuten durch allerlei Zeichen ihre Freude zu erkennen.

Am 17. December gab Wallis der »Swallow« das Signal, als erstes Schiff des kleinen Geschwaders in die Magelhaens-Straße einzulaufen. Bei Port Famine ließ der Commandant dann zwei große Zelte für die Kranken, die Holzfäller und die Segelmeister errichten. Fische in hinreichender Menge, um davon die tägliche Mahlzeit zu bereiten, viel Sellerie, nebst säuerlichen, den Moosbeeren und Berberitzen ähnlichen Früchten, das waren etwa die Naturerzeugnisse der Umgebung, welche die zahlreichen Scorbutkranken der Schiffe in weniger als vierzehn Tagen vollständig wieder herstellten. Die Schiffe selbst wurden ausgebessert, zum Theil frisch kalfatert, die Segel, das laufende und stehende Gut (d. i. Tauwerk), welches stark angestrengt worden war, sorgfältig nachgesehen, und bald war man wieder im Stande, auf das Meer zu gehen.

Vorher ließ Wallis jedoch eine große Menge Holz fällen, das man auf die »Prince Frederic« verlud, um nach den Falklands-Inseln, wo bekanntlich keines wuchs, geschafft zu werden. Gleichzeitig ließ er auch mehrere Tausend junger Bäume sehr vorsichtig und in der Weise ausheben, daß ihre Wurzeln von einem Ballen Erde umhüllt blieben, um deren Verpflanzung nach Port Egmont zu erleichtern, wo sie, im Falle des zu erhoffenden Gedeihens, dieser von der Natur stiefmütterlich bedachten Gegend einst zu großem Nutzen gereichen mußten. Endlich ward der Proviant der Flute auf die »Dauphin« und die »Swallow« vertheilt. Die erstere nahm davon für ein Jahr, die andere für zehn Monate ein.


Nur ein Spiegel erregte ihre höchste Bewunderung. (S. 56.)
Nur ein Spiegel erregte ihre höchste Bewunderung. (S. 56.)

Wir wollen hier nicht ausführlicher auf die Vorfälle eingehen, welche die Schiffe während der Fahrt in der Meerenge trafen, z.B. unerwartete Windstöße, Schneewehen und Stürme, unbekannte, reißende Strömungen, Springfluthen und Nebel, welche beide Fahrzeuge mehr als einmal an den Rand des Verderbens brachten. Vorzüglich die »Swallow« befand sich in so traurigem Zustande, daß Kapitän Carteret Wallis vorstellte, wie sein Schiff der Expedition[56] nichts mehr zu nützen im Stande sei, und ihn um solche Vorschriften bat, die er für die zweckmäßigsten hielt.

»Die Befehle der Admiralität lassen keine willkürliche Deutung zu, antwortete Wallis, Sie haben sich denselben unterzuordnen und die ›Dauphin‹ zu begleiten, so lange das irgend ausführbar ist. Ich weiß, daß die ›Swallow‹ ein schlechter Segler ist, werde mich also nach ihr richten und deren Bewegungen folgen, denn es ist für den Fall eines, dem einen der beiden Schiffe zustoßenden Unglücks von Wichtigkeit, daß das andere in der Nähe sei, um jenem den möglichsten Beistand zu leisten!«[57]

Carteret konnte hierauf nichts erwidern; er schwieg, doch ihm ahnte nichts Gutes.

Als die Schiffe sich der Mündung der Meerenge an der Seite des Pacifischen Oceans näherten, gestaltete sich die Witterung ganz abscheulich. Dichte Dunstmassen, Schneewirbel und Regenböen, Strömungen, welche die Schiffe in die Brandung trieben, und schwerer Seegang hielten die Seefahrer bis zum 10. April in der Meerenge zurück. Am genannten Tage wurden die »Dauphin« und die »Swallow« auf der Höhe des Cap Pilar von einander getrennt und fanden sich auch nicht wieder, da es Wallis unterlassen hatte, einen neuen Punkt für eine Wiedervereinigung zu bestimmen.

Bevor wir Wallis auf seiner Reise über den Stillen Ocean folgen, flechten wir hier eine von ihm herrührende Schilderung der Bewohner von Feuerland und des allgemeinen Aussehens des Landes ein. So roh und armselig wie möglich, ernähren sich die Eingebornen meist mit dem rohen Fleische der Seekälber und Pinguine.

»Einer unserer Leute, erzählt Wallis, der mit der Angel fischte, schenkte einem dieser Amerikaner einen eben gefangenen, noch lebenden Fisch, der etwas größer als ein Häring sein mochte. Der Amerikaner ergriff ihn mit der Begierde eines Hundes, dem man einen Knochen vorwirft. Er tödtete ihn durch einen Biß in der Nähe der Kiemen und ging daran, ihn zu verzehren, wobei er am Kopfe anfing und mit der Schwanzflosse aufhörte, und Gräten, Schuppen und Eingeweide mitverschlang.«

Die Eingebornen vertilgen überhaupt Alles, was man ihnen anbietet, es mag roh oder gekocht, frisch oder gesalzen sein, doch verschmähen sie, etwas Anderes als Wasser zu trinken. Zur Bedeckung ihres Körpers benutzten sie nur eine schlechte Robbenhaut, die ihnen bis auf die Kniee herabfiel. Ihre Waffen bestanden in kurzen Wurfspießen mit einem Fischknochen an der Spitze. Alle hatten entzündete Augen, was die Engländer ihrer Gewohnheit zuschrieben, im Rauche zu sitzen, um sich der Mosquitos zu erwehren. Endlich strömten sie einen unausstehlichen, dem der Füchse ähnlichen Geruch aus, der ohne Zweifel von ihrer entsetzlichen Unsauberkeit herrührte.

Wenn dieses Bild nicht anziehend erscheint, so ist es dafür um so treffender, wie auch alle späteren Reisenden bestätigt haben. Für diese, mit den Thieren fast auf gleicher Stufe stehenden Wilden scheint die Welt still gestanden zu haben. Die Fortschritte der Civilisation sind für sie ein todter Buchstabe geblieben,[58] und sie führen ihr elendes Leben ganz so fort wie ihre Väter, ohne an die Verbesserung ihrer Existenz zu denken oder das Bedürfniß nach größerer Annehmlichkeit des Lebens auch nur zu empfinden.

»Wir verließen also, sagt Wallis, diese wilde, ungastliche Gegend, wo wir fast vier Monate lang in fortwährender Gefahr schwebten, Schiffbruch zu leiden, wo das Wetter auch im Hochsommer nebelig, kalt und stürmisch ist, wo die Thäler ohne Grün, die Berge ohne Wald sind, und das Land endlich vielmehr den Anblick von Ruinen einer Welt, als den einer Wohnstätte lebendiger Wesen bietet.«

Kaum aus der Meerenge herausgekommen, schlug Wallis einen westlichen Weg ein, unter stürmischen Winden, dichtem Nebel und so schwerem Seegange, daß mehrere Wochen hindurch auf dem ganzen Schiffe kein trockenes Fleckchen zu finden war. Diese andauernde Feuchtigkeit erzeugte viele Katarrhe und ernstlichere Fieber, denen sich bald der Scorbut anschloß. Als er den 22. Grad südlicher Breite unter 100 Grad westlicher Länge erreicht hatte, steuerte der Befehlshaber direct nach Norden.

Am 6. Juni entdeckte man zur allgemeinen Freude zwei Inseln. Zwei sofort klar gemachte und bemannte Boote fuhren unter Leitung des Lieutenants Furneaux an's Ufer.

Hier wurden einige Cocosnüsse und eine Menge antiscorbutischer Pflanzen eingesammelt, auch fanden die Engländer zwar Hütten und Hängematten, aber keinen einzigen Bewohner. Diese Insel, welche man am Pfingstvorabende entdeckte – weshalb sie den Namen »Whitsunday« erhielt – liegt unter 19°26' südlicher Breite und 127°56' westlicher Länge und gehört, ebenso wie die folgenden, zum Pomotu-Archipel.

Am nächsten Tage versuchten die Engländer mit den Bewohnern einer Nachbarinsel in Verbindung zu treten, die Eingebornen benahmen sich aber so feindselig und das Ufer war so steil, daß man unmöglich an derselben landen konnte. Wallis kreuzte nun die ganze Nacht über in der Nähe und sandte dann die Boote zurück mit dem Befehl, den Eingebornen kein Leid zuzufügen, außer wenn sie durch die Nothwendigkeit dazu gezwungen würden. Als sich Lieutenant Furneaux dem Lande näherte, war er erstaunt, sieben große, zweimastige Piroguen zu sehen, in welchen sich alle Eingebornen einschifften. Nach ihrer Abfahrt betraten die Engländer den Strand und durchstreiften die Insel nach allen Seiten. Sie fanden hier mehrere Cisternen voll recht gutem Wasser. Der Boden war[59] eben, sandig, mit Bäumen, vorzüglich mit Cocos- und anderen Palmen bedeckt und da und dort mit antiscorbutischen Pflanzen bestanden.

»Die Bewohner dieser Insel, so lautet der Bericht, waren von mittlerer Größe und dunkler Hautfarbe und hatten lange schwarze, auf die Schultern herabfallende Haare. Die Männer erschienen wohlgebaut und die Frauen recht hübsch. Ihre Kleidung bestand aus groben Stoffen, die sie mit einer Art Gürtel zusammenhielten, die aber dazu eingerichtet schien, über die Schultern geworfen zu werden.«

Im Laufe des Nachmittags sendete Wallis seinen Lieutenant noch einmal nach dem Lande, um Wasser zu holen und von der Insel, welche zu Ehren der Herrscherin von England den Namen »Königin Charlotte« erhielt, im Namen Georg's III. Besitz zu ergreifen.

Nachdem er sie selbst in Augenschein genommen beschloß Wallis hier eine Woche lang zu verweilen, weil man sich alles Nothwendige mit Leichtigkeit beschaffen konnte.

Bei ihren Streifzügen fanden die englischen Seeleute verschiedene Werkzeuge und Geräthe aus Muschelschalen und zugespitzten Steinen, letztere in Form von gestielten Aexten, Messern und Pfriemen. Sie sahen auch mehrere Canots aus regelrecht zusammengefügten Planken. Am meisten erregten ihre Verwunderung aber die Gräber, in denen die Leichen, unter einem Dache sitzend, in der freien Luft verwesten. Für den Schaden, den sie den Eingebornen durch Mitnahme der obenerwähnten Gegenstände zufügten, ließen sie ihnen Hacken, Nägel und andere Objecte zurück.

Wenn das 18. Jahrhundert strenge philantropische Grundsätze aufstellte, so erkennt man aus den Berichten der Reisenden jener Zeit, daß diese damals sehr landläufigen Theorien wirklich auch häufig zur Wahrheit gemacht wurden. Die Menschlichkeit hatte eben große Fortschritte gemacht. Die Verschiedenheit der Hautfarbe bildete fernerhin kein Hinderniß mehr, in jedem Menschen einen Bruder zu erkennen, und schon gegen Ende des Jahrhunderts brach sich der wohlwollende Gedanke Bahn, allen Negern die Freiheit zu gewähren, und fand derselbe auch bald zahlreiche Anhänger.

An dem nämlichen Tage ward im Westen der Königin Charlotten-Insel ein neues Land entdeckt, längs dessen Küste die »Dauphin« hinsegelte, ohne Ankergrund finden zu können. Niedrig, bedeckt mit Bäumen, außer Cocospalmen, und ohne Spuren von Bewohntsein, schien dieselbe nur ein Jagdplatz für die[60] Bewohner der Nachbarinseln zu sein. Wallis sah auch keinen Grund, hier zu verweilen. Er gab ihr nur den Namen »Egmont«, zu Ehren des Grafen Egmont, des damaligen ersten Lords der Admiralität.

An den folgenden Tagen machte man neue Entdeckungen; man fand nämlich nach und nach die Inseln Glocester, Cumberland, William Henri und Osnabrugh. Lieutenant Furneaux konnte sich hier, ohne auf letztere an's Land zu gehen, einige Erfrischungen verschaffen, die er von mehreren am Strande liegenden beladenen Piroguen entnahm, aus deren Vorhandensein er auch den Schluß zog, daß größere Inseln in der Nähe liegen möchten, wo man sich mit reichlichem Proviant werde versorgen können und welche gewiß bequemer anzulaufen sein würden.

Diese Prophezeiungen sollten bald in Erfüllung gehen. Am 19. mit Sonnenaufgang sahen sich die englischen Seeleute zu ihrem größten Erstaunen von mehreren Hunderten größerer und kleinerer Piroguen umringt, in welchen mehr als achthundert Individuen saßen. Nachdem jene sich eine Zeit lang in respectvoller Entfernung gehalten hatten, ruderten einige Eingeborne näher heran und hielten dann Bananenzweige in die Höhe. Sie kamen darauf an Bord, wo sich eben ein lebhafter Tauschhandel entwickelte, als ein höchst lächerlicher Zufall die freundschaftlichen Beziehungen zu stören drohte.

Einer der Eingebornen, der an den Laufplanken lehnte, wurde nämlich von einer Ziege gestoßen. Er dreht sich um, sieht das ihm unbekannte, auf den Hinterfüßen emporgerichtete Thier, das ihn eben von Neuem angreifen will, und stürzt sich, vom Schrecken erfaßt, kopfüber in das Meer. Die Anderen folgen seinem Beispiele. Sie beruhigten sich jedoch später über den gehabten Schreck, kamen wieder an Bord und verwandten alle ihre Geschicklichkeit darauf, einige Gegenstände zu entführen, doch wurde dabei nur der Hut eines Officiers gestohlen. Inzwischen fuhr das Schiff langsam an der Küste hin, um einen sicheren, geschützten Hafen zu suchen, während die Boote sich, um zu sondiren, näher am Lande hielten.

Niemals auf ihrer Reise hatten die Engländer ein so pittoreskes, anziehendes Land gesehen. Am Strande des Meeres überschatteten dichtbelaubte Baumgruppen, aus welchen wieder einzelne Cocospalmen ihr schlankes Haupt erhoben, die Hütten der Eingebornen. Weiter im Innern stieg eine Hügelkette mit bewaldeten Gipfeln etagenförmig empor, und inmitten des grünen Teppichs erkannte man die Silberstreifen einer Menge Bäche, welche zum Meere hinabeilten.[61]

Nahe der Einfahrt in eine geräumige Bucht sahen sich die von dem Schiffe eben etwas weiter entfernten Schaluppen plötzlich von einer großen Anzahl Boote umringt. Um eine Collision zu vermeiden, ließ Wallis neun Steinböllerschüsse über die Köpfe der Eingebornen abfeuern; trotz des Schreckens, den ihnen der Donner der Gesthütze einflößte, drangen sie jedoch noch weiter vor. Der Kapitän beorderte seine Boote also nach dem Schiffe zurück. Da singen einzelne in ziemlicher Nähe befindliche Wilde an, mit Steinen zu werfen und verwundeten mehrere Matrosen. Der Führer der Schaluppe beantwortete diesen Angriff nun durch einen scharfen Schuß, der einen der Feinde zu Boden streckte und die anderen verjagte.

Am nächsten Tage konnte die »Dauphin« vor der Mündung eines prächtigen Flusses bei zwanzig Faden Wasser vor Anker gehen. Unter den Matrosen herrschte allgemeiner Jubel. Sofort umschwärmten das Fahrzeug wieder viele Piroguen, welche Schweine, Geflügel und eine Menge Früchte zuführten, die bald gegen leichte Schmuckwaaren und Nägel ausgetauscht wurden. Da sah sich eines der zum Sondiren in der Nähe des Ufers entsendeten Boote plötzlich mit Wurfspießen und Stöcken angegriffen, so daß die Matrosen von ihren Waffen Gebrauch machen mußten. Einer der Eingebornen ward getödtet, ein anderer schwer verwundet, die übrigen sprangen in's Wasser. Da die Wilden sahen, daß sie Niemand verfolgte und sich gestanden, daß sie diese Strafe reichlich verdient hatten, so begannen sie ihren Tauschhandel bei der »Dauphin« wieder, als ob gar nichts vorgefallen wäre.

An Bord zurückgekehrt, berichteten die Officiere, daß die Eingebornen sie fast genöthigt hätten, an das Land zu kommen, wobei sich vorzüglich die Frauen durch lebhafte, aber nicht unanständige Einladungen hervorthaten. In Schußweite von dem Wasserplatze fand sich übrigens dicht am Strande ein vortrefflicher Ankergrund, nur daß hier die See ziemlich hohl ging. Die »Dauphin« lichtete also die Anker und ging auf die See hinaus, um unter Wind zu kommen; da gewahrte man aber in der Entfernung von sieben bis acht Meilen eine Bai, in der Wallis zu landen beschloß. Ein Sprichwort sagt, daß das Bessere der Feind des Guten ist. Auch der Kapitän sollte die Richtigkeit desselben erfahren.

Obgleich die Schaluppen vorausgingen, um zu sondiren, stieß die »Dauphin« doch auf ein Riff und fuhr sich mit dem Vordertheile fest. Man ergriff zwar sofort die unter solchen Umständen gebotenen Maßregeln, fand aber außerhalb der madreporischen Felsenkette keinen Grund. Es war demnach unmöglich, die[62] Anker zu versenken und sich mittelst um das Gangspill gelegter Taue wieder loszuwinden. Was war in dieser kritischen Lage nun zu beginnen? Der Schiffsrumpf stieß heftig gegen die Klippen und mehrere Hundert Piroguen schienen nur auf den sicher bevorstehenden Untergang des Fahrzeuges zu warten, um sich auf die ersehnte Beute zu stürzen. Nach einer Stunde sprang glücklicher Weise eine frische Brise vom Lande auf und machte die »Dauphin« flott, welche nun ohne Unfall einen guten Ankerplatz auffand. Die Havarien waren nicht schwer, sie wurden ebenso schnell vergessen, als sie ausgebessert waren.

Wallis theilte, durch die wiederholten Versuche der Eingebornen zur Vorsicht ermahnt, seine Leute in vier Abtheilungen, deren eine immer unter Waffen blieb, und ließ auch die Geschütze laden. Nach Abwicklung einiger Tauschgeschäfte vermehrte sich wirklich die Zahl der Piroguen, doch schienen sie, statt Geflügel, Schweine und Früchte zu bringen, jetzt nur mit Steinen beladen. Die meisten waren auch stark bemannt.

Plötzlich fiel, offenbar auf ein gegebenes Signal, ein ganzer Hagel von Strandsteinen auf das Fahrzeug nieder. Wallis befahl nun, eine Salve zu geben, und ließ auch zwei Kartätschenladungen abfeuern. Diese richteten zwar einige Unordnung an, doch stürmten die Angreifer noch zweimal muthig vorwärts. Da der Kapitän die Zahl der Letzteren stetig wachsen sah, wurde er über den möglichen Ausgang des Kampfes schon etwas unruhig, als ein unerwarteter Fall diesem ein Ziel steckte.

Unter den Piroguen, welche die »Dauphin« am hitzigsten bedrängten, befand sich auch eine, die den Anführer zu tragen schien, denn von dieser war das erste Signal zum Kampfe ausgegangen. Ein wohlgezielter Kanonenschuß sprengte dieselbe in zwei Stücke. Mehr bedurfte es nicht, um die Eingebornen in die Flucht zu treiben. Sie verschwanden nun so über Hals und über Kopf, daß nach einer halben Stunde kein einziges Boot mehr zu sehen war. An der Spitze einer starken Abtheilung Matrosen und Marinesoldaten pflanzte nun Lieutenant Furneaux die englische Flagge auf und ergriff im Namen des Königs von England Besitz von der Insel, welche diesem zu Ehren Georg's III. Insel genannt wurde. Es war das die Insel Tahiti der Eingebornen.

Nachdem jene sich so gedemüthigt sahen, schienen sie das Vorgefallene zu bereuen und mit den Fremdlingen wieder einen freundschaftlichen Handelsverkehr beginnen zu wollen, als Wallis, den ein lästiges Unwohlsein an Bord zurückhielt, bemerkte, daß sie damit nur einen zu Wasser und zu Lande auszuführenden[63] Angriff auf seine mit dem Einnehmen von Wasser beschäftigten Leute zu bemänteln suchten. Der Kampf sollte nur kurz, doch um so mörderischer werden. Sobald er die Eingebornen in Schußweite seiner Kanonen sah, ließ er einige Breitseiten auf dieselben abgeben, welche auch hinreichten, ihre Flottille zu zerstreuen.

Um der Wiederkehr solcher feindlichen Unternehmungen ein- für allemal vorzubeugen, mußte er ein Exempel statuiren. Wallis entschloß sich dazu nur mit Widerstreben. Er sendete sofort eine bewaffnete Schaar mit seinen Zimmerleuten an das Land, um die auf das Ufer gezogenen Piroguen zu zerstören. Mehr als fünfzig, deren einige bis sechzig Fuß maßen, wurden vernichtet. Diese Maßregel bestimmte die Tahitier endlich zur Unterwerfung. Sie schafften Schweine, Hunde, Stoffe und Früchte an den Strand und zogen sich selbst dann wieder zurück. Man legte ihnen dafür Aexte und verschiedene Kleinigkeiten dahin, die sie mit dem Ausdrucke der lebhaftesten Freude mit in die Wälder nahmen. Nach geschlossenem Frieden entwickelte sich am folgenden Tage ein lebhafter Handel, durch welchen die Mannschaften überreichlich mit frischem Proviant versorgt wurden.

Es war nun zu erwarten, daß das freundschaftliche Einverständniß während der ganzen Dauer des Aufenthaltes der Engländer von Bestand sein werde. Wallis ließ also in der Nähe des Wasserplatzes ein Zelt aufschlagen, unter dem er seine zahlreichen Scorbutkranken unterbrachte, während die noch gesunden Leute sich mit der Ausbesserung der Takelage und der Segel beschäftigten oder das Schiff kalfaterten und mit neuem Anstrich versahen, um es in Stand zu setzen, die weite Rückfahrt nach England aushalten zu können.

Gerade zu dieser Zeit nahm Wallis' Krankheit einen ernsthafteren Charakter an. Auch der erste Deckofficier befand sich nicht viel besser. Alle Verantwortung ruhte nun also auf Lieutenant Furneaux, der sich seiner Aufgabe auch vollkommen gewachsen zeigte.

Nach vierzehn Tagen, während welcher der Frieden keine Störung erlitt, hatte Wallis die Freude, seine gesammte Mannschaft wieder auf den Füßen und kerngesund zu sehen.

Inzwischen gingen die Lebensmittel wieder zu Ende. Die Eingebornen, denen man schon zu viele Hacken und Nägel gegeben, stellten jetzt höhere Forderungen. Am 15. Juli kam eine hochgewachsene Frau im Alter von etwa vierzig Jahren und von majestätischer Haltung, der die Eingebornen mit großer Ehrfurcht begegneten, an Bord der »Dauphin«. Wallis erkannte an der Würde[64] ihrer Haltung, wie an der Sicherheit des Auftretens, welche Personen kennzeichnet, die zu befehlen gewohnt sind, daß sie eine hohe Stellung einnehmen möge. Er beschenkte sie mit einem blauen Mantel, einem Spiegel und mehreren Kleinigkeiten, die sie mit großer Befriedigung annahm. Als sie das Fahrzeug verließ, lud sie den Commandanten ein, an's Land zu kommen und ihr einen Besuch abzustatten. Wallis entsprach dieser Aufforderung schon am nächsten Tage, obwohl er sich noch sehr schwach fühlte.


Eingeborne hielten Bananenzweige in die Höhe. (S. 61.)
Eingeborne hielten Bananenzweige in die Höhe. (S. 61.)

Er wurde in eine große Hütte geführt, welche einen Raum von 327 Fuß Länge und 42 Fuß Breite einnahm;[65] sie war mit einem Dache von Palmenblättern versehen und ruhte auf 53 Pfeilern. Eine beträchtliche zu diesem Zwecke zusammengerufene Menschenmenge bildete an Wallis' Wege Spalier und begrüßte ihn ehrfurchtsvoll. Dieser Besuch erhielt durch einen komischen Zwischenfall einen recht heiteren Anstrich. Der Schiffschirurg, den der Weg in Schweiß gebracht hatte, lüftete nämlich seine Perrücke, um sich zu erfrischen.

»Der bei diesem Anblick erschallende plötzliche Aufschrei eines Indianers erregte auch die Aufmerksamkeit der übrigen. Die Wundererscheinung zog Aller Augen auf sich. Bewegungslos blieb die ganze Menge eine Zeitlang stehen, und stumm vor Schrecken, der nicht größer hätte sein können, wenn unser Begleiter auch ein anderes Glied von seinem Körper abgenommen hätte.«

Am folgenden Tage traf ein Bote, der der Königin Oberoa für ihren gastlichen Empfang einige Geschenke als Beweise des Dankes überbringen sollte, diese an, als sie wenigstens tausend Personen ein Fest bereitete.

Ihre Diener brachten die Speisen fertig zubereitet herbei, das Fleisch in hohlen Cocosnüssen und Muscheln, in einer Art Holztrögen, ähnlich denen, welche unsere Fleischer gebrauchen; sie vertheilte dieselben eigenhändig an ihre Gäste, welche ringsum in dem großen Raume saßen. Als das geschehen war, ließ sie sich selbst auf einer Art Estrade nieder und zwei an ihrer Seite stehende Frauen reichten ihr zu essen. Diese präsentirten ihr die Speisen mit den Fingern, so daß sie nur den Mund zu öffnen brauchte.

Die Nachwirkung dieses freundschaftlichen Verkehres blieb nicht lange aus, und der Markt wurde noch einmal reichlich versorgt, ohne daß die Preise jedoch wieder so weit herabgingen wie bei der Ankunft der Engländer.

Lieutenant Furneaux unternahm auch eine Recognoscirung längs der westlichen Küste, um sich nähere Kenntniß von der Insel zu verschaffen und auszukundschaften, was man etwa von derselben beziehen könne. Ueberall fanden die Engländer eine gute Aufnahme. Sie sahen ein schönes, dichtbevölkertes Land, dessen Einwohner gar nicht so dringend daran gelegen schien, ihre Bodenproducte auszutauschen. Alle Werkzeuge bestanden aus Stein oder Knochen, woraus Lieutenant Furneaux den Schluß zog, daß den Tahitiern noch kein Metall bekannt sein möge. Auch irdene Gefäße besaßen sie nicht und eben deshalb keine Kenntniß davon, daß Wasser auch erhitzt werden könne. Den Beweis dafür erhielt man, als die Königin eines Tages an Bord speiste. Einer der ersten Personen ihres Gefolges nämlich, der den Chirurgen hatte Wasser aus dem[66] Siedekessel in die Theekanne gießen sehen, drehte an dem Hahne der letzteren und bekam die fast noch kochende Flüssigkeit auf die Hand. Er stieß vor brennendem Schmerze ein jämmerliches Geheul aus und lief unter entsetzlichen Verrenkungen in der Cajüte umher. Seine Begleiter konnten gar nicht begreifen, was geschehen sei, und starrten ihn halb erstaunt und halb erschrocken an. Der Chirurg sprang zwar sofort zu Hilfe, aber es dauerte doch ziemlich lange, bis er dem armen Tahitier Erleichterung verschaffen konnte.

Einige Tage später bemerkte Wallis, daß sich seine Matrosen Nägel aneigneten, wo sie solche fanden, um sie den Frauen zu schenken. Sie entfernten sogar einzelne Planken von dem Schiffe, nur um die Schrauben aus denselben und die Zapfen und Eisenstücke, welche jene an den Rippen festhielten, zu erlangen. Fruchtlos ergriff Wallis selbst sehr strenge Maßregeln; aber obgleich er Niemanden ununtersucht an's Land gehen ließ, wiederholten sich diese Vorkommnisse doch noch mehrere Male.

Eine in das Innere der Insel gesendete Expedition fand daselbst ein breites, von einem schönen Flusse bewässertes Thal. Ueberall war der Boden sorgfältig bearbeitet und hatte man Abzugsgräben angelegt, um die Gärten und Obstbaum-Anlagen zu bewässern. Je weiter man vordrang, desto launenhafter wurden die Windungen des Flusses; das Thal verengte sich, die Hügel wuchsen zu Bergen an und der Weg wurde schwieriger. Man erstieg einen von dem Landeplatze gegen sechs Meilen entfernten spitzen Gipfel, in der Hoffnung, von demselben aus die Insel bis in alle Einzelheiten übersehen zu können. Hier zeigte sich die Aussicht aber durch noch höhere Berge verdeckt. Nur nach der Seeseite zu lag das ganze herrliche Bild des Landes frei vor Augen; überall mit prächtigen Wäldern geschmückte Anhöhen, zwischen deren saftigem Grün die Hütten der Eingebornen hervorleuchteten, während die Thäler mit ihren vielen Ansiedelungen und den von lebenden Hecken umschlossenen Gärten einen fast noch schöneren Anblick boten. Außer den Cocosbäumen bestand die Flora des Landes vorzüglich aus Zuckerrohr, Ingwer, Tamarinden und Baumfarren.

Wallis, der das Land mit einigen Erzeugnissen unserer Klimate bereichern wollte, ließ Pfirsich-, Kirsch- und Pflaumenkerne, auch solche von Citronen, Limonen und Orangen stecken, sowie einige Gemüse aussäen. Der Königin schenkte er eine tragende Katze, zwei Hähne, Hühner, Gänse und andere Thiere, von denen er voraussetzen durfte, daß sie gedeihen und sich leicht vermehren würden.[67]

Nun drängte aber die Zeit, und Wallis mußte an die Abfahrt denken. Als er der Königin hiervon Nachricht gab, sank diese in einen Lehnstuhl und begann so bitterlich zu weinen, daß man sie nur mit Mühe beruhigen konnte. Bis zum letzten Augenblicke blieb sie auf dem Schiffe, und als dieses die Segel entfaltete,»umarmte sie uns, sagt Wallis, so zärtlich und unsere tahitischen Freunde sagten uns so traurig und rührend Lebewohl, daß es mir wirklich selbst an's Herz ging und meine Augen sich mit Thränen füllten.«

Der erste, wenig entgegenkommende Empfang der Engländer, wie die wiederholten feindlichen Versuche der Eingebornen ließen einen so peinlichen Abschied gewiß nicht voraussehen; doch: Ende gut, Alles gut! sagt ja schon ein altes Sprichwort.

Die Bemerkungen, welche Wallis über die Sitten und Gebräuche der Tahitier einflicht, geben wir hier nur kurz wieder, da wir Gelegenheit haben werden, bei der Erzählung der Reisen Bougainville's und Cook's darauf zurückzukommen.

Groß, wohlgebaut, rasch in ihren Bewegungen und ziemlich sonnverbrannt, bekleiden sich die Einwohner mit einem weißen Gewebe, das aus der Rinde eines bestimmten Baumes gewonnen wird. Von den zwei, das ganze Kostüm bildenden Stücken ist das eine viereckig und gleicht fast einer Bettdecke. Mit einer Oeffnung zum Durchstecken des Kopfes versehen, erinnert es an die »Zarape« der Mexikaner und den »Poncho« der Eingebornen in Südamerika. Das andere Stück wird um den Körper gewickelt, aber nicht festgebunden. Fast Alle, Männer sowohl wie Frauen, pflegen sich mit sehr engen Linien, welche Figuren bilden, zu tätowiren. Das Verfahren dabei ist folgendes: Die Haut wird vielfach durchstochen und die kleinen Stichöffnungen werden mit einer aus Oel und Seife bestehenden Paste angefüllt, welche sich unvertilgbar festsetzt.

Die Civilisation steht auf sehr niedriger Stufe. Wir erwähnten schon, daß die Tahitier irdene Gefäße nicht kennen. So schenkte Wallis der Königin unter Anderem einen Fleischtopf, den alle Welt mit der größten Neugier in Augenschein nahm.

Von der Religion der Urbewohner erwähnt der Commandant kein Wort. Es schien ihm nur, daß sie manchmal nach gewissen Orten gingen, die er für Begräbnißplätze hielt, wo sie mit dem Ausdrucke des Schmerzes eine Zeit lang verweilten.

Einer der Tahitier, der mehr als die anderen beanlagt schien, die Sitten der Engländer nachzuahmen und sich zu eigen zu machen, erhielt einen vollständigen[68] Anzug, der ihn recht gut kleidete. Jonathan – so hatte man ihn genannt – zeigte sich sehr stolz über seine äußere Erscheinung. Um seiner neuen Lebensart die Krone aufzusetzen, wollte er auch noch lernen, mit der Gabel zu essen, was ihm freilich nicht gelang. Verleitet von der Macht der Gewohnheit, führte er stets nur die Hand zum Munde, das an den Gabelzinken sitzende Stück aber an der Seite der Ohren vorbei.

Am 27. Juli verließ Wallis die Insel Georg's III. Nachdem er am Ufer der Insel des Herzogs von York hingesegelt, entdeckte er verschiedene Inseln und Eilande, die er nicht anlief. Das waren die Inseln Charles-Saunders, Lord Howe, Scilly, Boscaven und Keppel, wo das feindselige Auftreten der Einwohner und die Schwierigkeit an's Ufer zu gehen, ihn zu landen hinderte.

Nun begann auf der südlichen Halbkugel allgemach der Winter. Das Fahrzeug leckte auf allen Seiten und vorzüglich dessen Hintertheil war durch das Steuerruder sehr arg mitgenommen.

Empfahl es sich nun mehr um das Cap Horn oder durch die Magelhaens-Straße zu gehen? Drohte auf diesem Wege nicht der unvermeidliche Schiffbruch? Sollte Wallis nicht vielmehr Tinian oder Batavia zu erreichen suchen, wo alle Havarien bequem ausgebessert werden konnten, um über das Cap der Guten Hoffnung nach Europa zu gelangen? Er entschied sich für letzteres, steuerte also nach Nordwesten und warf am 19. September, nach höchst günstiger Fahrt, über welche weiter nichts zu sagen ist, im Hafen von Tinian Anker.

Alles, was Byron an diesem Orte erlebt hatte, wiederholte sich auch jetzt. Wallis beklagte sich ebenso wie sein Vorgänger über die Schwierigkeit, Proviant zu erhalten, und über unausstehliche Hitze. Dagegen genasen die Scorbutkranken binnen wenig Tagen, die Segel wurden wieder in Stand gesetzt, das Schiff ausgebessert und frisch kalfatert und auch die Mannschaft blieb von Fieberanfällen glücklich verschont.

Am 16. October 1767 stach die »Dauphin« wieder in See; jetzt wurde sie aber von den schwersten Stürmen überfallen, die die Segel zerrissen und das Leck wieder öffneten, das Steuer zum Theile zerstörten und die Cajüte auf dem Hinterdeck, sowie Alles, was sich auf dem Vorderkastell befand, wegspülten.

Dabei umschiffte man die Baschees und segelte durch die Meerenge von Formosa. Später passirte das Schiff die Inseln Sandy, Small-Key, Long-Island, New-Island, hierauf Condor, Timor, Aros und Pisang, Pulo-Taya, Pulo-Tote und Sumatra und kam am 30. November in Batavia an.[69]

Bei dem letzten Theile der Reise wurden nur Punkte berührt, von denen zu sprechen wir schon wiederholt Gelegenheit hatten. Es bleibt also nur der Vollständigkeit wegen noch anzuführen übrig, daß Wallis von Batavia, wo die Mannschaft von Fieberanfällen litt, erst das Cap, dann St. Helena anlief und nach einer Abwesenheit von sechshundertsiebenunddreißig Tagen wieder bei Dunes ankam.

Bedauernswerth ist es immerhin, daß Hawkesworth nicht die, Wallis von der Admiralität mitgegebenen Ordres mittheilt. So vermag man nicht zu beurtheilen, ob der kühne Seemann denselben streng nachgekommen ist. Man sieht nur, daß er die von seinen Vorgängern gewählte Route ziemlich genau eingehalten hat. Fast Alle steuerten nach dem Gefährlichen Archipel und ließen gerade den inselreichsten Theil Oceaniens beiseite, in dem Cook so viele und wichtige Entdeckungen machen sollte. Als erfahrener Seemann wußte er trotz der so eilig betriebenen und deshalb etwas lückenhaften Ausrüstung seines Schiffes, sich doch in allen schwierigen Lagen zu helfen und das etwas gewagte Unternehmen glücklich zu Ende zu führen. Gleiches Lob verdient er auch wegen seiner stets bewiesenen Menschlichkeit und wegen des Eifers, mit dem er verläßliche Kenntnisse über die von ihm besuchten Völker zu sammeln suchte. Hätte er Fachgelehrte als Beistand gehabt, so wäre die wissenschaftliche Ernte dieser Expedition gewiß noch weit reichlicher ausgefallen. Der Fehler liegt auch hier nur auf Seiten der Admiralität. –

Wir sagten früher, daß die »Dauphin«, als sie am 10. April mit der »Swallow« eben die Magelhaens-Straße verließ, bei frischem Segelwinde der letzteren, die ihr nicht zu folgen vermochte, vorauseilte und sich für immer von dem zweiten Schiffe trennte, was den Kapitän Carteret sehr peinlich berührte. Besser als irgend ein Anderer kannte er den erbärmlichen Zustand seines Schiffes und den unzulänglichen Vorrath an Proviant. Er wußte recht wohl, daß er die »Dauphin« erst in England wieder treffen würde, da keinerlei Verabredung getroffen und kein Sammelplatz bestimmt war – ein schweres Versehen des Kapitän Wallis, vorzüglich da er die Gebrechlichkeit seines Begleitschiffes kannte. Nichtsdestoweniger verbarg Carteret seine Besorgnisse vor der Mannschaft.

Uebrigens ließ das abscheuliche Wetter, das die »Swallow« im Stillen Ocean – der seinen Namen lügenstrafte – empfing, kaum Jemandem zum Ueberlegen kommen. Die augenblickliche Gefahr, welcher man Trotz bieten mußte, um nicht zugrunde zu gehen, verhüllte diejenigen, welche die Zukunft bringen sollte.[70]

Carteret steuerte längs der Küste von Chile nach Norden. Bei der Revision des an Bord befindlichen Vorrathes an Trinkwasser überzeugte er sich, daß dasselbe für die bevorstehende Ueberfahrt auf keinen Fall ausreichen könne. Bevor er also einen westlichen Kurs einschlug, beschloß er, sich auf Juan-Fernandez oder Mas-a-fuero frisch zu versorgen.

Das schlechte Wetter dauerte indessen fort. Am 27. gegen Abend erhob sich plötzlich ein sehr starker Wind, der das Schiff von der rechten Seite traf. Die Heftigkeit des Oceans hätte beinahe die Masten geknickt und das Schiff zum Versinken gebracht. Der Sturm wüthete in gleicher Stärke weiter und die durchnäßten Segel klebten so fest an Masten und Tauen, daß man dieselben kaum regieren konnte.

Am folgenden Tage zerbrach eine Sturzsee die Besanraa gerade da, wo das Segel gerefft war, und setzte das ganze Schiff einige Minuten lang unter Wasser. Das Unwetter ließ darauf nur so lange nach, daß die Mannschaft ein wenig ausruhen und die erlittenen Havarien ausbessern konnte; dann brach es wieder in gleicher Heftigkeit los und hielt, wenigstens mit schweren Böen, bis zum 7. Mai an. Nun wurde der Wind günstiger und drei Tage später kam die Insel Juan-Fernandez in Sicht.

Carteret wußte noch nichts von der Befestigung der Insel durch die Spanier. Er verwunderte sich deshalb nicht wenig, am Ufer eine Menge Leute und nahe am Strande eine Batterie von vier Geschützen zu sehen, während auf einem nahen Hügel ein Fort mit zwanzig Schießscharten lag, über dem die spanische Flagge wehte. Starke Windstöße hinderten ihn am Einlaufen in die Cumberland-Bai, und nachdem er hier einen Tag lang gekreuzt, mußte er sich entschließen, nach Mas-a-fuero weiterzusegeln. Hier traten ihm jedoch dieselben Hindernisse und die hohle See mit furchtbarer Brandung entgegen, so daß er nur mit größter Mühe einige Wassertonnen füllen lassen konnte.


Kopfputz der Bewohner Tahitis. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 68.)
Kopfputz der Bewohner Tahitis. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 68.)

Mehrere seiner Leute, die das zu aufgeregte Meer am Lande zurückgehalten hatte, erlegten eine hinreichende Menge Perlhühner, um die ganze Mannschaft zu bewirthen. Außer daß noch zwei Seekälber getödtet und viele Fische gefangen wurden, bot dieser Aufenthalt keinerlei Vortheile, zeichnete sich aber im Gegentheil durch so stürmisches Wetter aus, daß das Schiff wiederholt in Gefahr kam, an der Küste zu scheitern.

Mehrmals kam Carteret, wenn ihn auch ungestüme Winde hin und her trieben, nach Mas-a-fuero zurück und fand dadurch Gelegenheit, gewisse Irrthümer des[71] Verfassers der Reise des Admiral Anson aufzuhellen, womit er sehr werthvolle Anhaltspunkte für Seefahrer lieferte. Bei der Abreise von Mas-a-fuero steuerte Carteret nach Norden in der Hoffnung, den Südostpassat zu treffen; da er aber weiter, als beabsichtigt, hinauf getrieben wurde, beschloß er, die Inseln St. Ambroise und St. Felix oder St. Paul aufzusuchen. Jetzt, nach der Besitznahme und Befestigung der Insel Juan-Fernandez durch die Spanier konnten jene im Falle eines Krieges den Engländern von großem Nutzen sein. Green's Seekarten und Robertson's »Elemente der Schifffahrt« stimmten jedoch bezüglich deren Lage[72] nicht überein. Carteret, der dem letzteren Werke mehr Vertrauen schenkte, suchte nach ihnen im Norden und – verfehlte sie. Nach Durchlesung der von Waser, dem Schiffsarzte Davis', verfaßten Beschreibung glaubte er, diese beiden Inseln seien das von jenem Flibustier bei Gelegenheit seiner Fahrt im Süden der Galapagos-Inseln gefundene Land und Davis-Land existire überhaupt nicht. Hiermit beging er den doppelten Fehler, erstens die Inseln St. Felix mit Davis-Land zu identificiren, und zweitens das Vorhandensein des letzteren, unter welchem nämlich die Osterinsel zu verstehen ist, zu leugnen.


Inseln der Königin Charlotte. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 69)
Inseln der Königin Charlotte. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 69)

»Wir beobachteten, sagt Carteret, unter diesem Breitengrade (18° westlich von seinem Abfahrtspunkte) wiederholt frischere Winde, eine nach Norden verlaufende Strömung und noch andere Anzeichen, daß wir uns in der Nähe des so eifrig gesuchten Davis-Landes befänden. Da sich aber von Neuem ein günstiger Wind erhob, steuerten wir 1/4 Südwest und kamen bis 28°30' südlicher Breite, woraus folgt, daß[73] ich, wenn es dieses Land oder nur etwas dem Aehnliches gab, es unzweifelhaft hätte antreffen oder doch zu Gesicht bekommen müssen. Ich hielt mich auf 28° südlicher Breite, 40° westlich von der Stelle meiner Abfahrt und, meiner Schätzung nach, 121° westlich von London.«

Da alle Seefahrer noch immer an die Existenz eines südlichen Continents glaubten, so konnte sich Carteret natürlich gar nicht vorstellen, daß Davis-Land nichts sei, als eine kleine, in dem grenzenlosen Ocean verlorene Insel. Als er nun dieses vermeintliche Festland nicht entdeckte, schloß er auch auf das Nichtvorhandensein jenes Davis-Landes. Wir wissen jetzt, daß er sich auch hierin täuschte.

Bis zum 7. Juni setzte Carteret seine Nachforschungen fort. Er befand sich unter 28° der Breite und 112° westlicher Länge, d. h. ganz in der Nähe der Osterinsel. Es war jetzt Mitte des Winters. Der Seegang blieb unaufhörlich schwer, der Wind heftig und unbeständig, die Witterung trübe, nebelig und kalt, mit vielem Regen, Schnee und häufigem Donner. Offenbar verhinderten die außergewöhnliche Dunkelheit und der Nebel, hinter dem sich die Sonne mehrere Tage lang verbarg, Carteret die Osterinsel aufzufinden, denn verschiedene Anzeichen, wie Schaaren von Vögeln und schwimmende Algen, mußten ihm doch die Nachbarschaft eines Landes verrathen.

Jene atmosphärischen Störungen trugen nicht wenig dazu bei, die Fahrt zu verlangsamen. Die »Swallow« war nun überdies noch ein schlechter Segler, man kann sich also leicht den Mißmuth, die Sorge und Angst des Kapitäns vorstellen, der seine Mannschaft immer mit dem Hungertode bedroht sah. Jedenfalls setzte er aber die Fahrt nach Westen mit vollen Segeln, Tag und Nacht, bis zum 2. Juli fort.

An diesem Tage entdeckte man Land im Norden und am nächsten Tage segelte Carteret so nahe längs desselben hin, daß er es deutlicher vor Augen hatte. Es war nichts als ein großer Felsen, von fünf Meilen Umfang und mit Bäumen bedeckt, der unbewohnt schien, an dem man aber wegen der, bei der hohlen See überaus stürmischen Brandung nicht zu landen vermochte. Man[74] nannte ihn Pitcairn, nach dem Namen Dessen, der ihn zuerst erblickte. Hier machten sich bei den Matrosen, die bisher wenigstens bei guter Gesundheit geblieben waren, die ersten Spuren des Scorbuts bemerkbar.

Am 11. kam unter 22° der Breite und 141°34' westlicher Länge (von London) wiederum Land in Sicht, dem man zu Ehren des zweiten Sohnes des Königs den Namen Osnabrugh beilegte.

Am folgenden Tage entsendete Carteret eine Abtheilung seiner Leute nach zwei anderen Inseln, auf denen man aber weder eßbare Vegetabilien, noch Wasser antraf. Dagegen wurden mehrere, so wenig scheue Vögel, daß sie sich bei der Annäherung eines Menschen nicht von der Stelle bewegten, mit der bloßen Hand gefangen.

Alle diese Länder gehörten zu dem Gefährlichen Archipel (auch »Inseln der Gefahr« genannt), einer langen, niedrigen Kette von Eilanden und Atolls, welche alle Seefahrer wegen der wenigen Hilfsquellen, die sie bieten, halb zur Verzweiflung brachten. Carteret glaubte das von Quiros gesehene Land vor sich zu haben; das letztere, nach der Urbezeichnung Tahiti, liegt jedoch weiter im Norden.

Leider machten die gewöhnlichen Krankheiten nun tägliche Fortschritte. Der häufige Wechsel des Windes und die Beschädigungen des Schiffes ließen dieses nur um so langsamer vorwärts kommen. Carteret hielt es deshalb für gerathen, eine Route zu wählen, auf der er eher hoffen durfte, Nahrungs- und Stärkungsmittel zu finden und die so höchst nothwendigen Reparaturen vornehmen zu können.

»Ich beabsichtigte, sagt Carteret, nach der Ausbesserung des Fahrzeuges und Wiedereintritt der besseren Jahreszeit meine Fahrt nach Süden fortzusetzen, um neue Entdeckungen in diesem Theile der Erde zu machen. Im Falle der Auffindung eines Festlandes, das mir hinreichenden Proviant sicherte, wollte ich dann längs dessen Südküste hinsegeln, bis die Sonne wieder den Aequator passirte, und in tieferer südlicher Breite entweder nach dem Cap der Guten Hoffnung oder auch nach Osten zurück gehen, wenn nöthig, die Falklands-Inseln anlaufen und von da aus geraden Weges nach Europa steuern.«

Leider vermochte Carteret diese löblichen Pläne, die ihn als wirklichen Entdeckungsfahrer kennzeichnen, den die Gefahr mehr reizt, als sie ihn abschreckt, nicht vollständig durchzuführen. Er traf nämlich den Passat erst unter 16° der Breite, doch blieb die Witterung trotzdem sehr ungünstig. So sah er auch,[75] obwohl er in der Nähe der Inseln der Gefahr war, die Byron schon 1765 entdeckte, weder diese, noch ein anderes Land.

»Wir kamen wahrscheinlich, sagt er, bei einem oder dem anderen vorüber, das uns der Nebel verbarg, denn während dieser Fahrt flatterten oft sehr viele Vögel um das Schiff. Commodore Byron hatte bei seiner letzten Reise die nördlichste Grenze dieses Theiles des Oceans berührt, in dem die Salomons-Inseln liegen sollen; da ich nun viel weiter südlich gesegelt bin, habe ich alle Ursache zu glauben, daß die Lage derselben, wenn sie überhaupt existiren, auf allen Karten sehr unrichtig angegeben ist.«

Die letztere Voraussetzung traf in der That zu, doch existiren die genannten Inseln wirklich, und Carteret lief sie einige Tage später selbst an, freilich ohne dieselben zu erkennen.

Die vorräthigen Lebensmittel waren inzwischen entweder gänzlich aufgezehrt oder verdorben, Tauwerk und Segel vom Sturm zersetzt, das Reservegut ererschöpft und die Hälfte der Mannschaft lag krank darnieder, als zu alledem noch ein neues Unglück hinzu kam. Es entstand nämlich ein Leck, und zwar unterhalb der Wasserlinie, so daß derselbe unmöglich geschlossen werden konnte, so lange man sich auf offenem Meer befand. Ganz unerwarteter Weise kam da am nächsten Tage schon Land in Sicht. Es ist wohl überflüssig zu sagen, mit welcher Freude, welchem Jubel dasselbe begrüßt wurde. Das Gefühl der Ueberraschung und der winkenden Rettung läßt sich, nach Carteret's eigenem Ausdruck, nur mit dem vergleichen, das der Verbrecher empfinden mag, wenn er auf dem Schaffot seine Begnadigung empfängt. Es war das übrigens die Insel Nitendit, welche schon Mendana gesehen hatte.

Kaum griff der Anker in den Grund, als man ein Boot aussendete, um einen Wasserplatz aufzusuchen. Auf dem Strande zeigten sich zuerst schwarze, wollköpfige, ganz nackte Eingeborne, welche indeß entflohen, bevor das Boot anlangte. Ein schöner Fluß mit gutem Trinkwasser inmitten eines undurchdringlichen Waldes voller Bäume und Sträucher, welche bis zum Strande herab wucherten, und eine wilde bergige Landschaft – das war das Bild, welches der Führer des Bootes von dem Lande entwarf.

Am nächsten Tage wurde der Hochbootsmann noch einmal mit der Schaluppe ausgesandt, um einen bequemen Landungsplatz ausfindig zu machen, und erhielt den Auftrag, durch kleine Geschenke womöglich das Wohlwollen der Eingebornen zu erwerben. Es war ihm ausdrücklich vorgeschrieben, sich keinerlei[76] Gefahr auszusetzen und unbedingt zum Schiffe zurückzukehren, wenn mehrere Piroguen auf ihn zukämen, ferner das Boot nie zu verlassen und nur je zwei Mann auf einmal an's Land zu schicken, während die Anderen sich zur Vertheidigung bereit halten sollten. Carteret sandte auch sein eigenes Boot an's Land, um Wasser zu holen. Einige Eingeborne schossen Pfeile auf dasselbe ab, ohne glücklicher Weise Jemanden zu verletzen. Inzwischen kehrte auch die Schaluppe zu der »Swallow« zurück. Der Hochbootsmann hatte zwei Pfeile im Körper und die Hälfte der Leute war so schwer verwundet, daß jener und drei andere Matrosen wenige Tage später starben.

Der Vorgang war folgender gewesen: da er als der Fünfte an einer Stelle ausstieg, wo man mehrere Hütten bemerkte, hatte der Hochbootsmann mit den Eingebornen bald einen friedlichen Tauschhandel begonnen. Bald vermehrte sich die Anzahl der Wilden und er sah auch, daß mehrere Piroguen auf die Schaluppe zuruderten, konnte diese jedoch nicht eher wieder erreichen, als ihn ein ganz unerwarteter Angriff überraschte. Verfolgt von den Pfeilen der Eingebornen, welche selbst bis an die Schultern in's Wasser liefen, und von den Piroguen gejagt, konnte er nur entkommen, nachdem er mehrere getödtet und eines ihrer Boote in den Grund gebohrt hatte.

Dieser Versuch zur Auffindung einer geeigneten Stelle, wo man die »Swallow« hätte auf den Strand setzen können, war also so unglücklich ausgefallen, daß Carteret sein Schiff gleich wo es sich befand, auf die Seite legen ließ, um den Leck zu verschließen, so gut es anging. Wenn es dem Zimmermann, übrigens dem Einzigen, der noch bei leidlicher Gesundheit war, nicht gelang, denselben gänzlich zu verstopfen, so verkleinerte er ihn doch bedeutend. Während nun nochmals ein Boot nach dem Wasserplatz abfuhr, säuberte man vorher den Wald durch Kanonenschüsse vom Schiffe und durch Gewehrfeuer von der Schaluppe aus. Schon arbeiteten die Matrosen eine gute Viertelstunde, als sie plötzlich mit Pfeilen überschüttet wurden, von denen Einer von ihnen schwer an der Brust getroffen ward. So mußte man sich allemal zu denselben Maßregeln entschließen, wenn Wasser gefaßt werden sollte.

Wollte man der Krankheit Einhalt thun, so mußten um jeden Preis frische Nahrungs- und Stärkungsmittel beschafft werden, die an diesem Orte nicht zu erhalten waren. Carteret lichtete also am 17. August die Anker, nachdem er die Insel zu Ehren des Lords der Admiralität »Egmonts-Insel« und die Bai, in der er gelegen, die »Swallow-Bucht« getauft hatte. Obwohl er hier das von[77] den Spaniern schon Santa-Cruz genannte Land vor sich zu haben glaubte, verfiel er doch der damals gerade im Schwange befindlichen Mode, jedem von ihm besuchten Orte einen neuen Namen beizulegen. Dann segelte er in geringer Entfernung von der Küste hin, überzeugte sich, daß die Bevölkerung der Insel eine dichte war, und daß unter derselben vielfache Streitigkeiten herrschten. Hierdurch und durch die Unmöglichkeit, Lebensmittel zu erhalten, sah sich Carteret behindert, die übrigen Inseln der Gruppe, welche er »Königin Charlotte-Inseln« nannte, zu besuchen.

»Die Bewohner der Insel Egmont, sagt er, sind sehr gewandt, stark und unternehmend. Sie schienen ebenso gut im Wasser wie auf dem Lande zu leben, denn sie springen aus ihren Piroguen fast jede Minute einmal in's Meer....

Ein von denselben abgeschossener Pfeil drang sogar durch die Schanzkleidung des Schiffes und verwundete einen Officier auf dem Achterdeck gefährlich am Schenkel. Die Pfeile haben eine Spitze von Stein, niemals bemerkten wir aber daran irgend ein Metall. Das Land ist im Allgemeinen mit Wald bedeckt, von Bergen erfüllt und von vielen Thälern zerschnitten.«

Am 18. August 1767 verließ Carteret diesen Archipel in der Absicht, nach Neu-Britannien zu segeln. Vorher glaubte er wohl noch einige Inseln anzutreffen, wo er mehr Glück haben würde. Am 20. entdeckte er in der That ein niedriges Eiland, das er Gower nannte, und wo er sich einige Cocosnüsse verschaffen konnte. Am nächsten Tage fand er die Insel Simpson und Carteret, ferner eine Gruppe von neun Inseln, die er für das von Tasman entdeckte Ohang-Java hielt; später nach und nach Charles-Hardy, Winchelsea, welche er nicht als zu dem Salomons-Archipel gehörend ansah, Schouten's St. Jean und endlich Neu-Britannien, das er am 28. August erreichte.

Er fuhr zur Aufsuchung eines bequemen und sicheren Hafens längs der Küste desselben hin und machte in verschiedenen Baien Halt, wo er sich Holz, Cocos- und Muscatnüsse, Aloë, Zuckerrohr, Bambus und Palmenkohl verschaffen konnte.

»Dieser Kohl, sagt er, ist weiß, kraus von Blättern und hat einen zuckerhaltigen Saft; wenn man ihn roh genießt, schmeckt er fast wie Kastanien, gekocht aber besser als die besten Pastinaken. Wir schnitten denselben in kleine Stückchen und mischten ihn mit unserer Tafelbouillon, die uns, mit etwas Hafergrütze vermengt, ein sehr gutes Essen lieferte.[78]

Die Wälder waren belebt von zahlreichen Schwärmen von Tauben, Papageien und verschiedenen unbekannten Vögeln. Die Engländer besuchten auch mehrere verlassene Wohnungen. Wenn man von letzteren auf die Civilisation eines Volkes schließen darf, so mußten die Insulaner hier auf der niedrigsten Stufe stehen, denn sie besaßen die ärmlichsten Hütten, die Carteret überhaupt zu Gesicht bekommen hatte.

Der Befehlshaber benutzte seinen hiesigen Aufenthalt, um die ›Swallow‹ noch einmal umlegen und den Leck untersuchen zu lassen, den die Zimmerleute so gut wie möglich ausbesserten. Die Planken waren sehr abgenutzt, der Kiel von Würmern ganz zernagt; letzteren schützte man daher möglichst durch einen dicken Anstrich mit Pech und Theer.

Am 7. September nahm Carteret die lächerliche Ceremonie der Besitzergreifung des Landes im Namen Georg's III. vor; dann schickte er ein Boot auf Recognoscirung aus, das eine Menge Cocosnüsse und Palmenkohl, eine köstliche Labung für die Kranken an Bord, mitbrachte.

Obwohl der östliche Mousson noch lange Zeit wehen mußte, beschloß der Commandant doch, in Hinsicht auf den schlechten Zustand seines Schiffes, baldigst nach Batavia abzureisen, wo er seine Mannschaft wieder ausruhen und sich erholen, und die ›Swallow‹ gründlich ausbessern lassen zu können hoffte. Er verließ also am 9. September den Carteret-Hafen, den besten, den er seit der Magelhaens-Straße gefunden hatte.

Bald drang er in den Golf ein, den Dampier früher St. Georgs-Bai nannte, und den er als eine Meerenge erkannte, welche Neu-Britannien von Neu-Irland trennte. Er nahm diesen Canal, dem er den Namen St. Georges ließ, in Augenschein und beschrieb ihn in seinem Bericht mit einer Genauigkeit, welche für die Seefahrer seiner Zeit von hohem Werthe sein mußte. Dann folgte er der Küste Neu-Irlands bis an ihr westliches Ende. In der Nähe einer kleinen Insel, die er ›Sandwich‹ nannte, trat er auch mit den Eingebornen in nähere Beziehungen.

Die Insulaner, sagt er, sind schwarz und haben Wolle auf dem Kopfe wie die Neger, aber nicht so eine platte Nase und so wulstige Lippen. Wir urtheilten, daß sie zu derselben Menschenrace gehören möchten wie die Bewohner der Insel Egmont. So wie diese, gehen sie vollkommen nackt, mit Ausnahme einiger Ketten von Muscheln, die sie um Arme und Beine gebunden tragen. Gleichwohl huldigen sie einer Praxis, ohne welche auch unsere Damen undjungen Modeherren sich nicht für vollständig angekleidet halten würden. Sie bedecken nämlich die Haare, oder vielmehr die Wolle auf ihrem Kopfe mit weißem Puder; es scheint also, daß die Mode, sich zu pudern, schon sehr alt und viel weiter verbreitet ist, als man gewöhnlich annimmt.... Sie sind mit Spießen und großen keulenförmigen Stöcken bewaffnet, doch sahen wir bei ihnen niemals Pfeile und Bogen.«


Karte der Insel Otahiti. [Facsimile, Alter Kupferstich.] (S. 72.)
Karte der Insel Otahiti. [Facsimile, Alter Kupferstich.] (S. 72.)

Nahe dem südwestlichen Ende von Neu-Irland, entdeckte er noch ein weiteres Land, dem er den Namen »Neu-Hannover« beilegte, und etwas entfernt davon[81] den Herzog von Portland-Archipel. Obgleich dieser Theil des Berichtes über seine Reise in bisher noch unbekannten Gegenden gerade eine Menge werthvoller Einzelheiten enthält, so entschuldigt sich Carteret, ein zuverlässigerer und eifrigerer Seefahrer als seine Vorgänger Byron und Wallis, doch noch ganz besonders, daß er nicht mehr zu sammeln im Stande gewesen sei.


Einige Eingeborne schossen Pfeile ab. (S. 77.)
Einige Eingeborne schossen Pfeile ab. (S. 77.)

»Die Beschreibung des Landes, sagt er, seiner Erzeugnisse und Bewohner wäre gewiß weit vollständiger und eingehender ausgefallen, wenn ich durch meine Krankheit nicht so geschwächt und erschöpft gewesen wäre, daß ich den Functionen, die mir aus Mangel an Officieren alle zufielen, fast erlag. Als ich mich kaum fortzuschleppen vermochte, mußte ich jede Wache anführen und mich in alle anderen Arbeiten mit meinem Lieutenant theilen, dessen Gesundheit ebenfalls nicht wenig zu wünschen übrig ließ.«

Von dem St. Georgs-Kanal aus steuerte man nun nach Westen. Carteret entdeckte noch mehrere Inseln; da ihn seine Krankheit aber während einiger Tage daran hinderte, das Deck zu besteigen, so konnte er deren Lage nicht genau feststellen. Er gab ihnen den Namen »Admiralitäts-Inseln« und sah sich zweimal genöthigt, von den Feuerwaffen Gebrauch zu machen, um sich der Angriffe der Eingebornen zu erwehren. Er kam hierauf nach der Insel Durour, nach Matty und den Cueden, deren Bewohner höchst erfreut waren, einige Stücke eines eisernen Reisens zu erhalten. Carteret behauptet, er habe wohl für einige metallene Geräthschaften alle Producte des Landes aufkaufen können. Lebten diese Völker auch in der Nachbarschaft von Neu-Guinea und den Archipelen, die er eben besucht hatte, so waren dieselben doch nicht schwarz, sondern kupferfarben. Sie hatten sehr lange, schwarze Haare, regelmäßige Züge und auffallend weiße Zähne. Mittelgroß, kräftig und beweglich, waren sie sehr heiter, zutraulich und kamen furchtlos an Bord des Schiffes. Einer von ihnen verlangte von Carteret sogar, ihn auf seiner Reise begleiten zu dürfen, und er weigerte sich, trotz aller Einreden seiner Landsleute und des Kapitäns standhaft, die »Swallow« zu verlassen. Einem so festen Willen gegenüber gab denn Carteret endlich nach; der arme Indianer aber, der den Namen Joseph Freewill erhalten hatte, erkrankte bald und starb schon auf Celebes.

Am 29. October erreichten die Engländer den nördlichsten Theil von Mindanao. Immer nach Wasser und frischen Früchten ausspähend, suchte Carteret hier vergeblich eine Bai, welche Dampier als sehr wildreich geschildert hatte. Etwas weiterhin traf er wohl auf einen Wasserplatz, das feindselige[82] Auftreten der Eingebornen nöthigte ihn aber nochmals, auf das hohe Meer hinauszugehen.

Von Mindanao aus steuerte der Befehlshaber nach der Macassar-Straße, zwischen Borneo und Celebes, und fuhr am 14. November in dieselbe ein. Das Schiff kam hier aber so wenig vorwärts, daß es in vierzehn Tagen nur achtundzwanzig Meilen zurücklegte.

»Krank und geschwächt, schreibt er, halb todt, angesichts des Landes, das wir nicht erreichen konnten, und Stürmen ausgesetzt, die uns fast zugrunde richteten, wurden wir nun gar noch von einem Seeräuber angefallen.«

Dieser griff, in der Hoffnung, die Engländer im Schlafe zu überraschen, die »Swallow« um Mitternacht an. Die Matrosen vertheidigten sich aber so muthig und geschickt, daß sie den malayischen Prao bald zum Sinken brachten.

Am 12. December sah Carteret zu seinem Leidwesen, daß der Westmousson aufgesprungen war. Die »Swallow« befand sich nicht in dem Zustande, gegen denselben ankämpfend, noch dazu bei widriger Strömung, Batavia zu erreichen. Er mußte sich also begnügen, nach Macassar, damals die Hauptniederlassung der Holländer auf Celebes, zu segeln. Fünfunddreißig Wochen lang waren die Engländer von der Magelhaens-Straße aus unterwegs, als sie ankamen.

Kaum hatten sie vor dem Hafen Anker geworfen, als ein vom Gouverneur abgesandter Holländer an Bord der »Swallow« kam. Er schien sehr erregt, da er sah, daß das Schiff der englischen Kriegsmarine angehörte. Am folgenden Tage schickte Carteret seinen Lieutenant Gower, um die Erlaubniß zu erlangen, in den Hafen einzulaufen, daselbst Stärkungsmittel für seine fast mit dem Tode ringende Mannschaft einzukaufen, um das Schiff auszubessern und hier das Umspringen des Mousson abzuwarten, aber man verweigerte ihm nicht nur an's Land zu gehen, sondern die Holländer beeilten sich auch, ihre Truppen zusammenzuziehen und ihre Schiffe klar zum Gefecht zu machen. Nach fünf Stunden traf endlich die Antwort des Gouverneurs an Bord ein, der Carteret's Wunsch ziemlich unhöflich und ohne jede Bemäntelung abschlug. Gleichzeitig verbot jener den Engländern, an irgend einem, der holländischen Regierung unterworfenen Orte an's Land zu gehen.

Alle Gegenvorstellungen Carteret's, der die Unmenschlichkeit dieser Weigerung hervorhob, selbst seine Drohung mit der Gewalt, erzielten kein anderes Resultat, als daß ihm zugestanden wurde, etwas Proviant einzukaufen und nach einer kleineren Bai in der Nähe zu segeln. Dort werde er, sagte man,[83] gegen den Mousson hinreichend Schutz finden, er könne daselbst auch ein Hospital für seine Kranken errichten; endlich böten sich ihm dort mehr Heilmittel für diese, während man ihm alles sonst noch Nothwendige von Macassar aus senden werde. In Gefahr, Hungers zu sterben und unterzugehen, mußte sich Carteret diesen Anforderungen fügen und sich entschließen, nach der Rhede von Bouthain zu segeln.

Hier wurden die Kranken zwar in einem Hause am Strande untergebracht, durften sich aber nicht weiter als dreißig Ruthen von demselben entfernen. Sie waren stets beobachtet und kamen mit den Eingebornen nicht in Berührung. Endlich konnten sie nichts, außer durch Vermittlung der holländischen Soldaten kaufen, welche von diesem Vorrechte einen sehr ausgiebigen Gebrauch machten und oft nicht weniger als tausend Procent Nutzen nahmen. Alle Klagen der Engländer verhallten nutzlos; sie mußten sich eben während des ganzen Aufenthaltes jener im höchsten Grade erniedrigenden Oberaufsicht unterwerfen.

Erst mit Rückkehr des Ostmoussons konnte Kapitän Carteret am 22. Mai 1768 Bouthain verlassen, nach langen, unaufhörlichen Quälereien und Beunruhigungen, die wir hier nicht im Einzelnen wiedergeben können, die aber seine Geduld oft auf eine sehr harte Probe stellten.

»Celebes, sagt er, ist der Schlüssel der Molukken oder Gewürzinseln, welche nothwendiger Weise dem Volke unterthan sind, dem diese Insel gehört. Die Stadt Macassar ist auf einer Landspitze erbaut und wird von einem oder zwei Flüssen bewässert, welche durch dieselbe oder in ihrer nächsten Nachbarschaft strömen. Der im Allgemeinen ebene Boden bietet einen hübschen Anblick. Es finden sich daselbst viele Pflanzungen und Cocosbäume, mit einer großen Anzahl von Häusern dazu, was auf eine dichte Bevölkerung schließen läßt..... In Bouthain giebt es ausgezeichnetes Rindfleisch, aber zu wenig, um ein Geschwader damit zu versehen, dagegen konnte man Reis, Geflügel und Früchte in beliebiger Menge haben. In den Wäldern irren auch sehr viele Schweine umher, welche sehr billig zu kaufen sind, weil die Landbewohner als Mohammedaner dieselben nicht als Speise benutzen....«

So unvollständig diese Bemerkungen auch sind, so hatten sie ihrer Zeit gewiß einen hohen Werth, und wir neigen zu der Annahme, daß sie auch heute, nach gut hundert Jahren, noch einen Kern von Wahrheit enthalten.

Die Fahrt von Batavia verlief ohne Unfall. Nach verschiedenen Verzögerungen, welche daher rührten, daß die holländische Compagnie von dem[84] Commandanten ein von dem Gouverneur von Macassar ausgestelltes Führungs-Attest verlangte, was Carteret stets verweigerte, erhielt er endlich die Erlaubniß, sein Schiff repariren zu dürfen.

Am 15. September ging die »Swallow«, wiederhergestellt, so gut es eben anging, auf's Neue unter Segel. Sie führte jetzt eine neue, zum Theile aus englischen Matrosen bestehende Besatzung, ohne welche es nicht möglich gewesen wäre, nach Europa zurück zu gelangen. Vierundzwanzig ihrer ersten Leute waren schon todt und gleich viel Andere in so traurigem Zustande, daß noch sieben derselben vor Erreichung des Caps den Geist aufgaben.

Nach einigem Aufenthalt in diesem Hafen, der seiner Mannschaft sehr zu statten kam und bis zum 6. Januar 1769 ausgedehnt wurde, stach Carteret wieder in See und begegnete auf der Höhe von Ascension, wo er angelegt hatte, einem französischen Schiffe. Es war das die Fregatte »Boudeuse«, mit welcher Bougainville eben eine Reise um die Erde ausgeführt hatte.

Am 20. März 1769 ging die »Swallow« auf der Rhede von Spithead, nach einer ebenso schwierigen wie gefahrvollen Fahrt von einunddreißig Monaten, wieder vor Anker.

Es bedurfte wirklich der ganzen seemännischen Erfahrung, des kalten Blutes und des nie erlahmenden Eifers eines Carteret, diese mit einem so wenig geeigneten Schiffe glücklich durchzuführen und dennoch so wichtige Entdeckungen zu machen. Wenn solche zu überwindende Hindernisse seinen Ruhm nur noch glänzender beleuchteten, so fällt die ganze Schmach der erbärmlichen Ausrüstung dagegen auf die englische Admiralität zurück, welche trotz des Einspruches eines erfahrenen Kapitäns, sowohl dessen Leben als auch das so vieler braver Seeleute auf's Spiel setzte.[85]

Quelle:
Jules Verne: Die großen Seefahrer des 18. Jahrhunderts. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band XXXIII–XXXIV, Wien, Pest, Leipzig 1881, S. 53-86.
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