III.

[366] Reise des Kapitän Marchand. – Die Marquisen. – Entdeckung von Nuka-Hiva. – Sitten und Gebräuche der Einwohner. – Die Inseln der Revolution. – Die Küste Amerikas und der Hafen Tchikitane. – Der Cox-Kanal. – Aufenthalt an den Sandwichs-Inseln. – Macao. – Deception. – Rückkehr nach Frankreich. – Baß' und Flinders' Entdeckungen an den Küsten Australiens. – Expedition des Kapitän Baudin. – Das Endrachts- und das Witt-Land. – Rast in Timor. – Untersuchung von Van-Diemens-Land. – Trennung der »Geograph« und der »Naturaliste«. – Im Port Jackson. – Die Verbrecher. – Die reichen Weiden von Neu-Süd-Galles. – Wiederankunft der »Naturaliste« in Frankreich. – Kreuzzuge der »Geograph« und der »Casuarina« nach den Ländern Nuyts', Edels', den Endracht- und Witt-Land. – Zweiter Aufenthaltin Timor. – Rückkehr nach Frankreich.


Etienne Marchand, ein Kapitän der Handelsmarine, kam im Jahre 1788 aus Bengalen zurück, als er auf der Rhede der Insel Helena den englischen. Kapitän Portlock traf. Die Unterhaltung der beiden Männer drehte sich natürlich bald um den Handel, um die geeignetsten Tauschobjecte und um die Artikel, deren Verkauf den größten Nutzen abwarf. Marchand ließ als gewiegter Mann meist den anderen sprechen und antwortete nur die wenigen Worte, welche zur Aufrechthaltung des Zwiegesprächs nothwendig erschienen. Er erhielt dabei von Portlock die interessante Mittheilung, daß Pelzwaaren, und vorzüglich Otternfelle, an der Westküste Nordamerikas sehr wohlfeil zu erhalten seien, in China aber wahrhaft fabelhafte Preise erreichten; gleichzeitig könne man sich im Himmlischen Reiche bequem passende Fracht für Europa verschaffen.

Bei der Rückkehr nach Frankreich theilte Marchand seinen Rhedern, den Herren Baux in Marseille, diese wichtigen Nachrichten mit, und jene beschlossen, sich dieselben zunutze zu machen. Die Schifffahrt auf dem Pacifischen Ocean verlangte ein besonders starkes und eigenthümlich construirtes Fahrzeug. Die Herren Baux ließen also ein dreihundert Tonnen großes, mit Kupfer genageltes und beschlagenes Schiff erbauen und versahen es mit allem Nothwendigen zur Vertheidigung wie zum Angriffe, zur Ausbesserung etwaiger Schäden, zur Erleichterung der Handelsoperationen und zur Erhaltung der Gesundheit der Mannschaft während dieser auf drei bis vier Jahre berechneten Reise.

Dem Kapitän Marchand, dem Befehlshaber der » Solide«, wurden zwei andere Kapitäne, Masse und Prosper Chanal, drei Lieutenants, zwei Aerzte und drei Freiwillige beigegeben; mit neununddreißig Matrosen zählte die ganze Besatzung fünfzig Mann.

Vier Kanonen, zwei Bomben, vier Steinmörser nebst der nöthigen Munition und vielen Waffen, vollendeten die Ausrüstung.[366]

Obwohl man nach den Gewässern am Cap Horn erst im Winter gelangen konnte, segelte die »Solide« am 14. December 1790 von Marseille aus ab. Nach kurzer Rast in la Praya, an den Inseln des Grünen Vorgebirges, steuerte Marchand auf Staatenland zu, das er am 1. April 1791 erreichte, umschiffte Feuerland und drang in den Großen Ocean ein. Kapitän Marchand's Absicht war es, sich ohne Aufenthalt nach der Westküste Amerikas zu begeben; von Anfang Mai ab zeigte sich das Wasser in den Tonnen aber derart verdorben, daß er an die Erneuerung desselben denken mußte.

Kapitän Marchand entschied sich für die Marquesas de Mendoca-Inseln unter 10° südlicher Breite und 140° westlicher Länge von Paris.

»Die Lage der genannten Inseln, sagt Fleurieu, der einen sehr interessanten Bericht über diese Reise veröffentlicht hat, erschien ihm um so geeigneter, als er sich, um den Calmen, auf welchen man weiter östlich zu leicht trifft, zu entgehen, von vornherein vorgenommen hatte, die Linie unter 142° westlicher Länge zu passiren.«

Von Mendoca 1595 entdeckt, war dieser Archipel im Jahre 1774 von Cook besucht worden.

Am 12. Juni kam die Insel Magdalena, die südlichste der Gruppe, in Sicht. Die vorherigen Rechnungen Marchand's und des Kapitän Chanal erwiesen sich so zutreffend, daß die »Solide« schon nach einer Fahrt von dreiundsiebzig Tagen vom Cap Juan bei Staatenland aus an den Mendoca-Inseln ankerte, ohne ein anderes Land anzulaufen, und diese Sicherheit der Fahrtrichtung in einem Meere, wo die verschiedensten Strömungen alle gewöhnlichen Berechnungen und Methoden der Lagebestimmung unnütz machen, nur durch fleißige astronomische Beobachtungen gewann.

Marchand steuerte nun auf San-Pedro zu, das im Westen liegen blieb. Bald sah er Dominica-Santa-Christina und die Insel Hood, die nördlichste der Gruppe, und ging in der Bai von Madre de Dios vor Anker, wo die Eingebornen ihm unter dem tausendfach wiederholten Rufe:»Tayo! Tayo!« einen wahrhaft enthusiastischen Empfang bereiteten. Die Unmöglichkeit, den Bedarf an Schweinen hier zu decken, bestimmte Kapitän Marchand, andere Baien der Insel Santa-Christina zu besuchen, die er mehr bevölkert, fruchtbarer und pittoresker fand als Madre de Dios. Die Engländer verweilten früher zu kurze Zeit bei den Marquisen, um genaue und eingehende Beobachtungen über Land[367] und Leute zu machen. Wir entlehnen hier also einige Züge der Beschreibung Etienne Mar chand's.

»Die Bewohner sind groß, stark und gewandt; die Farbe ihrer Haut ist hellbraun, doch unterscheiden sich Manche kaum merklich von Europäern aus niedrigen Volksschichten. Sie kennen keine andere Bekleidung des Körpers als die mit Tätowirungen, und das Klima verlangt auch keine weitere. Diese Zeichnungen sind mit größter Regelmäßigkeit ausgeführt; die eines Armes oder Beines entspricht gewiß vollständig der des betreffenden anderen Gliedes, und diese symmetrische Buntscheckigkeit macht wirklich einen gar nicht so unangenehmen Eindruck. Die Haartracht erscheint wechselnder, und die Modegöttin herrscht auf den Marquisen ebenso unbeschränkt wie anderswo. Die Einen tragen z.B. Halsbänder von rothen Körnern, Andere eine Art Ringkragen aus kleinen leichten Holzstückchen. Obwohl man bei Männern und Frauen sieht, daß die Ohrläppchen durchlöchert sind, bemerkt man doch nicht, daß sie gewöhnt wären, etwas an dieselben zu hängen. Dagegen sah man eine junge Schöne aus Mendoca sich brüsten mit dem als Halskragen getragenen verrosteten Rasirbecken des Geistlichen der ›Solide‹, das diesem gestohlen worden war, und ein Mann trug ohne Scheu den Ladestock von Kapitän Marchand's Gewehr durch das Ohrläppchen gesteckt und an seiner Seite herabhängend.«

Cook behauptet, daß die »Kava« der Tahitier hier bekannt sei. Man kann dagegen nur sagen, daß sie dem, auf dem Schiffe angebotenen Branntwein den Namen der Pfefferpflanzen gaben. Sie schienen jedoch von einem derartigen Liqueur keinen übermäßigen Gebrauch zu machen, denn man sah hier niemals einen Betrunkenen.

Die Engländer erwähnen nicht einer Höflichkeitsbezeugung, welche bei den Bewohnern von Madre de Dios Sitte war und deren Chanal besonders Erwähnung thun zu sollen glaubte; sie besteht darin, befreundeten Personen einen Bissen Speise schon gekaut anzubieten, damit diese ihn nur noch zu verschlucken brauchen. Man darf wohl annehmen, daß die Franzosen, so empfänglich sie auch für jeden Beweis von Gastfreundschaft seitens der Eingebornen gewesen sein mögen, doch aus bescheidenem Zartgefühl eine solche Gefälligkeit nicht mißbraucht haben werden.

Eine andere merkwürdige Beobachtung Marchand's ist die, daß ihre auf Platformen von Stein erbauten Hütten und die Stelzen, deren sie sich bedienen, darauf hinweisen, daß Santa Christina gelegentlich von Ueberschwemmungen[368] heimgesucht wird. Man hatte Gelegenheit, eine solche recht gut gearbeitete und geschnitzte Stelze auf der letzten Pariser Ausstellung zu sehen, und verdankt Hamy, einem gründlichen Kenner alles dessen, was Oceanien angeht, eine interessante Abhandlung über dieses merkwürdige Geräth.


Der Schwanen-Fluß. [Facsimile. Alter Kupferstich.]
Der Schwanen-Fluß. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

»Die Hauptbeschäftigung der Ureinwohner von Santa Christina, nach dem Fischfange, der gelegentlichen Herstellung von Waffen, Piroguen oder Hausgeräthen besteht darin, zu singen, zu tanzen und sich zu vergnügen. Der volksthümilche[369] Ausdruck ›die Zeit todtschlagen‹ scheint wirklich geschaffen zu sein, um die Nichtsnutzigkeit der Beschäftigungen, mit denen sie ihr Leben ausfüllen, richtig zu kennzeichnen.«

Schon während der ersten Tage des Aufenthaltes in der Bai von Madre de Dios hatte Marchand eine Beobachtung gemacht, die ihn zur Auffindung einer Inselgruppe führte, von der die früheren Seefahrer und selbst Cook nicht die geringste Ahnung hatten. Bei Sonnenuntergang und völlig klarem Wetter bemerkte er am Horizont einen unbeweglichen Fleck, der wie ein Berggipfel aussah, eine Erscheinung, welche sich mehrere Tage hindurch wiederholte. Man konnte also gar nicht daran zweifeln, daß derselbe einem Lande angehöre, und da die Karten in der betreffenden Richtung kein solches anzeigten, mußte es wohl eine noch unbekannte Insel sein.

Als Marchand Santa Christina am 20. Juni verließ, wollte er sich hierüber Gewißheit verschaffen, und hatte die Genugthuung, im Nordwesten unter 7° südlicher Breite eine Grappe kleiner Inseln zu finden, deren größte seinen Namen erhielt. Die Einwohner gehörten allem Anscheine nach derselben Race an wie die der Marquisen. Bald darauf entdeckte man noch weitere, wie die Insel Baux, das ist Nuka-Hiva, die Beiden Brüder, die Insel Masse und Chanal, und bezeichnete diesen Archipel, der von den Geographen den Marquisen zugerechnet wird, als die »Inseln der Revolution«.

Von hier aus schlug man nun den Kars nach Amerika ein. Wegen der schon zu sehr vorgeschrittenen Jahreszeit konnte man nicht bis zum 60. Breitengrad nach dem »Williams-Sund« und »Cooks-River« hinaufsegeln. Marchand beschloß also, nach dem Cap del Engano zu gehen und seine Handelsgeschäfte in Dixon's Bai Norfolk, das ist die Bai von Guadaloupe der Spanier, zu betreiben.

Am 7. August bekam man Land, und zwar das Cap del Engano zu Gesicht, und nach fünftägiger Windstille fiel der Anker in der Bai von Guadeloupe. Bisher erlag kein Mann an Bord einem Anfalle von Scorbut, nach einer Fahrt von zweihundertzweiundvierzig Tagen, von denen nur zehn für die Aufenthalte in la Praya und Madre de Dios abgehen, und einer zurückgelegten Wegstrecke von fünftausendachthundert Meilen. Gewiß ein anerkennenswerthes Resultat, das man einzig den Rhedern, welche nichts bezüglich der Gesundheit der Mannschaften vernachlässigt, und den Kapitänen verdankte, die alle von der Erfahrung bekräftigten Maßregeln durchzuführen gewußt hatten.[370]

Während seiner Rast in dieser Bai, die bei den Landeseinwohnern Tchinkitane hieß, kaufte Marchand eine große Menge Otternfelle ein, darunter wohl hundert Stück von erster Qualität.

Die sehr kleinen Eingebornen mit untersetztem, aber wohl proportionirtem Körper und rundem flachen Gesicht haben ein abstoßendes Aussehen. Kleine, tiefliegende und triefende Augen und stark hervorspringende Backenknochen tragen natürlich nicht dazu bei, sie zu verschönern. Die Farbe ihrer Haut ist unter der dicken Kruste von Schmutz und der sie bedeckenden Mischung rother und schwarzer Substanzen nur schwer zu bestimmen. Ihr hartes, dichtes, struppiges, mit Ocker und Flaumenfedern und allerlei Unreinlichkeiten, welche Zeit und Nachlässigkeit darauf nur anhäufen können, überdecktes Haar macht ihren Anblick nur noch widerlicher.

Weniger schwarz als die Männer, erscheinen die Frauen womöglich noch häßlicher. Ihr kurzer, gedrungener Wuchs und die nach Innen gebogenen Beine stempeln sie im Vereine mit wahrhaft unerhörter Unsauberkeit zu wirklich abschreckenden Wesen. Die den Frauen einmal angeborne Coquetterie verleitet sie, zur Erhöhung ihrer natürlichen Schönheit einen ebenso wunderlichen wie unbequemen Lippenschmuck anzulegen, über den wir schon bei Gelegenheit des Verweilens Cook's in diesen Gewässern Einiges mittheilten.

»Man macht etwa sechs Linien unter dem Saume der Unterlippe einen mit dem Munde parallel verlaufenden Einschnitt und bringt in denselben zuerst einen eisernen oder hölzernen Knopf an, während mit zunehmendem Alter ein größerer fremder Körper dafür gewählt wird. So gelangt man endlich dahin, ein besonders dazu gearbeitetes Stück Holz einzusetzen, das etwa Form und Größe der Schale eines Suppenlöffels hat. Dieser seltsame Schmuck dient dazu, durch das Gewicht seines vorspringenden Theiles die Unterlippe auf das Kinn herabzuziehen und den für schön gehaltenen, weit offenstehenden Mund zu erzeugen, der nach und nach die Gestalt eines Backofens annimmt und eine Reihe gelber schmutziger Zähne bloßlegt. Da diese Löffelschale nach Belieben eingesetzt und herausgenommen werden kann, so bildet im letzteren Falle die freiliegende Querspalte der Unterlippe einen zweiten Mund, der seiner Größe nach dem natürlichen keineswegs nachsteht und bei manchen Frauen drei Zoll in der Länge mißt.«

Die »Solide« verließ die Bai von Tchinkitane am 21. August und wandte sich nach Südosten, um die im Jahre 1786 von Lapérouse gesehenen Königin[371] Charlotte-Inseln aufzusuchen. Diese erstrecken sich über eine Länge von fast siebzig Meilen. Am 23. erreichte Etienne Marchand die Bai der Mäntel (Dixon's Cloak-Bai), deren Untersuchung Kapitän Chanal sich mit größter Sorgfalt angelegen sein ließ.

Am nächsten Tage fuhren die Schaluppen in den Cox-Kanal ein und erhandelten von den Indianern noch weitere Pelzwaaren. Die Seefahrer erstaunten da nicht wenig über den Anblick zweier, offenbar schon vor sehr langer Zeit gemalter, großer Bilder und riesiger Sculpturen, die wenn sie auch mit den Meisterwerken der Griechen nicht die entfernteste Verwandtschaft zeigten, doch einen bei diesen verwahrlosten Völkerschaften kaum erwarteten Kunstgeschmack erkennen ließen.

Das Land, welches die Bai und die Straße von Cox umgiebt, ist niedrig und mit Weiden bedeckt. Die aus Pflanzenresten und Steingerölle bestehende oberste Erdschicht scheint nur von geringer Tiefe zu sein, und die Erzeugnisse gleichen ganz denen von Tchinkitane.

Die Zahl der Einwohner mag vierhundert Köpfe betragen. Ihre Gestalt weicht nicht besonders von der der Europäer ab, auch sind sie weniger häßlich als die Tchinkitanesen.

Da man in Cloak-Bai nicht so viel Pelzwerk erhalten konnte, wie Marchand wünschte, sandte er unter dem Commando des Kapitän Chanal ein Boot zur Untersuchung der südlicher gelegenen Inseln aus, und beabsichtigte damit gleichzeitig, die Lage jener noch nicht besuchten Inseln feststellen zu lassen. Nur Dixon's Schiff war früher über diese Gewässer gekommen, von seiner Besatzung aber Niemand an's Land gegangen. Es darf also gar nicht wundernehmen, wenn durch diese eingehendere Prüfung viele ältere Angaben dementirt oder doch berichtigt wurden.

Nachdem man die Einfahrt von Nootka in Augenschein genommen, segelte man nach der von Berkley; eben als die »Solide« in dieselbe aber eindringen wollte, kam ein Dreimaster zum Vorschein, der seiner eingehaltenen Richtung nach das südliche Ufer derselben anlaufen zu wollen schien, was Kapitän Marchand eben auch vorhatte. Diese Wahrnehmung veranlaßte den französischen Seefahrer, sofort nach den Küsten von China abzugehen, um seine Ladung an den Mann zu bringen, bevor das andere Schiff dorthin gelangen und ihm Concurrenz machen konnte. Der beste Weg dahin führte über die Sandwichs-Inseln, und am 5. October sahen die Franzosen die Gipfel des Mauna-Loa und des[372] Mauna-Koa gänzlich frei von Schnee, was mit den Angaben des Kapitän King in directem Widerspruche steht.

Nachdem er bis zur Insel O-Whyhee gelangt, befolgte Marschand die kluge Maßregel, alle seine Einkäufe nur unter Segel abzumachen. Er verschaffte sich von genannter Insel Schweine, Geflügel, Cocosnüsse, Bananen und andere Früchte, unter denen sich glücklicherweise auch Kürbisse und Wassermelonen vorfanden, welche ohne Zweifel von den durch Cook ausgestreuten Sämereien herrührten.

Vier Tage opferte man zur Erlangung dieser Provisionen; dann ging es weiter nach China, vorüber an der Insel Tinian, eine der Mariannen.

Der Leser erinnert sich der bezaubernden Schilderung dieser Insel von Commodore Anson. Byron war seinerzeit, wie wir anführten, höchst erstaunt, dieselbe ganz verändert zu finden. Fünfzig Jahre früher stand Tinian nämlich in hoher Blüthe und zählte wohl dreißigtausend Einwohner. Aber eine durch die spanischen Eroberer eingeschleppte epidemische Krankheit richtete unter der Bevölkerung ungeheure Verheerungen an, und die übrig gebliebenen Bewohner wurden darauf von hier weg nach Guaham übergeführt.

Marchand landete in Tinian nicht, da dieses nach Aussage aller Reisenden, welche seit Byron hierher gekommen waren, sich in vollkommen verwildertem Zustande befand, sondern schlug vielmehr einen Kurs nach der Südspitze von Formosa ein.

In Macao, das er am 28. November erreichte, erhielt Marchand sehr niederschlagende Nachrichten. Die chinesische Regierung hatte eben unter Androhung der strengsten Strafen jede Einfuhr von Pelzwaaren in den südlichen Häfen des Reiches verboten. Niemand wußte, ob das der Clausel eines geheimen Vertrages mit Rußland entsprach, oder ob das Verbot nur ein Ausfluß der Habgier einzelner Mandarinen war; jedenfalls erschien es aber ganz unmöglich, dasselbe zu umgehen.

Marchand schrieb nach Canton an die Vertreter der Firma Baux. Auch in dieser Stadt galt dasselbe Verbot, und man durfte gar nicht daran denken, etwa nach Whampoa hinauszusegeln, wo das Schiff einen Eingangszoll von mindestens sechstausend Piastern hätte bezahlen müssen.

Etienne Marchand blieb nichts Anderes übrig, als nach Isle de France und von da nach Marseille, seinem Ausgangshafen, zurückzusegeln. Er entschloß sich dazu, wenn auch ungern. Wir haben keine Ursache, uns bei dieser Reise[373] aufzuhalten, welche ganz in gleicher Weise verlief wie die meisten Fahrten dieser Art.

Welche wissenschaftlichen Ergebnisse lieferte nun die Reise? Von geographischem Gesichtspunkte aus nur sehr dürftige, und diese lassen sich dahin zusammenfassen:

Die Entdeckung eines Theiles der Marquisen, welcher Cook und seinen Vorgängern entgangen war; eingehendere Kenntnisse der Sitten und Gebräuche der Bewohner von Santa Christina in dem nämlichen Archipel, ferner der Baien Tchinkitane und der Mäntel, sowie der Königin Charlotte-Inseln an der Küste Amerikas. Für eine speciell dazu ausgesendete Expedition wäre das sehr wenig gewesen, für ein von Privat-Rhedern ausgerüstetes Fahrzeug durfte man es viel nennen. Gleichzeitig hatten die Kapitäne Marchand, Chanal und Masse alle neueren Beobachtungs- und Messungsmethoden so erfolgreich anzuwenden verstanden und alle Berichte ihrer Vorgänger mit solchem Fleiße benützt, daß es ihnen gelang, ihre Route mit einer bisher ungekannten Genauigkeit einzuhalten. Andererseits trugen sie wieder durch die Verläßlichkeit ihrer Karten und Aufnahmen nicht wenig zur Aufklärung ihrer Nachfolger bei.

Nicht so günstig scheinen sich die Umstände gestaltet zu haben bezüglich der Veröffentlichung des Berichtes über eine von der französischen Regierung einige Jahre später ausgesendete Expedition zur Erforschung der Küsten von Australien. Trotz der reichen Ergebnisse der Fahrt des Kapitän Nikolaus Baudin muß über dieser Expedition bis zum heutigen Tage ein gewisser Unstern walten, und alle Verfasser von biographischen Wörterbüchern und Reisebeschreibungen scheinen sich das Wort gegeben zu haben, derselben so wenig wie möglich Erwähnung zu thun.

Seit dem Tage, da Tasman die Westküste Neu-Hollands entdeckte, hatte die Kenntniß des ungeheuren geheimnißvollen Landes schon wesentliche Fortschritte gemacht. Cook untersuchte seinerzeit die ganze Ostküste desselben, die Endeavour-Straße und empfahl seiner Regierung mit großer Wärme die Vortheile, welche eine Niederlassung in Botany-Bai bieten müßte. Im Jahre 1788 legte dann Philipp den ersten Grundstein zu Port Jackson und zu der Herrschaft der Engländer in diesem fünften Erdtheile.

In den Jahren 1795 und 1796 untersuchten der Midshipman Flinders und der Chirurg Baß mit einem elenden Boote, der »Tom-Pouce«, den Georgs-Fluß in einer Ausdehnung von zwanzig Meilen und erforschten eine lange[374] Küstenstrecke sehr eingehend. Baß meldete dann 1797 das Vorhandensein eines geräumigen Hafens, den er seiner Lage wegen »Western« genannt hatte.

»Nun gingen seine Provisionen zu Ende, sagt Desborough Cooley, und trotz des brennenden Verlangens, eine genaue und eingehende Untersuchung seiner neuen Entdeckung vorzunehmen, sah er sich zur Umkehr genöthigt. Er hatte nur für sechs Wochen Mundvorrath mitgenommen, mit Hilfe von Fischen und Seevögeln, die er hier in Menge fand, seine Reise, von der er gleichzeitig zwei Verbrecher wieder mit heimführte, aber doch noch fünf Wochen länger auszudehnen vermocht. Diese Fahrt von sechshundert Meilen in ungedecktem Boote gehört zu den merkwürdigsten, die man überhaupt kennt. Sie wurde auch nicht unter dem Druck zwingender Nothwendigkeit, sondern nur in der Absicht unternommen, bisher unbekannte und gefährliche Küstenstrecken näher kennen zu lernen.«

In Begleitung Flinders' entdeckte Baß ferner 1798 die Meerenge, welche noch heute seinen Namen trägt und Tasmanien von Neu-Holland trennt, während er mit einem Schooner von fünfundzwanzig Tonnen ganz Van-Diemens-Land umschiffte. Die Aufschlüsse, welche die beiden kühnen Forscher über die Flüsse und Häfen des Landes gaben, übten auf die spätere Kolonisation desselben einen sehr weitreichenden Einfluß. Baß und Flinders fanden bei ihrer Rückkehr nach Port Jackson auch eine wirklich begeisterte Aufnahme.

Nach England heimgekehrt, erhielt Flinders mit dem Patente eines Schiffslieutenants das Commando der »Investigator«, eines speciell für Entdeckungsfahrten an den Küsten Australiens ausgerüsteten Fahrzeuges, mit dem er die südlichen und nordwestlichen Küsten, den Carpentaria-Golf und die Torres-Straße befahren sollte.

Die Berichte Cook's und d'Entrecasteaux' über Neu-Holland erregten seinerzeit auch in Frankreich die öffentliche Aufmerksamkeit. Ein eigenartiges Land mit fremden Erzeugnissen der Thierwelt, bald bedeckt mit riesigen Eukalyptus-Wäldern, bald entsetzlich kahl, nur mageres Dorngestrüpp ernährend, sollte sich dieser Continent noch lange unseren neugierigen Blicken verbergen und den Forschern fast unüberwindliche Hindernisse entgegensetzen. Da verlieh das Institut der öffentlichen Meinung Ausdruck und verlangte von der Regierung die Absendung einer Expedition nach jenen Ländern. Nach dem Vorschlage desselben wurden vierundzwanzig Gelehrte erwählt, dieselbe zu begleiten.

»Noch niemals gab man dieser Abtheilung bei einer Entdeckungsfahrt eine solche Ausdehnung und noch niemals wendete man auf ihre Ausrüstung so[375] umfängliche Mittel. Astronomen, Geographen, Mineralogen, Botaniker, Zoologen, Zeichner, Gärtner, Alle waren doppelt, drei-, ja sogar fünffach vertreten.«

Unter diesen Gelehrten befanden sich z.B. Leschenaut de Latour, François Péron und Bory de Saint-Vincent. Officiere und Matrosen wurden mit größter Sorgfalt ausgewählt. Von den ersteren kennen wir François André Baudin, Peureux de Mélay, Hyacinthe de Bougainville, Charles Baudin, Emmanuel Hamelin, Pierre Milus, Mangin, Duval d'Ailly, Henri de Freycinet, welche es Alle bis zum Grade eines Contre-Admirals oder Admirals brachten, ferner Le Bas Sainte-Croix, Pierre Guillaume Gicquel, Jacques Philippe Montgéry, Jacques de Cricq, Louis de Freycinet, Alle spätere Schiffskapitäne.

»Wenn diese Zusammenstellung der Theilnehmer und das Ziel der Reise wichtige Resultate in Aussicht stellten, lautet der Bericht, so schien der dabei einzuhaltende Operationsplan diese noch weiter zu sichern. Alles was die Erfahrung anderer Seefahrer bis zum heutigen Tage über die Gegend, welche wir besuchen sollten, gelehrt hatte, Alles was die Theorie bot oder reifliche Ueberlegung daraus folgern, respective hinzufügen konnte, war als Grundlage zu dieser Arbeit benützt worden. Die unregelmäßigen Winde, die Moussons und Strömungen waren mit solcher Genauigkeit berechnet, daß die Hauptquelle der uns zugestoßenen Widerwärtigkeiten auf die Abweichung von jenen ersten ausgezeichneten Vorschriften zu verschieben ist.«

Nach Ausrüstung eines dritten Fahrzeuges von geringem Tiefgang sollten die Reisenden, von Isle de France ausgehend, ganz Van-Diemens-Land, die Meerenge d'Entrecasteaux', Baß' und Bank's besuchen, nachher und nach Feststellung der Lage der Hunter-Inseln, hinter die Saint-Pierre und Saint-François-Inseln eindringen, den von diesen verdeckten Continent erforschen und dort der Meerenge nachspüren, welche, wie man glaubte, eine Verbindung mit dem Carpentaria-Golfe herstellte und Neu-Holland in zwei Theile schied.

Nach Vollendung dieses ersten Abschnittes der Fahrt sollten Leuwin's-, Edels'- und Endrächts-Land in Augenschein genommen werden; ferner galt es, den Schwanenstrom so weit als möglich hinauf zu fahren, eine Karte der Insel Rottnest und des dabei liegenden Küstenstriches zu entwerfen, die Erforschung der Seehunds-Bai zu vervollständigen, gewisse Punkte des Witts-Landes genauer aufzunehmen und endlich von der Küste des Nordwest-Caps aus nach Timor in den Molukken zu segeln, wo man der wohlverdienten Ruhe genießen sollte.


König der Insel Timor. [Facsimile. Alter Kupferstich.]
König der Insel Timor. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Wenn sich die Mannschaften von ihrer Anstrengung erholt, sollte die Küste[376] Neu-Guineas besucht werden, um zu sehen, ob dasselbe nicht durch einzelne Wasserstraßen in mehrere Inseln getheilt sei; ferner war vorgeschrieben, den Carpentaria-Golf bis zum Grunde zu erforschen, einige Theile des Arnheim-Landes zu besichtigen und endlich nach Isle de France zu steuern, um von da aus nach Europa heimzukehren.

In diesem weitaussehenden, wohldurchdachten Programme erkannte man leicht dieselbe Hand, welche früher schon die Instructionen für Lapérouse und[377] d'Entrecasteaux entwarf. Die Resultate mußten, wenn jene irgend mit Geschick durchgeführt wurden, jedenfalls bedeutend sein.

In Havre waren eine große Corvette von dreißig Kanonen, die »Geographe«, und ein großes Transportschiff, die »Naturaliste«, für diese Fahrt ausgerüstet worden. Für reichliche und ausgezeichnete Provisionen wurde nach Kräften gesorgt; die Instrumente für physikalische und astronomische Beobachtungen rührten von den berühmtesten Fabrikanten her; jedes Schiff erhielt eine vortreffliche Bibliothek der besten Werke, höchst schmeichelhafte Empfehlungsbriefe von allen Regierungen Europas, unbeschränkten Credit auf allen Plätzen Asiens und Afrikas. Mit einem Worte, man hatte Alles gethan, den Erfolg dieser wichtigen Expedition zu sichern.

Unter den lauten Glückwünschen einer zahllosen Menschenmenge verließen die beiden Schiffe Havre am 19. October 1800. Eine kurze Zeit verweilten die Reisenden im Hafen von Santa-Cruz auf Teneriffa, begaben sich dann ohne Aufenthalt nach Isle de France, wo sie am 25. April 1801 mehrere Officiere zurückließen, welche zu schwer erkrankt waren, um die Fahrt weiter mit fortsetzen zu können.

Dieser Anfang wirkte eben nicht ermuthigend. Die Unzufriedenheit nahm noch zu bei der Verbreitung der Nachricht, daß man nur ein halbes Pfund frisches Brot per Woche habe, daß die Weinration durch dreisechszehntel Flasche eines schlechten Tafia von Isle de France ersetzt werden würde und daß Zwieback und Pökelfleisch die Hauptnahrung der späteren Zeit bilden solle. Diese vorzeitigen Maßregeln wurden zur Quelle mancher Krankheiten der Mannschaften und der Mißstimmung der meisten wissenschaftlichen Theilnehmer der Reise.

Die Ueberfahrt von Europa nach Isle de France und der lange Aufenthalt an letzterer Insel hatten einen Theil der günstigen Jahreszeit schon geraubt. Da Baudin sich jetzt nicht nach Van-Diemens-Land zu begeben wagte, entschloß er sich, die eigentliche Forschungsreise mit der Nordwestküste Neu-Hollands zu beginnen. Er überlegte dabei freilich nicht, daß er in diesem Falle immer nach Süden zu segeln mußte und mit dem Fortschritt der rauhen Jahreszeit stets gleichmäßig in immer ungünstigere Verhältnisse gerieth.

Am 25. Mai kam die Küste Neu-Hollands in Sicht. Sie erschien niedrig, dürr und sandig. Nach und nach besuchte und benannte man die »Bai der Geographe«, das »Cap der Naturaliste«, die Depuch-Bucht und die Piquet-Spitze. An letzterem Punkte gingen die Naturforscher an's Land und brachten eine[378] reiche Ernte an Pflanzen und Muscheln zurück. Inzwischen trieb jedoch der schwere Seegang die beiden Schiffe von einander, und fünfundzwanzig Mann der Besatzung mußten mehrere Tage am Lande ausharren, ohne ein anderes Getränk als abscheuliches Brackwasser und ohne die Möglichkeit, sich Wild oder Geflügel erlegen zu können, so daß ihnen nur eine sehr elende, viel kohlensaures Natron und einen scharfen Saft enthaltende Nahrung, über deren Natur man nicht recht klar geworden ist, übrig blieb.

Man sah sich auch gezwungen, eine von den Wogen an's Ufer geworfene Schaluppe mit Gewehren, Säbeln, Cartouchen, Tauen, Hißleinen und einer Menge anderer Gegenstände im Stich zu lassen.

»Dieser Unfall wurde um so bedauernswerther, sagt der Bericht, weil dabei einer der besten Matrosen der ›Naturaliste‹, ein gewisser Vasse aus Dieppe, umkam. Dreimal von der Brandung zurückgeschleudert, wenn er im Begriff war, in ein Boot zu klettern, verschwand er zuletzt in derselben, ohne daß es uns möglich gewesen wäre, ihm helfen zu können oder uns wenigstens von seinem Tode zu überzeugen, so heftig gingen die Wogen und so undurchdringlich war die Finsterniß.

Dieses schlechte Wetter sollte leider längere Zeit andauern. Der Wind blies meist stoßweise; unaufhörlich rieselte ein seiner Regen nieder und im dichten Nebel verlor man bald die ›Naturaliste‹ aus dem Gesicht, die man erst bei Timor wiederfinden sollte.

Kaum an der Insel Rottnest angelangt, die von Kapitän Hamelin im Fall einer Trennung als Sammelplatz bezeichnet war, befahl Baudin zum Erstaunen Aller, nach der Seehunds-Bai in Endrächts-Land abzusegeln.

Dieser ganze Theil Neu-Hollands bildet nur eine Reihe niedriger, im Niveau gleicher, sandiger, unfruchtbarer, röthlich oder grau gefärbter Küsten, welche da oder dort von oberflächlichen Vertiefungen zerspalten sind, steil in's Meer abfallen und von unnahbaren Rissen vertheidigt werden, wodurch sie den, ihnen von dem Ingenieur, Hydrographen Boullanger gegebenen Namen, die ›Eisenküste‹, vollkommen rechtfertigen.

Von der Insel Dirck-Hatichs, am Anfang des Endrächts-Landes, wurden die Inseln Doore, Bernier, wo man Känguruhs in ganzen Gesellschaften begegnete, und die Dampier-Rhede in Augenschein genommen bis zur Seehunds-Bai, welche man gründlich untersuchte. Nach dem Endrächts-Land, das keinerlei Hilfsquellen bot, folgte die Expedition dem Witt-Land, in einer Ausdehnung[379] von zehn Breiten- und fünfzehn Längengraden zwischen dem Nordwest-Cap und dem Arnheim-Land, in seiner ganzen Küstenentwicklung. Dabei trafen die Seefahrer die gewöhnlichen Unfälle und drohten ihnen dieselben Gefahren wie ihren Vorgängern, während sie nach und nach die Inseln ›L'Hermite‹, ›Forestier‹, das vulkanische ›Dupuch‹, die ›Basses der Geographe‹, eine nur mühsam umgangene Untiefe, ferner die Insel ›Bedout‹, ›Lacépède‹, die Caps ›Borda‹ und ›Mollien‹, endlich die Inseln ›Champagny‹, ›d'Arcole‹, ›Freycinet‹, ›Lucas‹ und andere mehr auffanden und tauften.

Inmitten dieser zahlreichen Inseln, heißt es in dem Berichte, bietet sich nirgends ein freundliches Bild; der Erdboden ist kahl; der brennende Himmel stets rein und wolkenlos; die Wellen werden nur durch nächtliche Unwetter in Bewegung gesetzt; der Mensch scheint diese trostlosen Gestade gemieden zu haben, nirgends wenigstens begegnet man auch nur einer Spur seines Verweilens oder seiner Gegenwart.

Erschreckt von dieser sozusagen häßlichen Einöde und von fortwährenden Gefahren bedroht, wendet der Schiffer die müden Augen ab von dem unglücklichen Lande, und wenn er dann bedenkt, daß diese ungastlichen Inseln die Grenznachbarn derer des großen asiatischen Archipels sind, über den die Natur ihre Schätze und Wohlthaten mit wahrhaft verschwenderischer Hand ausstreute, so begreift er kaum, wie eine so jämmerliche Unfruchtbarkeit neben jener überschwenglichen Ueppigkeit bestehen kann.«

Die Auskundschaftung dieser trostlosen Küste endigte mit der Entdeckung des Bonaparte-Archipels unter 13°15' südlicher Breite und 123°30' östlicher Länge von Paris.

»Die erbärmlichen Nahrungsmittel, auf welche wir seit der Abfahrt von Isle de France beschränkt waren, zerrütteten allmählich auch die festeste Gesundheit. Der Scorbut begann aufzutreten und mehrere Matrosen lagen schwer an demselben darnieder. Unser Wasservorrath ging zu Ende, und wir hatten doch die Ueberzeugung gewonnen, daß an eine Erneuerung desselben an diesen traurigen Gestaden nicht zu denken sei. Dazu nahte die Zeit des Moussonwechsels, und die Stürme, welche er stets mit sich führt, durfte man an dieser Küste unmöglich erwarten; endlich mußten wir uns auch wieder eine Schaluppe verschaffen und mit der ›Naturaliste‹ zusammenzutreffen suchen. Alle diese Beobachtungen bestimmten denn auch den Commandanten nach der Insel Timor zu steuern, wo er am 22. August auf der Rhede vor Coupang vor Anker ging.«[380]

Wir übergehen hier die Einzelheiten des Empfangs, welchen die Reisenden fanden. Das Herz erquickt sich wohl immer an einem freundlichen Umgange, doch wenn die Erinnerung daran für den, der einen solchen selbst erlebte, stets werthvoll bleibt, so entbehrt die Wiedererzählung solcher Dinge doch des Reizes für den nicht interessirten Leser. Mehr in's Gewicht fällt es, zu wissen, daß die ganze Mannschaft der Ruhe gar dringend bedurfte und daß zehn, vom Scorbut heftig ergriffene Leute an's Land geschafft werden mußten. Wie viele Andere mochte es noch geben, deren geschwollenes, blutendes Zahnfleisch den bedrohten Zustand ihres Organismus verrieth!

Wenn der Scorbut aber auch den in solchen Fällen gebräuchlichen Arzneimitteln bald wich, so trat dafür leider die Dysenterie auf, welche binnen wenig Tagen achtzehn Mann auf's Lager streckte.

Am 21. December endlich erschien die »Naturaliste«; sie hatte in der Seehunds-Bai, dem von Baudin bestimmten Stelldichein, geduldig auf die, »Geographe« gewartet, welche doch nicht erschien. Die Officiere hatten aber diese lange Muße wenigstens benutzt, um specielle Pläne der Küste, der Rottnest-Inseln und des Schwanen- und Abrolhos-Stromes zu entwerfen.

Auf der Insel Dirck-Hatichs fand Kapitän Hamelin auch zwei holländische, auf Zinnteller eingravirte Inschriften. Die eine meldete das Vorüberkommen des Schiffes »Eendraght« von Amsterdam am 25. October 1616; die andere den Aufenthalt der »Geelwinck«, unter Führung des Kapitän Vlaming, im Jahre 1697.

Aus den Aufzeichnungen der »Naturaliste« geht hervor, daß die vermeintliche Seehunds-Bai eine große Einbuchtung von nahezu fünfzig Meilen Tiefe bildet, wenn man vom Cap Cuvier nördlich bis zum Ende des Freycinet-Golfs rechnet; daß ihre ganze östliche Umgebung vom Festlande gebildet wird, während die westliche aus den Inseln Koks, Bernier, Doore, Dirck-Hatichs und wiederum einem Theil des Festlandes besteht. In der Mitte dieses tiefen Einschnittes drängt sich die Halbinsel Péron vor, von der östlich und westlich die Häfen Hamelin und Henri Freycinet gelegen sind.

Die Krankheiten, deren Beute die unglücklichen Seefahrer wurden, bewirkten nur eine vorübergehende Besserung in dem gespannten Verhältnisse zwischen dem Commandanten Baudin und seinem Officierscorps. Er selbst unterlag einem so heftigen unregelmäßigen Fieber, daß man ihn einmal mehrere Stunden für todt hielt. Das hinderte ihn aber nicht, acht Tage nach seiner Wiedergenesung einen seiner Officiere, den Schiffsfähnrich Picquet, verhaften zu lassen, dem doch die[381] Stäbe beider Fahrzeuge die schmeichelhaftesten Beweise ihrer Freundschaft und Hochachtung zutheil werden ließen. Nach der Rückkehr nach Frank reich wurde Picquet zum Schiffslieutenant ernannt. Ein Beweis, daß er damals nicht schuldig war.

Kapitän Baudin hatte den ihm vom Institut übergebenen Operationsplan gerade auf den Kopf gestellt. Er mußte also jetzt nach Van-Diemens-Land segeln. Von Timor am 13. November 1801 abgefahren, bekamen die Franzosen – genau zwei Monate später – die Südküsten dieser Inseln zu Gesicht. Noch immer herrschte die genannte Krankheit in aller Strenge und es fielen ihr nicht Wenige zum Opfer.

Die beiden Fahrzeuge steuerten in die d'Entrecasteaux-Straße ein, eine Meerenge, welche Tasman, Furneaux, Cook, Marion, Hunter und Bligh entgangen war, und deren Entdeckung nur als Folge eines Irrthums zu betrachten ist, der beinahe recht unheilbringend geworden wäre.

Man hatte angehalten, um den Wasservorrath zu erneuern. Mehrere Boote waren schon zur Aufsuchung von Quellen abgefahren.

»Um neuneinhalb Uhr, sagt Péron, befanden wir uns am Eingange des Schwanen-Hafens. Von allen mir während unserer langen Reise zu Gesicht gekommenen Oertlichkeiten erschien mir dieser Platz am schönsten und angenehmsten. Sieben Bergzüge, die sich stufenweise hintereinander nach dem Innern erhoben, bildeten den Hintergrund des Hafens. Zur Rechten und Linken umgürteten ihn mäßig hohe Hügel, welche eine Menge abgerundeter Vorsprünge und romantischer Buchten darstellten. Ueberall prangten die herrlichsten Erzeugnisse der Pflanzenwelt; am Ufer standen die prächtigsten Bäume so dicht, daß man in die von ihnen gebildeten Wälder kaum einzudringen vermochte. Unzählige Schwärme von Papageien und in lebhaften Farben schimmernde Kakadus wiegten sich über ihren Gipfeln, und reizende Meisen mit lasurblauem Halse flatterten darunter im Schatten. Das Wasser im Hafen war ausnehmend ruhig und kaum gekräuselt von den zahlreichen Schwärmen schwarzer Schwäne, welche darüber hinglitten.«

Nicht alle zur Aufsuchung eines Wasserplatzes ausgesendeten Abtheilungen kehrten so befriedigt von dem Zusammentreffen mit Eingebornen zurück, wie die Péron's. So begegnete z.B. Kapitän Hamelin, begleitet von Leschenaut, Petit und verschiedenen Officieren und Matrosen, einigen Bewohnern des Landes, denen er mancherlei Geschenke machte. Als sie ihr Boot wieder besteigen wollten, wurden sie zum Dank mit einem Hagel von Steinen überschüttet, von denen[382] einer den Kapitän Hamelin ziemlich schwer verwundete. Obwohl die Wilden ihre Zagaien schwangen und überhaupt eine drohende Haltung annahmen, enthielt man sich doch der Versuchung, auf sie Feuer zu geben. Ein seltenes Beispiel von Mäßigung und Menschlichkeit!

»Admiral d'Entrecasteaux' géographische Arbeiten über Van-Diemens-Land, heißt es in dem Berichte, sind schon so vollkommen, daß es schwer sein möchte, irgend etwas zu finden, was sie überträfe, und Beautemps-Beaupré, der Verfasser derselben, hat sich damit unbestreitbare Anrechte auf die Achtung seiner Landsleute und die Dankbarkeit der Seefahrer aller Länder erworben. Ueberall, wo die Umstände dem geschickten Ingenieur nur gestatteten, eingehendere Untersuchungen vorzunehmen, hat er seinen Nachfolgern nirgends eine noch auszufüllende Lücke gelassen. Wir meinen hierbei vorzüglich den d'Entrecasteaux-Kanal und die vielen mit ihm in Verbindung stehenden Buchten und Häfen. Leider kann man nicht dasselbe sagen von dem Theil von Van-Diemens-Land, der im Nordosten jenes Kanals liegt und dem die Boote des französischen Admirals nur einen oberflächlichen Besuch abstatteten.«

Die Hydrographen ließen sich nun die Erforschung dieser Küstenstrecke besonders angelegen sein, um die eigenen Beobachtungen mit denen ihrer Landsleute in Verbindung zu setzen und so ein Ganzes zu schaffen, das nichts mehr zu wünschen übrig ließe. Diese Arbeiten, welche die früheren d'Entrecasteaux' theils berichtigten, theils vervollständigten, hielten die Schiffe bis zum 5. Februar zurück. Dann wandten sie sich zur Besichtigung der Südostküste von Van-Die mens-Land. Die Fahrt verlief unter den gewöhnlichen Verhältnissen und bietet in ihrem Ergebniß nur dem Geographen von Fach einiges Interesse.


Wasserträgerin auf Timor. [Facsimile. Alter Kupferstich.]
Wasserträgerin auf Timor. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Trotz der Wichtigkeit der mit großer Sorgfalt ausgeführten Aufnahmen halten wir uns nicht weiter dabei auf, außer wo sich Gelegenheit bieten wird, einen besonderen einzelnen Vorfall zu erzählen.

Die »Naturaliste« und die »Geographe« besuchten nun die Ostküste Tasmaniens, nebst der Banks- und Baß-Straße.

»Am 26. März des Morgens kamen wir in großer Entfernung an den Taillefer-Eilanden und der Insel Schouten vorbei. Gegen Mittag befanden wir uns dem Cap Forster gerade gegenüber, als unser Ingenieur-Geograph Boullanger in einem von Maurouard befehligten Boot abstieß, um die Küste aus nächster Nähe in Augenschein zu nehmen. Das Schiff sollte in einer, der des Bootes parallelen Richtung nachfolgen und jenes niemals aus den Augen lassen; Boullanger[383] hatte uns aber kaum eine Viertelstunde verlassen, als der Commandant ohne allen erklärlichen Grund seewärts wenden ließ und sich entfernte, so daß das Boot sehr bald unseren Blicken entschwand. Erst in der Nacht hielt man wieder auf's Land zu. Inzwischen war eine kräftige Brise aufgesprungen, welche jede Minute auffrischte; wir schwankten hin und her, die Nacht sank herab und entzog unseren Blicken die Küste, an der unsere unglücklichen Gefährten zurückgelassen worden waren.«[384]

Vergeblich suchte man die drei folgenden Tage nach ihnen.

Klingt nicht durch diese so gemäßigten Worte des Berichtes ein begründeter Unwille über das Verfahren des Commandanten Baudin hindurch? Was konnte er damit beabsichtigen?


Nasurhütte in Endrachts-Land. [Facsimile. Alter Kupferstich.]
Nasurhütte in Endrachts-Land. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Was nützte ihm das Verlassen der Matrosen und zweier Officiere? Dieses Geheimniß lüftete der Bericht Péron's leider nach keiner Seite. Mit dem Eindringen in die Straße Bank's und Baß' kam man eigentlich dem Letztgenannten und Flinders in's Gehege, welche diese Gegend zu ihrer ausschließlichen[385] Domaine und zum Schauplatz wichtiger Entdeckungen gemacht hatten. Als die »Geographe« jedoch vom 29. März 1802 der Südwestküste Neu-Hollands folgte, kannte man zunächst nur den Theil derselben zwischen Cap Leuwin und den Inseln Saint-Pierre und Saint-François, d.h. der Strich zwischen der Ostgrenze des Nuyts-Landes bis zum Port Western war noch von keinem europäischen Fuße betreten worden.

Die Wichtigkeit dieser Fahrt leuchtet ein, wenn man bedenkt, daß es sich um Aufklärung darüber handelte, ob Neu-Holland eine einzige große Insel bilde und ob an dieser Seite nicht große schiffbare Flüsse in's Meer fielen.

Nach und nach wurden die Inseln Latrille, das Cap Mont-Tabor, Cap Folard, die Decartes-Bai, das Cap Boufflers, die Bai d'Estaing, die Bai Rivoli und Cap Monge entdeckt und benannt. Eben hatte man eine überraschende Menge Delphine gefangen, als am fernen Horizont ein Segel auftauchte. Zuerst glaubte man, es sei die »Naturaliste«, von der man während des heftigen Sturmes in der Nacht vom 7. zum 8. März getrennt worden war. Da das Fahrzeug gerade den entgegengesetzten Kurs einhielt, befand es sich bald der »Geographe« gegenüber. Da hißte es die englische Flagge. Es war die »Investigator«, seit acht Monaten unter dem Befehle Flinders' unterwegs von Europa, um die Entdeckung Neu-Hollands zu Ende zu führen. Seit drei Monaten schon untersuchte auch Flinders die Küste Australiens, wobei er ebensoviel wie die Franzosen von Stürmen und Unwettern zu leiden gehabt hatte; eines der letzteren hatte ihm in der Baß-Straße den Verlust eines Bootes nebst acht Mann und seinen ersten Officier gekostet.

Nun besuchte die »Geographe« Cap Crétet, die etwa zwanzig Meilen lange Halbinsel Fleurieu, den von Flinders sogenannten Saint-Vincent-Golf, die Insel der Känguruhs, die Altorpe-Inseln, den Spencer-Golf, an dessen Westseite sich der Lincoln-Hafen, einer der schönsten und sichersten Häfen befindet, die Neu-Holland überhaupt besitzt. Zur Vervollständigung dieser hydrographischen Reise wäre es nur nothwendig gewesen, hinter den Inseln Saint-Pierre und Saint-François einzudringen, wie das auch die dem Kapitän Baudin übergebenen nautischen Instructionen empfahlen; das stürmische Wetter verhinderte aber jeden derartigen Versuch, dessen Ausführung also späteren Unternehmungen überlassen bleiben mußte.

Unter den Gelehrten machte sich nun auch der Scorbut bemerkbar. Kaum die Hälfte der Matrosen war noch diensttüchtig. Nur zwei Steuerleute hielten[386] sich noch auf den Füßen. Wie konnte man das auch ohne Wein oder Branntwein anders erwarten, da zur Löschung des Durstes nichts vorhanden war als fauliges Wasser in unzureichender Menge, und als Nahrung weiter nichts als von Insecten zerfressener Schiffszwieback und halbverfaultes Pökelfleisch, dessen Geruch und Geschmack schon Ekel erzeugten.

Nun begann für die südliche Halbkugel auch die Zeit des Winters. Mehr als je bedurfte die Mannschaft der Ruhe. Der nächste sichere Platz zum Rasten war Port Jackson und der kürzeste Weg dahin führte durch die Baß-Straße. Baudin, der es sich zur Aufgabe zu machen schien, niemals bekannte Wege einzuschlagen, gab aber Befehl, die Südspitze von Van-Diemens-Land zu umschiffen.

Am 20. Mai fiel der Anker in der Bai der Aventure. Die Kranken welche sich noch fortschleppen konnten, wurden an's Land gebracht, wo man reichlich Wasser fand. Auf den stürmischen Meeren war es jetzt nicht mehr auszuhalten; ein dicker Nebel verhüllte Alles rings umher und die Nachbarschaft der Küste verrieth sich nur durch das entsetzliche Toben der Wellen, die sich an den Felsen brachen. Die Zahl der Kranken nahm zu. Jeden Tag verschlang der Ocean ein neues Opfer. Am 4. Juni konnten nur noch sechs Mann auf Deck erscheinen und es wüthete dazu ein wahrhaft unerhörter Sturm.

Noch einmal sollte indeß die »Geographe« dem Untergange entgehen.

Am 17. Juni wurde ein Schiff gemeldet, welches den Seefahrern die Nachricht brachte, daß die »Naturaliste«, nachdem sie ihr Schwesterschiff vergeblich in Port Jackson erwartet, jetzt zur Aufsuchung desselben abgesegelt, daß das verlorne Boot von einem englischen Fahrzeuge aufgefunden und dessen Mannschaft nun auf der »Naturaliste« untergebracht worden sei. Die »Geographe« hatte man in Port Jackson, wo für sie Hilfsmittel aller Art bereit gemacht worden waren, mit größter Sehnsucht erwartet.

Seit drei Tagen kreuzte die »Geographe« vor Port Jackson, ohne daß es bei der Kraftlosigkeit der Matrosen möglich gewesen wäre, daselbst einzulaufen, als eine englische Schaluppe vom Lande stieß und außer einem Lootsen die nöthige Mannschaft mitbrachte, um dieses Manöver endlich auszuführen.

»Von einer kaum zwei Meilen breiten Einfahrt, sagt der Bericht, verbreitert sich der Port Jackson zu einem geräumigen Bassin mit hinreichender Wassertiefe für die größten Schiffe und bietet so viel Raum, daß er eine ganze Flotte bergen könnte; tausend Linienschiffe müßten hier bequem manövriren können, hatte sich Commodore Phillip geäußert.[387]

In der Mitte des prächtigen Hafens und an seiner Südseite, an einer besonderen geräumigen Bucht, erhebt sich die Stadt Sydney. Am Abhange zweier benachbarter Hügel gelegen und ihrer ganzen Länge nach von einem kleinen Flusse durchschnitten, bietet diese aufblühende Stadt dem Auge einen reizenden, pittoresken Anblick.

Zuerst bemerkt man hier eine Anzahl Batterien, dann das Hospital für zwei- bis dreihundert Kranke, zu dem Alles durch den Commodore Phillip von England hergeschafft worden ist. Weiterhin erscheinen große Magazine, vor denen die größten Schiffe bequem ihre Ladung löschen können. Auf den Werften lagen im Bau begriffene Goëletten und Briggs, gezimmert aus einheimischem Holze.

Durch die Entdeckung der Meerenge zwischen Tasmanien und Neu-Holland sozusagen geheiligt, wird Baß' Schaluppe im Hafen mit einem gewissen religiösen Respect aufbewahrt; einige aus dem Holze ihres Kiels geschnitzte Tabaksdosen bilden Reliquien, auf welche deren Besitzer ebenso stolz als eifersüchtig sind, und der Gouverneur glaubte unserem Commandanten kein ehrenvolleres Geschenk machen zu können, als das eines Stückchens Holz von dieser mit einem breiten Silberstreifen eingefaßten Schaluppe, auf welch' letzterem die Hauptmomente der Entdeckung der Baß-Straße zum ewigen Gedächtnisse eingravirt sind.«

Bewunderung verdient auch das für hundert bis zweihundert Insassen berechnete Gefängniß, die Magazine für Wein und anderen Proviant, der Exercierplatz mit der Wohnung des General-Gouverneurs, die Kasernen, die Sternwarte und die Kirche, deren Grundmauern sich damals freilich kaum erst aus der Erde erhoben.

Nicht minder interessant war die Beobachtung der Veränderung, welche mit den Verbrechern vorgegangen war.

Die Bevölkerung der Kolonie bildete für uns einen neuen Grund des Erstaunens und Nachdenkens. Kaum jemals dürfte sich einem Staatsmanne oder Philosophen ein würdigerer Gegenstand für seine Studien darbieten, und kaum jemals dürfte sich der glückliche Einfluß vernünftiger Einrichtungen sprechender bemerkbar machen, als an den entfernten Gestaden, von denen wir reden. Hier finden sich die gefährlichsten Räuber, lange Zeit der Schrecken der Regierung ihrer Heimat, vereinigt; von der europäischen Gesellschaft ausgestoßen und nach dem Ende der Erdkugel verbannt, vom ersten Augenblick ihres Exils an zwischen die Gewißheit der härtesten Strafen und die Hoffnung eines glücklichen Lebens[388] gestellt, jeden Augenblick auf das strengste bewacht, sehen sie sich gezwungen, ihren gesellschaftsfeindlichen Sitten allmählich zu entsagen.

»Die meisten derselben sind nach Verbüßung ihrer Verbrechen durch eine harte Sklaverei wieder in die Reihen nützlicher Bürger zurückgekehrt. Zur Erhaltung eines erworbenen Eigenthums selbst gedrängt, auf Ordnung und Gerechtigkeit zu achten, hängen sie, nachdem sie geheirathet und wohl auch Väter geworden sind, mit den festesten Banden an ihrem neugeschaffenen Leben.

Eine gleiche, durch dieselben Mittel hervorgerufene Umänderung zeigt sich auch bei den Frauen, und verächtliche Dirnen, welche nach und nach zu einem regelmäßigen Leben gezwungen wurden, stehen heute da als intelligente und fleißige Hausfrauen....«

Der Empfang der französischen Expedition in Port Jackson gestaltete sich zu einem sehr herzlichen. Den Gelehrten sachte man zur Fortsetzung ihrer Beobachtungen alle nur denkbaren Erleichterungen zu gewähren. Gleichzeitig überhäuften sie die militärischen Behörden ebenso wie Privatleute geradezu mit Nahrungs- und Erquickungsmitteln wie mit Unterstützungen jeder Art.

Die Ausflüge in die Umgebungen erwiesen sich höchst lohnend. Die Naturforscher fanden Gelegenheit, die berühmten Weingärten von Rose-Hill zu besichtigen, nach denen man die besten Stöcke vom Cap, den Canarien, Madeira, Xeres und Bordeaux verpflanzt hatte.

»In keinem Theile der Welt, antworteten die darum befragten Winzer, gedeiht der Weinstock besser und kräftiger als hier. Alle Vorzeichen seit zwei bis drei Monaten deuten darauf hin, daß unsere Mühe durch eine reichliche Ernte belohnt werden wird; weht aber nur der leiseste Wind von Nordwesten, so ist Alles rettungslos verloren; Schößlinge, Blüthen und Blätter, nichts widersteht seiner versengenden Hitze, Alles verdorrt, Alles stirbt ab.«

Bald darauf gewann die Cultur des nach günstigeren Gegenden verpflanzten Weinstockes eine mächtige Ausdehnung, und die australischen Weinberge liefern, wenn auch nicht ein vor anderen ausgezeichnetes Gewächs, doch einen recht trinkbaren, alkoholreichen Wein.

Dreißig Meilen von Sydney erhebt sich die Kette der Blauen Berge, lange Zeit die äußerste Grenze, zu der das Wissen der Europäer reichte. Lieutenant Dawes, Kapitän Teuch Paterson, der am Hawkesburg-Flusse, dem Nil Neu-Hollands, hinauf ging, Hacking, Baß und Baraillier versuchten bisher ohne Erfolg, diese steile Gebirgsmauer zu übersteigen.[389]

Schon zu jener Zeit erkannte man aus der Vereinzelung der Bäume in den benachbarten Wäldern und dem Ueberfluß der herrlichsten Futtergewächse in denselben, daß Neu-Süd-Galles eine ausgezeichnete Weide liefern müsse. In Folge dessen wurden Hornvieh und Schafe in großer Menge eingeführt.

»Diese haben sich so sehr vermehrt, daß man allein in den Schäfereien des Staates, bald nach unserer Rückkehr nach Port Jackson, 1800 Stück Hornvieh zählte, darunter 514 Stiere, 121 Ochsen und 1165 Kühe. Die Zunahme dieser Thiere war so rapid, daß sich nach einem Zeitraum von elf Monaten die Zahl der Ochsen und Kühe von 1856 auf 2450 Häupter erhöhte, was einer jährlichen Vermehrung um 650 Stück oder um ein Drittel des ganzen Bestandes entspricht.

Berechnet man hiernach die Zunahme für eine Periode von dreißig Jahren, so sieht man, selbst bei Abzug der Hälfte der sich ergebenden Zahl, daß Neu-Holland dann mit geradezu zahllosen Heerden dieser Thiere bedeckt sein muß.

Die Schafe lieferten ein noch günstigeres Resultat; die Schnelligkeit ihrer Vermehrung an jenen entlegenen Gestaden ist eine so ungeheure, daß Kapitän Mac Arthur, einer der reichsten Bodenbesitzer von Neu-Süd-Galles, sich in einer hierüber veröffentlichten Abhandlung zu versichern getraut, daß Neu-Holland vor Ablauf von zwanzig Jahren im Stande sein werde, England alle Wolle zu liefern, die es jetzt aus benachbarten Ländern bezieht, und deren Kaufpreis sich seiner Schätzung nach jährlich auf eine Million achthunderttausend Pfund Sterling (gleich sechsunddreißig Millionen Mark) beläuft.«

Man weiß heute, daß diese wunderbar klingenden Schätzungen keineswegs übertrieben waren. Gewiß ist es aber von Interesse, die Anfänge dieser »Weide-Industrie« kennen zu lernen und das Erstaunen mit zu empfinden, das sich der französischen Seefahrer über die schon damals erlangten Resultate bemächtigte.

Die Mannschaften hatten nun zum Theil wohl ihre Gesundheit wieder erlangt; die Anzahl der zur Fortsetzung der anstrengenden Reise fähigen Matrosen war aber eine so beschränkte, daß man sich entschließen mußte, nach Uebernahme der kräftigsten Leute auf das andere Schiff, die »Naturaliste« nach Frankreich zurückzusenden. Sie wurde nun durch eine Goolette von dreißig Tonnen, die »Casuarina«, ersetzt, deren Führung Louis de Freycinet übernahm. Die niedrige Bauart und der geringe Tiefgang dieses Fahrzeuges ließen es für den Küstendienst besonders passend erscheinen.

»Nebst einem Berichte über die Expedition und deren Beobachtungs-Resultate aller Art während der beiden Fahrten, führte die ›Naturaliste‹, sagt[390] Péron, über vierzigtausend Thiere aller Klassen mit sich, die man während der verflossenen zwei Jahre an den verschiedensten Punkten gesammelt hatte. Dreiunddreißig Kisten füllten diese Schätze, die zahlreichste und kostbarste Sammlung, welche je ein Reisender nach Europa brachte, und die, als sie theilweise in dem von mir gemeinschaftlich mit Bellesin bewohnten Hause aufgestellt war, die Bewunderung aller gebildeten Engländer und vorzüglich des berühmten Naturforschers Paterson erregte.«

Die »Geographe« und »Casuarina« verließen Port Jackson am 18. November 1802. Im Verlaufe dieser Fahrt entdeckten und untersuchten die Reisenden nach und nach die Inseln King, die Hunter-Inseln, den nordwestlichen Theil von Van-Diemens-Land, womit die Geographie der Ufer dieser großen Insel ihren Abschluß fand; ferner besichtigte Kapitän Baudin vom 27. December bis 15. Februar 1803 die Südwestküste Australiens, die Känguruh-Insel und die beiden dieser gegenüberliegenden Golfe.

»Es ist eine fremdartige Erscheinung, sagt Péron, diese Einförmigkeit und Unfruchtbarkeit, welche man an verschiedenen Theilen Neu-Hollands und der dasselbe umgebenden Inseln antrifft; sie werden aber noch unbegreiflicher durch den Contrast zwischen dem Festlande und den in der weiteren Nachbarschaft liegenden Ländern. So bot z.B. im Nordwesten schon die fruchtbare Timor-Gruppe unseren Blicken das Bild von hohen Bergen, rauschenden Flüssen, zahlreichen Bächen und tiefen Wäldern, kaum achtundvierzig Stunden nach unserer Abreise von den niedrigen, dürren und kahlen Gestaden des Witt-Landes; ebenso hatten wir im Süden Gelegenheit, den üppigen Pflanzenwuchs und die quellenreichen Berge von Van-Diemens-Land zu bewundern, die es in einer großen Ausdehnung bedecken, und ganz neuerdings erlabten wir uns erst an der Frische und der Fruchtbarkeit der Insel King.


Ansicht von Sydney. [Facsimile. Alter Kupferstich.]
Ansicht von Sydney. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

Da ändert sich die Scene; wir berühren das Gestade Neu-Hollands und an jedem beobachteten Punkte desselben wiederholt sich immer und immer wieder das trostlose Bild, das den Leser ermüdet, den Denkenden erstaunen macht und den Seefahrer betrübt.«

Die von der »Casuarina« abbeorderten Ingenieure, welche den Spencer-Golf nebst der ihn vom Golf Vincent trennenden Halbinsel York in Augenschein nehmen sollten, mußten, nachdem sie ihre Aufnahme mit größter Sorgfalt vollendet und sich überzeugt hatten, daß sich hier kein bedeutender Strom in das Meer ergieße, auf die Untersuchung des Lincoln-Hafens verzichten, weil die zur[391] Rückkehr nach der Känguruh-Insel bestimmte Zeit herannahte. Obwohl sie wußten, daß sie wahrscheinlich zurückgelassen werden würden, wenn sie die Frist versäumten, scheinen sie sich doch nicht besonders beeilt zu haben, denn als sie genannte Insel am 1. Februar erreichten, war die »Geographe« schon unter Segel gegangen, ohne auf die »Casuarina«, trotz deren geringen Proviantvorrathes, irgend welche Rücksicht zu nehmen.

Baudin setzte die Untersuchung der Küste allein fort und beschäftigte sich mit der Aufnahme des Archipels Saint-François, einer sehr wichtigen Arbeit,[392] da ihn seit der Entdeckung dieser Inseln durch Peter Nuits im Jahre 1627 kein Seefahrer gründlicher erforscht hatte. Durch Flinders war das allerdings vor kurzer Zeit geschehen, doch wußte Baudin davon nichts und hielt sich wirklich für den ersten Europäer, der seit Auffindung der Gruppe in diese Gewässer kam.

Als die »Geographe« am 6. Februar in den König Georgs-Hafen einlief, traf sie daselbst die »Casuarina« in so beschädigtem Zustande, daß man sie auf den Strand setzen mußte.


Am fernen Horizont tauchte ein Segel auf. (S. 386.)
Am fernen Horizont tauchte ein Segel auf. (S. 386.)

Entdeckt von Vancouver 1791, erlangte der König Georgs-Hafen eine um so größere Wichtigkeit, als er auf einer Küstenstrecke in der Ausdehnung des[393] Weges zwischen Paris und Petersburg der einzig bekannte Punkt von Neu-Holland ist, wo man jederzeit Süßwasser haben kann.

Die ganze Umgebung der Rhede ist übrigens unfruchtbar.

»Der Anblick des Landesinnern von dieser Stelle aus, schreibt Boullanger in seinem Tagebuche, ist wirklich abschreckend; kaum einen Vogel sieht man auf demselben; es ist eine Einöde mit dem Schweigen des Todes!«

Am Grunde eines Einschnittes dieser Bai, den man als den »Unstern-Hafen« bezeichnet, fand der Naturforscher Faure einen Wasserlauf, den »Fluß der Franzosen«, dessen Mündung wohl der Seine in Paris an Breite gleichkommt. Er wagte es, längs desselben stromauf zu gehen, um so weit als möglich in das Land hineinzudringen. Kaum zwei Meilen von der Mündung aber sah sich sein Boot durch zwei solid gebaute Dämme aus festen Steinen aufgehalten, welche an eine kleine Insel anschlossen und die Passage vollständig unterbrachen.

»Diese Mauer zeigte viele, größtentheils über der niedrigsten Wasserlinie angebrachte Löcher, die nach der Seite des Meeres hin sehr weit, nach dem Lande zu aber weit enger waren. Auf diese Weise konnten die Fische, welche während der Fluth den Fluß empor schwammen, jenen Damm zwar leicht überschreiten, befanden sich nachher aber, da ihnen der Rückweg so gut wie abgeschnitten war, sozusagen in einem Behälter, aus dem die Fischer sie nach Belieben holen konnten.«

Auf einer Strecke von einer Drittelmeile traf Faure noch auf fünf ähnliche Mauern. Gewiß ein auffallendes Beispiel von Scharfsinn bei solchen wilden Volksstämmen, welche im Uebrigen nicht hoch über den Thieren stehen!

In dem König Georgs-Hafen glückte es auch einem Officiere der »Geographe«, Ransonnet, besser als Vancouver und d'Entrecasteaux, eine Zusammenkunft mit den Bewohnern der Gegend zuwege zu bringen. Es war zum ersten Male, daß ein Europäer mit ihnen in nähere Berührung kam.

»Kaum erreichten wir das Ufer, sagt Ransonnet, als acht Eingeborne, die uns schon am ersten Tage unseres Erscheinens vergeblich durch Zurufe und Gesten zum Landen eingeladen hatten, auf einer Stelle erschienen; bald entfernten sich von ihnen drei, wahrscheinlich die Frauen. Die fünf Uebrigen bemühten sich, nach Ablegung ihrer Zagaien, womit sie ohne Zweifel ihre friedlichen Absichten zu erkennen geben wollten, uns beim Aussteigen zu helfen. Die Matrosen boten[394] ihnen, meinem Beispiel folgend, verschiedene Geschenke an, die sie zwar mit Genugthuung, aber ohne besondere Freude zu äußern annahmen. Ob aus Gleichgiltigkeit oder Einbildung, jedenfalls gaben sie uns die Gegenstände bald darauf scheinbar mit Vergnügen zurück, und als wir sie ihnen noch einmal einhändigten, ließen sie dieselben auf der Erde oder den benachbarten Felsen liegen.

In ihrer Begleitung befanden sich mehrere sehr schöne, große Hunde; ich that mein Möglichstes, sie zur Abtretung eines solchen zu bewegen, und bot ihnen Alles an, was ich nur zu geben hatte, doch blieben sie unerschütterlich Es scheint, sie bedienten sich jener Thiere bei der Jagd auf Känguruhs, die sie als Nahrung benutzen, gleich wie Fische, welche ich sie selbst mittelst ihrer Zagaien im Wasser anspießen sah. Sie tranken Kaffee und aßen Zwieback und Pökelrindfleisch; schlugen aber Speck, den sie auch erhielten, aus und ließen die Stücke auf die Erde fallen.

Diese Menschen sind groß, hager und gewandt; sie haben langes Haar, schwarze Augenbrauen, eine kurze, am Ursprung flache und zurücktretende Nase, tiefliegende Augen, einen großen Mund, vorspringende Lippen und sehr schöne, weiße Zähne. Das Innere ihres Mundes erschien aber so schwarz wie ihre äußere Haut.

Die drei Aeltesten von ihnen, Männer von etwa vierzig bis fünfzig Jahren, trugen einen langen schwarzen Bart; sie hatten die Zähne ausgefeilt und die Nasenscheidewand durchbohrt; ihre Haare waren rund geschnitten und natürlich gelockt. Die beiden Anderen, welche wir für sechzehn bis achtzehn Jahre alt hielten, zeigten keine Spur von Tätowirung; das lange Haar trugen diese in einen Zopf zusammengeflochten und gepudert mit rother Erde, mit der die Aelteren sich den Bart eingerieben hatten.

Uebrigens gingen Alle nackt und bedeckten sich nur mit einer Art breitem Gürtel aus sehr vielen, aus Känguruhhaar gesponnenen Schnüren. Sie plaudern gern und singen in Intervallen, wobei sie sich mit einförmigen Gesten begleiten. Trotz des niemals unterbrochenen guten Einvernehmens zwischen uns, wollten sie doch nicht zugeben, daß wir uns dem Orte näherten, wo sich die anderen Eingebornen, wahrscheinlich ihre Frauen, aufhielten.«

Nach zwölftägiger Rast im König Georgs-Hafen stachen die Schiffe wieder in See. Sie berichtigten und vervollständigten d'Entrecasteaux' und Vancouver's Karten von Leuwin's-, Edels'- und Endrächts-Land, welche nach einander besucht und in der Zeit vom 7. bis 26. März vermessen wurden. Von hier aus wendete[395] sich Baudin nach Witt's-Land, von dem man, als er zum ersten Male daselbst landete, noch sehr wenig Kenntniß besaß. Er hoffte glücklicher zu sein als Witt, Vianen, Dampier und Saint-Allouarn, denen es nicht gelungen war, den Fuß auf dieses Land zu setzen; Untiefen, Risse und Sandbänke machten die Schifffahrt hier nämlich ganz besonders schwierig.

»Zu diesen Gefahren trat noch eine ganz eigenthümliche Täuschung, die Spiegelung. Die Wirkung derselben war derartig, daß die ›Geographe‹, welche mehr als eine Meile von der Brandung entfernt segelte, davon gänzlich eingeschlossen erschien und an Bord der ›Casuarina‹ Jedermann einen drohenden Unfall vor Augen sah. Der Täuschung wurden wir uns zuletzt nur durch die zu große Klarheit der Spiegelbilder bewußt.«

Am 5. Mai warf die »Geographe« in Begleitung der »Casuarina« zum zweiten Male im Hafen von Coupang auf Timor Anker. Genau einen Monat später und nachdem Baudin sich ausreichend frisch verproviantirt verließ er Timor wieder und steuerte nach Witt's-Land, wo er günstige Land- und Seewinde anzutreffen hoffte, um nach Osten, und zwar nach Isle de France zu steuern, wo er nach glücklicher Rückkehr am 16. September 1803 verschied. Sollte nicht der immer schwankende Gesundheitszustand des Chefs der Expedition von Einfluß auf seinen Charakter gewesen sein, und würde das Officiercorps sich ebenso über ihn zu beklagen gehabt haben, wenn Geist und Körperkräfte sich bei jenem die Waage gehalten hätten? Mögen Physiologen die Lösung dieser Frage übernehmen.

Am 23. März lief die »Geographe« in die Rhede von Lorient ein, und drei Tage später begann man mit der Ausschiffung der verschiedenen, von ihr mitgebrachten naturhistorischen Sammlungen.

»Abgesehen von einer Menge Kisten mit Mineralien, getrockneten Pflanzen, in Alkohol aufbewahrten Fischen, Reptilien und Zoophyten, ausgestopften oder zergliederten Vierfüßlern und Vögeln, hatten wir noch siebzig große Kisten mit lebenden Vegetabilien, darunter gegen zweihundert Arten Nutzpflanzen, sechshundert Sorten Sämereien und gegen hundert lebende Thiere.«

Wir vervollständigen diese Mittheilungen noch durch einen Auszug aus dem der Regierung von dem Institute übergebenen Berichte. Sie beziehen sich hauptsächlich auf die von Péron und Lesueur geordnete zoologische Sammlung.

»Sie besteht aus mehr denn hunderttausend Arten großer und kleiner Thiere und führte schon zur Kenntniß mehrerer neuen Classen; jedenfalls verspricht[396] sie nach dieser Seite noch weitere Bereicherungen und enthält z.B., nach dem vom Professor des Museums gegebenen Ueberblick, über zweitausendfünfhundert neue Arten.«

Vergleicht man hiermit die zweite Reise Cook's – die bedeutendste und erfolgreichste, welche man bis dahin kennt – so hat diese doch nur zweihundertfünfzig neue Arten geliefert, und alle Reisen Carteret's, Wallis', Furneaux', Meares' und selbst Vancouver's zusammen erreichen noch nicht ein solches Resultat; dasselbe gilt von allen französischen Entdeckungsreisen, und somit geht daraus hervor, daß Péron und Lesueur allein mehr Thiere kennen gelehrt haben als alle reisenden Naturforscher der letzten Zeiten.

Auch die geographischen und hydrographischen Ergebnisse waren ziemlich werthvoll. England hat dieselben allerdings niemals anerkennen wollen, und Desborough Cooley beliebt in seiner »Geschichte der Reisen« die Entdeckungen Baudin's denen Flinders' beiweitem unterzuordnen. Man vermaß sich sogar zu behaupten, Flinders sei auf Isle de France sechseinhalb Jahre lang gefangen gehalten worden, um den französischen Berichterstattern Gelegenheit zu geben, seine Karten zu studiren und aus denselben ihre Reise zu combiniren. Eine solche Beschuldigung ist wohl zu sinnlos, als daß wir ein weiteres Wort darüber verlieren sollten.

Der englische und der französische Seefahrer haben sich Beide bezüglich der Bekanntmachung der Küsten Australiens hinreichend ausgezeichnet, als daß es nothwendig erschiene, den Einen auf Kosten des Anderen hervorzuheben. Der Jedem derselben zukommende Antheil ist in der von Péron herausgegebenen, von Louis de Freycinet durchgesehenen und verbesserten »Entdeckungsreise im südlichen Meere« gerecht und scharfsinnig festgestellt worden. Wir verweisen also den Leser darauf, wenn dieser Streit um die Priorität jener Entdeckungen ihn interessiren sollte.[397]

Quelle:
Jules Verne: Die großen Seefahrer des 18. Jahrhunderts. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band XXXIII–XXXIV, Wien, Pest, Leipzig 1881, S. 366-398.
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Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch

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Als »Komischer Anhang« 1801 seinem Roman »Titan« beigegeben, beschreibt Jean Paul die vierzehn Fahrten seines Luftschiffers Giannozzos, die er mit folgenden Worten einleitet: »Trefft ihr einen Schwarzkopf in grünem Mantel einmal auf der Erde, und zwar so, daß er den Hals gebrochen: so tragt ihn in eure Kirchenbücher unter dem Namen Giannozzo ein; und gebt dieses Luft-Schiffs-Journal von ihm unter dem Titel ›Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten‹ heraus.«

72 Seiten, 4.80 Euro

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Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

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