Fünfzehntes Capitel.
Ein neuer Grad.

[137] Die Trennung war vollzogen. Die Astronomen mußten jetzt bei den geodätischen Arbeiten angestrengter thätig sein, doch durfte die Operation[137] selbst nicht darunter leiden. Dieselbe Genauigkeit, dieselbe Strenge mußten auf die Vermessung des neuen Meridians verwandt, die Untersuchungen mit gleicher Sorgfalt gemacht werden. Nur konnten die drei englischen Gelehrten, sich in die Aufgabe theilend, weniger schnell und mehr ermüdend, vorwärts gehen. Was die Russen ihrerseits vollbringen wollten, gedachten sie gleichfalls auf dem neuen Meridian-Bogen zu thun. Die nationale Eigenliebe mußte ihnen im Nothfall bei dieser langen, mißlichen Aufgabe zu Hilfe kommen. Drei mußten die Arbeit von sechs verrichten, deshalb war jeder Gedanke und jede Minute für das Unternehmen nöthig. William Emery war so gezwungen, sich weniger seinen Träumereien, und Sir John Murray weniger seinen Studien des südafrikanischen Wildes zu überlassen.

Man stellte sofort ein neues Programm, das jedem der drei Astronomen seinen Antheil der Arbeit zuwies, fest. Sir John und der Oberst nahmen die zenithalen und geodätischen Beobachtungen auf sich. William Emery ersetzte Nicolaus Palander in der Function des Rechnens. Natürlich entschied man die Wahl der Stationen, die Aufstellung der Zielpunkte gemeinsam, und eine Uneinigkeit stand unter diesen drei Gelehrten nicht zu befürchten.

Der brave Mokum blieb wie vorher der Jäger und Führer der Karawane. Die sechs englischen Matrosen, aus denen die Mannschaft der »Königin und Czar« bestand, waren natürlich ihrem Chef gefolgt, und während das Dampfboot den Russen geblieben war, bildete das zur Fahrt auf einfachen Landgewässern hinreichende Kautschukboot einen Theil des englischen Materials. Die Wagen hatte man der Natur der Verproviantirungen zufolge getheilt, und so war also für die Lebensmittel und selbst für die Bequemlichkeit der beiden Karawanen gesorgt. Die unter dem Befehl des Buschmanns stehenden Eingeborenen hatten sich ebenfalls in zwei gleiche Hälften getheilt, wobei diese durch ihre Haltung ihr Mißfallen bei der Trennung bezeigten. Vielleicht hatten sie vom Standpunkt der allgemeinen Sicherheit aus Recht. Die Buschmänner sahen sich aus ihren bekannten Regionen fortgerissen, fort von den Weideplätzen und Gewässern, die sie gewöhnlich besuchten, in eine nördliche Gegend, worin zahlreiche umherziehende, den Süd-Afrikanern unglücklicherweise feindliche Stämme umherzogen, und deshalb paßte es ihnen wenig, ihre Kräfte zu zersplittern. Doch hatten sie endlich mit Hilfe des Buschmanns und des Forelopers in die Zutheilung an die zwei Karawanen gewilligt, die überdem, – und das war der Grund, der sie dazu geneigter stimmte –[138] in nicht zu weiter Entfernung von einander in derselben Region operiren sollten.

Als die Truppe des Oberst Everest am 31. August Kolobeng verließ, wandte sie sich nach dem Dolmen, der als Zielpunkt bei den letzten Beobachtungen gedient hatte. Sie kam also in den niedergebrannten Wald und an den Hügel zurück. Am 2. September nahm man die Operationen wieder auf und ein großer Triangel, dessen Spitze sich auf der linken Seite an eine, auf einer Bodenerhöhung errichtete Signalstange anlehnte, gestattete den Beobachtern, sich sofort zehn bis zwölf Meilen westlich vom alten Meridian zu begeben.

Sechs Tage später, am 8. September, war die Reihe der Hilfsdreiecke vollendet, und der Oberst Everest wählte in Uebereinstimmung mit seinen Collegen und nach Besichtigung der Karten, seinen neuen Meridianbogen, welchen fernere Messungen bis zum zwanzigsten Grad südlicher Breite fortführen sollten. Dieser Meridian lag einen Grad westlich vom ersteren; es war der dreiundzwanzigste, östlich vom Meridian von Greenwich aus gezählt. So operirten die Engländer nur sechzig Meilen entfernt von den Russen, doch genügte diese Entfernung, um das Kreuzen ihrer Triangel zu verhindern. Unter solchen Umständen war es unwahrscheinlich, daß die beiden Parteien bei ihren trigonometrischen Messungen auf einander trafen, und demzufolge ebenso unwahrscheinlich, daß die Wahl eines Zielpunktes der Grund zu einem Streit oder bedauernswerthen Conflict wurde.

Das Land, welches die Engländer während des Monats September durchzogen, war fruchtbar und uneben, doch wenig bevölkert. Es begünstigte den Zug der Karawane; und da der Himmel sehr klar, wolken- und nebellos war, konnte man leicht Beobachtungen machen. Wenig größere Wälder, Buschwerk in weiter Ausdehnung, große Ebenen, die hier und da Bodenanschwellungen zeigten, welche sich zur Aufstellung von Zielpunkten eigneten, unter reger Thätigkeit der Instrumente bei Tag und Nacht. Außerdem war es eine bewundernswürdige, an allen Naturproducten ergiebige Gegend. Die meisten Blumen zogen durch ihren starken Geruch Schwärme von Käfern an, und insbesondere eine Art Bienen, die sich wenig von den europäischen unterschied, erzeugten in Fels- oder Baumspalten einen weißen, sehr flüssigen und köstlich schmeckenden Honig. Einige große Thiere wagten sich zuweilen Nachts in die Nähe des Lagers. Es waren Giraffen, verschiedene Antilopenarten, einige[139] reißende, wilde Hyänen oder Rhinoceros, auch Elephanten. Doch wollte sich Sir John nicht mehr zerstreuen lassen. Seine Hand führte jetzt das Fernglas des Astronomen und nicht mehr die Büchse des Jägers.

Unter solchen Verhältnissen versahen Mokum und einige Eingeborene das Amt der Lieferanten, doch kann man denken, wie bei ihrem Schießen Seiner Gnaden das Herz klopfte. Unter des Buschmanns Schüssen fielen zwei oder drei große Büffel der Prärien, die Bokolokolos der Betjuanas, die vom Maul bis zum Schwanz vier Meter und vom Huf bis zur Schulter zwei Meter messen. Ihre schwarze Haut hat einen bläulichen Schimmer. Es waren mächtige Thiere mit kurzen, kräftigen Gliedern, kleinem Kopf, wilden Augen, die Stirn mit starken, schwarzen Hörnern geschmückt. Ein trefflicher Zuwachs von frischem Wildpret, welches Abwechslungen in die gewöhnliche Mahlzeit der Karawane brachte. Die Eingeborenen bereiteten das Fleisch derart zu, daß man es, gleich dem Pemmican der Indianer des Nordens, unendlich lange aufheben konnte. Die Europäer verfolgten diese kulinarische Operation mit Interesse, nachdem sie Anfangs einigen Widerwillen dagegen empfunden. Das Büffelfleisch wurde, nachdem es in dünne Streifen geschnitten und an der Sonne getrocknet worden, in eine gegerbte Haut gewickelt und dann mit Dreschflegeln bearbeitet, wodurch das Fleisch in eine pulverisirte Masse verwandelt wurde. Dieser in Ledersäcke fest verpackte Staub wurde darauf mit kochendem vom Thiere selbst gewonnenem Fett befeuchtet. Diesem, wie man zugeben muß, etwas talgigen Fett, fügten die afrikanischen Köche seines Mark und einige Strauchbeeren hinzu, deren Zuckerstoff sich, wie es schien, mit dem Faserstoff des Fleisches verbinden sollte. Dann wurde das Ganze gemischt, gestampft, geschlagen, bis es sich zu einem Kuchen geformt hatte, dessen Härte in erkaltetem Zustande dem Steine gleichkam. Die Zubereitung war beendigt, und Mokum bat die Herren, dies Gemisch zu kosten. Diese gaben den Bitten des Jägers nach, der auf seinen Pemmican wie auf ein Nationalgericht hielt. Die ersten Bissen kamen den Engländern widerlich vor; doch bald fanden sie Geschmack an diesem afrikanischen Pudding und wurden dann große Liebhaber desselben. Es war wirklich eine sehr stärkende Nahrung, und für eine in einem fremden, unbekannten Lande umherziehende Karawane, der die frischen Lebensmittel fehlen konnten, sehr geeignet; eine nahrhafte, leicht transportirbare, unveränderliche Masse, die in einem kleinen Umfange eine große Menge nahrhafter Stoffe enthielt. Dank dem Jäger[140] bekamen sie bald einen Vorrath von Pemmican, welcher mehrere hundert Pfund betrug, wodurch das Bedürfniß für die Zukunft gesichert wurde. So vergingen die Tage, und die Nächte wurden zu Beobachtungen verwendet. William Emery gedachte stets seines Freundes Michael Zorn und beklagte das Schicksal, das in einem Augenblick die Bande engster Freundschaft zerriß. Ja, Michael Zorn fehlte ihm, und sein Herz, stets von den Eindrücken, welche diese erhabene und wilde Natur hervorbrachte, erfüllt, wußte nicht, wohin sich ergießen. Dann versenkte er sich in seine Rechnungen und flüchtete sich in seine Zahlen mit der zähen Ausdauer eines Palander, und so verflossen die Stunden. Der Oberst Everest war derselbe Mann mit dem kalten Temperamente, der nur für trigonometrische Operationen Leidenschaft hatte. Sir John bedauerte offen seine ehemalige halbe Freiheit, doch hütete er sich wohl, darüber zu klagen.

Dennoch gestattete das Glück Seiner Gnaden sich von Zeit zu Zeit zu erholen. Hatte er auch nicht mehr die Zeit, das Gehölz zu durchstreifen und das Hochwild zu jagen, so nahmen sich doch bei gewissen Gelegenheiten die Thiere die Mühe, zu ihm zu kommen und seine Beobachtungen zu unterbrechen. In diesem Fall war der Jäger und der Gelehrte nur eins in ihm. Sir John befand sich im Zustand gesetzlicher Vertheidigung, und in einem solchen Falle hatte er ein ernsthaftes Zusammentreffen mit einem alten Rhinoceros aus der Umgegend. Es war am 12. September, und das Abenteuer kam ihm ziemlich theuer zu stehen, wie man sehen wird.

Seit einiger Zeit schon strich das Thier um die Karawane herum. Es war ein ungeheurer »Chucuroo«, wie die Buschmänner diesen Dickhäuter nennen. Er maß vierzehn Fuß in der Länge und sechs in der Höhe und an seiner schwarzen Hautfarbe, die weniger runzlich war als die seiner asiatischen Brüder, hatte der Buschmann erkannt, daß es ein gefährliches Thier war. Die schwarzen Arten sind in der That behender und feindseliger als die weißen, und sie greifen ohne Herausforderung Thiere wie Menschen an.

An diesem Tage ging Sir John Murray in Begleitung Mokum's sechs Meilen von der Station, um eine Anhöhe in Augenschein zu nehmen, auf welche der Oberst einen Pfahl zum Zielpunkt errichten wollte. Eine Ahnung trieb ihn, seine Spitzkugel-Büchse mitzunehmen, und nicht sein einfaches Jagdgewehr. Obgleich sich das Rhinoceros seit zwei Tagen nicht gezeigt hatte, wollte Sir John doch nicht unbewaffnet ein unbekanntes Land durchstreifen.[141]

Mokum und seine Kameraden hatten erfolglos Jagd auf den Dickhäuter gemacht, und es war möglich, daß das Thier seine Pläne noch nicht aufgegeben hatte.

Sir John bereute es nicht, als kluger Mann gehandelt zu haben. Er war mit seinem Begleiter bis zur angegebenen Höhe ohne Unfall gekommen und hatte dieselbe bis zur steilsten Spitze erklommen, als am Fuß des Hügels, am Saume eines niedrigen und nicht sehr dichten Gehölzes der »Chucuroo« plötzlich erschien. Niemals hatte ihn Sir John so in der Nähe gesehen. Es war wirklich ein ungeheures Thier. Seine kleinen Augen funkelten, seine geraden, nach hinten zu ein wenig gebogenen Hörner, eins vor dem andern stehend, von ziemlich gleicher Länge, vielleicht zwei Fuß groß und fest in der Knochenmasse der Nasenlöcher verwachsen, bildeten eine schreckliche Waffe.

Der Buschmann bemerkte das Thier zuerst, wie es eine halbe Meile entfernt unter einem Mastixgebüsch lag.

»Sir John, sagte er sofort, das Glück begünstigt Euer Gnaden! Da ist der Chucuroo!

– Das Rhinoceros! rief Sir John aus, dessen Augen sich plötzlich belebten.

– Ja, Sir John, antwortete der Jäger. Es ist, wie Sie sehen, ein prachtvolles Thier, das, wie es scheint, sehr geneigt ist, uns den Rückzug abzuschneiden. Warum dieser Chucuroo sich so an unsere Fersen heftet, begreife ich nicht, denn es ist nur ein einfacher Pflanzenfresser; aber er ist nun einmal da, dort in dem Gebüsch, und wir müssen ihn herausbringen.

– Kann er bis zu uns herauf? fragte Sir John.

– Nein, Euer Gnaden, antwortete der Buschmann. Der Abhang ist zu steil für seine kurzen, untersetzten Gliedmaßen. Auch wird er warten!

– Nun wohl, so mag er warten, sagte Ersterer, und wenn wir unsere Station untersucht haben, werden wir diesen unbequemen Nachbar ausquartieren.«

Sir John Murray und Mokum nahmen ihre einen Augenblick unterbrochene Untersuchung wieder auf. Sie beobachteten mit größter Sorgfalt die obere Lage des Hügels und wählten den Platz zur Aufstellung der Signalstange aus. Andere ziemlich bedeutende Anhöhen im Nordwesten mußten die Errichtung neuer Dreiecke außerordentlich begünstigen.

Als die Arbeit beendet war, sagte Sir John zum Buschmann:[142]

»Wenn es Ihnen jetzt beliebt, Mokum.

– Ich stehe Euer Gnaden zu Befehl.

– Wartet das Rhinoceros immer noch?

– Immer noch.

– So wollen wir herabsteigen, und so gewaltig dies Thier auch sein mag, so wird eine Kugel aus meiner Büchse schon mit ihm fertig werden.

Eine Kugel! rief der Buschmann aus, Euer Gnaden wissen nicht, was ein Chucuroo ist. Diese Thiere haben ein zähes Leben, und niemals hat man ein Rhinoceros durch eine, noch so geschickt abgeschossene Kugel fallen sehen.

– Bah! machte Sir John, weil man keine Spitzkugeln gebrauchte!

– Spitze oder runde, antwortete Ersterer, die erste Kugel wird ein solches Thier nicht niederstrecken.

– Nun gut, mein tapferer Mokum, versetzte Sir John, mit dem Selbstgefühl eines Jägers; ich werde Ihnen zeigen, was unsere europäischen Waffen vermögen, weil Sie daran zweifeln!«

Und bei diesen Worten lud Sir John seine Büchse, bereit Feuer zu geben, sobald die Entfernung ihm passend erschiene.

»Ein Wort, Euer Gnaden! sagte der Buschmann, ein wenig ärgerlich, und hielt seinen Gefährten durch einen Wink zurück. Würden Euer Gnaden wohl eine Wette mit mir eingehen?

– Warum nicht, wackerer Jäger?

– Ich bin nicht reich, sagte Mokum, doch würde ich gern ein Pfund gegen die erste Kugel Euer Gnaden wagen.

– Abgemacht, versetzte Sir John sofort. Ein Pfund für Sie, wenn dies Rhinoceros nicht unter meiner ersten Kugel fällt!

– Gilt's die Wette? sagte der Buschmann.

– Es gilt.«

Die beiden Jäger stiegen den steilen Abhang des Hügels hinab und hatten bald fünfhundert Schritt vom Chucuroo Posto gefaßt, der unbeweglich liegen blieb. Er bot sich also Sir John's Augen unter den günstigsten Verhältnissen dar, der ihn nach Belieben auf's Korn nehmen konnte. Der Engländer glaubte selbst so leichtes Spiel zu haben, daß er in dem Augenblick, wo er zu schießen im Begriff war, dem Buschmann Zeit geben wollte, seine Wette zurückzunehmen, deshalb sagte er:


Ein Rhinoceros in Sicht. (S. 142.)
Ein Rhinoceros in Sicht. (S. 142.)

»Es bleibt noch dabei?

– Es bleibt dabei!« antwortete ruhig Mokum.

Das Rhinoceros blieb unbeweglich wie eine[143] Schießscheibe. Sir John blieb die Wahl der Stelle, wo er ihn treffen wollte, um einen sofortigen Tod herbeizuführen. Er entschloß sich, ihn in's Maul zu schießen, und da sein Jägerselbstgefühl ihn anfeuerte, zielte er mit größter Genauigkeit, welche der Unfehlbarkeit seiner Waffe zu Hilfe kommen sollte.


Die Karawane in herrlicher Gegend. (S. 148.)
Die Karawane in herrlicher Gegend. (S. 148.)

Der Schuß knallte. Doch traf die Kugel statt des[144] Fleisches auf das Horn des Rhinoceros und zerschmetterte die Spitze desselben. Das Thier schien nicht ein Mal den Schlag bemerkt zu haben.

»Dieser Schuß zählt nicht, sagte der Buschmann, Euer Gnaden hat das Fleisch nicht berührt.

– Doch, doch, erwiderte Sir John, ein wenig bestürzt. Der Schuß zählt, Buschmann, ich habe ein Pfund verloren; doch wette ich noch einmal doppelt oder quitt![145]

– Wie Sie wollen, Sir John, doch werden Sie verlieren!

– Das wollen wir bald sehen!«

Die Büchse wurde sorgfältig wieder geladen, und Sir John zielte dem Chucuroo in die obere Hüfte und feuerte seinen zweiten Schuß. Doch traf die Kugel die Stelle in der Haut, wo dieselbe aus übereinander liegenden Hornschichten besteht, und fiel deshalb ungeachtet der Kraft ihres Anpralls zur Erde. Das Rhinoceros rührte sich und rückte einige Schritte fort.

»Zwei Pfund, sagte Mokum.

– Halten Sie diese? fragte Sir John.

– Gern.«

Diesmal nahm Sir John, der nun zornig zu werden begann, all' seine Kaltblütigkeit zusammen und zielte auf die Stirn des Thieres; die Kugel schlug auf die gezielte Stelle, sprang aber wieder zurück, als hätte sie eine Metallplatte getroffen.

»Vier Pfund, sagte ruhig der Buschmann.

– Und noch vier!« schrie Sir John außer sich.

Dies Mal drang die Kugel in die Hüfte des Rhinoceros, welches einen fürchterlichen Satz machte; doch statt todt niederzustürzen, warf es sich mit unbeschreiblicher Wuth in das Gebüsch und zerstörte dasselbe.

»Ich glaube, es bewegt sich noch etwas, Sir John«, sagte einfach der Jäger. Dieser kannte sich vor Aerger nicht mehr. Seine Kaltblütigkeit hatte ihn gänzlich verlassen. Die acht Pfund, welche er dem Buschmann schuldete, setzte er auf eine fünfte Kugel. Er verlor abermals, verdoppelte, verdoppelte immer wieder den Einsatz, bis endlich beim neunten Schuß der lebenszähe Dickhäuter, in's Herz getroffen, fiel, um sich nicht wieder zu erheben.

Jetzt stieß Sr. Gnaden ein Hurrah aus! Seine Wette, seine Enttäuschung, Alles hatte er vergessen und erinnerte sich nur an Eins, er hatte ein Rhinoceros getödtet. Aber, wie er später zu seinen Collegen vom Jagdclub in London sagte: »Es war ein theures Thier!«

Und wirklich hatte es ihm nicht weniger als sechsunddreißig Pfund gekostet, eine beträchtliche Summe, die der Buschmann mit gewohnter Ruhe eincassirte.[146]

Quelle:
Jules Verne: Abenteuer von drei Russen und drei Engländern in Südafrika. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band X, Wien, Pest, Leipzig 1876, S. 137-147.
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