Zwölftes Kapitel.

Worin nur der Kerker gewechselt wird.

[437] Jetzt war der 9. Juli herangekommen. Nach dem Programme der Agentur Thompson hätten die Reisenden sich schon wieder seit einem Monat auf dem Pflaster der Londoner Straßen bewegen müssen. Was sahen sie aber statt der belebten Straßen, der soliden Häuser der alten Hauptstadt Englands?

Auf der einen Seite begrenzt von einem Ozean mit schäumenden Wogen, auf der andern von einer ununterbrochenen Kette unfruchtbarer, öder Dünen, nichts als ein sandiges Uferland, das sich nach Norden und Süden über Sehweite hinaus ausdehnte. Inmitten dieses Sandstreifens aber lag ein Schiff, mehr eine formlose Masse, hierher bis zweihundert Meter über das Ufer herein getragen durch eine unermeßliche Gewalt.

Die Nacht wurde den schiffbrüchigen Touristen zu einer schweren Prüfung. In der Finsternis umhertastend, konnten sie sich nur mit Mühe vor dem Regen verbergen, da das aufgebrochene Deck sie nur dürftig dagegen schützte. Zum Glück hatte der Wind den Himmel bald reingefegt, und so konnten sie, von seinem schwächer werdenden Pfeifen eingesungen, wenigstens einige Stunden Schlaf finden.

Erst mit anbrechendem Tage war das ganze Unglück zu übersehen; es war ungeheuer und auf keine Weise wieder gut zu machen.

Zwischen dem Meere und dem gestrandeten Fahrzeuge lagen mehr als hundert Meter. Diese Strecke, die die Gewalt des Meeres es in wenigen Sekunden hinausgeschleudert hatte, wäre keine menschliche Macht imstande gewesen, das Wrack wieder zurückzubefördern. Selbst die, die von der Mechanik und der Schiffahrt gar nichts verstanden, verloren auf der Stelle jede Hoffnung, die »Santa-Maria« wieder flott zu machen.

Die »Santa-Maria« gab es ja auch überhaupt nicht mehr. Sie war kein Schiff mehr, sondern nur noch ein elendes Wrack.

Der Stoß hatte sie in zwei Stücke zerbrochen. Ein großer Spalt gähnte in ihrer Bordwand. Auf dem in der Mitte auseinandergesprengten Deck war nichts mehr zu sehen. Alles, Sitze, Boote und Schaluppen, bis auf die Masten,[437] war fortgeschwemmt, von diesen hingen nur noch einige Stümpfe an den zerrissenen Wanten.

Das war das Bild, das sich den Augen der Passagiere darbot und sie geradezu zur Verzweiflung brachte. Nur der Gleichmut des Kapitäns flößte ihnen wie gewöhnlich wieder etwas Mut und Hoffnung ein. In Gesellschaft des Mr. Bishop, der von seinen Brandwunden wieder völlig genesen war, ging er gemessenen Schrittes auf dem Strande hin und her, als die Sonne über den Horizont aufstieg.

Bald darauf waren die beiden von einem Kreise schweigsamer Passagiere umgeben.

Als sich alle um ihn versammelt hatten, hielt der Kapitän zunächst eine Musterung ab, befriedigt leuchtete es in seinen Augen auf, als er sich überzeugt hatte, daß niemand fehlte. Das Haus war zerstört, seine Bewohner aber gerettet, und dieses glückliche Resultat war in der Hauptsache seiner Voraussicht zu verdanken. Wenn er geduldet hätte, daß die Passagiere auf dem Deck blieben, wie viele Opfer würde der Absturz der Masten gefordert haben!

Nach dem Appell sprach sich der Kapitän kurz über die Sachlage aus.

Durch eine der Flutwellen, wie sie die Zyklone häufig hervorbringen, war die, Santa-Maria« auf die Küste Afrikas geworfen worden, und das in einer Weise, die an ihre Wiederflottmachung gar nicht denken ließ. Daraus ergab sich die Notwendigkeit, sie zu verlassen und sich zu einer Landreise zu entschließen, deren Ausgang freilich unsicher war.

Die Küste Afrikas steht in einem sehr übeln Rufe, und man muß zugeben, daß sie wirklich keinen bessern verdient.

Zwischen Marokko im Norden und dem Senegal im Süden reicht an sie über zwölfhundert Kilometer weit die große Wüste, die Sahara, heran. Wen sein Unstern an irgendeinem Punkte dieses sandigen Gebietes ans Land wirst, das, wasserlos und unbelebt, nur von einer dürftigen und mageren Vegetation, und auch das nur hier und da, bedeckt ist, hat außerdem noch die Menschen zu fürchten, die hier vielleicht noch grausamer sind als die geizige Natur. Längs der unwirtlichen Gestade streifen die Mauren umher, deren Begegnung noch gefährlicher ist als die mit Raubtieren.

Es war also wichtig, zu erfahren, bis zu welcher Entfernung von einem zivilisierten Lande der Wind die »Santa-Maria« getrieben hatte. Von dieser Frage hing das Heil oder das Unheil der Passagiere ab.[438]

Um hierüber klar zu werden, mußte der Kapitän Sonnenbeobachtungen anstellen. Doch war nicht zu befürchten, daß die Sonne hinter einem Wolkenvorhänge versteckt bliebe?

Zum Glück hatte der Orkan abgenommen und der Himmel war von Stunde zu Stunde reiner geworden. Um neun Uhr gelang dem Kapitän eine erste und zu Mittag eine zweite gute Beobachtung.

Das Ergebnis seiner darauf gegründeten Berechnung wurde allen sofort bekanntgegeben, und die Passagiere erfuhren dadurch, daß die »Santa-Maria« etwas südlich vom Kap Mirik unter 18°37' westlicher Länge und 19°15' nördlicher Breite gestrandet war, das heißt mehr als dreihundertvierzig Kilometer vom nördlichen Ufer des Senegal.

Ein niederzuckender Blitz hätte nicht mehr Schrecken erregen können. Fünf Minuten lastete ein tödliches Schweigen auf der Gruppe der Schiffbrüchigen. Die Frauen stießen keinen Schrei aus. Wie gelähmt hefteten sie die Blicke auf die Männer, auf ihre Väter, Brüder oder Ehegatten, von denen sie eine Hoffnung auf Rettung aussprechen zu hören erwarteten.

Das Wort Hoffnung erklang jedoch aus keinem Munde. Die Situation lag in ihrer dramatischen Einfachheit so klar vor Augen, daß sich niemand einer Täuschung über das allen bevorstehende Geschick hingeben konnte. Dreihundert vierzig Kilometer zurückzulegen! Das erforderte mindestens siebzehn Tage unter der Voraussetzung, daß eine Karawane, zu der Frauen, Kinder und Kranke gehörten, täglich zwanzig Kilometer über den Sandboden hinzog. War es daneben wahrscheinlich, daß man siebzehn Tage ohne eine schlimme Begegnung längs einer Küste hinwandern könnte, die so viel von raublustigen Arabern heimgesucht wird?

Mitten in der allgemeinen Bestürzung rief da plötzlich eine Stimme:

»Hundert können das nicht, doch einer kann es ausführen.«

Morgan war es, der diese Worte ausgesprochen hatte, die er unmittelbar an den Kapitän richtete. Dessen Augen wurden heller und verrieten offenbar eine Frage.


Sie sahen ihn mit der Hand noch einmal grüßend winken... (S. 444.)
Sie sahen ihn mit der Hand noch einmal grüßend winken... (S. 444.)

»Kann nicht einer von uns, fuhr Morgan fort, als Plänkler vorausgehen? Wir befinden uns dreihundertvierzig Kilometer von Saint-Louis, und vor diesem liegt noch Portendik. Zwischen dem Senegal und die ser Niederlassung dehnen sich Waldungen von Gummibäumen aus, durch die häufig kleine Abteilungen französischer Truppen ziehen. Bis dorthin sind es höchstens hundertzwanzig Kilometer, die ein einzelner Mann unter dem Drange der Notwendigkeit in zwei Tagen überwinden kann.


Der ganze Tag verging mit der Überführung des frühern Schiffsproviants. (S. 445.)
Der ganze Tag verging mit der Überführung des frühern Schiffsproviants. (S. 445.)

[439]


Er brauchte also nur für zwei Tage Lebensmittel mitzunehmen. Inzwischen steht nichts dem entgegen, daß die Gesamtzahl der Passagiere anfängt, langsam am Ufer hinzuziehen. Mit ein wenig Glück brächte dann Ihr Sendbote nach vier Tagen eine Begleitmannschaft mit, unter deren Schutz niemand etwas zu fürchten hätte. Wenn es Ihnen recht ist, erbiete ich mich, auf der Stelle aufzubrechen.[440]

– Beim Barte meiner Mutter, das nenne ich als Ehrenmann sprechen! rief der Kapitän Pip, indem er Morgans Hand herzlich drückte. Dagegen habe ich nur einen Einwand zu erheben, nämlich den, daß mir dieser Weg, und das mit Recht, zukommt.

– Das ist ein Irrtum, Herr Kapitän, widersprach ihm Morgan.

– Und inwiefern? fragte Pip, die Stirn runzelnd.

– Zunächst, erwiderte Morgan, sind hierbei die Jahre dessen zu berücksichtigen, der fortgehen soll. Wobei ich noch aushalte, davon würden Sie erliegen.«

Der Kapitän gab das durch ein Nicken mit dem Kopfe zu.

»Übrigens ist Ihr Platz bei denen, deren natürlicher Führer und Beschützer Sie sind. Ein General läuft nicht zu den Vorposten.

– Nein, sagte der Kapitän, der Morgan noch einmal die Hand drückte, er schickt aber seine zuverlässigsten Soldaten. Sie werden also gehen.

– In einer Stunde bin ich unterwegs,« erklärte Morgan, der sofort mit seinen Vorbereitungen begann.

Der Protest des Kapitäns war vereinzelt geblieben. Keiner unter allen, die zwar ihre Bereitwilligkeit nicht verleugneten, dachte nur einen Augenblick daran, Morgan die gefährliche Ehre zu bestreiten, die er für sich beanspruchte. Roger fand den Entschluß seines Freundes ganz natürlich. Auch er würde ohne Bedenken diesen Plan ausgeführt haben, wenn er ihn entworfen hätte. Darin war ihm der andre zuvorgekommen. Ein andermal würde die Reihe an ihm sein, das war alles. Er schlug Morgan jedoch vor, ihn zu begleiten. Das lehnte dieser aber entschieden ab, und bat nur seinen Landsmann, ohne sich weit er zu erklären, daß er über Alicen wachen möge, die er besonders gefährdet glaubte und nur mit Bedauern verließe.

Roger nahm den Auftrag an und versprach ihn gewissenhaft auszuführen.

Morgan ging es dennoch ans Herz, als er wohlbewaffnet, reichlich mit Munition und für drei Tage mit Lebensmitteln ausgerüstet, sich zum Aufbruch entschloß. Schweigend drückten die beiden Männer einander die Hand.

Morgan hatte noch einen schmerzlichern Abschied zu nehmen. Mrs. Lindsay stand vor ihm, und ihr woll te das Herz vor Traurigkeit brechen. Als er sich als Opfer erbot, verkannte er keineswegs die Schwierigkeiten und Gefahren seines Unterfangens. Wie viel wahrscheinlicher war es, daß er die nie wiedersehen würde, die er augenblicklich mit heißverlangendem Blicke betrachtete? Seinen[443] ganzen Mut zusammennehmend, gelang es ihm aber, sogar zu lächeln, indem er sich ehrerbietig vor der Amerikanerin verneigte.

Diese enthielt sich aus Furcht und aus Reue jedes tröstenden Wortes. Blaß und erzitternd streckte sie die Hand nur dem entgegen, der vielleicht für alle in den Tod ging.

»Ich danke Ihnen, sagte sie einfach. Auf baldiges Wiedersehen!«

Und aus ihrer Stimme sprach mehr als eine Hoffnung; es lag ein Wunsch, fast ein Befehl darin.

»Auf Wiedersehen!« antwortete Morgan wieder aufgerichtet, mit der Gewißheit, ihrem Wunsche zu folgen.

Die bei der »Santa-Maria« zurückgebliebenen Schiffbrüchigen folgten dem mutigen Boten noch lange mit den Augen. Sie sahen ihn auf dem Strande sich entfernen und mit der Hand noch einmal grüßend winken... Wenige Augenblicke später verschwand er hinter den Dünen, die sich am Ufer hinzogen.

»Ich bin in vier Tagen wieder zurück,« hatte Morgan gesagt. Der vierte Tag war der 13. Juli. Man durfte dieses Datum aber nicht im Schutze des gestrandeten Schiffes abwarten, das seine Lage auf der Seite unbewohnbar machte. Der Kapitän ließ deshalb ein vorläufiges Lager aus Segeln und Spieren errichten. Alles war noch vor dem Dunkelwerden fertig, und die Passagiere konnten sich unter dem Schutze der bewaffneten und sich auf dem Lande wie an Bord alle vier Stunden ablösenden Matrosen eines ruhigen Schlafes erfreuen.

Immerhin ließ der Schlaf in dieser ersten Nacht auf dem Strande, wo man vor einem Überfalle nicht sicher war, etwas lange auf sich warten. Mehr als einer hielt im Dunkel bis zum Morgen die Augen offen, lauschte gespannt und horchte auf das geringste Erzittern der Zeltleinwand.

Vor allen verbrachte Mrs. Lindsay diese Nacht in quälender Angst. Zu dem Schmerze, der sie erfüllte, gesellte sich noch eine neue Beunruhigung, deren Ursache die unerklärliche Abwesenheit ihres Schwagers war. Anfänglich hatte sie seinem, immerhin auffälligen Verschwinden keine besondre Bedeutung beigelegt, mit der Zeit verwunderte sie sich darüber aber doch mehr und mehr. Vergeblich suchte sie dann Jack unter den Gruppen von Passagieren; er war und blieb unauffindbar.

In der Finsternis und Stille der Nacht konnte Alice sich von dem Gedanken an dieses überraschende Verschwinden nicht befreien. Sie mochte ihn noch so entschieden von sich weisen, immer drängte er sich ihr wieder auf, und dazu noch[444] eine unbestimmte Ahnung, die in ihrer zunehmenden Besorgnis die Namen Jacks und Morgans miteinander verknüpfte.

Alice schwieg aber über die sie peinigende Abwesenheit. Was hätte es genützt, davon zu sprechen? Wenn durch sie ein Unglück herbeigeführt werden sollte, war es zu spät, das zu verhüten, mußte sie sich doch sagen, so sehr sie auch dieser Gedanke peinigte.

Jack hatte immer für sich allein gelebt, hatte sich vom Anfang der Reise an so zurückgezogen verhalten und war so düster verschlossen gewesen, daß seine Abwesenheit den andern nicht besonders auffiel. Niemand außer Alice bemerkte überhaupt etwas gerade jetzt davon, wo alle von ganz andern Sorgen bedrückt waren.

Im Laufe dieses Tages ging man nun an die Entladung der »Santa-Maria«. Nach und nach wurden die Kisten mit Schiffszwieback und Konserven aller Art ans Land geschafft und in der Form eines Schutzwalles aufgestapelt.

Der Kapitän hatte sich nämlich dafür entschieden, Morgans Rückkehr hier abzuwarten. Wenn er es auch für möglich hielt, genug Nahrungsmittel für die lange Wanderung mitzunehmen, so war doch die Frage wegen des nötigen Wassers kaum zu lösen, und diese unüberwindliche Schwierigkeit hatte ihn zu seinem Entschlusse bestimmt. Man besaß nicht genug Kürbisflaschen, nicht genug Schläuche für den Wasserbedarf so vieler Personen. Die Wassertonnen des Schiffes mit sich zu schleppen, wäre aber ganz unausführbar gewesen. An Ort und Stelle konnte man dagegen aus diesen schöpfen, und das ohne Besorgnis, sie vorzeitig zu entleeren. Außerdem sprach ja gar nichts dagegen, den Abmarsch um einige Tage zu verzögern. Wenn Morgan nach Ablauf der von ihm angenommenen Frist nicht zurückgekehrt war, dann sollte um jeden Preis ein entscheidender Beschluß gefaßt werden. Bis dahin bildeten die Kisten mit Nahrungsmitteln und die mit Wasser oder geistigen Getränken gefüllten Tonnen und Fässer einen Schutzwall, der sich mit beiden Enden ans Meer anschloß und hinter dem eine so zahlreiche Menschenmenge keine Überraschung zu fürchten brauchte.

Der ganze Tag verging mit der Überführung des frühern Schiffsproviants und der Errichtung des Schutzwalls. Die stark geneigte Lage der »Santa-Maria« erschwerte die Arbeiten beträchtlich und verdoppelte die Anstrengung derer, die damit beschäftigt waren. Die Sonne ging bereits unter, als sich das letzte Zelt hinter dem Walle erhob, der nirgends eine Lücke zeigte.

Das Gefühl von Sicherheit, das allen durch die Ruhe der vorhergangenen Nacht eingeflößt worden war und durch die Veränderung des Lagers noch verstärkt[445] wurde, veranlaßte den Kapitän auch mit Rücksicht auf die Überanstrengung seiner Leute zu einer Abänderung der nächtlichen Bewachung. Statt einander je nach vier Stunden abzulösen, sollten, statt früher vier, jetzt nur je zwei Mann wachen und alle Stunden wechseln. So war weit weniger zu befürchten, daß die Wachthabenden etwa einschliefen, und zwei Mann mußten ja auch genügen, im Notfalle alle zu alarmieren.

Der Kapitän Pip übernahm in Gesellschaft seines getreuen Artimon um neun Uhr selbst die Wache. Eine Stunde später wurde er vom Obersteuermann abgelöst, an dessen Stelle nach einer weitern Stunde der Bootsmann treten sollte.

Ehe er sich in den Schutz der Kisten- und Fässerschanze zurückzog, sah sich der Kapitän noch einmal nach allen Seiten um, bemerkte aber nichts, was ihm aufgefallen wäre. Überall herrschte friedliche Stille, und Artimon zeigte auch keinerlei Beunruhigung.

Nachdem er noch seinem Stellvertreter eingeprägt hatte, ja sorgsam zu wachen, zog er sich in das Zelt zurück, worin schon viele Passagiere schliefen, und von Müdigkeit übermannt, fiel auch er bald in Schlummer.

Wie lange mochte er aber geschlafen haben, als ihn ein lebhafter Traum umfing? In diesem Traume sah er, ohne die Ursache zu begreifen, wie Artimon in merkwürdiger Unruhe umherlief. Nachdem der Hund vergeblich versucht hatte, seinen Herrn zu wecken, steckte er dumpf knurrend den Kopf zum Zelte hinaus, kehrte aber gleich wieder um und zerrte den Kapitän an einem Zipfel seiner Kleidung. Der Kapitän schlief jedoch weiter.

Da hielt es Artimon nicht länger: er sprang auf seinen gutmütigen Herrn und leckte ihn hastig im Gesicht, als aber auch das noch nichts fruchtete, wagte er es, den Kapitän schwach am Ohre zu kneipen.

Jetzt schlug sein Herr endlich die Augen auf und erkannte, daß der Traum volle Wahrheit war. Mit einem Satze war er auf den Füßen und eilte, von Artimon begleitet, nach dem Eingange des Zeltes.

Den sollte er nicht mehr erreichen.

Plötzlich fing Artimon wütend an zu bellen, und ohne Zeit genug zu finden, sich über die Ursache dazu klar zu werden, sah der Kapitän nach rückwärts niederstürzend nur noch, daß seine plötzlich erwachten Gefährten sich in den Händen einer Bande von Mauren befanden, deren weiße Burnusse sie wie eine Wolke von Gespenstern erscheinen ließen.[446]

Quelle:
Michel Verne: Das Reisebüro Thompson und Comp. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band XCI–XCII, Wien, Pest, Leipzig 1909, S. 437-441,443-447.
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