10. Stolberg, der Freiheitssänger

[176] 1772.


Rauscht, Saiten, rauscht im Jubelton;

Ich denke Vaterland!

Noch sproßt von Hermanns Stamme Saat,

Und höhnt den Sturm!


Noch ragt um Manas Heiligtum,

Der Anwachs, schlank und stolz,

Die Schattenäste weit gestreckt,

Und hoch das Haupt.


Noch wuchert, Volkerhalter, dir

Hellgrünes Eichenlaub,[176]

Und dir, o frommer Bardenchor,

Der jenen sang!


Im dunklen Obdach ruft und singt

Einst Hirt und Ackermann;

Es koset Jüngling dort und Braut;

Die Mutter säugt!


Antworte Stolbergs hohem Ruf:

Freiheit und Vaterland!

Antworte dreifach, Wiederhall,

Dem hehren Ruf!


Es schauert durch den öden Hain

Geheimnisvolle Kraft;

Teuts Riesenbaum ergrünt am Stumpf,

Und säuselt auf!


Ach! nah' ich Hermanns edlem Sohn?

Ich staun'! Umarm' ich ihn,

Den Freiheitsrufer? ich den Mann,

Den Teut erkor?


Ich geh', und sag' umarmend ihm,

Nicht fein, nach Höflingsbrauch;

Nein, grad' und deutsch: dich liebt mein Herz,

Und ist dein wert!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 49, Stuttgart [o.J.], S. 176-177.
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