13. An den Geist meines Vaters Johann Friedrich Boie

[239] April 1776.


Hörst du noch von deinem Sternensitze,

Späht dein Blick, gewöhnt an Sonnenblitze,

Noch in diesem Grabthal' unsre Thränen,

Unser starres Sehnen?


Oder flüsterst du, noch jetzt der Wächter

Deiner Gattin, deiner Söhn' und Töchter,

Flüsterst du, als Schutzgeist, unsrer Seele

Göttliche Befehle?


Schwebst du hier auf diesen Balsamlüften

Die geheim der Nachtviol' entdüften,

Wie einst deinem Leben stille Güte,

Eh es, ach! verblühte?


O! so wahr du schaust, an den ich glaube!

Zürne nicht, o Vater, mit dem Staube,

Wo ich dich – wo wir, nicht ohne Zagen,

Unsern Vater klagen!


Leucht' in unsre finstern Sinnen Klarheit,

Und geleite sie zur hohen Wahrheit,

Welcher du durch Todesgram nachstrebtest,

Und, vor Wonne, bebtest!


Daß auch sie, bei ihrer Fackel Strahle,

Durch des Todes düstre Schreckenthale,

Hin, wo Engelhalleluja schallen,

Unerschrocken wallen;


Und um dich, auf goldnen Blumenauen,

Deine hellen Freund' und Kinder schauen,

Und den Lebenshain mit Ros' umrötet,

Den für uns ihr sätet!


Unsrer Mutter thränenlose Trauer,

Und des besten Mädchens bange Schauer,

Ach! sie foltern, foltern noch am wehsten!

Und ich kann nicht trösten!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 49, Stuttgart [o.J.], S. 239-240.
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