66. Nachgesang für die Enkel

[323] 28. Dezember 1800.


Der uns das Lied gesungen hat,

Der war ein frommer Singer.[323]

Er ging der alten Meister Pfad,

Ein unverdroßner Jünger:

Stets eingedenk des späten Ruhms,

Genannt zu sein des Altertums,

Des schönen, Wiederbringer.


Sein altes Liedlein: Gut und Schön!

Gab Sinn und Kraft den Matten,

Und hob den Geist zu edlern Höh'n,

Als Übermut der Satten.

O manches gleißt hier unterm Mond,

Was kaum des Seitenblicks sich lohnt:

Froh lebt der Weis' im Schatten.


Im Schirm der Musengrotte dort,

Und dort des schönen Baumes,

Erweitern Lied und frohes Wort

Sein Leben enges Raumes.

Und schloß er dann die Augen zu,

So freut er sich in holder Ruh

Des hehren Morgentraumes.


Der Singer sang uns Freude gern,

Ein immer wohlgemuter.

Am Nachtigallgebüsche fern,

Im Pappelschatten ruht er.

Nicht grünet unbesucht sein Grab;

Das Mägdlein bricht ein Blümchen ab,

Und saget sanft: Du Guter!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 49, Stuttgart [o.J.], S. 323-324.
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