Vorrede Tiecks

Ich übergebe teils mit Zutrauen, teils mit Ängstlichkeit diese Blätter dem Publikum. Ein Teil dieser Aufsätze ist ein Vermächtnis meines verstorbenen Freundes W.H. Wackenroder, wovon er die letztern erst kurz vor seiner Krankheit ausgearbeitet und mir mitgeteilt hat, sie sollten eine Fortsetzung des Buchs: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders sein, darum trifft der Leser hier den Namen Joseph Berglinger, sowie im ganzen den Ton jenes Buches wieder an. Für die Aufsätze über die Musik hatte mein Freund eine besondre Vorliebe, und er wünschte immer recht sehr, mit der ihm eigentümlichen schönen Lebhaftigkeit, sie gedruckt zu sehn. Ich kann erst jetzt seinen Wunsch erfüllen, und der Leser wird mir für die Mitteilung dieser Aufsätze danken, in denen man eine noch kühnere Vorstellungsart und eine ausgearbeitetere Sprache antreffen wird. Sein Stil ist in diesen Aufsätzen gedrungener und kräftiger, in seinen Bildern muß man oft das Seltsame, Kühne und Wahre bewundern, und jeder fühlende Leser wird mit mir die schöne Hoffnung beklagen, die die deutsche Literatur durch seinen frühen Tod verloren hat.

Mit vieler Schüchternheit habe ich die Blätter hinzugefügt, die von meiner Hand sind. Alle diese Vorstellungen sind in Gesprächen mit meinem Freunde entstanden, und wir hatten beschlossen, aus den einzelnen Aufsätzen gewissermaßen ein Ganzes zu bilden; – aber da ich nunmehr bei der Ausarbeitung selbst seinen Rat und seinen Beistand vermißt habe, so hat mir auch der Mut gefehlt, der mich in seiner Gesellschaft beseelt haben würde.

Von Wackenroder ist in der ersten Abteilung die erste und fünfte Nummer geschrieben, unter Berglingers Aufsätzen gehören mir die vier letzten an. Einen unvollendeten Aufsatz meines Freundes über Rubens habe ich zurückgelassen, sowie eine Kantate, mit der er selber unzufrieden war.[251]

– Von jeher war es sein Wunsch, für die Kunst leben zu können, seine schönste Hoffnung war, einst unter den Künstlern genannt zu werden; wenn ihm auch das letztere versagt wird, so wird ihn doch gewiß niemand, der ihn kannte, nur einigen Sinn für seine edle und liebenswürdige Originalität hatte, und der seine innige Liebe für alle

Kunst achtete, jemals vergessen können.[252]

Quelle:
Wilhelm Wackenroder: Werke und Briefe. Berlin und München 1984, S. 251-253.
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